JudikaturBVwG

W200 2296011-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2024

Spruch

W200 2296011-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. Taurer sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer/in über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 18.06.2024, Zl. 68891918700061, zu Recht erkannt:

A)In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.

B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Vorverfahren:

Die Beschwerdeführerin ist seit zumindest 2023 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 Prozent.

Gegenständliches Verfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 25.04.2024 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass und nannte als Gesundheitsschädigungen „linkes Knie, Lumboischialgie links, Schulter, Hiatushernie, Gastritis reflux, Schlafprobleme“ sowie „Inkontinenz“ und „Schmerzen in beiden Händen“.

Das dazu eingeholte unfallchirurgische und allgemeinmedizinische Gutachten vom 13.05.2024 basierend auf einer Untersuchung vom selben Tag gestaltete sich wie folgt:

„Anamnese:

Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 31.03.2023, ges. GdB 50% Zwischenanamnese: Stoßwellentherapie an den Schultern

Derzeitige Beschwerden:

Ich habe ein Ameisenlauf am rechten Arm. Ich habe Probleme mit dem linken Knie. Ich kann das Knie nicht beugen. Das Knie tut weh. Ohne Schiene kann ich nicht gehen. Ich habe Probleme an den Händen und an der rechten Schulter. Ich habe Probleme mit dem Harn. Ich habe Probleme beim Schlucken. Ich habe einen Reflux.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Rosuvastatin, Motilium, Pantoprazol, Zolpidem, Ibuprofen, Oleovit

Laufende Therapie:

Hilfsmittel: Gehstock rechts, Knieschiene links

Sozialanamnese: verheiratet; 3 Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

04/24 Röntgenbefund beschreibt Tendinosis calcarea der rechten Supraspinatussehne, die Hände radiolog. unauffällig, unauffällige Knietotalendoprothese links 03/24 Befundbericht Orthopädisches Spital Speising beschreibt ohne Gehbehelfe mobil, S 0-0-70°, Knieschiene.

02/24 Befundbericht Orthopädisches Spital Speising über Stoßwellentherapie rechte Schulter

01/24 Sono beschreibt Sehnenscheidenganglion am linken Daumen 12/23 reguläre MRT des rechten Knies,

11/23 Rehabericht Speising nach Knietotalendoprothese links, beschreibt anhaltend Schmerzen, Donjoy-Schiene

01.05.24 Befundbericht AUVA Traumazentrum Wien Standort Meidling über Knieprellung links

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: altersentsprechend, Ernährungszustand: normal

Größe und Gewicht wurden erfragt und nicht gemessen.

Größe: 162,00 cm Gewicht: 75,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus: (…)

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Beim Armheben rechts wird ein Kribbeln im rechten Arm angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Lokal Druckschmerz am linken Daumensattelgelenk.

Rechte Schulter: deutlich Druckschmerz am Eckgelenk, kein Druckschmerz am großen oder kleinen Rollhöcker und über der Rinne der langen Bizepssehne. Bewegungs- und Endlagenschmerz.

Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit

S rechts 30-0-140, links 30-0-160, F rechts 100-0-40, links 160-0-50.

Beim Nackengriff reicht rechts die Hand zum Hinterhaupt, links reicht die Daumenkuppe bis C7. Beim Kreuzgriff reicht rechts die Daumenkuppe bis L3, links TH8. Ellbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.

Untere Extremitäten:

Der Barfußgang ist linksentlastend hinkend. Die Beinachse ist im Lot. Gering Muskelverschmächtigung am linken Ober- und Unterschenkel. Im Liegen Beinlänge links +0,5cm. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Die Fußsohlenbeschwielung ist annähernd seitengleich ausgebildet, nur die Kleinzehenballenbeschwielung ist links diskret herabgesetzt. Das Fußgewölbe ist erhalten.

Linkes Knie: blasse Narbe streckseitig. Gering intraartikulärer Erguss. Das Gelenk ist nicht gerötet und nicht überwärmt. Deutlich Druckschmerz außenseitig. Endlagenschmerz beim Beugen.

Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit

Hüften seitengleich frei, Knie S rechts 0-0-135, links 0-0-70, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Wirbelsäule

Annähernd im Lot. Regelrechte Krümmungsverhältnisse. Über der Lendenwirbelsäule ca. 3 cm lange, alte, blasse Narbe. Kein auffälliger Hartspann. Druckschmerz zervikal. ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Beweglichkeit

Halswirbelsäule: allseits endlagig eingeschränkt

Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 0, Seitwärtsneigen und Rotation frei.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt mit Gehstock rechts und Knieschiene über die Hose links zur Untersuchung, das Gangbild ist mäßig linkshinkend, sicher. Das Aus- und Ankleiden wird teilweise im Sitzen, teilweise im Stehen durchgeführt. Verwendet keine auffälligen Inkontinenzprodukte. Die Fingerfertigkeit ist beim Abnehmen der Knieschiene uneingeschränkt.

Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

(…)

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist allenfalls unter Verwendung einer Gehhilfe ohne übermäßige Schmerzen und ohne Unterbrechung zumutbar und möglich. Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?

Nein“

Im gewährten Parteiengehör zum eingeholten Gutachten machte die Beschwerdeführerin unter anderem geltend, Tramal 100mg einzunehmen sowie, dass sie sehr wohl Inkontinenzprodukte getragen hätte – wenn auch keine auffälligen. Sie verstehe nicht, warum der Arzt sage, dass sie lange Strecken problemlos und ohne Schmerzen laufen könne. Solche Fragen seien ihr nicht gestellt worden. Sie ersuche um Untersuchung durch einen Arzt durchführen zu lassen, der ihr eine Behinderung ausreichend bescheinige.

Angeschlossen war ein Konvolut medizinischer Unterlagen.

Die dazu ergangene Stellungnahme vom befassten Unfallchirurgen ergab, dass die nachgereichten Befunde keine neuen Erkenntnisse brächten, insbesondere keine, die eine Änderung des Gutachtens erforderlich machen würden. Mit Schreiben vom 19.06.2024 wurde der Beschwerdeführerin ein nunmehr unbefristeter Behindertenpass ausgestellt.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2024 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten verwiesen.

Im Rahmen der dagegen erhobenen Beschwerde wurde moniert, dass der Arzt festgestellt hätte, dass die Beschwerdeführerin mit einer Gehhilfe eine Strecke von 300-400m ohne übermäßige Schmerzen und ohne Störungen zurücklegen könne. Sie trage zur Unterstützung ihres Knies eine Orthese. Die Schmerzen beim Tragen seien enorm (Druck auf die Knochen und Schwellung des Beins). Vom Arzt, der das Tragen der Orthese empfohlen hätte, sei sie auch über die zu erwartenden Schmerzen informiert worden. Sie sei nicht gefragt worden, ob die Schmerzen beim Gehen anhaltend seien oder ob das Gehen über längere Strecken für sie ein Problem darstellte. Die Muskeln in ihrem linken Bein seien schwach, die von Physiotherapeuten empfohlenen Übungen könne sie nicht absolvieren, weil sich ihr Bein nur bis zu 70 Grad beugen lasse und sie beim Training Knieschmerzen hätte. Die nächste Rehabilitation sei für September 2024 im Krankenhaus Speising geplant. Die letzte Physiotherapie wäre 2023 im November gewesen. Danach hätte man ihr einen Termin für zwei Knieoperationen vereinbart, die im März wieder abgesagt wurden, da die Ärzte gemeint hätten, dass sie bereits zu viele Operationen gehabt hätte und die nächste ihr nicht viel helfen würde, sondern es noch schlimmer werden könne. Sie spüre eine deutliche Einschränkung der Funktion der linken unteren Extremität. Darüber hinaus sei sie harninkontinent.

Auch die rechte Schulter sei verkalkt - trotz mehrmaliger Stoßwellentherapie. Sie habe Schmerzen in der Schulter, im Nacken und Taubheitsgefühl in der rechten Hand. Sie habe Schmerzen im linken Daum.

Im früheren Invalidenpass hätte sie die nunmehr beantragte Zusatzeintragung erhalten, ihre Gesundheitssituation hätte sich aber nicht verbessert. Angeschlossen waren ein MRT Befund sowie ein CT Befund der Halswirbelsäule.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)

In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. 283/1990 idF BGBl. I. 57/2015 (BBG), lauten:

§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:

die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

(…)

vorliegen.“

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 23.02.2011, 2007/11/0142, und vom 25.05.2012, 2008/11/0128, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die belangte Behörde legt dem gegenständlichen Verfahren ein unfallchirurgisches Sachverständigengutachten basierend auf einer Untersuchung zu Grunde.

In diesem Gutachten wird betreffend die beantragte Zusatzeintragung – wie im Verfahrensgang wiedergegeben – auf die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung geäußerten Schmerzen vom Sachverständigen überhaupt nicht eingegangen.

