Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und den Hofrat Dr. Faber als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Landes Niederösterreich, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. April 2024, Zl. LVwG AV 1981/001 2023, betreffend Kosten für eine Eisenbahnkreuzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Ö AG, vertreten durch die Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid vom 10. April 2017 sprach die belangte Behörde gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957EisbG aus, dass die Eisenbahnkreuzung in km 38,181 der ÖBB-Strecke „Floridsdorf Staatsgrenze nächst Retz“ mit einer näher bezeichneten Landesstraße gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern sei, wobei diese als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszustatten seien.
2 Mit Eingabe vom 22. April 2020 stellte die mitbeteiligte Partei für diese Eisenbahnkreuzung bei der belangten Behörde den Antrag auf behördliche Kostenentscheidung gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG.
3Mit Bescheid vom 7. Juli 2020 wies die belangte Behörde den Antrag der mitbeteiligten Partei ab. Diesen Bescheid hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Beschluss vom 2. Juli 2021 auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück, weil die belangte Behörde kein Sachverständigengutachten gemäß § 48 Abs. 4 EisbG eingeholt habe.
4 Nach Einholung des Sachverständigengutachtens vom 30. März 2023 sprach die belangte Behörde mit Bescheid vom 15. Mai 2023 aus, dass die revisionswerbende Partei die Hälfte der Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung zu tragen habe (Spruchpunkt 1.). Die Kosten der Errichtung wurden mit € 67.801,80 bestimmt (Spruchpunkt 2.), der Barwert der Kosten der Erhaltung und Inbetriebhaltung mit € 127.107,19 (Spruchpunkt 3.) und es wurde die revisionswerbende Partei für schuldig erkannt, ihren Anteil in der Höhe von € 97.454,50 der mitbeteiligten Partei binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides bei sonstiger Exekution zu leisten (Spruchpunkt 4.).
5 Mit dem angefochtenen (Teil )Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der prozentuellen Aufteilung (Spruchpunkt 1.) und hinsichtlich der Errichtungskosten der Sicherung der Eisenbahnkreuzung ab (Spruchpunkt 2.) und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Das Verwaltungsgericht stellte soweit hier maßgeblich fest, die gegenständliche Eisenbahnkreuzung sei gemäß Bescheid der belangten Behörde vom 9. Mai 2007 durch eine zuggeschaltete Halbschrankenanlage mit Lichtzeichen gemäß § 8 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 gesichert gewesen.
7 Durch den (eingangs genannten) Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2017 sei die Eisenbahnkreuzung durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern, wobei der Schranken als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen sei.
8 Bei der Eisenbahnkreuzung seien insbesondere bei der Sicherungstechnik und bei der Bautechnik erhebliche Änderungen vorgenommen worden. Es seien das Antriebssystem und die Schrankenbäume ausgetauscht bzw. erweitert worden. Die bisherigen vier Lichtzeichen seien auf fünf erweitert und bei den Einschaltstrecken die Kabel verlegt sowie die Schaltzeiten verändert worden. Die Schaltung erfolge nach wie vor durch die Züge. In den Bereichen Elektrodienst, Fernmelde-Dienst und Gleiseindeckung habe es keine kostenrelevanten Veränderungen gegeben, weshalb diese drei Kostenblöcke in der Antragsbeilage auch mit „null“ beziffert seien.
9 Die Errichtungskosten hätten € 67.801,80 betragen.
10 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, die Feststellung zu den Errichtungskosten ergebe sich aus dem insoweit schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Sachverständigenkommission. Die mitbeteiligte Partei habe im Zuge der Gutachtenserstellung alle bei ihr verfügbaren Unterlagen einschließlich eines SAP Auszuges vorgelegt, sodass durch die Kommission eine tiefgehende Überprüfung erfolgen habe können. Die Kosten seien durch Einsichtnahme in die Rechnungen und Aufstellungen auf ihre Plausibilität überprüft und die ihrer Höhe nach nicht nachvollziehbaren Eigenleistungen auf einen plausiblen Betrag deutlich herabgesetzt worden. Es bestehe kein Grund, an den Ausführungen der Sachverständigenkommission zu zweifeln.
11 Rechtlich ging das Verwaltungsgericht davon aus, bei der Eisenbahnkreuzung sei es zu einer wesentlichen Änderung der Sicherungsanlage gekommen, weshalb eine Kostenentscheidung in Betracht komme.
12§ 48 Abs. 3 EisbG sehe drei voneinander trennbare Festsetzungen vor, nämlich die Festsetzung der Errichtungskosten, jene der Kosten für die künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung und jene des Aufteilungsschlüssels. Hinsichtlich des Aufteilungsschlüssels und der Errichtungskosten sei die Sache auf Grund des Gutachtens der Sachverständigenkommission entscheidungsreif, nicht hingegen hinsichtlich der Kosten für die künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung, weshalb ein Teilerkenntnis ergehe.
13 Hinsichtlich der Kostenaufteilung habe die Sachverständigenkommission ausgeführt, dass es zu einer Verbesserung der Sicherheit des Verkehrs sowohl für die Eisenbahn als auch für die öffentliche Straße komme. Ersparnisse lägen nicht vor. Es seien so das Verwaltungsgericht in Zusammenfassung des Sachverständigengutachtens keine im Sonderinteresse eines Verkehrsträgers aufgewendeten Mehrkosten feststellbar.
