Spruch
W603 2301181-1/15Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Thomas MIKULA, MBA im Beschwerdeverfahren von XXXX , Deutschland, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros, Fernmeldebehörde der Republik Österreich, vom XXXX .2024, GZ XXXX :
A)
Gemäß § 31 Abs. 1 iVm §§ 17 und 38 VwGVG idgF iVm § 24 VStG idgF und § 52 Abs. 2 AVG idgF wird Dr. Margot GLATZ, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Neurologie, Psychiatrische Kriminalprognostik, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Defreggerstraße 6/2, 3100 St. Pölten, zur Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapeutischen Medizin bis zum 31.05.2025 betraut.
B)
Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Straferkenntnis vom XXXX .2024, Geschäftszahl: XXXX , verhängte das Fernmeldebehörde, Fernmeldebehörde der Republik Österreich (in der Folge: belangte Behörde) gegen XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) eine Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe wegen näher angeführter Verwaltungsübertretungen gemäß § 174 Abs 3 und Abs 6 iVm § 188 Abs 4 Z 28 TKG 2021 (Spam-E-Mails).
Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am XXXX .2024 nachweislich zugestellt (OZ 1, AS 159).
Am XXXX .2024, bzw. nach Verbesserung am XXXX .2024, langte eine durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers fristgerecht eingebrachte Beschwerde samt mehreren Beilagen bei der belangten Behörde ein (OZ 1, AS 161).
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt am XXXX .2024 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Mit Schreiben vom XXXX 2024 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer zur Beantwortung mehrerer Fragen und zur Vorlage bezughabender Unterlagen auf (OZ 2).
Mit E-Mail vom XXXX .2024 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde um Mitteilung, ob ihr Amtssachverständige aus dem Gebiet der Psychiatrie zur Verfügung stehen und gegebenenfalls, um welche Personen es sich dabei handelt (OZ 3).
Am XXXX 2024 teilte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass ihr keine Amtssachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zur Verfügung stehen (OZ 4).
Mit Schreiben vom XXXX .2024 nahm der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter Stellung zu den ihm gestellten Fragen und übermittelte mehrere Unterlagen (OZ 7).
Mit Schreiben vom XXXX .2024 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, eine Zustimmungserklärung und Entbindung seines behandelnden Arztes von der ärztlichen Schweigepflicht binnen genannter Frist datiert und unterfertigt zu retournieren (OZ 8).
Mit Schriftsatz vom XXXX .2025 teilte der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter fristgerecht mit, dass er seinen behandelnden Arzt nicht von der Verschwiegenheit entbinde (OZ 9).
Mit Schreiben vom XXXX .2025 teilte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien mit, dass beabsichtigt sei, die nunmehr bestellte medizinische Sachverständige als nichtamtliche Sachverständige zu bestellen und räumte den Parteien eine Frist zur Stellungnahme ein. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, im Hinblick auf sein Vorbringen im Schriftsatz OZ 7, am XXXX .2024 sei vom Amtsgericht XXXX ein Verfahren gegen ihn eingestellt worden, da das Gericht „erhebliche Bedenken an der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers“ gehabt habe, diesbezügliche Unterlagen (Urteil, Verhandlungsprotokoll, o.ä.) vorzulegen, aus denen die Einstellung des Strafverfahrens und deren Begründung ersichtlich ist (OZ 10).
Mit Schreiben vom XXXX .2025 teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit, dass er in dieser Sache den Beschwerdeführer nicht mehr vertrete (OZ 12).
