JudikaturVwGH

Ra 2024/09/0008 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
05. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, Hofrat Mag. Feiel sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision der A B in C, vertreten durch Dr. Ingrid Korenjak, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 9/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 11. Dezember 2023, LVwG 2023/24/1825 4, betreffend Übertretung des AuslBG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) wurde der Revisionswerberin als Geschäftsführerin und zur Vertretung nach außen Berufene gemäß § 9 VStG einer bestimmten GmbH angelastet, dass diese GmbH eine näher bezeichnete ausländische Person im Tatzeitraum beschäftigt habe, ohne dass dafür eine der aufgezählten Bewilligungen erteilt gewesen sei. Die Revisionswerberin habe dadurch eine Übertretung des § 3 Abs. 1 AuslBG begangen, weshalb über sie gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG eine Geld bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt sowie ihr ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt wurde. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Das Verwaltungsgericht führte u.a. näher aus, die Revisionswerberin sei handelsrechtliche Geschäftsführerin der GmbH, die zwei Geschäftsführer habe. Nach dem Geschäftsverteilungsplan sei die Revisionswerberin innerhalb der Geschäftsführung für das Ressort 2 verantwortlich, welches „Human Resources“ einschließe. Der andere Geschäftsführer sei für den Bereich „Recht“ zuständig. Daraus könne keine Bestellung der Revisionswerberin als verantwortliche Beauftragte erkannt werden; eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit werde nicht geregelt. Eine hinreichend deutliche Aufgabenverteilung könne nicht erkannt werden. Es seien daher beide Geschäftsführer verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Aus den Akten ergebe sich, dass geplant gewesen sei, den Hoteldirektor zum verantwortlichen Beauftragten zu bestellen, diese Bestellung sei jedoch der zuständigen Koordinationsstelle gemäß § 28a Abs. 3 AuslBG nicht gemeldet worden.

3 Das Verwaltungsgericht erläuterte, das Tatbild der angelasteten Übertretung sei erfüllt; die Revisionswerberin treffe aus näheren Gründen ein Verschulden an der Übertretung. Weiters begründete das Verwaltungsgericht seine Strafbemessung.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen, ob bei der Bestellung eines verantwortlich Beauftragten aus dem Kreis der Geschäftsführer als zusätzliche Voraussetzung explizit erwähnt werden müsse, dass eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen werde; inwieweit ausländische Regelungen zum Konzernrecht bei der Frage der Bestellung als verantwortlicher Beauftragter aus dem Kreis der Geschäftsführer zu berücksichtigen seien, ob eine Bestellung nach den Regelungen der ausländischen Konzerngesellschaft für die in Österreich befindliche Konzerntochter die gesetzlichen Erfordernisse erfülle; ob es für ausländische Rechtsordnungen, die eine Trennung zwischen strafrechtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Aufgaben nicht vorsähen, für in Österreich ansässige Konzerntöchter dennoch einer solchen, an den Wortlaut „verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit“ beinhaltende Bestellung bedürfe und ob ein solches Erfordernis für ausländische Gesellschaften „gegen die Niederlassungsfreiheit“ widerspreche.

8 Mit diesem Vorbringen wird jedoch nicht zuletzt auch im Hinblick auf den konkret bezeichneten Revisionspunkt, die Revisionswerberin erachte sich im Recht „nicht ohne Verschulden nach § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG bestraft zu werden“ sowie „in dem in § 45 Abs 1 Z 4 VStG verbrieften Recht, eine Ermahnung zu erhalten“ keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:

9 In Bezug auf die Revisionszulässigkeit bedarf es einer Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem konkreten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 7.9.2023, Ra 2023/09/0145, mwN). Jedenfalls ist eine konkrete Bezugnahme auf den Revisionsfall herzustellen (vgl. VwGH 28.2.2022, Ro 2022/09/0002, mwN).

10 Die Revisionswerberin legt in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht konkret dar, welche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG, von deren Lösung das Schicksal der vorliegenden Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen wäre. Ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht nicht aus, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2019/10/0087, mwN).

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein verantwortliches Vertretungsorgan (§ 9 Abs. 1 VStG) ex lege umfassend und kumulativ neben anderen Vertretungsorganen (also „überlappend“) strafrechtlich verantwortlich. Seine Bestellung nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG lässt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan unberührt, sie bewirkt nur (nach Maßgabe ihres Umfanges) den Entfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen Vertretungsorgane bzw. deren Einschränkung auf den Fall vorsätzlicher Nichtverhinderung (§ 9 Abs. 6 VStG). Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und die Zustimmung des zum verantwortlichen Beauftragten Bestellten können grundsätzlich formfrei erfolgen. Erforderlich ist nur, dass die Zustimmung gemäß § 9 Abs. 4 VStG nachweislich erfolgt ist (vgl. z.B. VwGH 23.3.2016, Ra 2016/02/0002, mwN).

12 Insbesondere bleibt nach dem Zulässigkeitsvorbringen im Revisionsfall unklar, welcher der beiden Geschäftsführer zum verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen im Sinne des § 9 Abs. 2 erster Satz VStG bestellt worden sein sollte und welche Rechtsfrage konkret wie für die Lösung des Revisionsfalles in Bezug auf den geltend gemachten Revisionspunkt von Bedeutung sein sollte. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen jedoch nicht zuständig (vgl. VwGH 1.9.2022, Ra 2022/09/0090, mwN).

13 Soweit im Zulässigkeitsvorbringen noch pauschal behauptet wird, das Erkenntnis weiche von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es die Voraussetzungen zur Ermahnung unberücksichtigt gelassen habe, wird damit schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil nicht auf den konkreten Sachverhalt bezogen unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes dargetan wird, in welchen Punkten von dieser Rechtsprechung abgewichen worden sein soll (vgl. z.B. VwGH 22.1.2024, Ra 2023/09/0176, mwN).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. März 2024

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