Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der Bürgerinitiative N, 2. des M D, 3. des K E, 4. des M W, 5. der K P, 6. der C T, 7. des P H, 8. des W F, und 9. des M S, alle vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 19. Dezember 2023 (mündlich verkündet am 28. April 2023), KLVwG 350/51/2022, betreffend ein Straßenbauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Land Kärnten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird, soweit sie von der erstrevisionswerbenden Partei erhoben wurde, zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung (belangte Behörde) vom 22. Dezember 2021 wurde der mitbeteiligten Partei unter Zitierung näher bezeichneter Bestimmungen des Kärntner Straßengesetzes 2017, des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002 samt näher genannter, darauf fußender Verordnungen sowie des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP G 2000) die straßenbaurechtliche und naturschutzrechtliche Bewilligung zur Durchführung des Straßenbauvorhabens „Landesstraße B[...] D[...] Straße Umfahrung G[...], km 64,360 bis km 70,949“ erteilt.
2 Gegen diesen Bescheid erhob die erstrevisionswerbende Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG diese Beschwerde mit näher ausgeführten Maßgaben betreffend ergänzend genehmigte Projektunterlagen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (I.) und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig (II.).
4 Begründend führte das LVwG, soweit vorliegend relevant, zusammengefasst aus, mit dem geplanten Straßenbauvorhaben solle der bisherige zweispurige (pro Fahrtrichtung ein Fahrstreifen) Straßenverlauf der B [...] D[...] Straße durch das Ortsgebiet von G. derart umgelegt werden, dass eine neue zweispurige (pro Fahrtrichtung ein Fahrstreifen), im Wesentlichen bahnparallele Trasse der Landesstraße B [...] D[...] Straße von km 64,360 bis km 70,949 mit einer Länge von 6,589 km errichtet werde.
5 Zu klären sei, ob das geplante Vorhaben ein Vorhaben sei, das gemäß dem UVP G 2000 oder allenfalls der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP RL) einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sei. Eine UVP Pflicht für die in Rede stehende Straße nach § 23a UVP G 2000 scheide mangels Aufnahme in das Verzeichnis 2 des Bundesstraßengesetzes 1971 aus. Der Bau der verfahrensgegenständlichen Landesstraße könne auch in den Anwendungsbereich des Anhanges 1 Z 9 UVP G 2000 fallen, durch welches die UVP RL innerstaatlich umgesetzt worden sei; indem jedoch im Anhang 1 Z 9 UVP G 2000 von „Neubau von Schnellstraßen“ gesprochen werde und diese Textierung von Anhang I Z 7 lit. b der UVP RL insoweit abweiche, als in letzterem der „Bau von Schnellstraßen“ erfasst sei, sei insofern auf den Inhalt der UVP RL abzustellen und dieser unmittelbar anzuwenden.
6 Entsprechend der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH; Verweis auf EuGH 24.11.2016, Bund Naturschutz in Bayern , C 645/15) sei bei der Auslegung des Begriffes „Schnellstraße“ auf die technischen Merkmale von Straßen in der Anlage II Nr. II. 3 des am 15. November 1975 in Genf unterzeichneten Europäischen Übereinkommens über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs (AGR) abzustellen. Demnach sei eine Schnellstraße eine „dem Kraftfahrzeugverkehr vorbehaltene, nur über Anschlussstellen oder besonders geregelte Kreuzungen erreichbare Straße, auf der das Halten und das Parken verboten sind“.
7 Fallbezogen seien im verfahrensgegenständlichen Abschnitt der B [...] ein Kreisverkehr, eine T Kreuzung, eine Einbindung für das untergeordnete Straßennetz und Grundstückszufahrten geplant. Der Kreisverkehr könne die Anforderung „besonders geregelte Kreuzung bzw. controlled junction“ erfüllen. Neben einer T Kreuzung, die mit „Vorrang geben“ Schildern versehen werden solle, seien auf der verfahrensgegenständlichen Straße auch Abbiegespuren, die den Verkehrsfluss auf dieser Straße kreuzen, geplant, welche das Merkmal „besonders geregelte Kreuzung“ nicht erfüllten. Durch die „Vorrang geben“ Schilder werde die T Kreuzung zwar geregelt, doch sei eine höhere Qualität der verkehrsmäßigen Regelung, nämlich eine „besonders“ geregelte Kreuzung verlangt.