14 Diese Ausführungen seien schlüssig und nachvollziehbar. Es lägen keine Beweisergebnisse vor, die eine abweichende Kostenteilung indizieren würden. Die revisionswerbende Partei habe die Kostenteilung auch nicht in Frage gestellt, sondern stets nur die Höhe und Plausibilität der Kostenmasse bestritten.
15Hinsichtlich der Errichtungskosten führte das Verwaltungsgericht aus, Kosten iSd § 48 Abs. 2 EisbG definierten sich als jener bewertete Verbrauch von wirtschaftlichen Gütern materieller und immaterieller Art, die zur Erstellung und zum Absatz von Sachund/oder Dienstleistungen sowie zur Schaffung und Aufrechterhaltung der dafür notwendigen Teilkapazitäten verwertet würden. Sie ließen sich daher aus dem tatsächlichen Aufwand herleiten. Es werde unter den Errichtungskosten somit alles verstanden, was für die Herstellung der Sicherung einer Eisenbahnkreuzung aufgewendet werde oder worden sei. Hierbei fließe einerseits das Entgelt für gekaufte oder zu kaufende Gegenstände und andererseits das Entgelt für geleistete oder zu leistende Arbeit ein. Die Summe dieser Positionen bilde die Errichtungskosten iSd § 48 Abs. 2 EisbG.
16Aufzuteilen seien jene Kosten, die durch die Umsetzung der von der Behörde getroffenen Sicherungsentscheidung erwachsen seien (Hinweis auf VwGH 18.4.2023, Ra 2022/03/0283). Aus der Einholung eines Vergleichsangebotes, um zu ermitteln, ob die konkrete Sicherungsanlage allenfalls günstiger errichtet hätte werden können, wäre demnach nichts zu gewinnen. Es seien sohin die tatsächlich angefallenen Kosten laut SAP Auszug als der präzisesten vorhandenen Unterlage zu berücksichtigen. Die vom Sachverständigen als ihrer Höhe nach nicht nachvollziehbar qualifizierten Kosten für Eigenleistungen seien auf ein angemessenes Ausmaß zu reduzieren gewesen.
17 Das Gutachten der Sachverständigenkommission umfasse sowohl Befund als auch Gutachten im engeren Sinn und stelle, auch im Hinblick auf die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, schlüssig und nachvollziehbar dar, wie die Kommission zu ihren Ergebnissen gelangt sei, weshalb es der Entscheidung zu Grunde gelegt werde. Der Revisionswerber sei den Ausführungen im Gutachten nicht substantiiert auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Er habe stets nur die Höhe und Plausibilität der angegebenen Gesamtkosten bestritten und behauptet, es wäre ihm nicht möglich gewesen, ein Gegengutachten beizubringen, da gar keine plausiblen und nachvollziehbaren Nachweise über die Höhe der Kosten, etwa in Form von Vergleichsangeboten, vorlägen.
18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Im Vorverfahren erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung.
19 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
20Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
21Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
22 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung zur Frage, inwieweit die tatsächlich angefallenen Maßnahmen zur Umsetzung der Sicherungsentscheidung vom Antragsteller eines Kostenverfahrens nachgewiesen, beschrieben und belegt werden müssten.
23Das angefochtene Erkenntnis stehe auch in Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach welcher nur Maßnahmen zur Umsetzung der konkret festgelegten Sicherung von der Kostenaufteilung umfasst seien (Hinweis auf VwGH 18.4.2023, Ra 2022/03/0283). Hingegen hätten die Sachverständigenkommission und das Verwaltungsgericht die „tatsächlich angefallenen Kosten“ entsprechend einem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten SAP Auszug vollumfänglich als Kostenmasse berücksichtigt, obwohl diese zum Teil nicht belegt worden seien. Auch könne der SAP Tabelle zum Teil nicht entnommen werden, welche konkreten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sicherung der Eisenbahnkreuzungen von diesen Kosten umfasst seien. Es sei daher weder möglich zu überprüfen, ob die Kosten tatsächlich im Zusammenhang mit der Sicherung der Eisenbahnkreuzungen stünden, noch könne die Marktüblichkeit der Preise überprüft werden.
24 Das Verwaltungsgericht habe auch nicht begründet, warum es das Sachverständigengutachten trotz fehlender Befundgrundlage für schlüssig erachte. Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens könnten auch ohne Gegengutachten Gewicht haben. Es seien nicht nur unbelegte, sondern auch „ganz offensichtlich unrichtige Kosten“ in die Kostenteilungsmasse aufgenommen worden. Bei „einer Rechnung“ seien fälschlicherweise Brutto Beträge verrechnet worden. Das angefochtene Erkenntnis beruhe daher auf einer unvertretbaren Beweiswürdigung.
25 Diese Begründungsmängel seien auch relevant, weil das Verwaltungsgericht bei ordnungsgemäßer Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen der revisionswerbenden Partei zwingend zu dem Schluss gekommen wäre, dass die Kostenmasse nicht in der erfolgten Form festgesetzt hätte werden dürfen.
26 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision gleicht in Bezug auf die Errichtungskosten hinsichtlich der unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 BVG geltend gemachten Rechtsfragen jener, über die der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2024/03/0085, entschieden hat. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen.
27 In Bezug auf die einen trennbaren Abspruch bildende Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Kostenteilung (Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses) enthält die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen.
28 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
29Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 31. Juli 2025