Spruch
W603 2301181-1/21E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Thomas MIKULA, MBA im Beschwerdeverfahren von XXXX , Deutschland, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros, Fernmeldebehörde der Republik Österreich, vom XXXX .2024, GZ XXXX :
A)
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit am XXXX .2024 zugestelltem Straferkenntnis vom XXXX .2024, verhängte das Fernmeldebüro, Fernmeldebehörde der Republik Österreich (in der Folge: belangte Behörde) gegen XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) eine Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe wegen näher angeführter Verwaltungsübertretungen (SPAM-Mails; OZ 1).
Am XXXX 2024, bzw. nach Verbesserung am XXXX .2024, langte eine durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eingebrachte Beschwerde samt mehreren Beilagen bei der belangten Behörde ein (OZ 1, AS 161).
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt am XXXX .2024 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Mit Schreiben vom XXXX .2025 teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit, dass er den Beschwerdeführer nicht mehr vertrete (OZ 12).
Aufgrund aktenkundiger Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Beschwerdeführers bestellte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom XXXX .2025 Dr. Margot GLATZ als nichtamtliche psychiatrisch/neurologische Sachverständige, da der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht keine Amtssachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zur Verfügung stehen (OZ 4, OZ 15). Der Sachverständigen wurde aufgetragen, im Gutachten unter anderem die Fragen
„(i) zur Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die ihm vorgeworfenen Tathandlungen (vgl. Punkt II.1.: Nichteinrichten eines entsprechendes Regel- und Kontrollsystems; fehlende Überwachung, Schulung und Unterweisung der Mitarbeiter; Unterlassen des Löschens der E-Mail-Adresse des Anzeigers aus dem Verteiler) und
(ii) zur Prozessfähigkeit zu beantworten:
1. Leidet der Beschwerdeführer an (i) einer Bewusstseinsstörung, (ii) einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder (iii) an Geistesschwäche (vgl. § 3 Abs. 1 VStG)? Wenn ja, an welcher?
2. War der Beschwerdeführer wegen des Vorliegens (i) einer Bewusstseinsstörung, (ii) einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder (iii) einer Geistesschwäche im Tatzeitraum August 2023 bis September 2023 fähig, das Unerlaubte der vorgeworfenen Taten (s.o.) einzusehen bzw. wäre ihm dies im Fall fahrlässiger Begehung möglich gewesen (Diskretionsfähigkeit)? (§ 3 Abs. 1 VStG)
…
6. War der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Erhalts des Straferkenntnisses am 30.08.2024 und zu den Zeitpunkten der Bevollmächtigung seines Anwalts am 20.09.2024 und der Entziehung der Bevollmächtigung am 25.02.2025 in der Lage, die Bedeutung und Tragweite dieser prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten (Prozessfähigkeit)?
…“ (OZ 15).
Am XXXX .2025 übermittelte die Sachverständige das psychiatrische und neurologische Gutachten an das Bundesverwaltungsgericht (OZ 18), wozu der Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde (OZ 19). Die belangte Behörde nahm nicht Stellung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Mit Straferkenntnis vom XXXX .2024, Geschäftszahl: XXXX , verhängte die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs 3 und Abs 6 iVm § 188 Abs 4 Z 28 TKG 2021 eine Geldstrafe i.H.v. € 4.000, zzgl. € 400 Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens, falls uneinbringlich, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden wegen der nachfolgend dargestellten Verwaltungsübertretungen:
