Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger sowie die Hofräte Dr. Terlitza und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Schimpfhuber, über die Revision der A E M, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2024, W123 22419222/2E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Kameruns, stellte am 29. Juni 2023 den für das Revisionsverfahren relevanten und mit 23. Mai 2023 datierten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005.
2Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15. Dezember 2023 wurde der Antrag der Revisionswerberin „auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK [...] gemäß § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005 [...] zurückgewiesen.“
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
4 Das Verwaltungsgericht traf (u.a.) Feststellungen zum Aufenthalt der Revisionswerberin in Österreich sowie zu ihren persönlichen Verhältnissen und verwies im Wesentlichen darauf, dass aus dem Antragsvorbringen der Revisionswerberin im Vergleich „zur letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung“ ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA VG geänderter Sachverhalt nicht hervorgehe.
5Eine mündliche Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben können, da der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen gewesen sei. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt sei aufgrund der Aktenlage (sowie der Beschwerde) klar gewesen.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof geführten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 19.3.2025, Ra 2025/17/0011, mwN).
12 Unter diesem Gesichtspunkt bringt die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vor, dass das Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG durchgeführt habe und dadurch näher genannte „Aspekte noch deutlicher hervorgekommen“ und „auch die anderen möglichen Aufenthaltsgrundlagen [...] inbegriffen und zu prüfen“ gewesen wären.
13Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom BFA unter dem Gesichtspunkt „entschiedene Sache“ vorgenommenen Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) jener der Erlassung des behördlichen Bescheides (vgl. VwGH 30.6.2025, Ra 2024/17/0010, mwN).
14Die Revisionswerberin zeigt damit nicht auf, inwiefern die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Prüfung einer Änderung des Sachverhaltes iSd § 58 Abs. 10 AsylG 2005 seit Erlassung der letzten Rückkehrentscheidung unzutreffend sei.
15Die Begründungspflicht stellt keinen Selbstzweck dar. Ein Begründungsmangel führt daher nur dann zur Aufhebung der Entscheidung, wenn dadurch entweder die Rechtsverfolgung durch die Parteien oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 27.3.2025, Ra 2022/17/0006, mwN).
16 Im Übrigen muss für den Fall, dass Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, auch schon in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. etwa VwGH 10.5.2024, Ra 2024/01/0146, mwN). Diesen Anforderungen entspricht das Zulässigkeitsvorbringen nicht.
17 Soweit das Zulässigkeitsvorbringen der Revision nämlich einen solchen Begründungsmangel im Zusammenhang mit vom Verwaltungsgericht ergänzend eingeholten Abfragen aus dem Zentralen Melderegister ortet, übersieht die Revisionswerberin, dass es sich dabei um eine bloße Zusatzbegründung handelt (arg: „Der Vollständigkeit halber [...]“), die daher für die Abweisung der Beschwerde nicht tragend ist.
18Im Zusammenhang mit einer Zurückweisung eines Antrages ist die Frage nach dem zulässigen Unterbleiben einer Verhandlung auf Basis des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu beurteilen. Demnach kann eine Verhandlung (u.a.) dann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen ist. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass es in den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG im Ermessen des Verwaltungsgerichts liegt, auch trotz Antrageine mündliche Verhandlung nicht durchzuführen (vgl. VwGH 10.11.2023, Ra 2023/17/0146, mwN).
19Vor diesem Hintergrund legt die Revision nicht dar, inwiefern der Sachverhalt klärungsbedürftig gewesen sei. Weiters zeigt sie nicht auf, dass eine mündliche Verhandlung in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Verwaltungsgerichts entgegen § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG geboten gewesen wäre (vgl. dazu VwGH 23.2.2024, Ra 2024/17/0011, mwN).
20Im Übrigen hat gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG die Revision die Bezeichnung der Rechte, in denen die revisionswerbende Partei verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die von der revisionswerbenden Partei vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Demnach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht der revisionswerbenden Partei verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung sie behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. neuerlich VwGH 30.6.2025, Ra 2024/17/0010, mwN).
21 Unter der Überschrift „2. Revisionspunkt:“ erachtet sich die Revisionswerberin durch die angefochtene Entscheidung
„in ihren gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt auf Gewährung von Asyl bzw. internationalem Schutz, den gesetzlichen Richter, auf Gleichbehandlung, auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) und das Recht auf korrekte Ermessensentscheidung und das Unterlassen von Willkür, auf Schutz des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK), auf Einhaltung der Verfahrensgesetze und insbesondere des amtswegigen Ermittlungsgrundsatzes, auf Erteilung einer ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ oder zumindest einer ‚Aufenthaltsberechtigung‘ jeweils gem. §§ 55 bzw. 56 AsylG, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.
Daneben erachtet sich die RV durch das angefochtene Erkenntnis in ihren gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt auf den gesetzlichen Richter, auf Gleichbehandlung, auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) verletzt, da das Gericht seine Entscheidung ohne die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung getroffen hat, bei der die RV die Umstände der starken Integration in Österreich hätte darlegen können. [...]“
22Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA ab, mit dem der von der Revisionswerberin gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen worden war. Es liegt daher in Bezug auf das Begehren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eine ausschließlich verfahrensrechtliche Entscheidung vor, mit der die Entscheidung in der Sache abgelehnt wurde. Im Hinblick auf diesen normativen Gehalt des angefochtenen Erkenntnisses käme allein die Verletzung der Revisionswerberin im Recht auf meritorische Entscheidung über ihren Antrag in Betracht. Die Revisionswerberin konnte daher schon deswegen in den oben wiedergegebenen, als Revisionspunkt genannten Rechten, insbesondere auch „auf Erteilung einer ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ oder zumindest einer ‚Aufenthaltsberechtigung‘ jeweils gem. §§ 55 bzw. 56 AsylG, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ nicht verletzt werden (vgl. etwa wiederum VwGH 30.6.2025, Ra 2024/17/0010, mwN). Ein Antrag auf Erteilung von internationalem Schutz liegt dem Revisionsverfahren ohnedies nicht zugrunde.
23 Im Zusammenhang mit dem auf das Wesentliche zusammengefassten weiteren Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis sei mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, ist zudem festzuhalten, dass es sich dabei um keinen Revisionspunkt, sondern um sehr allgemein umschriebeneRevisionsgründe nach § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG handelt (VwGH 25.4.2023, Ra 2023/17/0060, mwN).
24 Im Übrigen werden verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte bezeichnet, die vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Prüfung einer behaupteten Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, das gemäß Art. 144 Abs. 1 BVG als Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem VfGH umschrieben ist, nicht berufen (vgl. dazu etwa VwGH 7.2.2023, Ra 2023/01/0015, mwN).
25 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. Dezember 2025
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