Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision des Gemeindevorstands der Gemeinde Meiseldorf, vertreten durch die Donnerbauer Partner Rechtsanwalts GmbH in 2070 Retz, Hauptplatz 21, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Juni 2023, LVwG AV 1835/001 2023, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. J K und 2. M K, beide in Klein Meiseldorf, beide vertreten durch Mag. Constantin Koch, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Ringstraße 63; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der mitbeteiligten Parteien auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
1 Die mitbeteiligten Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer eines näher bezeichneten Grundstücks der KG K M, welches die Widmung „Grünland Land und Forstwirtschaft“ aufweist. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 18. April 2008 wurde betreffend dieses Grundstück die Baubewilligung für einen Schuppen mit der Nutzung „Unterbringung diverser Fahrzeuge und Gerätschaften“ erteilt. In weiterer Folge kam es zu mehreren baurechtlichen Verfahren.
2 Mit Bauanzeige vom 12. August 2022 zeigten die mitbeteiligten Parteien die Änderung der Nutzung des sich auf dem gegenständlichen Grundstück befindenden Schuppens von „Unterbringung diverser Fahrzeuge und Gerätschaften“ in „Schaftierhaltung“ gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 lit. a NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) an. Die Schafe würden ganzjährig im Freien gehalten. Ein Teil des Schuppens solle als überdachte, trockene und eingestreute Liegefläche und als Fütterungs und Tränkebereich dienen.
3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 25. August 2022 wurde die Ausführung dieses Bauvorhabens untersagt. Das Bauvorhaben widerspreche § 20 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 (NÖ ROG 2014). Auch ergebe sich aus der Bauanzeige weder die Erforderlichkeit noch die nachhaltige landwirtschaftliche Bewirtschaftung.
4 Die gegen diese Untersagung erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der Gemeinde M nach Einholung eines agrartechnischen Gutachtens mit Bescheid vom 3. März 2023 ab. In der Widmung „Grünland Land und Forstwirtschaft“ sei ein Bauvorhaben nur dann zulässig, wenn es für die Nutzung erforderlich sei. Die Herstellung des Stallbodens habe nach den Bestimmungen der OIB Richtlinie 3, Punkt 3.2.4., flüssigkeitsdicht und beständig gegen auftretende chemisch lösende bzw. treibende Angriffe zu erfolgen. Dies löse eine Bewilligungspflicht gemäß § 14 Z 2 NÖ BO 2014 aus. Das Bauvorhaben stehe im Widerspruch zur NÖ BO 2014 und sei zu Recht zu untersagen gewesen.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Verwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung der dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Beschwerde insofern Folge, als es den Bescheid des Gemeindevorstands vom 3. März 2023 behob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an diesen zurückverwies (Spruchpunkt 1.). Ebenso sprach es aus, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 2.).
6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und Feststellungen zum Inhalt der Bauanzeige führte das Verwaltungsgericht zur Begründung zunächst aus, eine Änderung des Verwendungszwecks in „Schaftierhaltung“ angesichts der vorliegenden Widmung „Grünland Land und Forstwirtschaft“ könne Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes bzw. jedenfalls des NÖ ROG 2014 betreffen. Die Berufungsbehörde sei unter Berücksichtigung der OIB Richtlinie 3, Punkt 3.2.4., von einer bewilligungspflichtigen baulichen Maßnahme ausgegangen und habe augenscheinlich die Absicht der mitbeteiligten Parteien nicht in Frage gestellt, die Schafe ganzjährig im Freien zu halten. In Anlage 3 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung) seien die Mindestanforderungen für die ganzjährige Haltung von Tieren im Freien unter Punkt 2.8. geregelt. Diesen Bestimmungen zufolge müsse für jedes Tier eine überdachte, trockene und eingestreute Liegefläche mit Windschutz in einem Ausmaß zur Verfügung stehen, das allen Tieren ein gleichzeitiges ungestörtes Liegen ermögliche. Der Boden im Bereich der ständig benützten Fütterungs und Tränkebereiche müsse befestigt sein. Der Schluss des von der Berufungsbehörde beigezogenen agrartechnischen Sachverständigen, der Ausdruck „Flächen im Rahmen der ganzjährigen Haltung von Tieren im Freien“ sei mit dem Begriff „Stallboden“ nach der OIB Richtlinie 3, Punkt 3.2.4., gleichzusetzen, sei gerade nicht zu ziehen. Eine Untersagung könne nicht auf dieser Begründung basieren.
7 Jedoch sei noch die Frage zu klären, „ob nicht insbesondere eine sehr wohl verpflichtende Befestigung des Bodens im Bereich der ständig benutzten Fütterungs und Tränkebereiche“ ein besonderes Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordere. Dazu sei durch einen bautechnischen Sachverständigen zunächst zu klären, welche technischen Voraussetzungen eine derartige Befestigung aufzuweisen habe und inwieweit für deren Errichtung ein besonderes Maß an bautechnischen Kenntnissen im Sinne des § 4 Z 6 und 7 NÖ BO 2014 erforderlich sei. Sollten derartige bautechnische Kenntnisse erforderlich sein, sei das Bauvorhaben zu untersagen. Andernfalls müsse eine Ergänzung des bereits vorliegenden agrartechnischen Gutachtens zur Vereinbarkeit des angezeigten Bauvorhabens mit den Vorgaben des § 20 Abs. 4 NÖ ROG 2014 erfolgen.