„Sie sind und waren zu den ua Zeitpunkten Geschäftsführer der XXXX GmbH, XXXX , Deutschland, HRB XXXX des Amtsgerichts XXXX , somit deren außenvertretungsbefugtes Organ und gem § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz - VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Person und haben daher dafür einzustehen, dass von Ihrem Unternehmen aus unter Verwendung jeweils der Absender-E-Mailadresse info@ XXXX .de jedenfalls die ua elf E-Mails (Newsletter) mit jeweils dem Betreff „ XXXX GmbH“, somit elektronische Post, zu Zwecken der Direktwerbung für die Leistungen und Produkte der XXXX GmbH an die E-Mailadresse XXXX @gmx.at des Herrn XXXX gesendet wurden, obwohl sich Herr XXXX schon per E-Mail vom 17.09.2018, 20:34 Uhr an info@ XXXX .de vom Newsletter Ihres Unternehmens abgemeldet hat, was von Ihnen per E-Mail vom 19.09.2018 mit den Worten „Nein. Der Newsletter bringt Ihnen neue Informationen und darauf sollten Sie nicht verzichten.“ quittiert wurde, sodass die nachfolgend angeführten E-Mailzusendungen von keiner Einwilligung des Empfängers mehr gedeckt waren. Die E-Mails (die Newsletter) wurden zu folgenden Zeiten versendet:
1. am 07.08.2023, 11:11 Uhr, 2. am 14.08.2023, 11:41 Uhr, 3. am 21.08.2023, 08:11 Uhr, 4. am 30.08.2023, 14:11 Uhr, 5. am 05.09.2023, 05:41 Uhr, 6. am 11.09.2023, 21:41 Uhr, 7. am 15.09.2023, 21:41 Uhr, 8. am 16.09.2023, 10:41 Uhr, 9. am 16.09.2023, 16:41 Uhr, 10. am 18.09.2023, 04:41 Uhr und 11. am 24.09.2023, 17:11 Uhr
Die oa Nachrichten wurden von Deutschland aus versendet und erreichten den angeschriebenen Empfänger Herrn XXXX in XXXX , sodass gem § 174 Abs 6 TKG 2021 der Tatort der angelasteten Übertretung dort gelegen ist.“
Zur subjektiven Tatseite führte die belangte Behörde (näher begründet) aus, der Beschwerdeführer habe auch in subjektiver Hinsicht für die angelasteten Übertretungen einzustehen.
Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer persönlich am XXXX 2024 im Rechtshilfeweg zugestellt (OZ 1, S. 159).
Die Mutter des Beschwerdeführers wurde vom Amtsgericht XXXX mehrfach, zuletzt mit Beschluss vom XXXX .2022 bis zum XXXX .2022 zur vorläufigen Betreuerin des Beschwerdeführers bestellt. Im August 2024 hatte der Beschwerdeführer keinen rechtlichen Betreuer bzw. Vertreter (OZ 7).
Der Beschwerdeführer leidet an einer schizoaffektiven Störung F25 nach ICD-10, die auf einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung beruht. Diese Erkrankung erfordert eine lebenslange psychiatrisch-medikamentöse Behandlung, um das Wiederauftreten weiterer Krankheitsepisoden zu verhindern (Gutachten OZ 18, S. 15, 16).
Diese Störungen sind dauerhaft („dauerhaftes Residuum“) und haben die Diskretionsfähigkeit des Beschwerdeführers im Tatzeitraum trotz fehlender akuter Krankheitsschübe erheblich gemindert, so dass er das Unerlaubte der ihm vorgeworfenen Taten nicht einsehen konnte (Gutachten OZ 18, S. 16).
Der Beschwerdeführer war auch im Zeitraum zwischen dem 30.08.2024 und 25.02.2025 aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage, die Bedeutung und Tragweite prozessualer Vorgänge, wie die Zustellung des Bescheides und die Bevollmächtigung eines Anwalts bzw. deren Widerruf, zu erkennen (Gutachten OZ 18, S. 17).
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich grundsätzlich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und den Inhalten des Gerichtsakts. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet diese Aktenbestandteile als unbedenklich und valide, sodass keine Bedenken bestehen, sie den Feststellungen zugrunde zu legen.
Die Feststellungen in Bezug auf die fehlende Zurechnungsfähigkeit zu den verfahrensgegenständlich relevanten Tatzeitpunkten und zur Prozessunfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem eingeholten psychiatrisch/neurologischen Gutachten der bestellten Sachverständigen (OZ 18), das in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und keine Widersprüche aufweist. Die Sachverständige hat auftragsgemäß die aktenkundigen Unterlagen (etwa Vorbefunde) berücksichtigt, führte mehrere (telefonische) Gespräche mit dem Beschwerdeführer und ging auf diese Befundaufnahmen im Gutachten ausführlich ein. Das Gutachten OZ 18 steht auch mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismitteln (insbesondere Arztbrief des Bezirksklinikums XXXX vom 27.11.2018, Betreuerausweis des Amtsgerichts XXXX vom 02.02.2022, vorläufiger Arztbrief des Bezirksklinikums XXXX vom 16.03.2022, Arztbericht XXXX vom 04.05.2023, Urteil des Amtsgerichts XXXX vom 14.06.2023) nicht in Widerspruch. Im Ergebnis sind somit keine Hinweise hervorgekommen, die das Bundesverwaltungsgericht an der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens zweifeln lassen.
