JudikaturVwGH

Ra 2024/12/0092 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des Mag. V G in O, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Franziskanergasse 12, gegen das am 21. Juni 2024 mündlich verkündete und am 12. Juli 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, LVwG AV 523/0012024, betreffend Entfall der Bezüge gemäß § 38 NÖ LBG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Revisionswerber stand in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Nach dem Akteninhalt und den insofern unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses besteht bei ihm eine beidseitig angeborene Klumpfußfeststellung; er war von 15. März 2023 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis vom Dienst abwesend.

2Mit Bescheid vom 8. Februar 2024 sprach die Niederösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) aus, dass der Revisionswerber für den Zeitraum vom 24. Juli bis 28. November 2023 gemäß § 38 Abs. 1 und 2 des Niederösterreichischen Landes-Bedienstetengesetzes (NÖ LBG) den Anspruch auf Bezüge und Nebengebühren verloren habe, weil er seiner Verpflichtung, sich einer zumutbaren Heilbehandlung in Form einer Operation im Orthopädischen Krankenhaus Speising zu unterziehen, nicht nachgekommen sei, indem er die für eine Operation notwendige Voruntersuchung nicht wahrgenommen habe. Aus im Verfahren eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 11. April 2023 und vom 11. Juli 2023 ergebe sich, dass es zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Revisionswerbers „erforderlich“ sei, sich der im Gutachten beschriebenen Operation zu unterziehen. Die Operation hätte eine Besserung seiner Schmerzsymptomatik und die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit bewirkt. Es sei dem Revisionswerber „jedenfalls bereits am 24. Juli 2023 möglich gewesen“, einen Termin zur operativen Vorbereitung im Orthopädischen Krankenhaus Speising in Anspruch zu nehmen. Sowohl die geplanten Vorbereitungs- als auch die Operationstermine seien aus in der Sphäre des Revisionswerbers gelegenen Gründen („von Ihnen aus“) verschoben oder von ihm nicht wahrgenommen worden.

3 Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde auf eine Auskunft des Orthopädischen Krankenhauses Speising, wonach mit Ausnahme der Verschiebung des Operationstermins am 28. November 2023 aufgrund einer Terminkollision sämtliche Operationstermine auf Wunsch des Revisionswerbers verschoben worden seien. Der Revisionswerber habe sich zu diesem Ermittlungsergebnis im Rahmen des Parteiengehörs lediglich durch Vorlage einer Bestätigung des Krankenhauses über die Verschiebung des Operationstermins am 28. November 2023 sowie einer „neuerlichen Krankschreibung“ geäußert.

4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde und bestritt den festgestellten Sachverhalt unter Vorlage weiterer Beweismittel. Er habe seit März 2022 auf die Zuweisung eines Operationstermins gewartet und sei am 24. Juli 2023, 13. November 2023 sowie zuletzt am 1. März 2024 jeweils „zur operativen Vorbereitung“ im Spital gewesen. Im Anschluss an den Vorbereitungstermin im Juli 2023 sei er darüber informiert worden, dass noch eine Entscheidung bezüglich einer Sehnenverlegung getroffen werden müsse und er dann über den genauen OP-Termin informiert werde. In weiterer Folge sei ihm mitgeteilt worden, dass der „vorgesehene Operateur“ im August 2023 auf Urlaub sei. Auf mehrmalige telefonische Nachfrage sei er vertröstet worden und es sei ihm mitgeteilt worden, dass ihm der Termin schriftlich bekannt gegeben werde. Die Operation sei für den 28. November 2023 angesetzt worden, der Revisionswerber sei jedoch, nachdem er um 10:00 Uhr dieses Tages stationär aufgenommen worden sei, um 18:00 Uhr mit dem Hinweis nach Hause geschickt worden, dass ihm ein „zeitnaher Ersatztermin“ mitgeteilt werde.