Auch dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten orthopädischen Befundbericht ist anamnestisch „anhaltende Schmerzen“ (11/23 Reha-Bericht Speising) und den Untersuchungsergebnissen sowohl der oberen als auch der unteren Extremitäten sind Schmerzen zu entnehmen.

In der Stellungnahme im Parteiengehör gibt die Beschwerdeführerin an „Tramal 100mg“ einzunehmen und wiederholt bei ihr vorliegende Schmerzen.

Auch in der Beschwerde vom 13.07.2024 beschreibt die Beschwerdeführerin, dass die Schmerzen beim Tragen der Orthese enorm seien, sie Schmerzen im linken Daumen hätte und dieser beim Beugen hängen bleibe, ihre rechte Schulter verkalkt sei und sie in neurochirurgischer Behandlung sei.

Festgehalten wird, dass die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eine Rechtsfrage und nicht eine Sachverständigenfrage ist.

Wie der Sachverständige zu seiner Schlussfolgerung kommt, dass eine kurze Wegstrecke mit Hilfsmitteln ohne Unterbrechung möglich sei, ist für den erkennenden Senat nicht überprüfbar. Eine Begründung für diese Beurteilung hinsichtlich der Schmerzen ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.

Hinweise, ob die Beschwerdeführerin beispielsweise an leichten, mittleren oder starken Schmerzen handle bzw. ob die Therapie ausgeschöpft sei, waren nicht vorhanden.

Die Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die zu überwindenden Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei der Fortbewegung der Verkehrsmittel während der Fahrt (einschließlich der ausreichenden Standsicherheit). Nicht außer Acht gelassen werden dürfen dabei laut ständiger VwGH-Judikatur die durch die Gesundheitsschädigungen entstehenden Schmerzen.

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen und erweist sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ auf Grund der nur zu kurz gegriffenen Ermittlungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind. Im Beschwerdefall hat das Sozialministeriumservice im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den maßgeblichen Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten basierend auf einer Untersuchung zu den unten dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung der – auch mit der Beschwerde vorgelegten - medizinischen Beweismittel bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Die belangte Behörde wird daher insbesondere auch folgende konkrete Fragen an die Gutachterin/den Gutachter zu stellen haben, um die Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einschätzen zu können:

1. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor? Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032, 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186) sind auch die Art und das Ausmaß der von der Beschwerdeführerin angegebenen Schmerzen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu klären.

2. Mit welchen Schmerzen (Art und Ausmaß) ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere das Gehen bei der Beschwerdeführerin verbunden?

3. Nimmt die Beschwerdeführerin Schmerzmittel ein?

4. Lassen die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu oder nicht zu bzw. warum?

5. Hat die Beschwerdeführerin neurologische Ausfallserscheinungen? Wenn ja – wie äußern sich diese? (neurochirurgische Betreuung der Beschwerdeführerin)

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, dass das SMS wiederholt in seinen Entscheidungen betreffend die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ auf die Frage der Schmerzen nicht eingegangen ist und wiederholt das BVwG aus diesem Grund Entscheidungen gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG gefällt hat (W200 2234563-1/3E vom 20.10.2020, W200 2234023-1/4E vom 25.08.2020, W200 2225758-1/3E vom 11.02.2020, W200 2224399-1/3E vom 27.01.2020, W200 2239875-1/4E vom 07.04.2021, W200 2242308-1/3E vom 09.06.2021, W200 2240819-1 vom 14.07.2021, W200 2251615-1/5E vom 24.03.2022, W200 2254339-1 vom 06.05.2022, W200 2262111-1 vom 18.11.2022, W200 2268705-1/4E vom 18.04.2023, W200 2279521-1 vom 23.10.2023, W200 2287602-1/4E vom 17.06.2024). Der erkennende Senat ist daher der Ansicht, dass dem SMS bewusst war, dass es im gegenständlichen Fall unzureichende Ermittlungen getätigt hat.

Von den vollständigen Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein. Anschließend wird sich die belangte Behörde unter Berücksichtigung der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausführlicher mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen haben, ob der beschwerdeführenden Partei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der beschwerdeführenden Partei noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Punkt A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor der belangten Behörde gravierende Ermittlungslücken bestehen sowie die Judikatur zu den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten für die behördliche Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Lichte von § 42 Abs. 1 BBG dargestellt. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wurde auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) Bezug genommen.