8 Durch die geplanten weiteren Einbindungen (Nebenstraße zur Erschließung landwirtschaftlicher Grundstücke und unmittelbare Grundstückszufahrten) seien noch weitere plangleiche Kreuzungen vorgesehen, die keinesfalls das Kriterium „nur über Anschlussstellen oder besonders geregelte Kreuzungen erreichbare Straße“ erfüllten. Das vorliegende Straßenbauvorhaben sei daher keine Schnellstraße und das Vorhaben somit nicht als „Bau einer Schnellstraße“ zu qualifizieren, weshalb die Tatbestände des Anhanges 1 Z 9 lit. a und d sowie g und h UVP G 2000, soweit sie Schnellstraßen beträfen, auszuschließen seien. Es liege vielmehr ein „Bau einer sonstigen Straße“ vor.
9 In weiterer Folge begründete das LVwG näher, dass fallbezogen auch die Tatbestände des Anhanges 1 Z 9 lit. b, c, e, f, g, h und i UVP G 2000 nicht erfüllt seien.
10 Gegen dieses Erkenntnis erhoben sowohl die erstrevisionswerbende Partei als auch die zweit- bis neuntrevisionswerbenden Parteien Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 19. Juni 2024, E 461/2024 14, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
11 In der Folge wurde gegen das Erkenntnis sowohl von der erstrevisionswerbenden Partei als auch von den zweit bis neuntrevisionswerbenden Parteien außerordentliche Revision erhoben. Die Revision der zweit bis neuntrevisionswerbenden Parteien wies der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Beschluss vom 21. März 2024, Ra 2024/06/0034 0041, zurück, weil das angefochtene Erkenntnis diesen nicht zugestellt worden war und ihnen infolgedessen keine Revisionslegitimation zukam.
12 Die erstrevisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der verfahrensgegenständlichen Revision zusammengefasst vor, es liege „bis dato keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dahingehend“ vor, „ob der Schnellstraßentatbestand des UVP G 2000 und der UVP RL eine höhere Qualität der verkehrsmäßigen Regelung einer Kreuzung“ verlange. Der Schnellstraßentatbestand des Anhangs I Z 7 lit. b der UVP RL sei nicht korrekt umgesetzt worden, da Anhang I Z 9 lit. a UVP G 2000 nur von „Neubauten“, die Richtlinie jedoch von „Bau“ spreche. Anhang I Z 7 lit. b der UVP RL sei daher unmittelbar anzuwenden; diese Rechtsansicht sei insoweit unstrittig, „als selbst die belangte Behörde und die belangte Behörde vor dem LVwG“ die UVP RL unmittelbar anwendeten. Art. 17 AGR erkläre nur den englischen, französischen und russischen Wortlaut als verbindlich; der deutsche Text sei nicht verbindlich. Durch Gegenüberstellung sei ersichtlich, dass die deutsche Fassung von „besonders geregelter Kreuzung“ spreche, während die verbindliche englische Fassung von „controlled junction“ handle. Demgemäß sei bei der Beurteilung, ob eine Schnellstraße vorliege, an das Regelungsniveau der Kreuzung kein „besonderer“ Maßstab anzulegen. Die „von der belangten Behörde“ angenommene und rein aus der deutschen unverbindlichen und nicht authentischen Fassung abgeleitete notwendige höhere Qualität der Regelung lasse sich weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung ableiten. Gegenständlich seien zwei Kreuzungen, ein Kreisverkehr, eine T Kreuzung, eine Einbindung für das untergeordnete Straßennetz und Grundstückszufahrten geplant. Die Projektierung weiterer Einbindungen könne nicht dazu führen, dass eine UVP ganz unterbleiben könne.
13 Außerdem sei das LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 20.12.2022, Ra 2022/06/0040) abgewichen, weil es unrichtig sei, dass „selbst bei Erfüllung aller Elemente einer Schnellstraße gemäß AGR eine UVP Pflicht dann nicht gegeben wäre“, weil die JDTV für eine Schnellstraße zu gering sei. Die zusätzliche Heranziehung einer bestimmten Mindest JDTV sei willkürlich und contra legem und widerspreche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die belangte Behörde und das LVwG hätten darüber hinaus den Vorhabensbegriff des § 2 UVP G 2000 und die Kumulationsbestimmung des § 3 Abs. 2 UVP G 2000 nicht korrekt angewendet und nicht berücksichtigt, dass die mitbeteiligte Partei vor über einem Jahrzehnt die Gesamtsanierung der B [...] beantragt und dafür einen positiven UVP Bescheid erwirkt habe.
