Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des R E in W, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/2/28, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 22. September 2022, Zl. VGW 152/V/044/9923/2022 13, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache gemäß § 39 und § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) fest, dass der Revisionswerber mit Wirkung vom 30. April 2018 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verloren hat und er nicht österreichischer Staatsbürger ist. Eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit im Revisionsverfahren wesentlich zusammengefasst aus, dem Revisionswerber sei nach Vorlage des Nachweises über seine Antragstellung auf Entlassung aus dem türkischen Staatsverband mit Bescheid der Wiener Landesregierung (belangte Behörde) vom 9. März 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Der Revisionswerber habe danach die türkische Staatsangehörigkeit aufgrund eines Antrags, ohne dass ihm zuvor die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bewilligt worden sei, wiedererworben. Er sei zumindest am 30. April 2018, dem Stichtag für die Eintragung in das türkische Wählerverzeichnis für die am 24. Juni 2018 stattgefundenen Präsidentschafts und Parlamentswahlen, in dessen Auslandswählerregister der Revisionswerber aufgeschienen sei, türkischer Staatsangehöriger gewesen.
3 Gemäß näher dargestellter türkischer Rechtslage setze die Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit einen entsprechenden Antrag voraus. Vorliegend sei deshalb entgegen der als nicht glaubhaft bewerteten Aussage des Revisionswerbers davon auszugehen, dass der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch den Revisionswerber aufgrund eines eigenen Antrags erfolgt sei.
4 Demnach seien die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG für den Verlust der Staatsbürgerschaft infolge (Wieder )Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit erfüllt.
5 Entsprechend näher dargelegter Erwägungen über die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der Beantragung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei der Verlust der Staatsbürgerschaft für den Revisionswerber insgesamt nicht unverhältnismäßig.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision richtet sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, aus der Eintragung des Revisionswerbers im türkischen Wählerverzeichnis ergebe sich, dass er auch eine positive Willenserklärung zum Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit abgegeben habe.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. zu § 27 StbG etwa VwGH 12.12.2022, Ra 2020/01/0074, Rn. 12, mwN).
12 Derartiges zeigt die Revision nicht auf:
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlangt § 27 Abs. 1 StbG nicht eine „hundertprozentige Sicherheit“ für die Feststellung des (Wieder )Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit auf Grund des Antrages, der Erklärung oder der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht im Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 1 StbG verpflichtet, den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist auf den mit § 45 Abs. 2 AVG normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hinzuweisen, wonach die Behörde bzw. iVm § 17 VwGVG das Verwaltungsgericht bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden ist, sondern den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat.
14 Insofern ist es keinesfalls unvertretbar, wenn das Verwaltungsgericht angesichts der dargelegten türkischen Rechtslage, wonach die (Wieder )Einbürgerung eines Antrags des (Wieder )Einzubürgernden bedürfe, davon ausging, dass der Verleihung ein Antrag des Revisionswerbers zugrunde lag. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits vielfach auf die (vom Revisionswerber nicht bestrittene) offenkundige Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten, und die sich daraus ergebende Mitwirkungspflicht des Betroffenen durch Vorlage entsprechender Auszüge bzw. Aktenabschriften hingewiesen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gegenüber der Pflicht zur amtswegigen Erforschung des gemäß § 27 Abs. 1 StbG maßgeblichen Sachverhalts umso größer, als es der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht unmöglich ist, personenbezogene Auskünfte über einen Betroffenen zu erhalten, und es deshalb der Mitwirkung des Betroffenen bedarf (vgl. zu allem etwa VwGH 24.8.2022, Ra 2022/01/0084, Rn. 13 und 14, jeweils mwN).
15 Schließlich führt die Revision zur Zulässigkeit pauschal aus, das „Staatsbürgerschaftsrecht zur Republik Österreich und auch zur Europäischen Union als Unionsbürger stellt ein so wichtiges Kriterium für eine Vielzahl von Rechtsbestimmungen dar, dass bei einer Entziehung einer derartigen Staatsbürgerschaft und der Zurücklassung des Beschwerdeführers in einer Staatenlosigkeit schon inhaltlich eine so wichtige Rechtsfrage darstellt, dass von der Lösung einer Rechtsfrage der grundsätzlichen Bedeutung gesprochen werden muss“.
Unabhängig davon, dass in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat, und lediglich pauschale Behauptungen diese Voraussetzungen nicht erfüllen (vgl. für viele VwGH 20.4.2022, Ra 2022/01/0018, mwN), ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass dem Revisionswerber nicht die Staatsbürgerschaft entzogen wurde, sondern gemäß § 27 Abs. 1 StbG dessen Verlust aufgrund der Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit festgestellt wurde. Allein die Feststellung des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG infolge Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit hat keine Staatenlosigkeit des Revisionswerbers zur Folge.
16 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. Mai 2023