JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0165 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des M S in M, vertreten durch die Achammer Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2023, W221 22553431/35E, betreffend Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit gemäß § 50a BDG 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Vorarlberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber steht als Exekutivbeamter der Verwendungsgruppe E 2b in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist beim Polizeianhaltezentrum Bludenz vollzeitbedienstet.

2Mit Schreiben vom 18. Oktober 2021 beantragte er die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf 80 % (32 Wochenstunden) gemäß § 50a Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) zur Betreuung seiner im Jahr 2007 geborenen Tochter für den Zeitraum vom 1. März 2022 bis zum 28. Februar 2023.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. März 2022 wurde dieser Antrag abgewiesen.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab; die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

5 Das Bundesverwaltungsgericht führte nach Einholung von Stellungnahmen der belangten Behörde zur aktuellen Personalsituation an der Dienststelle des Revisionswerbers und der schriftlichen Gewährung von Parteiengehör eine mündliche Verhandlung durch. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht modifizierte der Revisionswerber seinen Antrag dahingehend, dass die Herabsetzung der Wochendienstzeit für das Ausmaß von einem Jahr ab dem Ersten jenes Monats, der auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts folge, bzw in eventu ab 1. Juli 2023 beantragt werde.

6 In seinem Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht fest, dass an der Dienststelle des Revisionswerbers 15 Planstellen systemisiert seien, wobei der tatsächliche Stand zum Entscheidungszeitpunkt aufgrund Personalmangels 13 Beamte umfasse. Die Wochendienstzeit einer Beamtin sei auf 80 % und die einer weiteren Beamtin auf 50 % herabgesetzt. Im Zeitraum von Mai 2023 bis inklusive August 2023 (17,57 Wochen) seien im Durchschnitt 49,98 Wochendienststunden und somit wöchentliche Mehrdienstleistungen im Ausmaß von 9,98 Stunden von den vollzeitbediensteten Beamten geleistet worden. Ein vollzeitbeschäftigter Bediensteter müsse an mindestens zwei Wochenenden Dienst versehen. Die Gewährung der Herabsetzung der Wochendienstzeit des Revisionswerbers hätte zur Folge, dass dessen zweites Plandienstwochenende von anderen vollzeitbeschäftigten Bediensteten übernommen werden müsste, was zu einem Anstieg derer Mehrdienstleistungen führen würde. Es sei nicht absehbar, dass der Personalstand in naher Zukunft aufgestockt werden könnte, zumal auch nur ein Teil der zur Verfügung stehenden Grundausbildungsplätze besetzt werden könne. Ein im Sommer 2023 vorübergehend dienstzugeteilter Bediensteter sei nur bis einschließlich 30. September 2023 dienstzugeteilt gewesen, sodass nach seinem „Wegfall“ mit einem weiteren Anstieg der Wochendienstzeit der verbleibenden Vollzeitbediensteten zu rechnen sei.

7In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Herabsetzung der Wochendienstzeit wichtige dienstliche Interessen entgegenstünden, weil die Heranziehung von Ersatzkräften im konkreten Fall nicht ausreichend Abhilfe gegen den (teilweisen) Ausfall der Arbeitskraft eines ausgebildeten und spezialisierten Exekutivbeamten schaffen könne. Zudem habe nur ein Teil der Grundausbildungsplätze im Jahr 2023 besetzt werden können. Eine Herabsetzung der Wochendienstzeit würde somit zu einer zusätzlichen Belastung für die anderen Beamten der Dienststelle führen. Die Heranziehung eines Beamten mit herabgesetzter Wochendienstzeit zu Mehrdienstleistungen sei nur in sehr eingeschränktem Umfang zulässig. Die tatsächliche Arbeitsbelastung der Bediensteten überschreite die in § 48a BDG 1979 normierte Höchstgrenze bereits zum Entscheidungszeitpunkt. Die Stattgabe des Antrages hätte zur Folge, dass eine „Personalreserve“ zum Ausgleich unvorhersehbarer Personalausfälle nicht gehalten werden könnte, was jedoch einer verantwortungsvollen Personalplanung zuwiderliefe.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision vor, aufgrund näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Beurteilung der wichtigen dienstlichen Interessen auf rezente Grundlagen zu stützen und es sei soweit andere Personalmaßnahmen zur Abdeckung des (teilweisen) Ausfalls einer Arbeitskraft in Betracht gezogen werden könntendie beantragte Herabsetzung der Wochendienstzeit zu bewilligen. Wenn der Ausfall durch Mehrdienstleistungen anderer Beamter abgefangen werden könne, sei der Antrag schon deshalb zu bewilligen. Im vorliegenden Fall sei es mit elf Vollzeitbeschäftigten zu bewerkstelligen, die Plandienstwochenenden einzuteilen. Es sei zudem nicht unstrittig, dass die Herabsetzung der Wochendienstzeit des Revisionswerbers zu einer Erhöhung der Mehrdienstleistungen der anderen Vollzeitbeschäftigten führen würde. Die Verrichtung eines Wochenenddienstplanes stelle keine Mehrdienstleistung iSd § 47a Z 2 BDG 1979 dar. Weiters seien die Beamten mit herabgesetzter Wochendienstzeit bei der Beurteilung der Beeinträchtigung wichtiger dienstlicher Interessen nicht berücksichtigt worden. Zu dieser Frage liege auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

13Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, erfolgt die Beurteilung dienstlicher Interessen im Sinn der §§ 50a und 50d BDG 1979 inhaltlich nach den Umständen des Einzelfalls, sodass in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG vorliegt. Für eine solche genügt auch nicht bereits das Fehlen einer höchstgerichtlichen Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt, wäre der Verwaltungsgerichtshof sonst doch in vielen Fällen zur Entscheidung berufen, obgleich in Wahrheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufgeworfen werden (vgl VwGH 5.9.2018, Ra 2018/12/0040, mwN).

14§ 50a Abs. 1 BDG 1979 räumt dem Beamten einen Rechtsanspruch auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit im beantragten Ausmaß ein, wenn der Verwendung im verlangten Ausmaß keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegenstehen. Dabei kommen grundsätzlich allewichtigen dienstlichen Interessen in Betracht, die der begehrten Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit entgegenstehen; die in § 50a Abs. 4 BDG 1979 genannten Gründe, aus denen die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit jedenfalls zu versagen ist, stellen nur Beispielsfälle dar (vgl VwGH 13.3.2009, 2007/12/0092, mwN).

15Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, ist bei der Prüfung des Vorliegens wichtiger dienstlicher Interessen von der jeweils konkret vorliegenden Situation auszugehen. Zudem haben die personalführenden Stellen zwar die im Stellenplan eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten auszunützen, doch ist auch zu berücksichtigen, dass eine nach der Lebenserfahrung erforderliche Personalreserve zum Ausgleich unvorhersehbarer Personalausfälle bestehen muss, und dass absolute Rechtsansprüche auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit (oder Erteilung eines Karenzurlaubs, wie etwa nach dem Mutterschutzgesetz) vorrangig zu befriedigen sind (vgl VwGH 5.9.2018, Ra 2018/12/0040, mwN).

16In diesem Zusammenhang kann unter Berücksichtigung des in § 48a Abs. 3 BDG 1979 verankerten Höchstmaßes der durchschnittlichen Wochendienstzeit ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung eines übermäßigen Ansteigens von Überstundenleistungen anderer Beamter einer Dienststelle bestehen (vgl VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0070, mwN). Auf das durch die Herabsetzung nach § 50a BDG 1979 bedingte Ausmaß eines solchen Anstieges pro Beamten kommt es darüber hinaus nicht an, weil bei Übersteigen der oben angezeigten Grenze ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung jeder weiteren Belastung besteht. Die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes darf nicht von der freiwilligen Bereitschaft von Beamten zur Erbringung höherer Überstundenleistungen abhängig gemacht werden (vgl VwGH 12.5.2010, 2009/12/0044, mwN). Der Umstand, dass eine „Mehrarbeitsleistung“ der Beamten einer Dienststelle auch schon ohne Herabsetzung besteht, schließt somit nicht aus, die Vermeidung einer noch weiter gehenden Mehrbelastung für die übrigen Beamten der Dienststelle als wichtiges dienstliches Interesse für eine Versagung der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit ins Treffen zu führen (vgl VwGH 1.7.2015, Ra 2015/12/0024).

