JudikaturVwGH

Ra 2024/06/0191 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
16. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der Dr. H A F in E, vertreten durch Dr. Günther Riess, Dr. Erwin Köll und Mag. Christine Schneider, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria Theresien Straße 38, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 20. Juni 2024, LVwG 2023/40/2837 4, betreffend Benützungsuntersagung nach der Tiroler Bauordnung 2022 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Elbigenalp; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde E. (belangte Behörde) vom 15. September 2023, mit welchem ihr gemäß § 46 Abs. 6 lit. c Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) die weitere Benützung einer im Obergeschoß sowie im ausgebauten Dachgeschoss eines näher bezeichneten Betriebsgebäudes in E. gelegenen Wohnung zu anderen Zwecken als zur Nutzung durch eine betriebsangehörige Person binnen einer Frist von 4 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides untersagt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Neufestsetzung der Leistungsfrist als unbegründet ab (1.). Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (2.).

2 Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, mit Bescheid vom 25. April 1995 sei der H. GmbH die baubehördliche Bewilligung für die Erweiterung der bestehenden Garagen mit Betriebswohnungen, Büro und Garage auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG E. erteilt worden. Laut diesem Bescheid sollte unter Einbeziehung bestehender Garagen ein Betriebsgebäude in näher genannter Größe samt Abstellplatz und überdachtem Hauszugang ausgeführt werden. Im Obergeschoss seien zwei Wohnungen für Betriebsangehörige geplant worden; diese Wohnungen dürften nur von betriebsangehörigen Personen benützt werden. Das verfahrensgegenständliche Grundstück sei zum Zeitpunkt der Erteilung der genannten Baubewilligung im Jahr 1995 als „Gewerbe und Industriegebiet“ gemäß § 39 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 (TROG 1994) gewidmet gewesen. Diese Widmung bestehe für das Grundstück auch derzeit noch.

3 Das gegenständliche Betriebsgebäude sei als Standort gedacht gewesen, um „den Betrieb Hobelwerk, Zimmereiarbeiten und unter Umständen Erdbewegungsarbeiten“ nach einem Brand weiterzuführen. Die Gewerbeberechtigung für das Zimmereigewerbe der H. GmbH sei zurückgelegt worden. Die Revisionswerberin sei die Ehegattin des DI J. H., der Geschäftsführer der H. Baumangagement, Handels und Vermietungs GmbH sei und mit seiner Familie in Innsbruck wohne. Dieser befinde sich in der Regelpension und sei nur noch in geringem Maß Immobilientreuhänder und in kleinem Rahmen Landwirt. Er führe auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück, welches im Eigentum seines Sohnes L. H. stehe, ausschließlich alleine diverse holzverarbeitende Tätigkeiten durch, die keine ständige Anwesenheit von Personal vor Ort erforderten. Die H. GmbH habe ihren Sitz in Innsbruck und verfüge über keine Mitarbeiter. Die Revisionswerberin sei berufstätig, habe ihre berufliche Tätigkeit eher in Innsbruck ausgerichtet und unterrichte dort am A. Gymnasium. Wenn, dann sei sie nur am Wochenende in E. und verbringe dort ihre Freizeit mit ihrem Mann.