5 Unter den der Beschwerde beigelegten Urkunden fand sich auch eine Kopie des Ausdrucks einer den Revisionswerber betreffenden Terminaufstellung (offenbar ein Ausdruck aus einem IT-System des Krankenhauses), welcher den handschriftlichen Vermerk „wg. Terminkollision und Krankheit 2x verschoben“ aufweist, unter dem sich eine Unterschrift und ein Stempel lautend auf „Orthopädisches Spital Speising GmbH“ befindet. Unter den auf dieser Terminaufstellung vermerkten Daten finden sich (abgesehen von Terminen aus den Jahren 2018 und davor) der 24. Juli und der 28. November 2023.

6 Den Revisionswerber treffe kein Verschulden daran, dass die Operation noch nicht habe stattfinden können. Auf die Unrichtigkeit der Auskünfte des Spitals habe er bereits hingewiesen. Die belangte Behörde hätte zudem berücksichtigen müssen, dass es ihm aufgrund seiner ständigen starken Schmerzen und der durch die medikamentöse Behandlung bedingten Schlaflosigkeit und Konzentrationsmängel nur eingeschränkt und zeitverzögert möglich sei, auf ihre Aufforderungen zu reagieren. Er beantrage die Beischaffung der medizinischen Unterlagen des Orthopädischen Spitals Speising.

7 Mit einem weiteren Schreiben vom 26. April 2024 ergänzte er sein Beschwerdevorbringen und legte auch einen „Patientenkurzarztbrief“ vom 28. November 2023 vor, auf welchem ausdrücklich angeführt sei, dass die für diesen Tag geplante OP „aufgrund einer akuten Einschub-OP bzw. wegen Terminkollision“ nicht habe durchgeführt werden können. Aus einer ebenfalls vorgelegten Zeitbestätigung des Orthopädischen Spitals Speising ergebe sich, dass der Revisionswerber an diesem Tag einen weiteren Vorbereitungstermin wahrgenommen habe.

8 Das Verwaltungsgericht beraumte in der vorliegenden Beschwerdesache eine mündliche Verhandlung an. In der an den Revisionswerber gerichteten Ladung zur Verhandlung schien die folgende Aufforderung auf:

„Wichtige Informationen

Zur Verhandlung sind mitzubringen:

- diese Ladung

- amtlicher Lichtbildausweis (z.B. Reisepass, Personalausweis).

Gemäß § 41 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 4 AVG werden Sie aufgefordert, alle ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel bis spätestens 7.6.2024 einlangend geltend zu machen.“

9 Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht brachte der Revisionswerber unter anderem vor, dass sich aufgrund einer neurologischen Untersuchung des Orthopädischen Spitals Speising aus November 2023 sowie einer am 16. April 2024 erfolgten Untersuchung im Universitätsklinikum Heidelberg ergeben habe, dass eine Operation „medizinisch nicht indiziert“ gewesen sei und zu keiner Verbesserung des Zustands des Revisionswerbers geführt hätte. Wörtlich findet sich dazu in der Verhandlungsniederschrift das folgende Vorbringen samt Beweisantrag (Schreibfehler im Original):

„Eine Operation des Beschwerdeführers war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum und danach medizinisch nicht indiziert und hätte auch zu keiner Verbesserung des Zustandes des Beschwerdeführers geführt. Dies ergibt sich einerseits aus dem vom Spital Speising im August 2023 wegen des Verdachtes von gestörten Nervenbahnen im OP-Bereich eine neurologische Untersuchung vor einer OP angeordnet hat. Diese neurologische Untersuchung fand erst im November 2023 statt. Weiters ergibt sich die fehlende medizinische Indikation der OP aus einer am 16.4.2024 erfolgten Untersuchung im Uniklinikum Heidelberg. Dabei hat ein Spezialist für derartige Behandlungen dem Beschwerdeführer empfohlen, eine solche Operation derzeit nicht durchzuführen, weil eine solche Operation während der Lebenszeit nur 2 Mal durchgeführt werden kann. Es bestehe Aussicht auf ein plastisches Sprunggelenk, das derzeit erst in Entwicklung steht und dann für Patienten älter als 50 Jahre vorgesehen ist, weil es nur 10 Jahre hält. Zum Beweis dieses Vorbringens beantragt der Beschwerdeführer seine Einvernahme, die Beischaffung der entsprechenden Unterlagen aus dem Universitätsklinikum Heidelberg; allenfalls Vorlage dieser Unterlagen durch den Beschwerdeführer, die dieser bereits vor einigen Wochen im Uniklinikum Heidelberg angefordert, aber noch nicht erhalten hat sowie Einholung von Gutachten aus den Fachgebieten der Orthopädie und Neurologie. ...“

10 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.

