Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Dipl. Ing. M T in B, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Fohrenburgstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 3. Oktober 2023, LVwG 318 62/2023 R6, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Bludenz; mitbeteiligte Partei: E S in B, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt B. vom 3. April 2023 wurde dem Mitbeteiligten die Baubewilligung zum Abbruch eines bestehenden Wohngebäudes und zur Neuerrichtung eines Einfamilienhauses auf einem näher bezeichneten Grundstück in der KG B. unter der Vorschreibung von Auflagen erteilt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der dagegen gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid nach Maßgabe näher bezeichneter Planunterlagen. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
3 Begründend führte das LVwG, soweit gegenständlich relevant, zusammengefasst aus, das Grundstück des Revisionswerbers grenze östlich an das Baugrundstück an. Bei dem ostseitigen Teil des Daches des Bauvorhabens, welcher in den vorliegenden Plänen als „Vordach/Dachvorsprung“ bezeichnet werde, handle es sich um einen Dachvorsprung im Sinne des § 5 Abs. 5 lit. c Baugesetz (BauG) (wird näher ausgeführt). Mit der Novelle LGBl. Nr. 54/2015 des BauG seien Dachvorsprünge in § 5 Abs. 5 lit. c leg. cit. privilegiert worden, indem es bei Dachvorsprüngen bis 1,30 m Ausladung nicht mehr darauf ankomme, ob es sich dabei um einen untergeordneten Bauteil handle; alle Dachvorsprünge bis 1,30 m seien somit nicht zu berücksichtigen. Indem der gegenständliche Dachvorsprung von 1,20 m nicht berücksichtigt worden sei, sei daher bei der Berechnung der ostseitigen Abstandsfläche keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, es gebe zum Verhältnis des § 5 Abs. 3 zu § 5 Abs. 5 lit. c BauG noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das LVwG habe § 5 Abs. 3 BauG und den darin enthaltenen Verweis auf § 5 Abs. 5 lit. c leg. cit. unrichtig angewendet (wird näher ausgeführt); der gegenständliche Dachvorsprung sei kein untergeordneter Bauteil, weshalb er bei der Ermittlung des Schattenpunktes bei der Abstandsfläche hätte berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus hätte das vom LVwG eingeholte Amtssachverständigengutachten dem angefochtenen Erkenntnis nicht zugrunde gelegt werden dürfen; indem dies trotzdem erfolgt sei, sei das LVwG von (nicht näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2022/06/0013, mwN).
10 Dies ist hier der Fall: Gemäß § 5 Abs. 5 lit. c BauG dürfen folgende Bauwerke innerhalb der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück bestehen bzw. errichtet werden: „Dachvorsprünge bis zu 1,3 m Ausladung; weiters Sonnenblenden, Windfänge, offene Balkone, Erker, Kamine, Freitreppen, Werbeanlagen u.dgl, sofern es sich bei ihnen um untergeordnete Bauteile handelt, bis zu 1,30 m Ausladung.“
11 Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung sind Dachvorsprünge bis zu 1,3 m Ausladung jedenfalls und ohne weitere Einschränkung erfasst (vgl. in diesem Sinne auch Tschofen in Lampert/Tschofen , Vlbg BauG [2018] § 5 Rz 7).
12 Angesichts der dargestellten klaren Rechtslage kommt somit fallbezogen weder dem Zulässigkeitsvorbringen, der gegenständliche Dachvorsprung sei kein untergeordneter Bauteil, weshalb er bei der Ermittlung des Schattenpunktes bei der Abstandsfläche berücksichtigt werden hätte müssen, noch der in diesem Zusammenhang in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Rechtsfrage des Verhältnisses von § 5 Abs. 3 zu § 5 Abs. 5 lit. c BauG Bedeutung zu, da nach dem Gesagten Dachvorsprünge bis zu 1,30 m Ausladung jedenfalls innerhalb der Abstandsflächen errichtet werden dürfen, ohne, dass es dabei auf die Frage ankäme, ob es sich bei ihnen um untergeordnete Bauteile handelt oder nicht. Die vom Revisionswerber vertretene Rechtsansicht, wonach gemäß § 5 Abs. 3 zweiter Satz BauG auch hinsichtlich Dachvorsprüngen geprüft werden müsse, ob diese „untergeordnet“ seien, ist mit dem dargestellten klaren Willen des Gesetzgebers nicht in Übereinstimmung zu bringen. Zur Klärung bloß theoretischer Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (vgl. etwa VwGH 1.8.2019, Ra 2019/06/0102, mwN).
13 Betreffend das in der Zulässigkeitsbegründung darüber hinaus vorgebrachte Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist darauf hinzuweisen, dass ein Revisionswerber im Fall der Behauptung einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret darzulegen hat, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichthofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. für viele etwa VwGH 18.3.2024, Ra 2024/06/0026, mwN). Auch dieser Anforderung wird die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht gerecht.
14 Mit Blick auf die vom Revisionswerber nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachte Revisionsergänzung genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes hinzuweisen, wonach ein in einem erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Schriftsatz erstattetes (ergänzendes) Vorbringen bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa VwGH 12.5.2023, Ra 2022/06/0204, mwN).
15 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. Mai 2024
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