Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Burgenländischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Jänner 2024, Zl. W109 2276294 1/10E, betreffend ein UVP Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. P GmbH und 2. Gemeinde P), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
I.
1 1. Mit Bescheid vom 31. Mai 2023 stellte die Burgenländische Landesregierung (belangte Behörde, Amtsrevisionswerberin) über Antrag der Erstmitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 7 in Verbindung mit Anhang 1 Z 20 lit. a Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000) fest, dass für die Errichtung eines (näher beschriebenen) Hotels eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im vereinfachten Verfahren durchzuführen sei.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde der Erstmitbeteiligten statt und stellte fest, dass das Vorhaben keiner Verpflichtung zur Durchführung einer UVP unterliege. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig erklärt.
3 2.1. Das BVwG hielt fest, das gegenständliche Vorhaben beinhalte die Errichtung eines neuen Hotels auf zwei (als „Bauland Betriebsgebiet“ gewidmeten) Grundstücken mit einer Flächeninanspruchnahme von insgesamt 7.461 m² und 600 geplanten Betten. Bei dem geplanten Objekt handle es sich um einen Beherbergungsbetrieb.
4 Zur Umgebung der Projektgrundstücke führte das BVwG gestützt auf die Einsicht in die entsprechenden Landkarten sowie auf das Vorbringen der Parteien wie folgt aus:
Auf dem direkt (südlich) an die beiden Projektgrundstücke angrenzenden (ebenfalls als „Bauland Betriebsgebiet“ gewidmeten) Grundstück bestehe bereits ein Hotel. Zudem befinde sich im Süden der Projektgrundstücke das Outlet Center P. Dieses Areal sei als „Bauland Betriebsgebiet“ gewidmet und bestehe großteils aus Handelsbetrieben und Parkplätzen.
Im Westen grenze eine Bundesstraße an das Projektgebiet an und auf der anderen Straßenseite befinde sich eine landwirtschaftlich genutzte (und auch als solche gewidmete) Grünfläche.
Im Osten liege eine freie Grünfläche von etwa 300 Metern (zum Teil als „Bauland Betriebsgebiet“, zum Teil als „Bauland Industriegebiet“ gewidmet) und danach befinde sich eine große Fabrikhalle, die sich in den Nordosten erstrecke. (Nord)östlich von dieser Halle befänden sich landwirtschaftlich genutzte Betriebsflächen, ein Waldstreifen sowie ein Naturschutzgebiet.
Im Norden liege eine derzeit unbebaute, als „Bauland Betriebsgebiet“ gewidmete Grünfläche, bestehend aus den Grundstücken X und Y, die sich etwa 400 Meter nördlich erstrecke. Weiter nordöstlich gebe es (etwa) 500 Meter mit spärlicher Bebauung (darunter ein Kfz Prüfzentrum), bis schließlich die Dorfgrenze von P erreicht werde. Weiter im Nordwesten finde sich nach den beiden genannten Grundstücken zwischen der Dorfgrenze und den Projektgrundstücken primär landwirtschaftlich genutzte Grünfläche mit entsprechender Widmung. Hinsichtlich der beiden Grundstücke X und Y seien mit Bescheid vom 18. Juli 2019 die Baubewilligung für den Neubau eines (näher bezeichneten) Shoppingcenters bzw. mit Bescheid vom 13. Jänner 2023 die Baubewilligung für die Errichtung eines Freizeitparks erteilt worden. Für das erstgenannte Projekt sei der Baubehörde mit 25. Juli 2023 der Baubeginn angezeigt worden; für das zweitgenannte Projekt sei noch keine Anzeige eines Baubeginns erfolgt.
5 Das gegenständliche Vorhaben befinde sich in keinem schutzwürdigen Gebiet des Anhanges 2 UVP G 2000.
6 2.2. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das BVwG zunächst fest, im vorliegenden Fall sei angesichts der geplanten Anzahl von 600 Betten der Schwellenwert des Anhanges 1 Z 20 lit. a UVP G 2000 erreicht. Die Entscheidung über die UVP Pflicht des Vorhabens hänge somit von der Frage ab, ob das geplante Vorhaben innerhalb oder außerhalb des geschlossenen Siedlungsgebiets liege. Eine Legaldefinition dieses Begriffs gebe es nicht. Weiters hielt das BVwG fest, dass das „geschlossene Siedlungsgebiet“ im Sinn des Anhang 1 Z 20 UVP G 2000 nicht mit dem „Siedlungsgebiet“ gemäß Anhang 2 UVP G 2000 gleichzusetzen sei. Mit der Formulierung „außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete“ werde insbesondere auf jene Umweltauswirkungen abgestellt, die aus der Situierung des Vorhabens außerhalb eines mit einer gewissen Dichte bebauten Gebietes resultierten. Bei der Prüfung, ob ein „geschlossenes Siedlungsgebiet“ im Sinn des UVP G 2000 vorliege, sei ein besonderes Augenmerk auf die Schutzgüter „Boden“ und „Landschaftsbild“ zu legen. Zum Schutzgut „Boden“ verwies das BVwG darauf, dass eines der beiden Projektgrundstücke bereits derzeit (als Parkplatz) versiegelt sei; zum Schutzgut „Landschaft“ könne auf das im Naturschutzrecht vorgefundene Verständnis zurückgegriffen werden. Zudem stellte das BVwG die wesentlichen Aussagen in den dazu ergangenen Entscheidungen ([ Payerbach ] sowie [ Bad Gastein ]) des (ehemaligen) Umweltsenates dar.
