Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Dr. Sutter als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des T R in W, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, LL.M., Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Jänner 2024, L516 2282999 1/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 23. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Verlauf des Verfahrens im Wesentlichen damit begründete, er habe an Demonstrationen der politischen Partei „Pakistan Muslim League (PML-Q)“ teilgenommen und daher Probleme mit der gegnerischen Partei „Pakistan Muslim League (PML N)“, die in der Regierung und einflussreich gewesen sei, bekommen.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 8. November 2023 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 In seiner Begründung ging das BVwG davon aus, dass dem Revisionswerber mangels Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens im Falle der Rückkehr nach Pakistan keine asylrelevante Verfolgung drohe. Auch könne er in Pakistan seine grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse befriedigen, ohne in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation zu geraten. Eine Gesamtschau der individuellen Umstände ergebe schließlich, dass die privaten Interessen des - im Entscheidungszeitpunkt des BVwG rund eineinhalb Jahre in Österreich aufhältigen und ungebundenen - Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen würden.
5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen eine unrichtige bzw. mangelhafte Beweiswürdigung des BVwG geltend macht und nach Zitierung verschiedener Berichte aus den Jahren 2014 und 2016 zum „Einfluss der Muslim League in Pakistan“ ohne weitere Begründung festhält, dass die vom Revisionswerber geschilderten Auseinandersetzungen mit der Muslim League nachvollziehbar seien. Zudem habe das BVwG „entgegen der Judikatur“ das Recht auf Wahrung des Privat- und Familienlebens in der Entscheidung nicht berücksichtigt und sei auch insofern von der „klaren Judikatur“ des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als der Revisionswerber sein Vorbringen zu den Fluchtgründen in allen Verfahrensschritten „gleich, nicht zu spät und miteinander übereinstimmend“ erstattet habe.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Soweit die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebliche Zulässigkeitsbegründung der Revision die Beweiswürdigung des BVwG bemängelt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 29.2.2024, Ra 2023/18/0298, mwN).
11 Mit dem pauschalen Verweis auf eine unrichtige Beweiswürdigung, „eklatante Verfahrensfehler“ und das gleichbleibende Vorbringen des Revisionswerbers im Verfahren sowie dem bloßen Anführen von nicht aktuellen Länderberichten, ohne einen konkreten Einzelfallbezug herzustellen, legt die Revision weder eine unvertretbare Beweiswürdigung des BVwG dar, noch beachtet sie, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. etwa VwGH 31.1.2024, Ra 2024/18/0030, mwN).
12 Zur Rückkehrentscheidung ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG ist. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 19.1.2024, Ra 2023/18/0417, mwN).
13 Das BVwG hat in der angefochtenen Entscheidung eine Gesamtabwägung der für und gegen einen Verbleib des Revisionswerbers in Österreich sprechenden Umstände im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. § 9 BFA VG vorgenommen. Es hat dabei insbesondere auf die strafrechtliche Unbescholtenheit des Revisionswerbers, dessen in Österreich bestehende Gewerbeberechtigung und den gemeinsamen Wohnsitz mit seinem in Österreich aufenthaltsberechtigten Bruder Bedacht genommen, dem jedoch die verhältnismäßig kurze Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers in Österreich, das Nichtvorliegen eines gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisses in Bezug auf den Bruder, die familiären Verbindungen des Revisionswerbers nach Pakistan und die fehlenden intensiven Beziehungen zu in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen gegenübergestellt. Auf dieser Grundlage gelangte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die individuellen Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet nicht so ausgeprägt seien, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen würden. Dass sich das BVwG bei dieser Abwägung von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entfernt hätte, vermag die Revision mit ihrem lediglich pauschalen Hinweis auf die mangelnde Berücksichtigung des Rechts auf Wahrung des Privat und Familienlebens nicht aufzuzeigen.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 10. April 2024