Ra 2025/12/0028 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung
Rückverweise
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. Dr. Kusznier als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des M T, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in Linz, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. Oktober 2024, VGW 002/V/011/7270/2024 2, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit Straferkenntnis vom 2. Mai 2024 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber schuldig, das Glücksspielgesetz (GSpG) in fünf Fällen übertreten zu haben. Er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher genannten GmbH und somit als der zur Vertretung nach außen Berufene und für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich Verantwortliche im Zeitraum vom 20. Oktober bis zum 30. November 2023 zu einer näher angeführten Zeit in einem näher bezeichneten Lokal verbotene Ausspielungen in Form von Kartenpokerspielen auf eigenen Namen und Rechnung sowie auf eigenes Risiko veranstaltet, indem er fünf im Einzelnen bezeichnete Pokertische mit Gestell und das dazugehörige Kartenmischgerät sowie einen Karton mit Jetons und Karten aufgestellt habe. Dadurch sei Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an verbotenen Glücksspielen geboten worden, bei denen Spieler zur Teilnahme einen Einsatz zu leisten hätten und denen nach Leistung eines Einsatzes ein Gewinn in Aussicht gestellt worden sei, ohne dass dafür eine Bewilligung oder Konzession vorgelegen wäre.
2Der Revisionswerber habe dadurch in fünf Fällen „§ 52 Abs. 1 Z 1 (1. Fall) iVm. § 2 Abs. 4 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idgF iVm § 9 Abs. 1 VStG“ verletzt. Über ihn wurden gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 3.000, (sowie Ersatzfreiheitsstrafen zu je zwei Tagen) verhängt. Zudem wurde er zu einem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 1.500, verpflichtet.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde (mit einer hier nicht relevanten Ergänzung des Spruchs) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und setzte einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von „€ 600 je Eingriffsgegenstand“ fest. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Dezember 2024, E 4420/2024 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst auf einen aus Anlass des Revisionsverfahrens gegen ein anderes Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (vom 31. Jänner 2023, Zl. VGW 002/V/011/170/2022 und VGW 002/V/011/171/2022) gestellten Antrag auf Erlassung einer „einstweiligen Anordnung ... bis zur Entscheidung des VwGH über die ao Revision“ verwiesen, welchem das Verwaltungsgericht Wien mit Beschluss vom 3. Oktober 2023 „vollinhaltlich mit Wirkung erga omnes“ stattgegeben habe.
10 Aufgrund dieses Beschlusses des Verwaltungsgerichts Wien sei auf das Unternehmen (dessen Geschäftsführer der Revisionswerber im Zeitpunkt der finanzpolizeilichen Kontrolle gewesen sei) das Glücksspielgesetz „bis zur Entscheidung des VwGH in der Hauptsache“ (gemeint: im Verfahren über die Revision gegen das Erkenntnis vom 31. Jänner 2023) „nicht anzuwenden“. Trotz umfangreichen Vorbringens des Revisionswerbers habe das Verwaltungsgericht Wien seinen über den erwähnten Antrag erlassenen Beschluss ignoriert und diesbezüglich weder Feststellungen zur „einstweiligen Anordnung“ oder zur Gewerbeberechtigung des genannten Unternehmens noch Feststellungen „aufbauend im Zusammenhang“ mit einer näher genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofes getroffen. Diese Feststellungen hätten die rechtliche Beurteilung beeinflusst und es wäre der Beschwerde andernfalls stattgegeben worden.
11 Gründe dafür, dass das im angefochtenen Erkenntnis vertretene Ergebnis, wonach der ins Treffen geführte Beschluss auf den vorliegenden Fall keine Auswirkung habe, unvertretbar gewesen wäre, werden in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt. Auf den Grundsatz, dass sich die Bindungswirkung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf die Parteien und den jeweils entschiedenen Fall beschränkt, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem ebenfalls auf den erwähnten Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien Bezug nehmenden Vorbringen des auch hier einschreitendenRevisionswerbers im Übrigen bereits hingewiesen (vgl den bereits vor Einbringung der vorliegenden Revision ergangenen hg Beschluss vom 14. Jänner 2025, Ra 2024/12/0105, mit Hinweisen auf VwGH 12.3.2024, Ro 2023/12/0010, Rz. 47, sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
12Auch soweit sich der Revisionswerber auf Feststellungsmängel zur behaupteten Gewerbeberechtigung der vom Revisionswerber vertretenen GmbH beruft und geltend macht, das Verwaltungsgericht hätte bei Vornahme der betreffenden Feststellungen „die Nichtanwendung des GSpG auf Pokerspiele, welche über eine Gewerbeberechtigung verfügen, welche bis zum 30.12.2019 gem § 60 Abs 36 GSpG gültig war“, erkannt, wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Schon der eindeutige Wortlaut der betreffenden mit der Novelle BGBl. I Nr. 118/2015 eingefügtenBestimmung („§ 2 Abs. 4 ist auf Pokerangebote auf Grundlage einer gewerberechtlichen Bewilligung, die zum 31. Dezember 2012 aufrecht war, ab 1. Jänner 2020 anzuwenden“) zeigt, dass danach entsprechende Berechtigungen befristet nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 weiter bestanden und zu diesem Zeitpunkt erloschen (so auch die Erläuterungen zur RV 684 BlgNR 25. GP; vgl zum Inhalt der zitierten Übergangsbestimmung auch VwGH 1.6.2023, Ra 2020/17/0009).
