JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0038 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des M in W, vertreten durch Dr. Paulina Andrysik Michalska, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Hertha Firnberg-Straße 10/2/401, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. November 2024, VGW 031/085/13026/2024, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 22. August 2024 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe am Tatort zur Tatzeit mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits abgezogen worden sei. Über den Revisionswerber wurden deshalb wegen Verletzung des § 20 Abs. 2 StVO gemäß § 99 Abs. 2 lit. e StVO eine Geldstrafe von € 530, (Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen und 22 Stunden) verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag auferlegt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, setzte einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber erachtet die Revision als zulässig, weil das Verwaltungsgericht in unzulässiger antizipativer Beweiswürdigung entgegen seinen Beweisanträgen kein verkehrstechnisches und EDV technisches Sachverständigengutachten und keine Abfrage beim Produzenten des verwendeten Messgerätes eingeholt habe. Dies wäre jedoch für die Frage des Vorliegens eines Fehlers des Messgerätes erforderlich gewesen. Die Beweiswürdigung sei dadurch mangelhaft und unschlüssig geblieben. Weiters habe das Verwaltungsgericht durch diese Vorgangsweise auch gegen den Untersuchungsgrundsatz und den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verstoßen.

8 Die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme im Einzelfall notwendig ist, obliegt dem Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 2.10.2020, Ra 2020/02/0208, mwN).

9 Das Verwaltungsgericht ging auf Basis der als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten, die an der gegenständlichen Geschwindigkeitsmessung beteiligt waren, sowie dem eingeholten Eichschein und dem Messprotokoll von einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Messergebnis aus. Mangels Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion des Geräts oder für Messfehler nahm es von der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens Abstand. Ferner erachtete das Verwaltungsgericht die Einholung einer Stellungnahme des Produzenten des Verkehrsgeschwindigkeitsmessgeräts angesichts der ausdrücklichen Vorgabe der Berücksichtigung der „Verkehrsfehlergrenzen durch einen Abzug vom Messwert“ in der Bedienungsanleitung und den Verwendungsbestimmungen als nicht geboten. Die Revision legt nicht dar, dass diese Beurteilung durch das Verwaltungsgericht grob fehlerhaft war. Die Abstandnahme von weiteren Beweisaufnahmen ist daher nicht zu beanstanden.

10 Soweit sich der Revisionswerber mit seinem Vorbringen der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach er als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG liegt als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 15.2.2023, Ra 2023/02/0018, mwN). Derartiges wird im Zulässigkeitsvorbringen aber nicht aufgezeigt.

11 Darüber hinaus wird zur Begründung der Zulässigkeit ein Verstoß gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ vorgebracht. Dieser Grundsatz gilt aber nur für jene Fälle, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte. Wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung somit Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen. Verbleibt an der Richtigkeit des Tatvorwurfes kein Zweifel, fehlt es an der Anwendungsmöglichkeit des Grundsatzes „in dubio pro reo“ (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 13.1.2025, Ra 2024/02/0246, mwN). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass keine Verletzung der Unschuldsvermutung bewirkt wird, wenn das Verwaltungsgericht mit einer schlüssigen Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangte, dass die Verwaltungsübertretung von dem Revisionswerber begangen wurde.

12 Schließlich rügt der Revisionswerber pauschal fehlende Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand. Dem ist zu erwidern, dass das Verwaltungsgericht sehr wohl entsprechende Feststellungen zu der vom Revisionswerber eingehaltenen Geschwindigkeit getroffen hat; welche weiteren konkreten Feststellungen zur objektiven Tatseite nach Ansicht des Revisionswerbers vom Verwaltungsgericht zu treffen gewesen wären, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht ausgeführt. Entgegen der Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung hat sich das Verwaltungsgericht zudem mit dem Verschulden des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist ausgehend davon, dass mit Blick auf § 5 Abs. 1 VStG fahrlässiges Verhalten zur Strafbarkeit genügt, zum Ergebnis gekommen, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass ihn kein Verschulden trifft. Insoweit kann der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach auch die subjektive Tatseite erfüllt sei, nicht entgegengetreten werden.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2025

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