JudikaturVwGH

Ra 2025/18/0001 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision 1. des Z S, 2. der G V, und 3. der A S, alle vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2024, 1. W119 2217697 2/8E, 2. W119 2217699 2/8E und 3. W119 2217695 2/4E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und Eltern der minderjährigen Drittrevisionswerberin; alle sind Staatsangehörige Usbekistans und Angehörige der tadschikischen Volksgruppe. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin stellten am 12. Dezember 2015 Anträge auf internationalen Schutz und brachten begründend vor, der Erstrevisionswerber sei von einem Mullah aufgefordert worden, nach Syrien zu reisen und zum IS einzurücken. Sein Arbeitgeber habe ihm sodann zur Flucht geraten, weil vermeintliche ISSympathisanten in Usbekistan verfolgt würden. Die Drittrevisionswerberin wurde im November 2018 in Österreich geboren; gemäß § 17a Abs. 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) galt auch für sie ein Antrag auf internationalen Schutz als eingebracht.

2Mit Bescheiden vom 22. März 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei, und legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 26. April 2019 als unbegründet ab. Der Erstrevisionswerber habe mit seinem Fluchtvorbringen eine asylrelevante Gefahr der Verfolgung nicht glaubhaft machen können und die Zweit- und Drittrevisionswerberinnen hätten keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. Die älteste, noch in Usbekistan geborene Tochter des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin befinde sich nach wie vor im Herkunftsstaat; es könne keine Bedrohung der revisionswerbenden Parteien im Fall einer Rückkehr festgestellt werden.

4 Am 5. Mai 2022 stellten die revisionswerbenden Parteien sowie die zwei weiteren, in den Jahren 2020 und 2021 ebenfalls in Österreich geborenen Kinder (Folge-)Anträge auf internationalen Schutz. Mittlerweile hätten Polizeikräfte den Vater des Erstrevisionswerbers in Usbekistan aufgesucht, sein Haus durchsucht, sich nach dem Erstrevisionswerber, den sie als einen „Terroristen“ bezeichnet hätten, erkundigt und dem Vater aufgetragen, ihn zu suchen. Sie hätten außerdem gedroht, die zu diesem Zeitpunkt bei Familienangehörigen in Usbekistan lebende 11 jährige Tochter des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin zu verfolgen, weshalb diese aus Vorsicht zur Cousine der Zweitrevisionswerberin nach Russland geschickt worden sei. Der Erstrevisionswerber vermute, dass ihn die Polizei deshalb suche, weil er 2013 auf der Baustelle einer Moschee einen Mullah kennengelernt habe, der ihm Geld gegeben und ihn aufgefordert habe, nach Syrien zu reisen.

5Mit Bescheiden vom 22. November 2023 wies das BFA die Anträge der revisionswerbenden Parteien (sowie der beiden weiteren in Österreich geborenen Kinder des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin) auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte (insbesondere) den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ (insbesondere) gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei, und legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

6 Die dagegen gerichteten Beschwerden (insbesondere) der revisionswerbenden Parteien wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Das BVwG führte begründend soweit hier maßgeblich aus, die revisionswerbenden Parteien hätten weiterhin keine gegen sie gerichtete oder künftig drohende asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Das neue Fluchtvorbringen basiere im Wesentlichen auf den rechtskräftig als unglaubwürdig festgestellten Fluchtgründen des Vorverfahrens. Dass der Vater des Erstrevisionswerbers wie in den Folgeanträgen vorgebrachtab dem Jahr 2022 regelmäßig von der usbekischen Polizei zur Ausforschung des Erstrevisionswerbers als vermeintlicher Terrorist aufgesucht und unter Druck gesetzt worden sei, sei aufgrund im Einzelnen dargelegter Widersprüchlichkeiten und Unplausibilitäten der Aussagen des Erstrevisionswerbers ebenso wenig glaubhaft wie die Behauptung, dass die in der Heimat befindliche gemeinsame minderjährige Tochter bedroht worden sei und deswegen zu Verwandten nach Russland habe reisen müssen. Zur Rückkehrentscheidung nahm das BVwG eine näher begründete Abwägung gemäß Art. 8 EMRK vor und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an einer Außerlandesbringung die privaten Interessen der revisionswerbenden Parteien am Verbleib im Bundesgebiet überwögen.

8 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die Revision behauptet in der Zulässigkeitsbegründung zunächst einen „eklatanten Begründungsmangel“ im Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten; eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses sei nicht möglich, weil das BVwG „nicht wirklich“ Gründe für die Annahme der Unglaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens nenne.

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das BVwG in diesem Zusammenhang jedoch detailreiche beweiswürdigende Erwägungen angestellt, denen die Revision nichts Stichhaltiges entgegensetzt.

14Die Revision bringt außerdem vor, das BVwG sei mit seiner Interessenabwägung im Zusammenhang mit den Rückkehrentscheidungen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zum Überwiegen des Privatlebens nach langer Aufenthaltsdauer“ abgewichen, was bereits auch bei einem knapp noch nicht zehnjährigen Aufenthalt als gegeben erkannt worden sei (Hinweis auf eine solche Aussage in VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).

15Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden hat. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFAVG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich nehmen grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Allein aus der Aufenthaltsdauer lässt sich ein Recht auf Verbleib in Österreich aber nicht ableiten (vgl. VwGH 22.2.2021, Ra 2020/18/0504, mwN). Diese Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist wenn sie unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführt wurde, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde im Allgemeinen nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG (vgl. etwa VwGH 31.3.2023, Ra 2023/18/0028 bis 0029, mwN).

16 Das BVwG bezog in seine Abwägung den Umstand ein, dass drei gemeinsame Kinder des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin darunter die Drittrevisionswerberin in Österreich geboren worden seien und hier den Kindergarten besuchen würden. Dem stellte das BVwG gegenüber, dass die Kinder „auch durch ihre Eltern sozialisiert“ worden seien, sich im anpassungsfähigen Alter befänden und im Familienverband zur übrigen Familie in die Heimat zurückkehren würden. Vor dem Hintergrund der bereits mit dem Erkenntnis des BVwG vom 26. April 2019 getroffenen, von den revisionswerbenden Parteien missachteten Rückkehrentscheidungen und der weiterhin nicht im hohen Grad ausgeprägten Integration überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der revisionswerbenden Parteien im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib. Diesen Erwägungen des BVwG setzt die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 20. Jänner 2025