7 Fallbezogen kam das BVwG zum Ergebnis, bei Betrachtung der größer gefassten Umgebung des Projektstandortes zeige sich ein sich herausbildender, die Ortschaft P und das Outlet Center P verbindender baulicher Zusammenhang der beiden Gebiete. Dieser zeichne sich nicht nur optisch im Landschaftsbild klar ab, sondern finde auch im Flächenwidmungsplan Berücksichtigung. Dieser verbindende Gebietsstreifen sei als „Bauland Betriebsgebiet“ bzw. „Bauland Industriegebiet“ gewidmet, während die umgebende Freifläche andere Widmungen aufweise. Maßgeblich für die Begründung der Eigenschaft als „im geschlossenen Siedlungsgebiet liegend“ sei aber nicht die Widmung eines Standortes allein, vielmehr sei auch die „Bestehensdauer“ (der Widmung) sowie die „Prognose der klar absehbaren Nutzung der Widmung“ maßgeblich.
8 Im vorliegenden Fall würden die Widmungen des Gebietsstreifens zwischen der Ortschaft P und dem Outlet Center P ein vom Umgebungsbereich abgetrenntes Gebiet indizieren. Dieser Gebietsstreifen weiche auch optisch erkennbar vom Umgebungsbereich ab. Zudem bestünden auf zwei Grundstücken (den Grundstücken X und Y) aufrechte Baubewilligungen (und zum erstgenannten Grundstück sei auch schon der Baubeginn gemeldet worden), weshalb klare Umstände erkennbar seien, dass dieses Gebiet seiner Widmung entsprechend bebaut werde. Zwar könnten weder die Widmung noch eine bloß geplante Bebauung allein auf ein geschlossenes Siedlungsgebiet schließen lassen. Eine schon bewilligte und teils begonnene Bebauung auf einer langfristig bestehenden Widmung ermögliche es allerdings, dieses Gebiet bei der Beurteilung des Vorliegens eines geschlossenen Siedlungsgebiets als „effektiv verbautes Gebiet“ anzusehen. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden und zum Teil sogar schon begonnenen Verbauung dieses Gebietes werde im vorliegenden Fall (nur) eine Baulücke geschlossen. Ein Zusammenwachsen zweier Siedlungsgebiete spreche für eine Lage des Vorhabens innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes. Bei einer großräumigen Betrachtung sei dieses Gebiet (zwischen dem Ortskern und dem Outlet Center) dicht und geschlossen bebaut.
9 Weiters sei so das BVwG unter Bezugnahme auf eine näher dargestellte Lehrmeinung auf die Einbettung eines Projektes in einen zusammenhängenden Komplex siedlungstypischer Einrichtungen abzustellen. Siedlungstypische Einrichtungen seien nicht nur Wohnbauten, sondern auch Freizeit- und Infrastruktureinrichtungen. Bei der gebotenen großflächigen Betrachtung grenze nur im Westen eine freie Fläche an das Vorhaben an. Dass an einigen Seiten (Osten und Norden) zwischen den Projektgrundstücken und den weiteren Einrichtungen des gesamtheitlich betrachteten Komplexes Grünflächen lägen, sei nicht schädlich. Nur bei einer eng gefassten Sichtweise wäre das Projektgrundstück als überwiegend von freier Fläche umgeben anzusehen. Angesichts der besonders relevanten Schutzgüter „Boden“ und „Landschaftsbild“ sei aber eine großräumige Betrachtung geboten.
10 Bei gesamtheitlicher Betrachtung aller Umstände zeige sich somit, dass das gegenständliche Vorhaben innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebiets liege und daher nicht im Sinn des Anhanges 1 Z 20 lit. a UVP G 2000 UVP pflichtig (im vereinfachten Verfahren) sei.
11 2.3. Hinsichtlich der Zulassung der Revision führte das BVwG aus, die Entscheidung hänge von der Lösung der Rechtsfrage ab, ob das gegenständliche Vorhaben in einem geschlossenen Siedlungsgebiet liege. Zu diesem Begriff gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
12 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der belangten Behörde, in der zur Zulässigkeit ebenfalls auf die fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Kriterien für die Einstufung als geschlossenes Siedlungsgebiet verwiesen wird.
13 Die Erstmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, der Revision keine Folge zu geben und den gesetzlich gebührenden Aufwandersatz zuzuerkennen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 1. Die Revision erweist sich im Hinblick auf die vom BVwG und der Amtsrevisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage als zulässig und aus nachstehenden Erwägungen auch als berechtigt.
