JudikaturVwGH

Ra 2025/01/0220 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
21. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Y, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 2025, Zl. L508 23043041/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache ein Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.

2 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 25. Juni 2025, E 1448/2025 5, die Behandlung der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit eine Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, vermag sie nicht konkret aufzuzeigen, dass das BVwG von den Leitlinien der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFAVG abgewichen wäre (vgl. etwa VwGH 12.12.2022, Ra 2022/01/0335, mwH, grundlegend auf VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0117 und 0018).

8Mit den weiteren Ausführungen zur Zulässigkeit (unter den Überschriften „4.2 Maßstab mangelnder Asylrelevanz allgemeiner Diskriminierung“, „4.3 Fehlende unionsrechtskonforme Vertretung“) wird nicht dargelegt, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 18.10.2017, Ra 2017/11/0231, mwN).

9 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 Die Revision moniert schließlich, der VfGH habe mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2023, G 328 335/2022 47, „tragende Teile des BBU Gesetzes aufgehoben, weil die BBU selbstverständlich keine ausreichende Unabhängigkeit und Qualifikation erbringt [...]. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof aber eine Legisvakanz bis 30. Juni 2025 verfügt, was bedeutet, dass alle Asylwerber, und auch der Revisionswerber, für die Zeit bis 30.6.2025 keinen Anspruch auf unionsrechtskonforme Vertretung haben bzw. hatten.“

11 Die Revision regt in diesem Zusammenhang an, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage „Darf eine Unionsrechtsgarantie wie jene der unabhängigen Rechtsberatung nach Art. 19 bis 23 der Verfahrensrichtlinie dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass eine Gesetzesaufhebung mit Legisvakanz erfolgt?“ zur Vorabentscheidung vorzulegen.

12 Dieser Anregung war aus nachstehenden Erwägungen nicht zu folgen:

13 Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem genannten Erkenntnis (u.a.) nähere Bestimmungen des BBU Errichtungsgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben und für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Regelungen gemäß Art. 140 Abs. 5 B VG eine Frist (mit Ablauf des 30. Juni 2025) bestimmt.

14 Dabei handelte es sich zum einen nicht um eine „Legisvakanz“ (iSd Zeitraums zwischen der Kundmachung und dem Inkrafttreten einer generellen Norm).

15 Zum anderen erfolgte bereits mit Gesetz BGBl. I Nr. 134/2024 eine Novellierung des BBU Errichtungsgesetzes, die der gesetzlichen Absicherung der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater entsprechend den Vorgaben des VfGH im erwähnten Erkenntnis bzw. entsprechend den Anforderungen des Art. 47 GRC diente (vgl. die Erl in IA 4130/A, 27. GP, 6). Die maßgeblichen Bestimmungen dieser Novelle traten am 23. Juli 2024 in Kraft (vgl. Art. 1 Z 22 [§ 31 Abs. 2]) und waren bereits für das gegenständliche Beschwerdeverfahren des Revisionswerbers vor dem BVwG anzuwenden.

16 Die gestellte (Vorlage )Frage ist im vorliegenden Revisionsverfahren sohin nicht entscheidungserheblich (vgl. EuGH 15.10.2024, KUBERA , C144/23, Rn. 36, 62, mwN), weshalb die Pflicht zur Vorlage entfällt (vgl. auch VwGH 27.6.2025, Ra 2024/06/0033).

17 Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt die Rechtfertigung eines Vorabentscheidungsersuchens aber nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. EuGH 11.6.2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C 646/21, Rn. 67, 86, mwN).

18 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. August 2025