Mit E-Mail vom XXXX .2025 teilte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf das eingeräumte Parteiengehör zur beabsichtigten Bestellung der Amtssachverständigen (OZ 10) mit, „ich nehme an sowas nicht teil, weil es meine Ärzte XXXX , bei den ich regelmässig in Behandlung bin nicht empfehlen.“ (OZ 14).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Mit am XXXX .2024 zugestellten Straferkenntnis vom XXXX .2024, Geschäftszahl: XXXX , verhängte das die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs 3 und Abs 6 iVm § 188 Abs 4 Z 28 TKG 2021 eine Geldstrafe i.H.v. € 4000, zzgl. € 400 Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens, falls uneinbringlich, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden wegen der nachfolgend dargestellten Verwaltungsübertretungen:
„Sie sind und waren zu den ua Zeitpunkten Geschäftsführer der XXXX GmbH, XXXX Deutschland, XXXX , somit deren außenvertretungsbefugtes Organ und gem § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz - VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Person und haben daher dafür einzustehen, dass von Ihrem Unternehmen aus unter Verwendung jeweils der Absender-E-Mailadresse XXXX jedenfalls die ua elf E-Mails (Newsletter) mit jeweils dem Betreff „ XXXX GmbH“, somit elektronische Post, zu Zwecken der Direktwerbung für die Leistungen und Produkte der XXXX GmbH an die E-Mailadresse XXXX @gmx.at des Herrn XXXX gesendet wurden, obwohl sich XXXX schon per E-Mail vom XXXX .2018, 20:34 Uhr an XXXX vom Newsletter Ihres Unternehmens abgemeldet hat, was von Ihnen per E-Mail vom XXXX .2018 mit den Worten „Nein. Der Newsletter bringt Ihnen neue Informationen und darauf sollten Sie nicht verzichten.“ quittiert wurde, sodass die nachfolgend angeführten E-Mailzusendungen von keiner Einwilligung des Empfängers mehr gedeckt waren. Die E-Mails (die Newsletter) wurden zu folgenden Zeiten versendet:
1. am 07.08.2023, 11:11 Uhr, 2. am 14.08.2023, 11:41 Uhr, 3. am 21.08.2023, 08:11 Uhr, 4. am 30.08 .2023, 14:11 Uhr, 5. am 05.09.2023, 05:41 Uhr, 6. am 11.09.2023, 21:41 Uhr, 7. am 15.09.2023, 21:41 Uhr, 8. am 16.09.2023, 10:41 Uhr, 9. am 16.09.2023, 16:41 Uhr, 10. am 18.09.2023, 04:41 Uhr und 11. am 24.09.2023, 17:11 Uhr
Die oa Nachrichten wurden von Deutschland aus versendet und erreichten den angeschriebenen Empfänger XXXX in 2491 Neufeld an der Leitha, sodass gem § 174 Abs 6 TKG 2021 der Tatort der angelasteten Übertretung dort gelegen ist.“
Zur subjektiven Tatseite hielt die belangte Behörde unter anderem fest, dass der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 VStG als nach außen vertretungsbefugter Geschäftsführer der XXXX GmbH strafrechtlich verantwortlich sei. Bei der angelasteten Übertretung handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 VStG, sodass bereits eine (leicht) fahrlässige Tatbegehung für die Strafbarkeit ausreichend sei. Der Eintritt eines Schadens gehöre nicht zum Tatbestand. Von einem fahrlässigen Verhalten habe die Behörde bei Übertretungen, die – wie hier – mit einer Strafe von bis zu 50.000,- Euro bedroht sind, ohne weiteres dann auszugehen, wenn eine beschuldigte Person nicht glaubhaft mache, dass sie an einer Übertretung kein Verschulden trifft.
Als zum Tatzeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Person sei es dem Beschwerdeführer oblegen, durch eine entsprechende Unternehmensorganisation sicherzustellen, dass die einschlägigen Normen – vorliegend § 174 Abs 3 TKG 2021 – eingehalten werden. Mit diesen Normen habe er sich eingehend vertraut zu machen gehabt. Der Beschwerdeführer hätte zu gewährleisten gehabt, dass sich die bei der XXXX GmbH Beschäftigten rechtskonform verhalten. Dazu wären ein entsprechendes Kontrollsystem einzurichten, Weisungen zu erteilen, Mitarbeiter entsprechend zu schulen und Kontrollen der Einhaltung der Weisungen laufend und nicht nur stichprobenartig durchzuführen gewesen. Es seien alle Maßnahmen zu ergreifen gewesen, die mit gutem Grund die Einhaltung der einschlägigen Norm erwarten hätten lassen (vgl. z.B. VwGH, zB VwGH 20.03.2018, Ra 2017/03/0092 mwN). Für ein allfälliges Fehlverhalten der Beschäftigten sei vom verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen einzustehen, wenn diese Maßnahmen nicht im ausreichenden Maße ergriffen wurden. Ein entsprechendes Regel- und Kontrollsystem sei nicht implementiert gewesen.