11 Das Verwaltungsgericht traf folgende Feststellungen: Der Revisionswerber leide an angeborenen Klumpfüßen beidseitig. Eine Besserung der bestehenden Schmerzsymptomatik sei nach einer (dem Revisionswerber zumutbaren) Korrekturoperation wahrscheinlich. Der Revisionswerber sei zu den Terminen zur operativen Vorbereitung im Orthopädischen Krankenhaus Speising am 24. Juli und am 7. August 2023 und zum geplanten Operationstermin am 21. August 2023 jeweils mit unvollständigen Befunden erschienen, wobei ihm bekannt gewesen sei, dass die Operation bei Fehlen der Befunde verschoben werden müsse. Nur deswegen sei die Operation verschoben worden. Diese habe bis dato nicht stattgefunden.

12 Seine Beweiswürdigung stützte das Landesverwaltungsgericht in erster Linie auf eine vom Orthopädischen Spital Speising eingeholte Stellungnahme sowie auf Ausführungen des Revisionswerbers. Es führte aus, dass „die medizinische Zumutbarkeit der geplanten Korrekturoperation“ im Verfahren unbestritten geblieben sei. Zwar habe der Revisionswerber zunächst Urkunden zum Verschiebungsgrund der Operation Ende November 2023 vorgelegt, zu der Stellungnahme des Orthopädischen Spitals Speising habe er jedoch „trotz Aufforderung zum fristgerechten abschließenden Vorbringen samt Ankündigung des Schlusses der Beweisaufnahme“ keine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Erstmals in der mündlichen Verhandlung habe er vorgebracht, dass er im Frühjahr 2024 im Universitätsklinikum Heidelberg erfahren habe, dass anstelle der in Speising geplanten Korrekturoperation eine Sprunggelenksprothese in Entwicklung stehe. Diese werde, ab ihrer in mehreren Jahren zu erwartenden Zulassung, nur für Patienten ab dem 50. Lebensjahr angeboten. Der Revisionswerber habe die Frage, ob er die Zeit „bis zum Erreichen des 50. Lebensjahres im Jahr 2037 im Krankenstand zubringen hätte wollen, wenn er nicht zuvor gekündigt worden wäre“, nicht beantworten können. Auch habe er nicht aufklären können, inwiefern eine medizinische Information im Frühjahr 2024 seine mangelhafte Mitwirkung an der zumutbaren Operationsvorbereitung im Sommer 2023 rechtfertigen könne.

13Zur Abstandnahme von der in der mündlichen Verhandlung beantragten Einholung der Unterlagen des Universitätsklinikums Heidelberg (sowie eines medizinischen Sachverständigengutachtens) merkte das Landesverwaltungsgericht an, dass dieser Beweisantrag „ohne erkennbares Beweisthema für den im Jahr 2023 abgeschlossenen Verfahrensgegenstand“ gestellt sei und führte dazu aus, dass der Revisionswerber „eine Begründung im Sinne des § 39 Abs. 4 AVG für diese erst lange nach Ablauf der mit der Ladung gemäß § 41 Abs. 2 AVG gesetzten Frist“ gestellten Beweisanträge nicht vorgebracht habe.

14 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe die „aufgetretene Dauer der Dienstunfähigkeit“ insoweit zu vertreten, als die Verschiebungen der Operationstermine „einzig auf seine mangelhafte Kooperationsbereitschaft mit dem Spitalsbetrieb“ zurückzuführen gewesen seien. Der „beeindruckenden Stellungnahme des Spitals“ stehe „kein belastbarer Gegenbeweis“ gegenüber. Das Gericht „übersehe“ nicht, dass der Revisionswerber sich im April 2024 in Deutschland von einem anderen Behandlungsweg habe überzeugen lassen. Dies habe jedoch keine „Entscheidungsrelevanz für die im Jahr 2023 nachvollziehbar angelasteten Versäumnisse in der zumutbaren Krankenbehandlung“. Es sei „bis zuletzt unbestritten geblieben“, dass er „jedenfalls im Juli ... mit der internistischen Freigabe eine wesentliche Operationsvoraussetzung nicht beigebracht“ habe.