14 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Die Auslegung des Begriffes „Schnellstraße“ nach Anhang I Z 7 lit. b der UVP RL ist durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt (acte éclairé). Demnach ist nach dieser Begriffsbestimmung eine Schnellstraße „eine dem Kraftfahrzeugverkehr vorbehaltene, nur über Anschlussstellen oder besonders geregelte Kreuzungen erreichbare Straße, auf der das Halten und das Parken verboten sind“ (vgl. EuGH 24.11.2016, Bund Naturschutz in Bayern , C 645/15, Rn. 34, sowie EuGH 25.7.2008, Ecologistas en Acción CODA , C 142/07, Rn. 31).
19 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. für viele etwa VwGH 23.8.2024, Ra 2024/06/0125, mwN).
20 Fallbezogen stellte das LVwG im angefochtenen Erkenntnis fest, es seien Abbiegespuren, die den Verkehrsfluss auf der Straße kreuzen, weitere Einbindungen einer Nebenstraße zur Erschließung landwirtschaftlicher Grundstücke, sowie unmittelbare Grundstückszufahrten geplant. Diesen Feststellungen tritt die erstrevisionswerbende Partei in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht entgegen. Da die verfahrensgegenständliche Straße nach diesen Feststellungen somit unstrittig auch über Einbindungen einer Nebenstraße zur Erschließung landwirtschaftlicher Grundstücke und unmittelbare Grundstückszufahrten verfügt, erfüllt sie schon aus diesem Grund nicht die in der Rechtsprechung des EuGH klargestellten technischen Merkmale einer Schnellstraße (vgl. oben Rn. 18). Auf die Definition einer „besonders geregelten Kreuzung“ bzw. jene der entsprechenden englischen Sprachfassung des AGR sowie einen Mindest JDTV kommt es dabei nicht an. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zuständig (vgl. für viele etwa VwGH 18.3.2025, Ra 2025/06/0035, mwN).
21 Soweit die erstrevisionswerbende Partei zur Zulässigkeit der Revision darüber hinaus ein Abweichen von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend macht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein Revisionswerber im Fall einer behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Die bloße Nennung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, reicht dabei nicht aus (vgl. für viele etwa VwGH 19.3.2025, Ra 2024/06/0171, mwN). Dieser Anforderung genügt die Zulässigkeitsbegründung der Revision, die bloß Rechtssätze aus unterschiedlichen Judikaten wiedergibt, ohne fallbezogen konkrete Abweichungen darzustellen, nicht.
22 Wenn die erstrevisionswerbende Partei zur Zulässigkeit vorbringt, das LVwG sei im Zusammenhang mit der Beurteilung des Vorhabensbegriffes des § 2 UVP G 2000 bzw. der Kumulationsbestimmung des § 3 Abs. 2 leg. cit. von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wird ebenfalls nicht dargestellt, worin die konkrete Abweichung bestehen sollte; insbesondere beschränkt sich die erstrevisionswerbende Partei diesbezüglich auf allgemeine Aussagen, nennt aber nicht ein konkretes Projekt, das vom LVwG ihrer Meinung nach in die Beurteilung einbezogen werden hätte müssen.
23 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
24 Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der erstrevisionswerbenden Partei als anerkannte Umweltorganisation im vorliegenden Verfahren die vom LVwG bejahte Parteistellung zugekommen ist (vgl. zur Gleichrangigkeit der Zurückweisungsgründe des § 34 Abs. 1 VwGG etwa VwGH 3.3.2023, Ra 2021/10/0178, Rn. 56, mwN). Aus demselben Grund kann eine Auseinandersetzung mit der Tauglichkeit der von der erstrevisionswerbenden Partei in der Revision geltend gemachten Revisionspunkte (vgl. § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) unterbleiben.
25 Weiters war vor diesem Hintergrund auch der Anregung der erstrevisionswerbenden Partei, der Verwaltungsgerichtshof möge an den EuGH zur Auslegung des Begriffes „besonders geregelte Kreuzung“ einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV stellen, nicht zu folgen (vgl. etwa VwGH 20.3.2025, Ra 2024/06/0228, mwN; vgl. weiters EuGH 15.10.2024, KUBERA , C 144/23, Rn. 62, mwN, wonach die Pflicht zur Vorlage entfällt, wenn „die aufgeworfene unionsrechtliche Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich ist“).
Wien, am 27. Juni 2025