Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des S T in W, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2024, W232 2284186 1/4E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, stellte am 6. September 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Eine EURODAC Abfrage ergab, dass er vor seiner Einreise nach Österreich auch in Kroatien um internationalen Schutz angesucht hatte.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete daraufhin am 29. September 2023 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III Verordnung (Dublin III VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien. Die kroatischen Behörden stimmten mit Schreiben vom 13. Oktober 2023 der Wiederaufnahme des Revisionswerbers zu.
3 Mit Bescheid vom 20. Dezember 2023 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Kroatiens gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III VO fest, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 Begründend führte das BVwG aus, die Verpflichtung Kroatiens zur Wiederaufnahme des Revisionswerbers basiere auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III VO, weil dieser in Kroatien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und während der Prüfung seines Antrags nach Österreich weitergereist sei. Es könne auch nicht erkannt werden, dass die Überstellung des Revisionswerbers nach Kroatien eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK darstelle. Zudem lägen keine konkreten, in der Person des Revisionswerbers gelegenen Gründe für die Annahme fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Kroatien vor. Ebenso wenig verstoße die Außerlandesbringung des Revisionswerbers gegen seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte.
6 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2024, E 1072/2024 7, ablehnte und diese an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht, die zu ihrer Zulässigkeit zunächst geltend macht, das BVwG habe keine amtswegige Überprüfung der Identität des Revisionswerbers vorgenommen, weshalb ein Verfahrensmangel vorliege. Des Weiteren führe das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf (näher angeführte) Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. zu einer mit Willkür behafteten Entscheidung. Es seien die Rechte des Revisionswerbers auf Parteiengehör und Akteneinsicht verletzt worden. Es sei weder eine Prüfung gemäß Art. 8 EMRK hinsichtlich des Eingriffes in das Privatleben des Revisionswerbers erfolgt, noch sei aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung durch das BVwG eine Überprüfung des kroatischen Asylwesens anhand des Vorbringens des Revisionswerbers vorgenommen worden.
8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Dem Vorwurf, das BVwG habe keine amtswegige Überprüfung der Identität des Revisionswerbers vorgenommen, ist zu entgegnen, dass die Feststellungen zu dessen Identität auf den Angaben des Revisionswerbers im Verfahren beruhen. Aus welchen Gründen daran nunmehr zu zweifeln sei und welche Ermittlungen des BVwG dazu konkret erforderlich gewesen wären, legt die Revision nicht einmal ansatzweise dar. Sie zeigt daher mit diesem Vorbringen schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
13 Wenn die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht ins Treffen führt, übersieht sie, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren wie hier besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA VG, folgt. Dass das BVwG von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. dazu grundlegend VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).
14 Zudem ist zur behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zuvor erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers abgelehnt hat. Die Zulässigkeit der Revision kann damit nicht begründet werden (vgl. z.B. VwGH 21.10.2022, Ra 2022/18/0260, mwN).
15 Was die Geltendmachung von Verfahrensmängeln konkret bemängelt die Revision, die Rechte des Revisionswerbers auf Parteiengehör und Akteneinsicht seien verletzt worden betrifft, legt die Revision die dazu im Wesentlichen den Inhalt dieser Rechte beschreibt nicht hinreichend dar, dass selbst unter der Annahme, dass diese Verfahrensmängel gegeben wären, ein anderes Verfahrensergebnis möglich gewesen wäre. Somit fehlt es aber an der zur Geltendmachung einer Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung geforderten Darlegung der Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels (vgl. z.B. VwGH 19.3.2024, Ra 2022/18/0228).
16 Auch zur Frage der Achtung des Privat und Familienlebens des Revisionswerbers nach Art. 8 EMRK vermag die Revision ihre Zulässigkeit nicht darzutun, wobei zunächst darauf hinzuweisen ist, dass der in der Revision erhobene Vorwurf, das BVwG habe keine Prüfung hinsichtlich des Eingriffes in das Privatleben des Revisionswerbers gemäß Art. 8 EMRK durchgeführt, nicht zutrifft.
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 3.7.2023, Ra 2022/18/0207, mwN).
18 Im konkreten Fall ging das BVwG von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib in Österreich aus und stützte seine Beurteilung im Wesentlichen darauf, dass der Revisionswerber in Österreich keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte habe und sich erst relativ kurze Zeit im Bundesgebiet aufhalte. Auf dem Boden der Revision, die diese Aspekte nicht bestreitet, ist es nicht ersichtlich, dass die verwaltungsgerichtliche Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen worden wäre.
19 Soweit die Revision des Weiteren die Beweiswürdigung des BVwG zur Zuständigkeit Kroatiens bemängelt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 29.2.2024, Ra 2023/18/0298, mwN).
20 Das BVwG legte zunächst in vertretbarer und nachvollziehbarer Weise dar, dass gegenständlich eine EURODAC Abfrage zu Kroatien vorliege und Kroatien dem Wiederaufnahmegesuch nach Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III VO explizit zugestimmt habe. Ebenso setzte es sich mit den vom Revisionswerber „vorgebrachten erlittenen Schikanen durch kroatische Sicherheitskräfte“ auseinander, führte aus, dass „pro futuro im Rahmen einer Prognose im Falle seiner geordneten Rücküberstellung“ nicht davon ausgegangen werden könne, dass dem Revisionswerber erneut derartiges drohen könnte, nahm hinsichtlich des Vorwurfs von Pushbacks auf die Lage seit dem Beitritt Kroatiens zum Schengen Raum am 1. Jänner 2023 Bezug und kam insgesamt zum Ergebnis, dass sich aus dem Parteivorbringen weder eine dem Revisionswerber in Kroatien drohende systemische noch eine individuelle Gefahr ergebe, welche für die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würde. Deshalb komme die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung finde. Dass insoweit eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen wurde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
21 In der Revision werden aus alledem keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. August 2024