Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat. Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Sonderzuständigkeiten), gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. November 2023, RV/7105567/2019, betreffend Rechtsgeschäftsgebühr (mitbeteiligte Partei: Dr. G S, vertreten durch die APP Steuerberatung GmbH in Wien), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Schriftsatz vom 21. November 2018 zeigte der Rechtsvertreter des Mitbeteiligten einen zwischen dem Mitbeteiligten und seiner Ehegattin am 19. November 2018 abgeschlossenen „Ehepakt“ in der Form eines Notariatsaktes mit dem u.a. Vereinbarungen betreffend die Ehewohnung für den Fall der Auflösung der Ehe getroffen wurden beim Finanzamt an. In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes gab weiters der steuerliche Vertreter des Mitbeteiligten u.a. bekannt, dass der Mitbeteiligte die Ehewohnung mit Schenkungsvertrag ebenfalls von 19. November 2018 seiner Ehegattin geschenkt habe.
2Das Finanzamt setzte für dieses Rechtsgeschäft die Gebühr für Vergleiche gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG in näher angeführter Höhe fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerdein der das Vorliegen eines gebührenpflichtigen Vergleiches iSd § 33 TP 20 GebG schon dem Grunde nach bestritten wurde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Mitbeteiligte die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
4Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde teilweise Folge und setzte die Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG ausgehend von einer niedrigeren Bemessungsgrundlage neu fest. Es sprach weiters aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesfinanzgericht führte im Wesentlichen aus, mit dem „Ehepakt“ vom 19. November 2018 sei u.a. vereinbart worden, dass der Mitbeteiligte im Falle der Auflösung der Ehegemeinschaft, aus welchem Grund auch immer, die gemeinsame Ehewohnung binnen vier Wochen verlassen und seiner Ehefrau das alleinige Wohnrecht einräumen werde. Der Mitbeteiligte räume seiner Ehefrau das Recht ein, die Liegenschaft an Dritte zu vermieten oder zu verkaufen. In diesem Fall habe der Mitbeteiligte keinerlei Ansprüche hinsichtlich bereits auf die Wohnung geleisteter Zahlungen. Die Ehegattin verpflichte sich, die Finanzierung des bestehenden Restkredites sowie der Betriebskosten zu übernehmen. Im Falle der Auflösung der Ehe dürfe die Ehefrau die Wohnung verkaufen und den Verkaufserlös nach Abdeckung des Restkredites behalten. Der Mitbeteiligte verpflichte sich im Falle der Auflösung der Lebensgemeinschaft zur Leistung eines Unterhaltes, wie er seiner Exgattin zugesprochen worden sei.
6 Mit Schenkungsvertrag vom 19. November 2018 habe der Mitbeteiligte die Ehewohnung mitsamt zwei Stellplätzen seiner Ehegattin in ihr Eigentum übertragen. Es sei vereinbart worden, dass die Übergabe und Übernahme der Eigentumswohnung in den Besitz der Geschenknehmerin sowie der Übergang von Gefahr, Schaden und Zufall sowie der Nutzungen und laufenden Lasten mit Unterfertigung des Vertrages erfolgten. Weiters sei vereinbart worden, dass dem Geschenkgeber das lebenslange Benützungs , Wohn und Fruchtgenussrecht an der Ehewohnung eingeräumt werde.
7Das Finanzamt habe die Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG ausgehend vom jeweils näher genannten Wert des Restkredites, des Wohnrechtes und der Betriebskosten (alle betreffend die Ehewohnung) sowie des Unterhalts bemessen.
8 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, vorliegend hätten die Eheleute unter Bezugnahme auf den gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung in der als „Ehepakt“ bezeichneten Vereinbarung ihre Rechtsverhältnisse (Vermögensverhältnisse und Unterhaltsleistungen) im Falle einer Scheidung geregelt.
9 Konkret sei für den Fall der Auflösung der Ehe vereinbart worden, dass der Mitbeteiligte auf das Wohnrecht verzichten werde und die Ehegattin die Verantwortung für die Finanzierung der auf den Kaufpreis offenen Beträge (Restkreditzahlungen), sowie die laufenden Kosten (Betriebskosten), der Liegenschaft übernehme. Die Unterhaltsleistung im Falle der Scheidung sei analog zu jener mit der Exgattin getroffenen Regelung vereinbart worden.
10 Es liege somit entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten ein in Form eines Notariatsaktes abgeschlossener Vergleich über die Scheidungsfolgen vor.
11 Im Gesetz seien die Folgen einer Scheidung nicht abschließend geregelt und die Unterhaltsvereinbarungen unterlägen grundsätzlich der Disposition der Eheleute. Die Unterhaltsregelungen seien daher nach der näher angeführtenRechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein unklar, sodass es sich bei der Unterhaltsregelung als Scheidungsfolgenvereinbarung um die Regelung eines nicht klaren, somit zweifelhaften Rechts handle. Es könnten nicht bloß strittige Rechtsverhältnisse geregelt werden, sondern auch künftige auf Gesetz beruhende Ansprüche, wenn auch zweifelhaft sei, ob und inwieweit die gesetzlich normierten Voraussetzungen gegeben sein werden. Damit habe das Finanzamt die Vereinbarung dem Grunde nach zu Recht als Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG qualifiziert.