15 2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP G 2000), BGBl. Nr. 697/1993 idF BGBl. I Nr. 80/2018 (§ 1) bzw. BGBl. I Nr. 26/2023 (§ 3, Anhang 1 Z 20), lauten auszugsweise:
„ Aufgabe von Umweltverträglichkeitsprüfung und Bürgerbeteiligung
§ 1. (1) Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist es, unter Beteiligung der Öffentlichkeit auf fachlicher Grundlage
1. die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen festzustellen, zu beschreiben und zu bewerten, die ein Vorhaben
a) auf Menschen und die biologische Vielfalt einschließlich der, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume,
b) auf Fläche und Boden, Wasser, Luft und Klima,
c) auf die Landschaft und
d) auf Sach- und Kulturgüter
hat oder haben kann, wobei Wechselwirkungen mehrerer Auswirkungen untereinander miteinzubeziehen sind,
2. Maßnahmen zu prüfen, durch die schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt verhindert oder verringert oder günstige Auswirkungen des Vorhabens vergrößert werden,
3. die Vor- und Nachteile der vom Projektwerber/von der Projektwerberin geprüften Alternativen sowie die umweltrelevanten Vor- und Nachteile des Unterbleibens des Vorhabens darzulegen und
4. bei Vorhaben, für die gesetzlich die Möglichkeit einer Enteignung oder eines Eingriffs in private Rechte vorgesehen ist, die umweltrelevanten Vor- und Nachteile der vom Projektwerber/von der Projektwerberin geprüften Standort- oder Trassenvarianten darzulegen.
(2) Durch dieses Bundesgesetz wird die Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. Nr. L 26 vom 28.1.2012 S. 1, in der Fassung der Richtlinie 2014/52/EU, ABl. Nr. L 124 vom 25.04.2014 S. 1, umgesetzt und werden begleitende Bestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 347/2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009, ABl. Nr. L115 vom 25.4.2013, S. 39, erlassen.
[...]
Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung
§ 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Für Vorhaben, die in Spalte 2 und 3 des Anhanges 1 angeführt sind, ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen. Im vereinfachten Verfahren sind § 3a Abs. 2, § 6 Abs. 1 Z 1 lit. d, § 7 Abs. 2, § 12, § 13 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 20 Abs. 5 und § 22 nicht anzuwenden, stattdessen sind die Bestimmungen des § 3a Abs. 3, § 7 Abs. 3 und § 12a anzuwenden.
[...]
(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. [...]
[...]
Anhang 1
Der Anhang enthält die gemäß § 3 UVP pflichtigen Vorhaben.
In Spalte 1 und 2 finden sich jene Vorhaben, die jedenfalls UVP pflichtig sind und einem UVP Verfahren (Spalte 1) oder einem vereinfachten Verfahren (Spalte 2) zu unterziehen sind. Bei in Anhang 1 angeführten Änderungstatbeständen ist ab dem angeführten Schwellenwert eine Einzelfallprüfung durchzuführen; sonst gilt § 3a Abs. 2 und 3, außer es wird ausdrücklich nur die ‚Neuerrichtung‘, der ‚Neubau‘ oder die ‚Neuerschließung‘ erfasst.
[...]
16 2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen sowie Erwägungsgründe der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der Fassung der Richtlinie 2014/52/EU (im Folgenden: UVP RL) lauten auszugsweise:
„[Erwägungsgrund] (3) Es sollte eine Harmonisierung der Grundsätze für die Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden, insbesondere hinsichtlich der Art der zu prüfenden Projekte, der Hauptauflagen für den Projektträger und des Inhalts der Prüfung. Die Mitgliedstaaten können jedoch strengere Umweltschutzvorschriften festlegen.
[...]
Artikel 2
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.
[...]
Artikel 4
(1) Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.
(2) Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss. Die Mitgliedstaaten treffen diese Entscheidung anhand
a) einer Einzelfalluntersuchung
oder
b) der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien.
Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a und b genannten Verfahren anzuwenden.
(3) Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien für die Zwecke des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten können Schwellenwerte oder Kriterien festlegen, bei deren Erfüllung Projekte weder der Feststellung gemäß den Absätzen 4 und 5 noch einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, und/oder Schwellenwerte oder Kriterien, bei deren Erfüllung Projekte in jedem Fall einer Umweltverträglichkeitsprüfung ohne Durchführung einer Feststellung gemäß den Absätzen 4 und 5 unterliegen.
[...]
ANHANG II
IN ARTIKEL 4 ABSATZ 2 GENANNTE PROJEKTE
[...]
12. FREMDENVERKEHR UND FREIZEIT
[...]
c) Feriendörfer und Hotelkomplexe außerhalb von städtischen Gebieten und zugehörige Einrichtungen;
[...]“
17 3. Nach den im Revisionsfall unstrittigen Feststellungen des BVwG beinhaltet das gegenständliche Vorhaben die Errichtung eines neuen Hotels mit 600 geplanten Betten. Der Schwellenwert des Anhanges 1 Z 20 lit. a UVP G 2000 (500 Betten) wird daher überschritten. Ob im vorliegenden Fall eine UVP Pflicht (in Form des vereinfachten Verfahrens) besteht, hängt somit davon ab, ob das geplante Vorhaben innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes (im Sinn dieser Bestimmung) liegt.