Auch angesichts einer im Wesentlichen vergleichbaren deutschen Rechtslage und weil der Empfänger der verfahrensgegenständlichen E-Mails diesem Empfang ausdrücklich widersprochen hatte, sei für den Beschwerdeführer, gegebenenfalls auch ohne Kenntnis der geltenden (österreichischen) Rechtslage, leicht zu erkennen gewesen, dass weitere Zusendungen entgegen dem klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Empfängers erfolgten. Der Beschwerdeführer habe daher sogar vorsätzlich weiter E-Mails an den Empfänger gesendet und dessen E-Mail-Adresse nicht aus dem Verteiler gelöscht, obwohl das Fehlen einer Einwilligung dem Beschwerdeführer bekannt gewesen sei. Dieser habe daher auch in subjektiver Hinsicht für die angelasteten Übertretungen einzustehen.
Der Beschwerdeführer war zu den festgestellten Tatzeiträumen und ist bis dato Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der XXXX GmbH (OZ 7).
Die Mutter des Beschwerdeführers wurde vom Amtsgericht XXXX mehrfach, zuletzt mit Beschluss vom XXXX .2022 bis zum XXXX .2022 zur vorläufigen Betreuerin des Beschwerdeführers bestellt. Der Aufgabenkreis der Betreuung umfasste dabei die Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, die Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen, die Gesundheitsfürsorge, die Vermögenssorge und die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und sozialen Leistungsträgern. Die Betreuung wurde im Rahmen dieses Aufgabenkreises für die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung eingeräumt. Im August 2023 hatte der Beschwerdeführer keinen rechtlichen Betreuer (OZ 7).
Beim Beschwerdeführer wurde eine „F25.0 Schizoaffektive Störung“ diagnostiziert, er war jedenfalls im Zeitraum XXXX 2018 (1. Aufenthalt) und XXXX 2022 (2. Aufenthalt) in stationärer Behandlung (Beilagen zur Beschwerde, OZ 1). Von August 2023 bis dato war der Beschwerdeführer nicht mehr in stationärer medizinischer Behandlung (OZ 7).
Der Beschwerdeführer gab im Verfahren an, auch im Tatzeitraum September 2023 wegen depressiver Verstimmungen wiederholt tageweise zu Hause geblieben zu sein, ärztliche Unterlagen diesbezüglich existierten nicht (OZ 7).
Der Beschwerdeführer ist seit vielen Jahren in dauerhafter Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie in Deutschland (OZ 7). Der Beschwerdeführer hat seinen behandelnden Arzt über entsprechende Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts nicht von seiner Verschwiegenheit entbunden, weshalb keine zusätzlichen Unterlagen von diesem eingefordert werden konnten (OZ 9).
Der Beschwerdeführer nimmt regelmäßig folgende Medikamente ein: XXXX (OZ 7).
Laut im Verfahren vorgelegtem Arztbericht vom XXXX 2023 kam der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt zurecht, war seit ca. einem Jahr psychisch stabil, in regelmäßiger Behandlung und auf ein Depot eingestellt. Laut psychopathologischen Befund war der Patient zu diesem Zeitpunkt „wach, voll orientiert, Konzentration und Aufmerksamkeit leicht reduziert. Denken geordnet, inhaltlich unauffällig, im Affekt ausgeglichen und schwingungsfähig, Antrieb ist gut, keine Wahrnehmungsstörungen, keine mnestischen oder kognitiven Defizite. Psychomotorisch unauffällig, Suizidgedanken werden verneint.“ Die psychiatrische Diagnose des Arztberichtes lautet auf „gesichert Schizoaffektive Störung“, eine unveränderte Weiterführung der Medikation wurde empfohlen (Beilagen zur Beschwerde, OZ 1).