15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

16Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

17 Das Verwaltungsgericht begründete seinen Ausspruch, dass eine Revision gegen das Erkenntnis im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei, damit, dass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche und eine solche Rechtsprechung nicht fehle.

18 Dem trat der Revisionswerber im Rahmen seiner gesondert ausgeführten Begründung der Zulässigkeit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG entgegen und machte geltend, das Verwaltungsgericht hätte die im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Revisionswerbers nicht übergehen dürfen. Der Frage, ob der Beweisantrag (wie vom Verwaltungsgericht angenommen) „wegen einer davor vom Landesverwaltungsgericht gesetzten Stellungnahmefrist“ verspätet sei, komme grundsätzliche Bedeutung zu; eine dazu ergehende höchstgerichtliche Rechtsprechung werde „dann auch auf ähnlich gelagerte Beschwerdeverfahren zur Anwendung gelangen“. Im Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei das Beweisverfahren erst mit dem Schluss der Verhandlung geschlossen. Bis dahin hätte er das Recht gehabt, relevante Beweisanträge zu erstatten. Eine davor gesetzte Frist zur Erstattung einer Stellungnahme schließe ein neues Vorbringen und die Stellung von zum Nachweis dieses Vorbringens geeigneten Beweisanträgen nicht aus. Das Verfahren sei daher mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet. Unter dem Gesichtspunkt einer unvertretbaren Beweiswürdigung führt der Revisionswerber des Weiteren die Nichtberücksichtigung der von ihm vorgelegten Terminaufstellung ins Treffen, auf der sich der schriftliche Vermerk „wg. Terminkollision und Krankheit 2x verschoben“ befunden habe.

19 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

20§ 39 Abs. 3 und 4 sowie § 41 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 , in der Fassung BGBl. I Nr. 88/2023, lauten:

§ 39. (1) Für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind die Verwaltungsvorschriften maßgebend.

...

(3) Wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, kann die Behörde das Ermittlungsverfahren durch Verfahrensanordnung für geschlossen erklären. Die Erklärung hat nach Möglichkeit in der mündlichen Verhandlung, in allen anderen Fällen schriftlich zu ergehen.

(4) Das Ermittlungsverfahren ist auf Antrag fortzusetzen, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass Tatsachen oder Beweismittel ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeiführen würden. Die Entscheidung über den Antrag erfolgt durch Verfahrensanordnung. Die Behörde kann das Ermittlungsverfahren jederzeit von Amts wegen fortsetzen.

...

§ 41. (1)...

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Sie kann unter Hinweis auf die gemäß § 39 Abs. 3 eintretenden Folgen die Aufforderung an die Parteien enthalten, binnen einer angemessenen, vier Wochen möglichst nicht übersteigenden Frist alle ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.“

21§ 42 Abs. 1 AVG sieht vor, dass im Falle der Durchführung wenn einer mündlichen Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und wenn dies in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, dies zur Folge hat, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.

22§ 38 Abs. 1 und 2 NÖ Landes-Bedienstetengesetz (NÖ LBG), LGBL 2100-17, in der Fassung LGBl. Nr 11/2024, lauten:

§ 38 Abwesenheit vom Dienst

(1) Die Bediensteten haben eine Dienstverhinderung der Dienststellenleitung so bald als möglich unter Angabe des Grundes anzuzeigen.

(2) Die Bediensteten haben eine Dienstverhinderung durch Krankheit durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, wenn es die Dienststellenleitung oder die Dienstbehörde verlangt oder wenn die Dienstverhinderung länger als drei Tage dauert. Die Bediensteten haben dafür vorzusorgen, dass ihre Dienstverhinderung überprüft werden kann. Die Dienstabwesenheit von Bediensteten, die diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, sich einer zumutbaren Krankenbehandlung entziehen oder die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung verweigern, gilt als nicht gerechtfertigt.“

23Wenn die gesetzliche Regelung (hier: des § 38 Abs. 2 NÖ LBG) von einer zumutbaren Krankenbehandlung spricht, so ist damit primär die Zumutbarkeit vom medizinischen Standpunkt aus gemeint; es geht dabei um die Wahrung der körperlichen Integrität des Beamten, die durch die Erfüllung der dadurch normierten Dienstpflicht nicht gefährdet werden darf (vgl. zur insofern gleichlautenden Bestimmung des § 52 Abs. 2 BDG 1979 das hg. Erkenntnis vom 13. September 2001, 96/12/0299, unter Hinweis auf die parlamentarischen Materialien des Bundesgesetzgebers, RV 11 BlgNR 25. GP).