4. Auslegung des Anhanges 1 UVP G 2000 allgemein
18 4.1. Für die Beantwortung der Frage, ob ein bestimmtes Vorhaben einen Tatbestand des Anhanges 1 UVP G 2000 erfüllt, ist ausgehend vom Wortlaut des Anhanges das auf dem Boden der Projektunterlagen des Projektwerbers zu prüfende Vorhaben unter Berücksichtigung des Vorhabensbegriffs nach § 2 Abs. 2 UVP G 2000 - maßgeblich (vgl. VwGH 26.4.2011, 2008/03/0089, Pkt. 3.3). Bei der Auslegung der in Anhang 1 UVP G 2000 enthaltenen Tatbestände sind jedenfalls auch die in § 1 Abs. 1 UVPG 2000 genannten Zielsetzungen und die in dieser Bestimmung genannten Schutzgüter zu berücksichtigen (vgl. etwa VwGH 11.5.2017, Ra 2017/04/0006, Rn. 41, mwN).
19 4.2. Maßgeblich ist zudem, dass durch das UVP G 2000 die UVP RL umgesetzt wird (§ 1 Abs. 2 UVP G 2000). Gesetzliche Bestimmungen, die in Umsetzung einer unionsrechtlichen Richtlinie erlassen wurden, sind so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auszulegen und anzuwenden, um das mit ihr angestrebte Ziel zu erreichen. Im Zweifel ist daher ein Tatbestand des Anhanges 1 UVPG 2000 richtlinienkonform auszulegen (vgl. etwa VwGH 29.3.2022, Ro 2020/05/0022, 0023, Rn. 28, mwN).
20 Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht das wesentliche Ziel der UVP RL nach deren Art. 2 Abs. 1 darin, dass Projekte, bei denen ua. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung einer vorherigen Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Außerdem hat der EuGH festgehalten, dass die UVP RL einen großen Anwendungsbereich hat und dass ihr Zweck sehr weit reicht (vgl. EuGH 7.8.2018, C 329/17, Prenninger ua. , Rn. 35 f). Zwar kommt den Mitgliedstaaten hinsichtlich der gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. b UVP RL festzulegenden Schwellenwerte und Kriterien ein Wertungsspielraum zu; dieser Spielraum wird aber durch die Pflicht begrenzt, Projekte, bei denen aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen (vgl. EuGH 21.3.2013, C 244/12, Salzburger Flughafen , Rn. 29, mwN).
21 Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass bei der Auslegung des Anhanges II UVP RL (somit betreffend die Projekte, die aufgrund einer Einzelfallprüfung oder aufgrund der festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien einer UVP zu unterziehen sind) zu berücksichtigen ist, dass die UVP RL einen ausgedehnten Anwendungsbereich und einen sehr weitreichenden Zweck hat. Das in Art. 2 Abs. 1 UVPRL zum Ausdruck kommende Ziel einer möglichst weitgehenden Überprüfung, ob mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, gebietet eine weite Auslegung (vgl. etwa erneut VwGH 29.3.2022, Ro 2020/05/0022, 0023, Rn. 29, 34, mwN).
22 Die UVP RL verpflichtet die Mitgliedstaaten zudem, bei der für Projekte des Anhangs II vorzunehmenden Einzelfalluntersuchung bzw. Festlegung von Schwellenwerten und Kriterien für die Beurteilung einer UVP Pflicht die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen (siehe Art. 4 Abs. 3 UVP RL). Anhang III UVPRL erfordert (neben anderem) eine standortbezogene Beurteilung der ökologischen Empfindlichkeit der durch das Projekt möglicherweise beeinträchtigten geographischen Räume (vgl. zu allem VwGH 29.3.2021, Ro 2020/03/0023 0040, Rn. 37).
23 4.3. Schließlich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass nach Erwägungsgrund 3 zur UVP RL die Mitgliedstaaten (auch) in Bezug auf die Art der zu prüfenden Projekte strengere Umweltvorschriften festlegen können (vgl. dazu auch VwGH 23.4.2014, 2013/07/0276, Pkt. 7, dort in Bezug auf den Tatbestand des Anhanges 1 Z 2 lit. c UVP G 2000).
5. „Geschlossenes Siedlungsgebiet“ gemäß Anhang 1 Z 20 lit. a UVP G 2000
24 5.1. Vorauszuschicken ist zunächst Folgendes: Der Begriff des „geschlossenen Siedlungsgebietes“ nach Anhang 1 Z 20 lit. a UVP G 2000 ist nicht mit dem Begriff „Siedlungsgebiet in oder nahe Siedlungsgebieten“ gemäß Anhang 2 Kategorie E UVP G 2000 gleichzusetzen. Dies ergibt sich abgesehen von den abweichenden Formulierungen schon aus den unterschiedlichen Zielsetzungen dieser Bestimmungen. Während das „Siedlungsgebiet“ im Sinn des Anhanges 2 UVP G 2000 ein schutzwürdiges Gebiet ist, dem um insbesondere bei lärm- und geruchsbelästigenden Vorhaben „anthropozentrischen Bedürfnissen“ Rechnung zu tragen ein erhöhter Schutz zuteil wird (vgl. dazu IA 168/A BlgNR 21. GP 32), stellt das „geschlossene Siedlungsgebiet“ gemäß Anhang 1 Z 20 lit. a UVP G 2000 eine Kategorie dar, die hinsichtlich der darin angesprochenen Beherbergungsprojekte weniger schützenswert erscheint, weil derartige Vorhaben nur außerhalb eines solchen Gebietes der UVP Pflicht unterliegen können.