17Die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit eines Bundesbeamten kann zu einer solchen zusätzlichen Belastung anderer an derselben Dienststelle tätiger Bundesbediensteter führen, weil nach § 50c BDG 1979 die Heranziehung eines Beamten mit herabgesetzter Wochendienstzeit zu Mehrdienstleistungen nur in sehr eingeschränktem Umfang zulässig ist (vgl VwGH 13.3.2009, 2007/12/0092).

18 Als zwingendes dienstliches Interesse kann zudem eine Personalknappheit angesehen werden. Auch Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung einer Planstelle sind zu berücksichtigen (vgl VwGH 13.3.2009, 2007/12/0092, mwN).

19Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Beurteilung der wichtigen dienstlichen Interessen im Sinn des § 50a BDG 1979 auf rezente Grundlagen zu stützen (vgl VwGH 30.4.2019, Ra 2019/12/0013, mwN).

20Im vorliegenden Fall zeigt die Zulässigkeitsbegründung nicht konkret auf, dass sich die vom Verwaltungsgericht fallbezogen vorgenommene Prüfung der Personal- und Planstellensituation, der darauf aufbauenden Prognose und die Beurteilung der inneren Organisationsmaßnahmen nicht innerhalb des Rahmens der zu den Bestimmungen der §§ 50a und 50d BDG 1979 ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gehalten hätte oder das Verwaltungsgericht zu einem unvertretbaren Ergebnis gelangt wäre.

21 Das Verwaltungsgericht legte seiner im Oktober 2023 ergangenen Entscheidung die Personalsituation im Zeitraum von Mai 2023 bis inklusive August 2023 zugrunde; es stützte sich somit im Entscheidungszeitpunkt auf rezente Grundlagen. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass bereits in diesem Zeitraum durchschnittlich wöchentliche Mehrdienstleistungen im Ausmaß von 9,98 Stunden von den vollzeitbediensteten Beamten geleistet worden seien. Zudem nahm das Verwaltungsgericht eine Prognose vor und gelangte zu dem Ergebnis, dass aufgrund des „Wegfalls“ eines dienstzugeteilten Bediensteten mit Ende September 2023 sowie der nur teilweisen Möglichkeit der Besetzung von Grundausbildungsplätzen in der Zukunft ein weiterer Anstieg der Wochendienstzeit der verbleibenden Vollzeitbediensteten zu erwarten sei. Zu Recht wies das Verwaltungsgericht auch darauf hin, dass der Einsatz im exekutiven Außendienst ausgebildeter Exekutivbeamter bedürfe, weshalb durch die im Stellenplan vorgesehene Aufnahme von Ersatzkräften der Verwendungsgruppe E 2c (Exekutivbeamte in der Grundausbildung) nicht sofort Ersatz für den Ausfall eines ausgebildeten Exekutivbeamten geschaffen werden könne.

22Soweit der Revisionswerber vorbringt, es seien zu Unrecht nur die vollzeitbediensteten Beamten in die Berechnung einbezogen worden, ist ihm zu entgegnen, dass bereits bei diesen wöchentliche Mehrdienstleistungen im Ausmaß von 9,98 Stunden vorliegen und Bedienstete mit herabgesetzter Wochendienstzeit nur in den Grenzen des § 50c Abs. 3 BDG 1979 über die für sie maßgebende Wochendienstzeit hinaus zur Dienstleistung herangezogen werden dürfen. Zudem hat der Dienstgeber auf das Bestehen einer Personalreserve zu achten.

23Wie der Verwaltungsgerichtshof in der oben angeführten Rechtsprechung festhielt, sind in einem Verfahren nach § 50a BDG 1979 grundsätzlich alle wichtigen dienstlichen Interessen in Betracht zu ziehen. Im vorliegenden Fall traf das Verwaltungsgericht seine Entscheidung aufgrund der im Entscheidungszeitpunkt rezenten Personalsituation. Es berücksichtigte dabei sämtliche Umstände unter Einbeziehung auch der zukünftigen Personalentwicklung an der Dienstelle des Revisionswerbers. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG wurde in der Zulässigkeitsbegründung der Revision idZ nicht aufgezeigt.

24Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2025