12Zum Vorbringen des Mitbeteiligten, es gelange die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG zur Anwendung, weil der Schenkungsvertrag eine Grunderwerbsteuerpflicht ausgelöst habe, gelte zu bedenken, dass es sich bei beiden Verträgen um zwei getrennte Urkunden handle, die inhaltlich unterschiedliche Rechtsgeschäfte darstellten. Der Vergleich sei eine entgeltliche Vereinbarung, nach der sich die Ehegattin verpflichte, für die Finanzierung des Restkredites Sorge zu tragen, während der Mitbeteiligte auf sein Wohnrecht verzichtet und sich verpflichtet habe, der Ehegattin Unterhalt zu leisten. Im Schenkungsvertrag übertrage der Ehegatte die Eigentumswohnung in das Eigentum der Ehegattin. Im gleichzeitig abgeschlossenen Vergleich würden die unsicheren Folgen einer Ehescheidung abschließend und verbindlich geregelt, wobei eine der Grunderwerbsteuer unterliegende Eigentumsübertragung nicht stattfinde. Es fehle daher eine Voraussetzung für die Anwendung der Befreiungsbestimmung gemäß § 15 Abs. 3 GebG. Insoweit komme dieser Vereinbarung zivilrechtlich eine konstitutive Wirkung zu.
13 Zur Höhe der Bemessungsgrundlage führte das Bundesfinanzgericht abschließend aus, der Mitbeteiligte habe zeitgleich mit Schenkungsvertrag die Wohnung eigentümlich der Ehegattin übertragen. Daraus folge, dass er nicht zusätzlich ein Wohnrecht der Ehegattin einräumen könne, zumal sie ohnehin zeitgleich Eigentümerin der Liegenschaft geworden ist. Das Wohnrecht werde daher nicht in die Bemessungsgrundlage mit einbezogen. Ebenso verhalte es sich mit den Betriebskosten der Wohnung, die ohnehin von der Ehegattin des Mitbeteiligten als Eigentümerin zu tragen seien.
14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Amtsrevision.
15In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren (§ 36 VwGG) erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung ohne Antrag auf Aufwandersatz.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
18Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, die angefochtene Entscheidung widerspreche der - näher angeführten - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum in § 17 GebG verankerten Urkundenprinzip. Im Hinblick auf dieses Prinzip sei der Wortlaut in der gegenständlichen Vereinbarung eindeutig und es seien auch keine zusätzlichen Schriften zum Urkundeninhalt gemacht worden. Indem das Bundesfinanzgericht das vertraglich vom Mitbeteiligten für den Fall der Scheidung seiner Ehegattin eingeräumte Wohnrecht aus der Bemessungsgrundlage der gegenständlichen Urkunde aufgrund von außerhalb der Urkunde liegenden Tatsachen ausgeschieden habe, stehe es im Widerspruch zur genannten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
20 Mit diesem Vorbringen kann schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden, weil das Bundesfinanzgericht die vorliegende Scheidungsfolgenvereinbarung („Ehepakt“) dahingehend ausgelegt hat, dass der Mitbeteiligte im Scheidungsfall auf sein vorhandenes Wohnrecht an der Ehewohnung das ihm anlässlich der Schenkung der Ehewohnung an seine Ehefrau eingeräumt wurde verzichten werde. Anders als das Finanzamt ist das Bundesfinanzgericht somit nicht davon ausgegangen, dass mit dieser Vereinbarung der Mitbeteiligte seiner Ehefrau schon angesichts ihrer Stellung als Eigentümerin der Ehewohnung ein Wohnrecht eingeräumt habe.
21 Es ist nicht erkennbar, dass diese Beurteilung die vom Finanzamt in der Amtsrevision im Übrigen nicht bekämpft wirdgegen das in § 17 GebG verankerte Urkundenprinzip verstoßen würde, zumal dieses Prinzip nichts daran ändert, dass gemäß § 15 Abs. 1 GebG (grundsätzlich) nicht Urkunden an sich gebührenpflichtig sind, sondern nur Rechtsgeschäfte, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird (vgl. dazu insbesondere VwGH 22.6.1972, 1086/71 [verstärkter Senat], VwSlg. 4405/F, mwN).
22 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zukommen kann, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. So wirft etwa eine vertretbare Auslegung eines Schriftstückes oder einer Parteierklärung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG auf. Die Auslegung eines Schriftstückes oder einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 17.4.2025, Ra 2025/16/0016; 8.11.2023, Ra 2022/16/0041; 20.10.2022, Ra 2022/16/0059, jeweils mwN), was im vorliegenden Fall nicht erkennbar ist.
23 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Oktober 2025
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