25 5.2. Der Begriff des „geschlossenen Siedlungsgebiets“ ist im UVP G 2000 nicht definiert. Auch die Erläuterungen zur UVP G- Novelle 2000 (BGBl. I Nr. 89; IA 168/A BlgNR 21. GP 38), im Zuge derer die Formulierung „außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete“ in Anhang 1 Z 20 lit. a UVP G 2000 eingeführt wurde, enthalten keine nähere Umschreibung dieses Begriffs. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber für die UVP Pflicht danach differenziert, ob ein Vorhaben innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegt, kann aber jedenfalls abgeleitet werden, dass (insbesondere) auf die Umweltauswirkungen abzustellen ist, die je nach Situierung des Beherbergungsbetriebes (innerhalb oder außerhalb von bebautem Gebiet) unterschiedlich ausfallen können (so auch schon Umweltsenat 18.12.2009, US 4B/2009/19 16 [ Bad Gastein ], Pkt. 2.5.3.).
26 Dies findet auch in den Erläuterungen zur Z 23 des Anhanges 1 UVP G 2000, der zufolge „Campingplätze außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete mit mindestens 500 Stellplätzen“ (ebenfalls) einer UVP im vereinfachten Verfahren zu unterziehen sind, Deckung (IA 168/A BlgNR 21. GP 38). Darin lautet es wie folgt:
„Hinsichtlich der Umweltauswirkungen (Verkehrsaufkommen, Abfallaufkommen, Abwässer) ist auf die Größe des Campingplatzes und seine Lage abzustellen. Dementsprechend sind Campingplätze, die sich analog den Beherbergungsbetrieben in einem geschlossenen Siedlungsgebiet befinden, von der UVP Pflicht ausgenommen.“
27 Der Gesetzgeber erachtet die Lage eines Campingplatzes (innerhalb oder außerhalb eines Siedlungsgebietes) somit als für die (zu erwartenden) Umweltauswirkungen (insbesondere) in den Bereichen Verkehr, Abfall und Abwässer bedeutsam. Im Hinblick auf den Hinweis in den Erläuterungen („analog den Beherbergungsbetrieben“) kann für einen Beherbergungsbetrieb nichts Anderes gelten als für einen Campingplatz. In Zusammenschau dieser Aussagen geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass von einem (wenn auch großen) Beherbergungsbetrieb innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes (hinsichtlich der Bereiche Verkehr, Abfall und Abwässer) typischerweise keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt ausgehen, da ansonsten eine Ausnahme von der UVP Pflicht nicht gerechtfertigt wäre. Somit kann aber umgekehrt zumindest in Zweifelsfällen für die Frage der Zuordnung eines Vorhabens zum Bereich innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes auch von Bedeutung sein, ob im Hinblick auf den Projektstandort bzw. die im Projektgebiet bereits vorhandene Infrastruktur und Erschließung für die dort typischerweise ohnehin zu erwartenden bzw. vorhandenen Umweltauswirkungen hinsichtlich Verkehr, Abfälle und Abwässer durch ein über den Schwellenwerten liegendes Hotelprojekt mit einer erheblichen Änderung zu rechnen wäre.
28 5.3. Verwiesen wird in den Erläuterungen (IA 168/A BlgNR 21. GP 38) zudem auf Anhang II Z 12 lit. c UVP RL, dem zufolge zu den in Art. 4 Abs. 2 UVP RL genannten Projekten „Feriendörfer und Hotelkomplexe außerhalb von städtischen Gebieten und zugehörige Einrichtungen“ gehören. Was unter städtischen Gebieten (in der englischen Fassung „urban areas“) zu verstehen ist, wird in Anhang II UVP RL nicht näher präzisiert.
29 Die Erstmitbeteiligte vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Auffassung, die Umsetzungsregelung in Anhang 1 Z 20 lit. a UVP G 2000 enthalte durch das Abstellen auf das zusätzliche Element der „Geschlossenheit“ (des Siedlungsgebietes) eine Einschränkung gegenüber der Richtlinienregelung in Anhang II Z 12 lit. c UVP RL und dies sei im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu korrigieren. Dazu genügt folgender Hinweis: Es finden sich im UVP G 2000 sowie in den Erläuterungen dazu zwar keine Hinweise dahingehend, dass mit der Verwendung der Begrifflichkeit „geschlossenes Siedlungsgebiet“ eine gegenüber der Richtlinienregelung („städtisches Gebiet“) bewusst strengere Umweltvorschrift normiert werden sollte (vgl. zur diesbezüglichen Maßgeblichkeit der gesetzgeberischen Absicht Bergthaler in Ennöckl/Raschauer/Bergthaler [Hrsg.], Kommentar zum UVP G [2013], Anhang I Präambel Rz. 6). Selbst wenn man aber wie offenbar die Erstmitbeteiligte die nationale Umsetzungsregelung als gegenüber der Richtlinienbestimmung strengere Umweltvorschrift ansehen sollte, ist daraus für die Erstmitbeteiligte nichts zu gewinnen, weil die UVP RL wie oben in Rn. 23 dargelegt die Festlegung strengerer nationaler Umweltvorschriften grundsätzlich nicht ausschließt. Auf das diesbezügliche Vorbringen der Erstmitbeteiligten muss daher nicht weiter eingegangen werden.