Im XXXX 2023 wurde der Beschwerdeführer zudem wegen gerichtlich strafbarer Tathandlungen vom XXXX 2018, XXXX 2021 und XXXX 2022 durch ein deutsches Amtsgericht wegen zumindest verminderter, wenn nicht fehlender Schuldfähigkeit freigesprochen (Beilagen zur Beschwerde, OZ 1).
Der Beschwerdeführer ist ledig, alleinstehend und ohne Familie (OZ 7).
Dem Fernmeldebüro stehen keine Amtssachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zur Verfügung (OZ 4).
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und den Inhalten des Gerichtsakts. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet diese Aktenbestandteile als unbedenklich und valide, sodass keine Bedenken bestehen, sie den Feststellungen zugrunde zu legen. Der festgestellte Sachverhalt wurde im Übrigen auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichts durch Beschluss.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels gesetzlicher Anordnung einer Senatszuständigkeit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1. Zu Spruchteil A)
3.1.1. Anwendbare Rechtsgrundlagen
§ 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:
„Zurechnungsfähigkeit
§ 3. (1) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.
(2) War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewußtseinsstörungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen.“
§ 5 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:
„Schuld
§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
(1a) Abs. 1 zweiter Satz gilt nicht, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50 000 Euro bedroht ist.
(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.“
§ 52 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet auszugsweise:
„Sachverständige
§ 52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.
(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.
(3) …
(4) Der Bestellung zum nichtamtlichen Sachverständigen hat Folge zu leisten, wer zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wer die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis die Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist. Nichtamtliche Sachverständige sind zu beeiden, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet sind. Die §§ 49 und 50 gelten auch für nichtamtliche Sachverständige.“
3.1.2. Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens
Nach § 3 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt nicht für Bewusstseinsstörungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen.
Wie festgestellt, legte der Beschwerdeführer mit der Beschwerde und danach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (u.a. medizinische) Unterlagen vor, die eine „F25.0 Schizoaffektive Störung“, mit zeitweisen stationären Klinik-Aufenthalten im Zeitraum XXXX 2018 (1. stationärer Aufenthalt) und XXXX 2022 (2. stationärer Aufenthalt) darlegen.
Im Mai 2023 wurde der Beschwerdeführer zudem wegen gerichtlich strafbarer Tathandlungen zwischen XXXX 2018 und XXXX 2022 durch ein deutsches Amtsgericht wegen zumindest verminderter, wenn nicht fehlender Schuldfähigkeit freigesprochen.
Einem im Verfahren vorgelegten Arztbericht, ebenfalls vom XXXX 2023, ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt seit ca. einem Jahr psychisch stabil, in regelmäßiger Behandlung und auf ein Depot eingestellt war. Auch aktuell ist der Beschwerdeführer in medikamentöser Behandlung.
Für die im gegenständlichen Verfahren relevanten Tatzeiträume (August und September 2023) sowie für den Zeitpunkt der Entgegennahme des Straferkenntnisses liegen demgegenüber keine medizinischen Unterlagen vor. Der Beschwerdeführer hat auch seinen behandelnden Arzt in Bayern über entsprechende Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts nicht von seiner Verschwiegenheit entbunden, weshalb keine zusätzlichen Unterlagen von diesem eingefordert werden konnten.
Nach VwGH 10.10.1990, 90/03/0140 kann bei aktenkundigen Hinweisen auf mögliche Schuldunfähigkeit im Tatzeitraum ohne Beiziehung eines ärztlichen Amtssachverständigen eine sichere Feststellung darüber, ob sowohl die Diskretionsfähigkeit als auch die Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit vorgelegen sind, nicht getroffen werden. Auch ist nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung bei entsprechenden Hinweisen die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers von Amts wegen zu prüfen, um überhaupt beurteilen zu können, ob eine wirksame Zustellung des Straferkenntnisses möglich war (VwGH 14.12.2012, 2011/02/0053).