4 Rechtlich folgerte das LVwG, gemäß dem Baubewilligungsbescheid vom 25. April 1995 dürften die auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück bestehenden beiden Wohnungen nur von betriebsangehörigen Personen benützt werden. Gemäß § 39 Abs. 1 lit. c TROG 1994 hätten im Gewerbe und Industriegebiet unter anderem betriebstechnisch notwendige Wohnungen errichtet werden dürfen. Betriebstechnisch notwendige Wohnungen seien solche, die zur Unterbringung von Personal dienten, dessen Anwesenheit vor Ort auch zu ungewöhnlichen Zeiten erforderlich sei. Nützlichkeit allein sei zu wenig, es bedürfe eines konkreten, im Bauverfahren durch Sachverständige zu untermauernden, betriebswirtschaftlichen Erfordernisses, um die Zulässigkeit der Errichtung von Wohnungen im Gewerbe und Industriegebiet zu legitimieren (Verweis auf Schwaighofer , Tiroler Raumordnungsrecht, Praxiskommentar, Rz 5 zu § 39 Tiroler Raumordnungsgesetz); dass die Wohnmöglichkeit im selben Haus wirtschaftlich sinnvoll wäre, bilde keine betriebstechnische Notwendigkeit (Verweis auf VwGH 7.12.2011, 2010/06/0061). In diesem Sinne sei auch der Baubewilligungsbescheid vom 25. April 1995 zu verstehen, wonach zwei Betriebswohnungen im Obergeschoss eines Betriebsgebäudes genehmigt worden seien und diese Wohnungen nur von betriebsangehörigen Personen benützt werden dürften. Der gewählte Wortlaut des Bescheides stehe einerseits mit dem damals geltenden § 39 Abs. 1 TROG 1994 in Einklang und es könne andererseits nicht angenommen werden, dass der Bürgermeister der Gemeinde E. entgegen den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen und entgegen dem geltenden Flächenwidmungsplan eine Baubewilligung für Betriebswohnungen erteilt hätte, die nicht betriebstechnisch notwendig gewesen wären. Die Schaffung von betriebstechnisch notwendigen Wohnungen im Sinne des § 39 Abs. 1 TROG 1994 und auch „TROG 2002“ (gemeint wohl: Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 TROG 2022) sei als absolute Ausnahme anzusehen; vorrangiger Sinn und Zweck der Widmung als „Gewerbe und Industriegebiet“ sei die Möglichkeit der Errichtung von Gewerbe und Industriebetrieben auf lokal und klar abgegrenzten Gebieten und vor allem die Vermeidung von Nutzungskonflikten zwischen gewerblichen und betrieblichen Tätigkeiten und Wohnzwecken. Damit widerspreche jede andere Wohnnutzung als eine solche, die betriebstechnisch notwendig sei, dem baubehördlich bewilligten Verwendungszweck; eine Wohnnutzung ohne einen dieser Wohnnutzung zugrunde liegenden Betrieb, der die ständige Anwesenheit von Betreiber bzw. Betriebspersonal erforderte, sei in öffentlich rechtlicher Hinsicht unzulässig. Der Revisionswerberin sei daher der gegenständliche Auftrag gemäß § 46 Abs. 6 lit. c TBO 2022 zu Recht erteilt worden.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 16. September 2024, E 2841/2024 5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu deren Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, sie sei im Zusammenhang mit der Revision des DI J.H., also des Ehegatten der Revisionswerberin, vom gleichen Tag zu sehen (Diese Revision ist beim Verwaltungsgerichtshof zur Zahl Ra 2024/06/0193 protokolliert und wird gesondert erledigt). Habe dieser ein Recht auf Nutzung der gegenständlichen Wohnung, habe dieses auch die Revisionswerberin, auch ohne Betriebsangehörige zu sein.