30 Das weitere Vorbringen in der Revisionsbeantwortung, eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmales „außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete“ führe dazu, dass das hier gegenständliche Vorhabensgebiet innerhalb des Siedlungs- bzw. Stadtgebietes von P liege, erschließt sich für den Verwaltungsgerichtshof nicht, weil eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmales „außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete“ notwendigerweise eine enge Auslegung des (komplementären) Tatbestandsmerkmales „innerhalb geschlossener Siedlungsgebiete“ nach sich zieht und eine enge Auslegung dieses zuletzt genannten Tatbestandsmerkmales eine Zuordnung des hier gegenständlichen Vorhabens zum Bereich „innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes“ gerade nicht nahelegt.
31 5.4. Nach der auch das Schrifttum prägenden Spruchpraxis des (ehemaligen) Umweltsenats ist unter einem geschlossenen Siedlungsgebiet zusammengefasst ein Gebiet zu verstehen, das durch eine dichte und geschlossene, kleinräumige Bebauung gekennzeichnet ist, sodass eine zusammenhängende Verbauung entsteht, die sich sichtbar vom Umgebungsbereich abhebt (vgl. dazu die Entscheidungen vom 16.12.1999, US 9/1999/4 39 [ Payerbach ] Pkt. 3.4., und vom 18.12.2009, US 4B/2009/19 16 [ Bad Gastein ] Pkt. 2.5.3.; darauf verweisend etwa Bergthaler in Ennöckl/Raschauer/Bergthaler [Hrsg.], Kommentar zum UVP G [2013], Anhang I Z 20 Rz. 3).
32 Dieser Ansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof zunächst insoweit anzuschließen, als sich ein geschlossenes Siedlungsgebiet durch eine zusammenhängende Verbauung auszeichnet. Bei der Situierung eines Vorhabens in einem zusammenhängend verbauten Gebiet kann nämlich davon ausgegangen werden, dass das durch ein größeres Beherbergungsvorhaben generierte Verkehrsaufkommen sowie die daraus resultierenden Abfälle und Abwässer (siehe zur Bedeutsamkeit dieser Aspekte oben Rn. 26 f) bzw. die dafür notwendige Erschließung in Relation zu dem in einem Siedlungsgebiet ohnehin gegebenen Ausmaß zumindest typischerweise keine erheblichen (zusätzlichen) Umweltauswirkungen nach sich ziehen. Diese Sichtweise beschränkt sich auch nicht auf die angeführten Aspekte (Verkehr, Abfälle, Abwässer), sondern kann auch für andere mit einem Beherbergungsbetrieb typischerweise einhergehende Umweltauswirkungen etwa auf den Bodenverbrauch, das Landschaftsbild (siehe dazu auch die Ausführungen in Rn. 34) oder die biologische Vielfalt eingenommen werden.
33 Bei der Beurteilung des Vorliegens einer zusammenhängenden Verbauung ist nicht (allein) auf eine (etwa Wohn)Siedlung im engeren Sinn abzustellen, zumal die maßgeblichen Bestimmungen des UVP G 2000 bzw. der UVP RL jeweils auf ein „Gebiet“ Bezug nehmen. Mitumfasst sind daher auch typische unmittelbar mit einer Siedlung zusammenhängende - dörfliche bzw. städtische Einrichtungen, zu denen auch Parks, Sportplätze, Freizeiteinrichtungen und Lagerplätze zählen (vgl. dazu etwa Randl/Raschauer , Das „geschlossene Siedlungsgebiet“ im UVP G 2000, RdU U T 2007/12 [37, 39 f]; Lampert/Schachinger , Beherbergungsbetriebe nach dem UVP G, ecolex 2015 [612, 614]). Bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegt, ist nicht nur auf die unmittelbar an das Vorhaben angrenzenden Grundstücke abzustellen; es kann daher nicht jede noch so kleine freie Fläche die Geschlossenheit eines Siedlungsgebiets unterbrechen. Vor dem Hintergrund des (oben dargestellten) Regelungszwecks des UVP G 2000 bzw. der UVP RL ist umgekehrt allerdings davon auszugehen, dass die Geschlossenheit eines Siedlungsgebiets (bzw. ein städtisches Gebiet) bei größeren Baulücken bzw. Freiflächen zumindest im Regelfall nicht mehr gegeben ist (vgl. dazu auch Altenburger, Kommentar zum Umweltrecht 2 [2019], Anhang 1 UVP G Rz. 123) . Auch der Umstand, dass ein Vorhabensgebiet überwiegend an unbebaute Flächen (und zwar solche, die nicht als einer Siedlung zugehörig anzusehen sind) angrenzt, spricht dagegen, diesen Standort als innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegend anzusehen.
34 Darüber hinaus teilt der Verwaltungsgerichtshof die (wiederum auf die genannten Entscheidungen des Umweltsenates zurückgehende) Auffassung, dass ein geschlossenes Siedlungsgebiet auch optisch wahrnehmbar von der Umgebung abgrenzbar ist (vgl. etwa Schmelz/Schwarzer , UVP G 2 [2024], Anh. I Z 20 Rz. 6; Bergthaler in Ennöckl/Raschauer/Bergthaler [Hrsg.], Kommentar zum UVP G [2013], Anhang I Z 20 Rz. 3; aA Altenburger, Kommentar zum Umweltrecht 2 [2019], Anhang 1 UVP G Rz. 124). Ausgehend davon ist es auch nicht zu beanstanden, wenn für die Beurteilung der Lage innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes dem Schutzgut Landschaft (bzw. dem Landschaftsbild) eine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. in diesem Sinn auch Fasan , Neues zum „geschlossenen Siedlungsgebiet“ des UVP G 2000, RdU 2024/63 [99, 100]).