Bei der derzeitigen Aktenlage ist daher im gegenständlichen Verfahren vor dem Hintergrund der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Beiziehung einer medizinischen/psychiatrischen Sachverständigen zur Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers in den relevanten Tatzeiträumen und der Prozessfähigkeit erforderlich.
3.1.3. Nichtamtliche Sachverständige
Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, sind gemäß § 52 Abs. 1 AVG grundsätzlich die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.
Gemäß § 52 Abs. 2 AVG kann die Behörde aber auch ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist. Nach VwGH 16.11.2021, Ra 2021/03/0038 ist die Heranziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen in jedem Fall entsprechend zu begründen.
Wie oben in Punkt II.3.1.2. ausgeführt wurde, ist verfahrensgegenständlich im Hinblick auf die mit der Beschwerde und danach im Beschwerdeverfahren vorgelegten (medizinischen) Unterlagen bzw. das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers eine Beurteilung seiner Schuldfähigkeit ohne die Beiziehung einer medizinischen Sachverständigen nicht möglich und zulässig. Der Kreis der Amtssachverständigen, die einem Verwaltungsgericht in einem von ihm geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Verfügung stehen, ist nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung iSd § 52 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG analog zu dem Kreis zu sehen, der der Verwaltungsbehörde, deren Bescheid bzw. deren Säumnis vor dem Verwaltungsgericht in Beschwerde gezogen wurde, grundsätzlich zur Verfügung steht (vgl. VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0024, sowie wiederum VwGH 30.4.2020, Ra 2019/12/0082, mwN). Psychiatrische Amtssachverständige stehen dem Bundesverwaltungsgericht nicht zur Verfügung. Da aktenkundig auch der belangten Behörde keine Amtssachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie beigegeben sind oder sonst zur Verfügung stehen (OZ 4), kann das Bundesverwaltungsgericht für das erforderliche Gutachten auch nicht auf solche zurückgreifen.
Die Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen ist zudem auch in der Besonderheit des konkreten Falles – der aktenkundigen medizinischen Vorgeschichte des Beschwerdeführers – begründet. Im vorliegenden Fall sind die zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes erforderlichen besonderen Fachkenntnisse bei der bestellten Sachverständigen vorhanden. Ablehnungsgründe sind nicht gegeben und wurden auch von den Parteien über ausdrücklich gewährtes Parteiengehör zur beabsichtigten Bestellung der medizinischen Sachverständigen keine solchen Gründe vorgebracht (OZ 13, 14).
Zusammengefasst kann das Bundesverwaltungsgericht fallgegenständlich daher gemäß § 52 Abs. 2 AVG für das im Verfahren erforderliche medizinische/psychiatrische Sachverständigengutachten auf die mit diesem Beschluss bestellte nichtamtliche Sachverständige zurückgreifen.
3.1.4. Inhalt des beauftragten Gutachtens
Das Gutachten ist schriftlich zu erstatten.
Der bestellten Sachverständigen wird aufgetragen, nach Untersuchung/Begutachtung des Beschwerdeführers oder – sollte sich dieser einer Untersuchung durch die Sachverständige entziehen – auf Basis des der Sachverständigen zu übermittelnden Akteninhalts, folgende Fragen
(i) zur Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die ihm vorgeworfenen Tathandlungen (vgl. Punkt II.1.: Nichteinrichten eines entsprechendes Regel- und Kontrollsystems; fehlende Überwachung, Schulung und Unterweisung der Mitarbeiter; Unterlassen des Löschens der E-Mail-Adresse des Anzeigers aus dem Verteiler) und
(ii) zur Prozessfähigkeit zu beantworten:
1. Leidet der Beschwerdeführer an (i) einer Bewusstseinsstörung, (ii) einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder (iii) an Geistesschwäche (vgl. § 3 Abs. 1 VStG)? Wenn ja, an welcher?