24 Die Beurteilung, ob sich ein Beamter der ihm zumutbaren medizinischen Krankenbehandlung entzogen hat, ist auf Grundlage von Feststellungen zum Sachverhalt vorzunehmen, denen eine schlüssige Beweiswürdigung zugrunde liegen muss. Bei der Zumutbarkeit der Krankenbehandlung aus medizinischer Sicht handelt es sich dabei im Allgemeinen um eine Frage, deren Beantwortung das Gutachten eines Sachverständigen erfordert. Ein solches Gutachten hat die belangte Behörde ihren im angefochtenen Bescheid dazu getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt.

25Nicht nachvollziehbar sind jedoch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass „die medizinische Zumutbarkeit der geplanten Korrekturoperation“ im weiteren Verfahren „unbestritten“ geblieben sei. Der Revisionswerber hat vielmehr mit näherer Begründung und unter Beantragung der Aufnahme entsprechender Beweise, insofern also unter Bestreitung der Grundlagen des von der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigengutachtens, geltend gemacht, dass die genannte Operation „medizinisch nicht indiziert“ gewesen sei. Ist eine Behandlung medizinisch nicht indiziert, kann sie auch nicht als „zumutbare Krankenbehandlung“ gemäß § 38 Abs. 2 NÖ LBG in Frage kommen.

26Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Verwaltungsgericht verpflichtet ist, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Es darf sich nicht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge ohne Ermittlungen und ohne eine dem Gesetz entsprechende Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 8.11.2023, Ra 2022/12/0049, mwN).

27 Das Verwaltungsgericht setzte sich in vorliegenden Zusammenhang nur mit den Ausführungen des Revisionswerbers auseinander, wonach laut Informationen aus dem Universitätsklinikum Heidelberg eine bestimmte neue Behandlungsmethode derzeit in Entwicklung sei, nicht aber mit dem davon losgelöst zu betrachtenden - Aspekt seines Vorbringens, wonach den Aussagen der im Universitätsklinikum Heidelberg konsultierten Ärzte zufolge beim Revisionswerber die derzeit in Rede stehende Operation (erkennbar: schon derzeit) medizinisch nicht indiziert sei.

28 Dass Beweismittel zum Thema des Gesundheitszustands des Revisionswerbers und der dafür „medizinisch indizierten“ Behandlungsmethoden nur deswegen irrelevant sein sollten, weil ihm diese nicht bereits im hier strittigen Zeitraum vom 24. Juli bis 28. November 2023, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt (konkret: bei einer Untersuchung am Universitätsklinikum Heidelberg im Frühjahr 2024) bekannt waren, erschließt sich anhand der Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht.

29 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe seine Beweisanträge ohne Angabe eines Beweisthemas gestellt, findet keine Deckung in der Verhandlungsniederschrift und bildet somit für sich keine taugliche Begründung für die Nichtberücksichtigung des Beweisantrags.

30Das Gleiche gilt auch für den zweiten vom Verwaltungsgericht zur Begründung angeführten Umstand, wonach dieser Beweisantrag erst nach Ablauf der in der Ladung gesetzten Frist „gemäß § 41 Abs. 2 AVG“ gestellt worden und der Revisionswerber für diese Verspätung eine Begründung „im Sinne des § 39 Abs. 4 AVG“ schuldig geblieben sei.

