Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision der R R in W, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. Oktober 2024, LVwG S 154/001 2024, betreffend Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 13. Dezember 2023 wurde die Revisionswerberin schuldig gesprochen, am 1. November 2023 um 3:17 Uhr als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt zu haben, weil sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, ihre körperliche und geistige Verfassung zum Zeitpunkt des Unfalls festzustellen (Spruchpunkt 1.), nicht die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden verständigt zu haben, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und ein gegenseitiger Austausch von Namen und Anschrift nicht erfolgt sei (Spruchpunkt 2.) sowie das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, wobei der Alkoholgehalt ihres Blutes 1,6 Promille oder mehr betragen habe (Spruchpunkt 3.). Sie habe dadurch § 4 Abs. 1 lit. c StVO (Spruchpunkt 1.), § 4 Abs. 5 StVO (Spruchpunkt 2.) und § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO (Spruchpunkt 3.) begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe von EUR 220, (Ersatzfreiheitsstrafe 108 Stunden), gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von EUR 150, (Ersatzfreiheitsstrafe 69 Stunden) und gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe von EUR 1.600, (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) verhängt wurden.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis hinsichtlich des Spruchpunktes 1. des bekämpften Straferkenntnisses statt, hob in diesem Umfang das Straferkenntnis auf und stellte das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren ein. Im Übrigen wies es die Beschwerde mit einer näher konkretisierten Maßgabe hinsichtlich Spruchpunkt 3. als unbegründet ab, sprach aus, dass die Revisionswerberin einen näher genannten Betrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, dass die Revisionswerberin das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Ortsgebiet gelenkt habe. Bei dieser Fahrt sei sie an eine Fassade angefahren, wodurch diese beschädigt worden sei. Die Revisionswerberin habe darüber nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt.
4 Im Rahmen der Beweiswürdigung setzte sich das Verwaltungsgericht mit dem Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin auseinander, die behauptet hatte, das Kraftfahrzeug nicht selbst gelenkt zu haben und den Fahrzeugschlüssel einer anderen, ihr nicht mehr in Erinnerung stehenden Person, die wie sie selbst eine private Veranstaltung besucht habe, übergeben zu haben sowie mit einem behaupteten Nachtrunk. Diesem Vorbringen schenkte das Verwaltungsgericht insbesondere unter Hinweis auf die Erstangaben der Revisionswerberin gegenüber den Polizisten unmittelbar nach deren Eintreffen beim abgestellten und beschädigten Fahrzeug, wonach sie nicht ausschließen könne, das Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, und auf vorhandene Videoaufzeichnungen hinsichtlich des Unfalles, anhand derer die Revisionswerberin zwar nicht zweifelsfrei identifiziert habe werden können, jedoch die dort ersichtliche Statur und die Erscheinung auf die Revisionswerberin zutreffe, keinen Glauben und wertete die Angaben als Schutzbehauptungen. Es entspreche auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Zulassungsbesitzer einer ihm offensichtlich nicht bekannten Person sein Kraftfahrzeug überlasse.
5 Rechtlich kam das Verwaltungsgericht u.a. zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin den Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht habe. Schließlich begründete das Verwaltungsgericht die Höhe der verhängten Strafen.
6 Soweit der Schuldspruch und die Bestrafung (Spruchpunkte 2. und 3. des behördlichen Straferkenntnisses) durch das Verwaltungsgericht bestätigt wurden, richtet sich dagegen die vorliegende Revision.
7Das von der Revisionswerberin insoweit angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin zwei voneinander unabhängige Spruchpunkte. Mit der Abweisung der Beschwerde der Revisionswerberin übernahm das Verwaltungsgericht den Spruch des mit der Beschwerde bekämpften Straferkenntnisses der belangten Behörde. Durch die Übernahme dieser Spruchpunkte hat auch das Verwaltungsgericht getrennte Absprüche getroffen (vgl. etwa VwGH 5.10.2023, Ra 2023/02/0172, mwN).
8Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. etwa VwGH 10.9.2021, Ra 2021/02/0165, mwN).
9 Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses richtet, ist auszuführen:
10Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750, und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400, verhängt wurde.
11 Diese Voraussetzungen treffen für den Abspruch des Verwaltungsgerichtes zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses zu. Über die Revisionswerberin wurde wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von € 150, (Ersatzfreiheitsstrafe 69 Stunden) verhängt, wobei der Strafrahmen der anzuwendenden Strafnorm € 726, beträgt.
12Bei der im Sinne des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen „Freiheitsstrafe“ muss es sich um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. etwa VwGH 7.11.2022, , mwN). Eine solche ist hinsichtlich der vorgenannten Übertretung der StVO jedoch nicht vorgesehen.
13Die Revision erweist sich daher, soweit das Verwaltungsgericht über Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses entschieden hat, gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als absolut unzulässig.
14 Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses richtet, ist auszuführen:
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
17Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Mit den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revisionswerberin gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes. Dieses habe ausschließlich aus der Eigenschaft der Revisionswerberin als Zulassungsbesitzerin die Tätereigenschaft abgeleitet und Parteivorbringen zu entlastenden Umständen übergangen.
19Der Verwaltungsgerichtshof ist als reine Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge daher insgesamt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2020/02/0082, mwN); die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen (vgl. VwGH 4.3.2020, und 0014, mwN).
20 Die Ausführungen in der Revision lassen eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung nicht erkennen. Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen stützte sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung zur Frage, ob die Revisionswerberin als Lenkerin anzusehen ist, nicht bloß darauf, dass diese Zulassungsbesitzerin des Fahrzeuges sei und auf eine Verletzung ihrer daraus resultierenden Mitwirkungspflichten, sondern begründete seine Überlegungen in nicht unschlüssiger Weise tragend insbesondere mit den von der Revisionswerberin gemachten Erstangaben gegenüber den Polizisten und den vorhandenen Videoaufzeichnungen.
21 Ebenso kann kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung erblickt werden, zumal der Grundsatz „in dubio pro reo“ nur für jene Fälle gilt, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte (vgl. VwGH 14.11.2018, , mwN). Wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung somit Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen. Verbleibt an der Richtigkeit des Tatvorwurfes kein Zweifel, fehlt es an der Anwendungsmöglichkeit des Grundsatzes „in dubio pro reo“ (vgl. zum Ganzen VwGH 6.7.2023, Ra 2023/02/0108, mwN). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass keine Verletzung der Unschuldsvermutung bewirkt wird, wenn das Verwaltungsgericht im Zuge der freien Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangte, dass die Verwaltungsübertretungen von der Revisionswerberin begangen wurden.
22 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Jänner 2025