JudikaturVwGH

Ra 2024/01/0406 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
17. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des M N in L, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traunaustraße 23/8/5, gegen das am 7. Mai 2024 mündlich verkündete und mit 24. Juni 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, Zl. LVwG 753134/7/MB/NIF, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache gemäß § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) fest, dass der Revisionswerber mit Wirkung vom 22. August 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren hat. Eine Revision wurde für unzulässig erklärt.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dem Revisionswerber sei nach Vorlage des Nachweises über seine Antragstellung auf Entlassung aus dem türkischen Staatsverband mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. März 1999 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Der Revisionswerber habe danach aufgrund seines Antrags auf Wiederaufnahme in den türkischen Staatsverband die türkische Staatsangehörigkeit im Jahr 2021 wiedererworben, ohne dass ihm zuvor die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bewilligt worden sei. Die Antragstellung sei eine bewusste Willenserklärung des Revisionswerbers gewesen, weil die Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit für die geschäftliche Tätigkeit bzw. das berufliche Fortkommen in der Türkei für ihn von Vorteil gewesen sei. Er habe danach 18 Jahre lang in der Türkei gelebt, ehe er mit seiner Familie im Jahr 2018 wieder nach Österreich zurückgekehrt sei.

3Demnach seien die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG für den Verlust der Staatsbürgerschaft infolge (Wieder )Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit erfüllt.

4Entsprechend näher dargelegter Erwägungen bewirke der Verlust der Staatsbürgerschaft für den Revisionswerber auch keine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK „im Sinne der ... Judikatur des VwGH und des EuGH“.

5 Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) lehnte mit Beschluss vom 16. September 2024, E 3187/2024 7, die Behandlung der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde ab. Begründend führte der VfGH ua. aus:

„ [...] Es ist [...] weder im Lichte des Art. 8 EMRK noch des Gleichheitsgrundsatzes zu beanstanden, wenn § 27 Abs. 1 StbG bei (Wieder)Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene die ihm eingeräumte Möglichkeit zur Beibehaltung der (österreichischen) Staatsbürgerschaft nicht wahrnimmt, davon ausgeht, dass die öffentlichen Interessen an der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeiten überwiegen. Entzug (§ 34 StbG) und Verlust (§ 27) StbG der (österreichischen) Staatsbürgerschaft betreffen insbesondere im Hinblick auf die Dispositionsmöglichkeit des Staatsbürgers in Bezug auf die (Zurücklegung oder Wiederaufnahme der) fremde(n) Staatsangehörigkeit unterschiedliche Sachverhalte. [...]“

6 Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der VfGH mit Beschluss vom 27. September 2024, E 3187/2024 9, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

8Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 19.10.2023, Ra 2023/01/0272, mwN).

9Mit den als Revisionspunkte geltend gemachten Verletzungen „im Recht auf gesetzeskonforme Auslegung der Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes“ sowie im „Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und auf fehlerfreie Vornahme einer unionsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung“ (letztere im Sinne einer „unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles durchzuführenden Gesamtbetrachtung“) werden keine tauglichen Revisionspunkte geltend gemacht (vgl. zum „Recht auf richtige Gesetzesauslegung“ etwa VwGH 12.4.2021, Ra 2021/11/0062; zum „Recht auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren“ vgl. etwa VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0375, mwN; zur Geltendmachung von Verfahrensbzw. Begründungsmängeln, insbesondere eines subjektiven Rechts „darauf, dass alle relevanten Umstände Berücksichtigung finden“, vgl. etwa VwGH 28.2.2024, Ra 2023/07/0053, mwN).

10Es handelt sich dabei vielmehr um die Geltendmachung von Revisionsgründen (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG).

11 Die Revision erweist sich daher bereits deshalb als unzulässig.

12 Im Hinblick auf die Zulässigkeitsausführungen in der vorliegenden Revision sei im Übrigen auf Folgendes hingewiesen:

13Die Feststellung des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG ist von den in den §§ 32 ff leg. cit. geregelten Fällen bzw. Verfahren der Entziehung der Staatsbürgerschaft zu unterscheiden (vgl. den oben erwähnten Ablehnungsbeschluss des VfGH im vorliegenden Fall; vgl. auch VwGH 4.5.2023, Ra 2023/01/0096, Rn. 15); die von der Revision angedachte analoge Anwendung der Verjährungsbestimmung des § 34 Abs. 3 StbG (vgl. zu dieser VwGH 10.5.2023, Ra 2022/01/0314) im Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 1 StbG kommt mangels Vorliegen einer echten (planwidrigen) Lücke (vgl. zu den Voraussetzungen einer analogen Anwendung/Lückenfüllung VwGH 14.12.2022, Ra 2021/01/0410, Rn. 31, mwN) nicht in Betracht.

14 Schließlich musste auf die Ausführungen zur Frage, ob im Fall des Revisionswerbers eine ordnungsgemäße unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen wurde (vgl. dazu jüngst EuGH 25.4.2024, C 684/22 bis C 686/22, Stadt Duisburg [Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit] ), nicht näher eingegangen werden.

15 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2024