31Zutreffend ist zwar, dass § 41 Abs. 2 AVG (seit der Novelle BGBl. I 57/2018 und einer legistischen Berichtigung durch BGBl. I 88/2023) eine Regelung vorsieht, wonach eine Ladung zu einer mündlichen Verhandlung „unter Hinweis auf die gemäß § 39 Abs. 3 eintretenden Folgen die Aufforderung an die Parteien enthalten“ kann, „binnen einer angemessenen, vier Wochen möglichst nicht übersteigenden Frist alle ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen“. Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber in der Ladung zur mündlichen Verhandlung aufgefordert, „gemäß § 41 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 4 AVG“ alle ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel „bis spätestens 7.6.2024 einlangend geltend zu machen“.

32 Ob nach den zitierten Vorschriften im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Unterbleiben einer Begründung für die Nichteinhaltung der gesetzten Fristwie es das Verwaltungsgericht annahm - ohne Weiteres zur Unbeachtlichkeit eines nach Fristablauf erstatteten Vorbringens oder Beweisantrags führt, muss im vorliegenden Revisionsfall aber nicht weiter untersucht werden, weil im vorliegenden Fall schon eine Grundvoraussetzung dieser Regelungen nicht erfüllt ist. § 41 Abs. 2 AVG verlangt nämlich ausdrücklich den „Hinweis auf die ... eintretenden Folgen“. Sein Wortlaut gleicht in dieser Hinsicht den schon zuvor bestehenden Regelungen der §§ 41 und 42 AVG über die Präklusion (des Verlusts der Parteistellung mitbeteiligter Parteien bei Unterbleiben rechtzeitiger Einwendungen nach entsprechendem Hinweis in der Verständigung von einer mündlichen Verhandlung), zu denen der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgehalten hat, dass der Eintritt dieser Folgen voraussetzt, dass in der Verständigung auf die vorgesehenen Rechtsfolgen hingewiesen wurde und dass dafür die bloße Anführung von Paragraphenbezeichnungen nicht ausreicht (vgl. dazu VwGH 28.10.1999, 98/06/0158; 22.5.2001, 2000/05/0271; 12.11.2002, 2000/05/0247; 18.2.2003, 2002/05/1389; 17.11.2004, 2003/04/0091; 14.9.2005, 2003/04/0196). Dieser Rechtsprechung entspricht es auch, dass nur dann, wenn in der Verständigung bzw. Ladung zur mündlichen Verhandlung auf die drohenden Rechtsfolgen hingewiesen wurde, diese auch eintreten können (vgl. hierzu auch Hengstschläger/Leeb, AVG, 8. Lfg [2021] § 41 Rz 22/2).

33 Ein entsprechender Hinweis auf die Folgen einer Versäumung der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist war der an den Revisionswerber ergangenen Ladung aber nicht zu entnehmen.

34 Schon aus diesem Grund kam dem Umstand, dass der Revisionswerber den Beweisantrag erst nach Ablauf der in der Ladung zur mündlichen Verhandlung gesetzten Frist gestellt hatte, kein Begründungswert für die Nichtberücksichtigung seines Beweisantrags zu.

35 Das Verwaltungsgericht hat daher das betreffende Vorbringen und den Beweisantrag ohne taugliche Begründung für unbeachtlich gehalten.

36 Unabhängig vom bereits dargestellten Verfahrensmangel erwies sich auch die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts als unvollständig. Der Revisionswerber hat sich zum Beweis seiner Behauptung, dass die Verschiebung der im strittigen Zeitraum vom Krankenhaus Speising angesetzten Termine nicht nur auf in seiner Sphäre liegende Gründe zurückging, unter anderem auf eine von ihm vorgelegte Urkunde gestützt, auf der sich neben der Anführung (unter anderem) der im Verfahren strittigen Daten der handschriftliche Zusatz „wg. Terminkollision und Krankheit 2x verschoben“ sowie eine Unterschrift mit Stempel des Krankenhauses befindet. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses nimmt zum betreffenden Beweisthema ausschließlich auf eine Stellungnahme eines das Krankenhaus vertretenden Rechtsanwalts Bezug, unterlässt aber jegliche Bezugnahme auf das (oder Würdigung des) vom Revisionswerber vorgelegten Beweismittel(s).

37Das Verwaltungsgericht hat sein Erkenntnis daher mit Verfahrensmängeln belastet. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

38Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Jänner 2025