2. War der Beschwerdeführer wegen des Vorliegens (i) einer Bewusstseinsstörung, (ii) einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder (iii) einer Geistesschwäche im Tatzeitraum August 2023 bis September 2023 fähig, das Unerlaubte der vorgeworfenen Taten (s.o.) einzusehen bzw. wäre ihm dies im Fall fahrlässiger Begehung möglich gewesen (Diskretionsfähigkeit)? (§ 3 Abs. 1 VStG)
3. Sollte Frage 2. bejaht werden: War der Beschwerdeführer wegen des Vorliegens (i) einer Bewusstseinsstörung, (ii) einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder (iii) einer Geistesschwäche im Tatzeitraum August 2023 bis September 2023 fähig, seiner Einsicht über das Unerlaubte der vorgeworfenen Taten (s.o.) gemäß zu handeln bzw. wäre ihm dies im Fall fahrlässiger Begehung möglich gewesen (Dispositionsfähigkeit)? (§ 3 Abs. 1 VStG)
4. Sollte die Frage 2. bejaht werden: War die Fähigkeit das Unerlaubte der Taten einzusehen (Diskretionsfähigkeit) zu den in Frage 2. angegebenen Tatzeiten aus einem der in Frage 2. genannten Gründe in hohem Grad vermindert? (§ 3 Abs. 2 VStG)
5. Sollte die Frage 3. bejaht werden.: War die Fähigkeit dieser Einsicht gemäß zu handeln (Dispositionsfähigkeit) zu den in Frage 3. angegebenen Tatzeiten aus einem der in Frage 3. genannten Gründen in hohem Grad vermindert? (§ 3 Abs. 2 VStG)
6. War der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Erhalts des Straferkenntnisses am XXXX .2024 und zu den Zeitpunkten der Bevollmächtigung seines Anwalts am XXXX .2024 und der Entziehung der Bevollmächtigung am XXXX 2025 in der Lage, die Bedeutung und Tragweite dieser prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten (Prozessfähigkeit)?
7. Ist der Beschwerdeführer aktuell in der Lage, die Bedeutung und Tragweite des Beschwerdeverfahrens und der damit verbundenen prozessualen Vorgänge, einschließlich der Teilnahme an einer psychiatrischen Begutachtung und an einer Gerichtsverhandlung, zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (Prozessfähigkeit)?
Das Bundesverwaltungsgericht ersucht, bei der Erstellung des Gutachtens den übermittelten Akteninhalt und dabei insbesondere folgende Dokumente zu berücksichtigen:
– den Arztbrief des Bezirksklinikums XXXX vom XXXX .2018
– den Betreuerausweis des Amtsgerichts XXXX vom XXXX 2022
– den vorläufigen Arztbrief des Bezirksklinikums XXXX vom XXXX .2022
– den Arztbericht Dr. XXXX vom XXXX .2023
– das Urteil des Amtsgerichts XXXX vom XXXX .2023
– das angefochtene Straferkenntnis des Fernmeldebüros vom XXXX .2024 (OZ 1),
– den im Behördenakt abgebildeten E-Mail-Verkehr des Beschwerdeführers mit dem Anzeiger und der Behörde (OZ 1).
– die Beschwerde vom XXXX .2024 samt Beilagen (OZ 1),
– die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom XXXX .2024 samt Beilagen (OZ 7)
– die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom XXXX .2025 (OZ 9)
– die Mitteilung des Beschwerdeführers per E-Mail vom XXXX 2025 (OZ 14)
Für die Erstellung des Gutachtens wird eine Frist bis zum 31.05.2025 gesetzt.
3.2. Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 3 VwGG ist gegen verfahrensleitende Beschlüsse eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Bei der Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen handelt es sich um einen derartigen verfahrensleitenden Beschluss. Die mit dem gegenständlichen Beschluss vorgenommene Bestellung einer nichtamtlichen Sachverständigen ist daher nicht gesondert anfechtbar, sodass die Revision unzulässig ist (vgl. zuletzt VwGH 10.06.2024, Ra 2024/06/0055).