7 Im Mittelpunkt stehe die Frage, „inwieweit es rechtlich zulässig ist, den Inhalt eines rechtskräftigen Baubescheides im Nachhinein umzudeuten und eine (der belangten Behörde bekannte) jahrzehntelange Nutzung im Vertrauen auf den Baubescheid nun plötzlich zu untersagen“. Im Baubewilligungsbescheid vom 25. April 1995 finde sich keinerlei Hinweis auf die damalige Bestimmung des § 39 TROG 1994. Das LVwG weise selbst darauf hin, dass die Frage der betriebstechnischen Notwendigkeit im Bauverfahren durch Sachverständige zu untermauern sei; tatsächlich sei ein Gutachten eines Sachverständigen nicht eingeholt worden. „Unstrittig“ sei, dass die beiden Wohnungen keine betriebstechnisch notwendigen Wohnungen im Sinne des § 39 TROG (1994) seien und auch niemals, insbesondere auch nicht zum Zeitpunkt der Erteilung des Baubewilligungsbescheides, gewesen seien. Die bisherige Nutzung sei beanstandungslos als „gewöhnliche“ Betriebswohnung erfolgt. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur rechtserheblichen Frage vor, ob ein „Bauwerber auf die Formulierung in einem rechtskräftigen Baubescheid vertrauen [könne], selbst wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass der diesbezügliche Inhalt einer raumordnungsrechtlichen Bestimmung (hier: § 39 TROG) widerspricht?“ sowie ob das LVwG berechtigt sei, „im Nachhinein eine ‚Umdeutung‘ des Inhalts vorzunehmen, um den Baubescheid in Einklang mit den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen zu bringen?“. Der Ehegatte der Revisionswerberin nutze die Wohnung darüber hinaus als betriebsangehörige Person, genau, wie es der Baubescheid vorsehe; der Spruch enthalte keine zusätzliche Einschränkung dahingehend, dass die Wohnung von einer betriebsangehörigen Person lediglich als betriebstechnisch notwendige Wohnung benutzt werden dürfe. Der Revisionswerberin werde insofern ein Handeln untersagt, das sie gar nicht verwirklicht habe; der Untersagungsbescheid sei insofern „rechtlich verfehlt“, als die Tatbestandsvoraussetzung des § 46 Abs. 6 lit. c TBO 2022 nicht vorliege.

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl. etwa VwGH 27.10.2023, Ra 2023/06/0164, mwN).

13 Betreffend die Beurteilung des Baubewilligungsbescheides vom 25. April 1995 im angefochtenen Erkenntnis ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Frage der Auslegung eines konkreten Bescheides grundsätzlich nur den Einzelfall betrifft und nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG darstellen könnte, wenn vom Verwaltungsgericht diesbezüglich ein unvertretbares und die Rechtssicherheit beeinträchtigendes Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (vgl. für viele etwa VwGH 10.7.2023, Ra 2023/06/0106, bzw. zur Auslegung des Inhaltes von Bescheiden mit Tatbestandswirkung etwa VwGH 1.6.2023, Ra 2023/07/0077, mwN).

14 Eine derartige Fehlbeurteilung wird in den Zulässigkeitsgründen der Revision nicht aufgezeigt. Insbesondere wird nicht bestritten, dass in diesem Bewilligungsbescheid festgelegt wurde, dass die Wohnung nur von betriebsangehörigen Personen benützt werden dürfe. In Anbetracht der Tatsache, dass Wohnungen auf einem als „Gewerbe und Industriegebiet“ gewidmeten Grundstück auch bereits gemäß § 39 Abs. 1 lit. c TROG 1994 nach dessen eindeutigem Wortlaut nur errichtet werden durften, wenn diese betriebstechnisch notwendig waren, ist eine unvertretbare Fehlbeurteilung des LVwG hinsichtlich des in Rede stehenden Bescheides vom 25. April 1995 nicht zu sehen (vgl. dazu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Baubehörden im Baubewilligungsverfahren grundsätzlich jene Rechtsund Sachlage maßgeblich ist, die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides gegeben ist, für viele etwa VwGH 7.3.2024, Ra 2023/06/0039, mwN).

15 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird die Beurteilung des LVwG, dass die Revisionswerberin keine Betriebsangehörige eines Betriebes am gegenständlichen Standort ist, nicht bestritten. Eine krasse Fehlbeurteilung durch das LVwG wird daher in den Zulässigkeitsgründen der Revision auch in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

16Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits festgehalten, dass im Fall einer vom Baukonsens abweichenden Verwendungszweckänderung ein Auftrag zur Untersagung der weiteren Benützung gemäß § 46 Abs. 6 lit. c Tiroler Bauordnung 2018 (vgl. fallbezogen die idente Bestimmung des § 46 Abs. 6 lit. c TBO 2022) zu ergehen hat (vgl. VwGH 16.12.2020, Ra 2018/06/0314, mwN). Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 6 lit. c TBO 2022 können auch Dritte Adressaten einer Benützungsuntersagung gemäß dieser Bestimmung sein, wenn diese die betreffende bauliche Anlage außer im hier nicht relevanten Fall einer kurzzeitigen Vermietung an wechselnde Personen benützen.

17 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2024