35 Darüber hinaus korrespondiert dies im Ergebnis mit der im Schrifttum weitgehend übernommenen Auffassung des Umweltsenates, der zufolge die konkrete Flächenwidmung der betroffenen Gebiete irrelevant sei (vgl. erneut US 18.12.2009, US 4B/2009/19 16 [ Bad Gastein ], Pkt. 2.5.3., sowie die Nachweise bei Fasan , Neues zum „geschlossenen Siedlungsgebiet“ des UVP G 2000, RdU 2024/63 [101]; aA diesbezüglich Schmelz/Schwarzer , UVP G 2 [2024], Anh. I Z 20 Rz. 6).
36 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Beurteilung, ob ein Vorhaben innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegt, die (in der Regel sichtbaren) tatsächlichen Umstände zum Entscheidungszeitpunkt (der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichtes) maßgeblich. Das bedeutet zwar nicht, dass der Flächenwidmung der relevanten Grundstücke in keinem Fall eine Indizwirkung für die Situierung eines Vorhabens innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes zukommen kann. Allerdings ermöglicht der bloße Umstand, dass die angrenzenden Grundstücke in Hinkunft für eine mögliche Bebauung zur Verfügung stehen, für sich allein keine Rückschlüsse darauf, dass der Projektstandort innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegt. Auch für die Beurteilung, ob sich die zu erwartenden Umweltauswirkungen eines Hotelprojekts im Rahmen der im Umfeld bereits vorhandenen Auswirkungen bewegen, ist die Flächenwidmung für sich genommen nicht aussagekräftig.
37 Vielmehr ist die Beurteilung, ob ein Vorhaben innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegt, anhand der oben dargelegten Kriterien unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.
6. Fallbezogene Beurteilung
38 6.1. Das BVwG ist vorliegend (zusammengefasst) davon ausgegangen, die entstehende bauliche Verbindung zwischen der Ortschaft P und dem Outlet Center P hebe sich optisch vom Umgebungsbereich ab. Bei einer großräumigen Betrachtung sei diese auch dicht und geschlossen bebaut. Dabei stellte das BVwG maßgeblich auch auf die (schon länger bestehenden) Widmungen der umliegenden Flächen, auf die (vereinzelt schon) erteilten Baubewilligungen und auf die (in einem Fall erfolgte) Anzeige des Baubeginns ab. In Zusammenschau dieser Umstände sei das Gebiet (die Ortschaft P, das Outlet Center P und der dazwischenliegende Gebietsstreifen) als „effektiv verbautes Gebiet“ anzusehen. Ein Zusammenwachsen zweier Siedlungsgebiete spreche für eine Lage des Vorhabens innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes.
39 Die Amtsrevisionswerberin wendet dagegen ua. ein, auch bei einer großräumigen Betrachtung zeige sich keine durchgehende Bebauung. Der klassische Siedlungsbereich von P sei durch die Bahnstrecke vom Umgebungsbereich abgegrenzt. Zwischen diesem Gebiet und dem Outlet Center P liege eine lockere Bebauung mit vielen Freiflächen, weshalb eine durchgehende bzw. dichte Bebauung nicht zu erkennen sei. Zudem bestünde die vom BVwG beschriebene entstehende bauliche Verbindung selbst bei einer (von der Amtsrevisionswerberin in Abrede gestellten) Realisierung der beiden insoweit ins Treffen geführten Projekte (auf den Grundstücken X und Y) nicht. Weiters wendet sich die Amtsrevisionswerberin gegen die Maßgeblichkeit der Widmungen der umliegenden Grundstücke, vielmehr seien die aktuellen Verhältnisse einzubeziehen.
40 Die Erstmitbeteiligte führt in ihrer Revisionsbeantwortung unter Hinweis auf den Beitrag von Puntigam/Scharler, Städtisches Gebiet versus Siedlungsgebiet: Zur Geschlossenheit von Siedlungsgebieten im UVP G eine Neuvermessung, RdU 2021/104 [207 f] - im Wesentlichen die richtlinienkonforme Interpretation ins Treffen.
41 6.2. Festzuhalten ist zunächst, dass das BVwG seine Entscheidung nicht allein mit dem unmittelbar an den Projektstandort angrenzenden Outlet Center P begründet hat, sondern das gegenständliche Vorhaben im Hinblick auf die „entstehende bauliche Verbindung zwischen dem Ortskern und dem Outletcenter“ als innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegend angesehen und somit ein die Ortschaft P und das Outlet Center umfassendes zusammenhängendes verbautes Gebiet angenommen hat (vgl. dazu auch Fasan , Neues zum „geschlossenen Siedlungsgebiet“ des UVP G 2000, RdU 2024/63 [102]).