Dem Inhalt oder Ergebnis des eingeholten Gutachtens wurde auch im Rahmen des Parteiengehörs von der belangten Behörde nicht widersprochen oder dieses in Zweifel gezogen.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichts durch Beschluss.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels gesetzlicher Anordnung einer Senatszuständigkeit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1. Zu Spruchteil A)
Die Erlassung schriftlicher Bescheide setzt eine wirksame Zustellung voraus (§§ 21 f AVG iVm dem ZustG). Eine zulässige Bescheidbeschwerde an ein Verwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG setzt einen wirksam erlassenen Bescheid voraus. Wenn der angefochtenen Erledigung – mangels wirksamer Zustellung – kein Bescheidcharakter zukommt, ist eine Beschwerde vom Verwaltungsgericht als unzulässig zurückzuweisen (vgl. dazu VwGH 24.04.2003, Zl. 99/20/0182; 10.12.2008, Zl. 2008/22/0302; 11.11.2009, Zl. 2008/23/0764).
Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es (unter anderem) darauf an, ob der Zustellungsempfänger handlungsfähig war, nicht darauf, ob für ihn bereits ein Sachwalter bestellt worden ist (VwGH 20.02.2013, Zl. 2010/11/0062). Ein Mangel der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH 20.02.2013, Zl. 2010/11/0062). Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007). Für die Zeit vor der (allfälligen) Bestellung eines Vertreters ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer nicht prozessfähig gewesen ist und somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (VwGH 25.05.2005, Zl. 2003/09/0019; VwGH 27.02.2006, Zl. 2004/05/0326). Mangelnde Prozessfähigkeit führt somit zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte der Behörde, insbesondere von Zustellungen.
Wie festgestellt, wurde das angefochtene Straferkenntnis dem Beschwerdeführer (ausschließlich) persönlich am 30.08.2024 im Rechtshilfeweg zugestellt. Für diesen Zeitpunkt wurde auf Grundlage des eingeholten Gutachtens aber ebenfalls festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht (mehr) in der Lage war, die Bedeutung und Tragweite prozessualer Vorgänge, wie der Zustellung des Bescheides (und die darauf folgende Bevollmächtigung eines Anwalts bzw. deren Widerruf), zu erkennen. Dem Beschwerdeführer fehlte im Zeitpunkt des Zustellvorgangs daher die Prozessfähigkeit, weshalb die Zustellung keine Rechtswirkung entfalten konnte.
Die an den Beschwerdeführer erfolgte Zustellung des verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisses war daher rechtsunwirksam, weshalb der Bescheid weder gegenüber dem Beschwerdeführer noch gegenüber der gemäß § 9 Abs 7 VStG für die verhängte Strafe zur ungeteilten Hand zur Haftung herangezogenen XXXX GmbH rechtlich existent geworden ist. Mangels tauglichen Anfechtungsgegenstands ist das Rechtsmittel – fallgegenständlich die Beschwerde – daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 11. November 2009, Zl 2008/23/0764).
Auf die Frage der Wirksamkeit der Bevollmächtigung des Rechtsvertreters bzw. der Entziehung dieser Vollmacht muss vor diesem Hintergrund ebenso wenig eingegangen werden, wie darauf, dass der Beschwerdeführer nach den Verfahrensergebnissen in den Tatzeiträumen auch nicht (mehr) zurechnungsfähig iSd § 3 VStG war.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 44 Abs 2 VwGVG.
3.2. Zu Spruchteil B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der im jeweiligen Zusammenhang zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einschlägiger Rechtsprechung. Die Entscheidung folgt der im jeweiligen Zusammenhang zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.