13 Welche Feststellungen das Verwaltungsgericht „im Zusammenhang“ mit der in der Zulässigkeitsbegründung zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG 13.5.2022, W131 2247950 1/19E) sowie des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 14.12.2022, G 259/2022) hätte treffen sollen, wird nicht ausgeführt, womit es diesem Vorbringen bereits an der gebotenen Relevanzdarlegung mangelt.
14 Eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zeigt das Zulässigkeitsvorbringen auch mit seiner auf die vorgenannten Ausführungen gestützten Behauptung, das angefochtene Erkenntnis habe „gegen die Judikatur des BVwG, VwGH, VfGH und EuGH verstoßen“, nicht auf.
15Unter Hinweis auf die geltend gemachten Feststellungsmängel behauptet der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung zudem die Befangenheit des erkennenden Richters des Verwaltungsgerichts Wien. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch vorliegende (im Revisionsfall jedoch nicht einmal aufgezeigte) Verfahrensmängel für sich genommen in der Regel eine Befangenheit nicht zu begründen vermögen. Anderes würde lediglich dann gelten, wenn diese Mängel so schwerwiegend wären, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen ließen (vgl in diesem Sinn z.B. VwGH 14.10.2024, Ra 2023/12/0008, mwN). Dass fallbezogen ein derartiger Fall vorliegen würde, lässt die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht erkennen (vgl zu einem insofern identen Vorbringen VwGH 14.1.2025, Ra 2024/12/0105, mwN).
16Soweit schließlich das Fehlen einzelner Feststellungen betreffend das eigene Verschulden des Revisionswerbers sowie im Zusammenhang mit der Strafbemessung bemängelt wird, ist dem Zulässigkeitsvorbringen entgegenzuhalten, dass aus dem angefochtenen Erkenntnis hervorgeht, dass das Verwaltungsgericht den behaupteten Umstand, der Revisionswerber habe auf eine „Rechtsauffassung“ seines Rechtsvertreters vertraut, der den Spielbetrieb aufgrund einer „europarechtlich ergangenen aufschiebenden Wirkung“ für zulässig erachtet habe, seiner Entscheidung ohnehin sowohl bei der Beurteilung des Verschuldens als auch im Rahmen der Strafbemessung zugrunde gelegt hat. Es hat dazu allerdings die Auffassung vertreten, dass der genannte Umstand insofern keine Relevanz für das Verfahrensergebnis habe, als er sich nicht schuldbefreiend bzw. nicht verschuldensmindernd auswirke. Konkrete Ausführungen dazu, von welchen davon abweichenden Sachverhaltsannahmen das Verwaltungsgericht hätte ausgehen müssen, legt der Revisionswerber nicht dar. Im Übrigen trifft es nach der hg Rechtsprechung nicht zu, dass ein Vertrauen auf eine Auskunft des eigenen Rechtsvertreters schlechthin schuldbefreiend oder verschuldensmindernd wäre (vgl dazu, dass eine rechtliche Auskunft bei der zuständigen Behörde einzuholen ist und ein Geschäftsführer sich auf eine Auskunft von Rechtsanwälten oder Wirtschaftstreuhändern nicht verlassen darf, etwa VwGH 7.12.2021, Ra 2021/09/0243; 9.2.2017, Ra 2017/02/0033, jeweils mwN). Nähere Ausführungen dazu, dass die Beurteilung des Verschuldens oder der Strafbemessung unvertretbar gewesen wäre, lässt das Zulässigkeitsvorbringen im Übrigen vermissen.
17 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war dahergemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf den in der Revision gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung.
Wien, am 22. September 2025