42 6.3. Zur Begründung des BVwG ist im Hinblick auf die oben erfolgten Ausführungen zunächst festzuhalten, dass der Flächenwidmung für sich genommen keine besondere Bedeutung für die Einstufung eines Vorhabensstandortes als innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegend zukommt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag (entgegen der vom BVwG zum Ausdruck gebrachten Annahme) auch nicht zu erkennen, dass dies bei schon länger bestehenden Widmungen anders zu beurteilen wäre. Es sind vielmehr die tatsächlichen Umstände zum Entscheidungszeitpunkt (hier: des BVwG) zu berücksichtigen.
43 Daran vermag die vom BVwG zugrunde gelegte entstehende Bebauung auf den an das gegenständliche Vorhaben - angrenzenden Grundstücken X und Y nichts zu ändern. Gleiches gilt für die insoweit ins Treffen geführten Umstände, es lägen für beide Grundstücke Baubewilligungen vor und in einem Fall sei bereits eine Bauanzeige erstattet worden, zumal das BVwG nicht festgestellt hat, dass mit den Bauarbeiten tatsächlich begonnen worden sei bzw. dass der Grad der Bebauung ein sichtbares Ausmaß erreicht habe (vgl. dazu die Feststellung auf S 6 des angefochtenen Erkenntnisses: „Im Norden des bestehenden Hotels und der beiden Projektgrundstücke liegt eine derzeit unbebaute Grünfläche bestehend aus den Grundstücken X und Y. Diese derzeit freie und als „Bauland - Betriebsgebiet“ gewidmete Fläche [...]“). Die vom BVwG begründend herangezogene „effektive Verbauung“ dieses Gebiets liegt daher nicht vor. Für die Beurteilung, ob das gegenständliche Vorhaben innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes liegt, kommt diesen zum Entscheidungszeitpunkt unverbauten Flächen (ungeachtet ihrer Widmung und der gegenständlichen Baubewilligungen) somit keine maßgebliche Bedeutung zu.
44Vor diesem Hintergrund kann für das Revisionsverfahren auch dahin gestellt bleiben, ob das Vorbringen der Amtsrevisionswerberin, dass das Grundstück Y veräußert und von der Realisierung des Vorhabens abgesehen worden sei (bzw. auf dem Grundstück X keinerlei Baumaßnahmen gesetzt worden und auch in absehbarer Zukunft nicht geplant seien), zutrifft, bzw. ob dieses Vorbringen unter das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot fällt. Allerdings veranschaulicht dieses Vorbringen, weshalb bei der Beurteilung eines geschlossenen Siedlungsgebietes maßgeblich auf die tatsächlichen Umstände zum Entscheidungszeitpunkt abzustellen ist, bedeutet doch eine Flächenwidmung als Bauland bzw. eine bereits erteilte Baubewilligung für sich genommen noch nicht, dass auf dem jeweiligen Grundstück die (projektgemäß geplante) Bebauung auch tatsächlich eintreten wird.
45 Zudem hat das BVwG festgehalten, dass im Osten der Projektgrundstücke eine freie Grünfläche von etwa 300 Metern liege und es weiter nordöstlich „weitere etwa 500 m mit spärlicher Bebauung [gibt], bis schließlich [...] die Dorfgrenze von [P] erreicht wird“. Somit ist das BVwG selbst davon ausgegangen, dass größere Teile des Gebietes zwischen dem Outlet Center und der Dorfgrenze (auf einer Länge von bis zu 500 m) nicht bzw. nur spärlich bebaut sind. Ein derart großräumiger Maßstab, der zur Folge hätte, dass dieses Gebiet als dicht und geschlossen bebaut anzusehen sei, ist unter Bedachtnahme auf den Regelungszweck des UVP G 2000 bzw. der UVP RL (vgl. dazu die bereits dargestellte Rechtsprechung des EuGH, C 329/17, Rn. 35 f, der zufolge die UVP RL einen großen Anwendungsbereich hat und ihr Zweck sehr weit reicht; weiters Altenburger, Kommentar zum Umweltrecht Bd. 1 2 [2019], Anhang 1 UVP G Rz. 123, dem zufolge der Zweck der UVP RL und des UVP G 2000 für ein enges Verständnis des Begriffs „geschlossenes Siedlungsgebiet“ spricht; ebenso Schmelz/Schwarzer, UVP G 2 [2024], Anh. I Z 20 Rz. 6) - nicht anzulegen. Die damit angesprochenen Baulücken sprechen nach dem Gesagten vielmehr dafür, dass die Geschlossenheit des Siedlungsgebiets unterbrochen ist.
46 Dass mit einem die Schwellenwerte übersteigenden Hotelprojekt im Hinblick auf den hier vorliegenden Standort unter Bedachtnahme auf die (insbesondere in den Rn. 32 ff) dargelegten Kriterien Umweltauswirkungen nur in einem in einem zusammenhängend verbauten Gebiet typischerweise zu erwartenden Ausmaß verbunden wären, wird im angefochtenen Erkenntnis nicht aufgezeigt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auf Basis der vom BVwG getroffenen Feststellungen auch nicht ersichtlich.
47 7. Aus den dargelegten Gründen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung des BVwG, dass das gegenständliche Vorhaben innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebiets liege und somit keine Verpflichtung zur Durchführung einer UVP im vereinfachten Verfahren bestehe.
48Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 20. August 2025