8 Die Baubehörde I. Instanz und die Berufungsbehörde hätten notwendige Ermittlungsschritte unterlassen und keine vollständigen eigenen Ermittlungsschritte gesetzt, „obgleich solche aus den dargelegten rechtlichen Überlegungen jedenfalls noch“ in Form der Einholung eines bautechnischen Gutachtens und in der Ergänzung des agrartechnischen Gutachtens erforderlich gewesen wären. Die noch fehlenden Ermittlungsschritte seien durch die Berufungsbehörde und den Bürgermeister rascher und kostengünstiger durchzuführen. Durch die Zurückverweisung stehe den mitbeteiligten Parteien auch noch der gesamte Instanzenzug offen.
9Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG abgewichen, da es die Angelegenheit an die Berufungsbehörde zurückverwiesen habe, obwohl es nach § 28 Abs. 2 VwGVG verpflichtet gewesen wäre, die nach seiner Rechtsansicht noch notwendigen Ermittlungen in Form der Einholung eines bautechnischen Gutachtens und der Ergänzung des agrartechnischen Gutachtens selbst durchzuführen, und in der Sache selbst zu entscheiden gehabt hätte. Die mitbeteiligten Parteien führten zudem keinen landwirtschaftlichen Betrieb, weshalb die angezeigten baulichen Maßnahmen angesichts der Widmung des gegenständlichen Grundstücks jedenfalls zu untersagen gewesen wären.
10 Der Verwaltungsgerichtshof führte ein Vorverfahren durch, in dem die mitbeteiligten Parteien eine Revisionsbeantwortung erstatteten und die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Zulässigkeitsvorbringen zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG als zulässig; sie ist auch begründet:
12Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt dargelegt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden kann. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat bzw. wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. grundsätzlich VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, Pkt. II.B.2.6.3., mwN).
13Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind. Zwar kann sich im Rahmen der Verhandlung auch herausstellen, dass die noch fehlenden Ermittlungen einen Umfang erreichen, der eine Behebung und Zurückverweisung erlaubt. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass eine erforderliche Ergänzung eines Gutachtens bzw. eine Befragung von Sachverständigen oder überhaupt die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Gutachtens im Allgemeinen nicht die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen (vgl. VwGH, 29.11.2021, Ra 2021/03/0286, Rn. 12 f, mwN).
14 Im gegenständlichen Fall ist das Verwaltungsgericht von der Notwendigkeit einer Ergänzung des eingeholten agrartechnischen Gutachtens und der Einholung eines bautechnischen Gutachtens ausgegangen.
15 Dass diese Mängel im Sinne der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde gerechtfertigt hätten, wird im angefochtenen Beschluss aber nicht dargelegt:
16 Die diesbezügliche Begründung des Verwaltungsgerichts erschöpft sich, abgesehen von der Wiedergabe von hg. Rechtsprechung zur Zurückverweisung aus der Zeit vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2013, darin, dass die Berufungsbehörde und die Baubehörde Ermittlungsschritte unzulässigerweise unterlassen und keine vollständigen eigenen Ermittlungen durchgeführt hätten, obwohl die Ergänzung und Einholung der Gutachten „aus den dargelegten rechtlichen Überlegungen“ erforderlich wären. Nähere Ausführungen dazu fehlen.
17 Auch das Argument des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall, diese Schritte seien durch den Bürgermeister und die Berufungsbehörde rascher zu setzen und eröffneten den mitbeteiligten Parteien erneut den vollen Rechtsschutz, überzeugt nicht:
18Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass dann, wenn (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen sind, die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG liegt, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. zum Ganzen VwGH 20.9.2024, Ra 2024/14/0219, Rn. 9, mwN).
19Sofern das Verwaltungsgericht die Auffassung vertritt, dass eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht nicht im Sinn des Gesetzes sei, ist dem zu entgegnen, dass einem solchen Verständnis die Anordnung des § 28 VwGVG mit seiner grundsätzlichen Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache entgegensteht. Auch aus dem Hinweis betreffend die Verkürzung des Rechtsweges ist für den angefochtenen Beschluss nichts zu gewinnen, hat doch der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass es der Zielsetzung des Gesetzgebers entspricht, einen neuerlichen Instanzenzug durch kassierende Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes zu vermeiden (vgl. erneut VwGH 20.9.2024, Ra 2024/14/0219, Rn. 12, mwN).
20 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt und die Sache an die belangte Behörde zurückverwiesen hat, hat es seinen Beschluss schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
21Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
22Für das fortzusetzende Verfahren wird auf die zu § 20 Abs. 4 NÖ ROG 2014 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen (vgl. VwGH 2.12.2024, Ro 2022/05/0015, Rn. 15, mwN).
23Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2014. Der Antrag der mitbeteiligen Parteien auf Zuerkennung von Aufwandersatz war abzuweisen, weil einer mitbeteiligten Partei ein Anspruch auf Aufwandersatz gemäß § 47 Abs. 3 VwGG nur im Falle der Abweisung der Revision zukommt.
Wien, am 27. Jänner 2025