Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des K D, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2022, W123 2253084 1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Simbabwe und Südafrika, stellte am 16. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, aufgrund seiner Homosexualität in Simbabwe und Südafrika bedroht worden zu sein. Bei einer Rückkehr befürchte er, aufgrund seiner sexuellen Orientierung umgebracht zu werden.
2 Mit Bescheid vom 8. Februar 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Südafrika zulässig sei. Weiters setzte es die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe nicht glaubhaft machen können, dass er homosexuell sei. Weder sei er einer asylrelevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen, noch wäre er einer solchen im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
5 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst die Befangenheit des erkennenden Richters geltend gemacht, weil dieser öffentlich und unter seinem Klarnamen in mehreren näher zitierten Zeitungsartikeln für ein traditionelles Verständnis der christlichen Glaubenslehre eintrete, nach welcher sowohl Homosexualität an sich als auch das Ausleben derselben eine Sünde darstelle und „nicht in Ordnung“ sei. Vor dem Hintergrund dieser ablehnenden Haltung des erkennenden Richters gegenüber homosexuellen Menschen sei die uneingeschränkte Unparteilichkeit dem Anschein nach in Zweifel zu ziehen. Zudem ließen auch einzelne Fragen in der mündlichen Verhandlung Zweifel an der vollkommenen Unbefangenheit des Richters aufkommen.
6 Weiters sei das BVwG von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern abgewichen, als es sich über den Beweisantrag auf zeugenschaftliche Einvernahme einer näher genannten Person zum Beweis dafür, dass der Revisionswerber homosexuell sei, begründungslos hinweggesetzt habe und zudem den in der mündlichen Verhandlung stellig gemachten Partner des Revisionswerbers entgegen dem Amtswegigkeitsprinzip nicht einvernommen habe. Dieser Verfahrensfehler sei auch von Relevanz. Die zeugenschaftlichen Einvernahmen hätten zu der Feststellung geführt, dass der Revisionswerber in einer romantischen Beziehung zu einem Mann lebe und an der homosexuellen Orientierung des Revisionswerbers nicht zu zweifeln sei. Zudem sei das BVwG von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend den Zeitpunkt des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft und zur Indizwirkung der Richtlinien des UNHCR abgewichen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof gab dem erkennenden Richter Gelegenheit, sich im Rahmen einer Stellungnahme zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf der Befangenheit Stellung zu nehmen, wovon dieser auch Gebrauch machte.
8 Die Revision erweist sich als zulässig und auch als berechtigt.
9 Vorab ist dem Zulässigkeitsvorbringen, der erkennende Richter wäre verpflichtet gewesen, sich einer Entscheidung zu enthalten, weil aufgrund von ihm verfasster, in Printmedien und im Internet veröffentlichter Artikel der Anschein der Befangenheit vorliege und insofern die begründete Befürchtung des Anscheins der Befangenheit genüge, entgegenzuhalten, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. März 2023, Ra 2022/18/0126, mit einem gleichartigen Vorbringen betreffend den hier wie dort erkennenden Richter des Näheren befasst hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die in diesem Erkenntnis enthaltenen Entscheidungsgründe verwiesen. Aus den dort genannten Gründen ist auch im vorliegenden Fall dem Vorbringen des Revisionswerbers zum Vorliegen (des Anscheins) einer Befangenheit aufgrund der Veröffentlichung der betreffenden Artikel nicht zu folgen.
10 Zu den im Rahmen der Revision vorgebrachten Äußerungen des erkennenden Richters im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist Folgendes auszuführen:
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass jeder Vorwurf einer Befangenheit konkrete Umstände aufzuzeigen hat, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2022/14/0221, mwN).
12 Auch indiziert nicht jede verbale Entgleisung eine Befangenheit, wenn nicht die dabei manifestierte Wortwahl geeignet ist, begründete Zweifel an der Bereitschaft des Richters oder der Richterin daran zu erwecken, dass die Einwendungen der Partei im gebotenen Umfang ernst genommen werden und ihr Vorbringen auch zu ihren Gunsten geprüft wird (vgl. erneut VwGH Ra 2022/14/0221, mwN).
13 Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen, die Fragen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung hätten Zweifel an seiner vollkommenen Unbefangenheit erkennen lassen, jedoch nicht auf, dass dies hier der Fall gewesen wäre. Begründungsteile, die im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Anschein der Befangenheit begründen könnten (vgl. zur Relevierung von Begründungsteilen und deren Eignung zur Begründung einer Befangenheit VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0676, mwN), sind dem angefochtenen Erkenntnis zudem nicht zu entnehmen.
14 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung jedoch ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, indem die zeugenschaftlichen Einvernahmen unterblieben seien, erweist sich die Revision als begründet:
15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen (vgl. abermals VwGH Ra 2022/14/0221, mwN).
16 Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 22.8.2024, Ra 2024/19/0358, mwN).
17 Das BVwG brachte in seiner Entscheidung erkennbar zum Ausdruck, dass beim Revisionswerber keine Homosexualität vorliege. Die Abstandnahme von der Einvernahme der beantragten bzw. stellig gemachten Zeugen begründete es nicht.
18 Wie in der Revision, in der auch die Relevanz des Verfahrensfehlers aufgezeigt wird, zu Recht geltend gemacht wird, lag im vorliegenden Fall keiner der dargestellten Gründe, wonach von der beantragten Beweisaufnahme hätte Abstand genommen werden dürfen, vor. Durch die Unterlassung der naheliegenden Vernehmung des Lebensgefährten des Revisionswerbers ist dem BVwG eine grob fehlerhafte Beurteilung unterlaufen. Eine Auswirkung dieses Verfahrensfehlers auf das Verfahrensergebnis kann nicht ausgeschlossen werden.
19 Da das BVwG im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis schon aus den dargestellten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen in der Revision einzugehen war.
20 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 5 VwGG abgesehen werden.
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. Februar 2025