JudikaturVwGH

Ra 2025/21/0070 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
27. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wagner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen das am 20. März 2025 mündlich verkündete und mit 16. April 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, G304 2253853 3/13E, betreffend Herabsetzung der Dauer eines befristeten Einreiseverbotes (mitbeteiligte Partei: B A, vertreten durch Dr. Ulrich Suppan, Mag. Robert Suppan und Mag. Arthur Berger, Rechtsanwälte in St. Veit/Glan), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Gegen den 1995 geborenen Mitbeteiligten, einen serbischen Staatsangehörigen, wurde infolge strafgerichtlicher Verurteilungen mit dem (unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen) Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23. August 2021 unter anderem gemäß § 52 Abs. 5 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt, wobei gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

2 Der Mitbeteiligte befand sich ab 31. August 2021 in Haft, aus der er am 12. Jänner 2023 bedingt entlassen wurde. Am 18. Jänner 2023 stellte er einen Antrag auf Aufhebung der Rückkehrentscheidung, auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Serbien sowie auf Aufhebung bzw. Verkürzung des Einreiseverbotes auf einen Monat.

3 Am 6. Februar 2023 wurde der Mitbeteiligte festgenommen, und es wurde am darauffolgenden Tag über ihn die Schubhaft verhängt. Schließlich wurde er am 11. Februar 2023 auf dem Luftweg nach Serbien abgeschoben.

4 Mit Bescheid vom 13. September 2024 wies das BFA den Antrag vom 18. Jänner 2023 auf Aufhebung der Rückkehrentscheidung und auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Serbien zurück sowie den Antrag auf Aufhebung bzw. Verkürzung des Einreiseverbotes ab.

5 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem am 20. März 2025 mündlich verkündeten und mit 16. April 2025 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis insofern teilweise Folge, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabsetzte. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision des BFA hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

7 Die Amtsrevision erweist sich entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG als zulässig und wie im Folgenden zu zeigen sein wird auch als berechtigt.

8 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses führte das BVwG zunächst aus, dass gemäß § 60 Abs. 1 FPG ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 FPG unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzt oder aufgehoben werden könne, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen habe. Im Anschluss daran verwies das BVwG darauf, dass der Mitbeteiligte „nunmehr zwei Jahre des Aufenthaltsverbotes“ hinter sich habe und aus den (näher dargestellten) persönlichen Umständen des Mitbeteiligten ein nachhaltiger Gesinnungswandel hervorgehe, sodass die ursprünglich für die Verhängung des Einreiseverbotes maßgebende Gefährdung nicht mehr im gleichen Ausmaß vorliege und eine Herabsetzung des Einreiseverbotes auf eine Gesamtdauer von zwei Jahren als angemessen erscheine.

9 Zum einen übersieht das BVwG, dass das gegenständliche Einreiseverbot nicht gemäß § 53 Abs. 2 FPG, sondern gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erlassen wurde. Somit ist nicht § 60 Abs. 1, sondern § 60 Abs. 2 FPG auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Nach dieser Bestimmung kommt die Verkürzung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG (unter Berücksichtigung der für die Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen maßgeblichen Umstände) nur dann in Betracht, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat.

10 Da sich der Mitbeteiligte nach dem Verlassen des Bundesgebietes im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nur rund ein Drittel der verhängten Dauer des sechsjährigen Einreiseverbotes im Ausland befunden hat, fehlt für die vom BVwG vorgenommene Verkürzung des Einreiseverbotes bereits eine der beiden zwingenden Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 FPG, nämlich der Auslandsaufenthalt für einen Zeitraum von mehr als die Hälfte der Dauer des Einreiseverbotes.

11 Zum anderen ließ das BVwG wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird außer Acht, dass die Verkürzung des Einreiseverbotes (sowohl gemäß § 60 Abs. 1 als auch nach Abs. 2 FPG) eine fristgerechte Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet voraussetzt. Gemäß den Feststellungen des BVwG ist der Mitbeteiligte aber nach der Entlassung aus der Strafhaft am 12. Jänner 2023 ungeachtet der gemäß § 59 Abs. 4 FPG eingetretenen Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot im Bundesgebiet verblieben. Eine Frist für die freiwillige Ausreise war dem Mitbeteiligten nicht gewährt worden. Da der Mitbeteiligte den Feststellungen des BVwG zufolge nach der Festnahme am 6. Februar 2023 schließlich am 11. Februar 2023 nach Serbien abgeschoben wurde, kann nicht von einer fristgerechten Ausreise des Mitbeteiligten gesprochen werden (vgl. zur Voraussetzung der fristgerechten freiwilligen Ausreise etwa VwGH 25.10.2023, Ra 2023/21/0121, Rn. 16 iVm Rn. 11/12).

12 Im Übrigen ist hinsichtlich der unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK getätigten Ausführungen in der Revisionsbeantwortung auf die Möglichkeit eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 hinzuweisen, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im gegebenen Zusammenhang auch im Ausland gestellt werden kann (vgl. etwa VwGH 27.2.2025, Ra 2024/21/0212, Rn. 14, mwN).

13 Da das BVwG die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 27. August 2025