JudikaturVwGH

Ro 2023/11/0011 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. Mai 2023, Zl. LVwG S 344/004 2019, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld; mitbeteiligte Partei: M Z in H, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1230 Wien, Dr. Neumann Gasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

11.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 11. Jänner 2019 wurde die Mitbeteiligte als verantwortliche Beauftragte (§ 9 Abs. 2 VStG) der H Z GmbH schuldig erkannt, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin eines namentlich genannten Lenkers eines Lastkraftwagens in insgesamt drei Punkten gegen näher bezeichnete Bestimmungen der §§ 17a und 28 Arbeitszeitgesetz (AZG) iVm. der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 bzw. der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 verstoßen habe (die Verstöße betreffen die Nichteinhaltung der Lenkzeiten, fehlende Eintragungen in der Fahrerkarte des Lenkers sowie die vorschriftswidrige Verwendung des digitalen Kontrollgerätes; Tatzeit im Juli und August 2018). Die erst genannten Übertretungen stellten anhand des Anhangs III der Richtlinie 2006/22/EG einen geringfügigen, die zweitgenannten Übertretungen einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar. Über die Mitbeteiligte wurde deswegen gemäß § 28 Abs. 3a Z 1 sowie Abs. 6 Z 1 lit. a und Z 3 AZG jeweils eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, und es wurde ihr ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vorgeschrieben.

2 1.2. Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.

3 Mit Beschluss vom 16. Mai 2019 setzte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich das Beschwerdeverfahren bis zur Erledigung der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen außerordentlichen Revision gegen ein mit Geschäftszahl bestimmtes Erkenntnis dieses Verwaltungsgerichts aus.

4In dem im Aussetzungsbeschluss verwiesenen Revisionsverfahren ergangenen Erkenntnis vom 21. April 2020, Ra 2019/11/0073, 0074, verwarf der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des bei ihm angefochtenen Erkenntnisses, dem nach der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 zu bestellenden Verkehrsleiter komme die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Kraftverkehrsunternehmen zu, sodass die gemäß § 9 VStG nur subsidiäre Verantwortlichkeit eines verantwortlichen Beauftragten verdrängt werde.

5 1.3. Mit Erkenntnis vom 29. Mai 2020 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten statt, hob das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 11. Jänner 2019 auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.

6Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG verdrängten, weil nur die Bestrafung des handelsrechtlichen Geschäftsführers effektive Sanktionen iSd. Art. 22 der genannten Verordnung, wozu eine Entziehung der Zulassung des Kraftverkehrsunternehmens zähle, sicherstellen könne.

71.4. Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juli 2021, Ro 2020/11/0014, 0015, auf. Der Verwaltungsgerichthof verwies begründend auf sein Erkenntnis vom 28. Juni 2021, Ro 2020/11/0016, 0017, in welchem er wie folgt ausgeführt hatte:

„16 Im zitierten Vorerkenntnis Ra 2019/11/0073, 0074 (siehe dort Rn 27 und 28) wurde ausgehend von der Subsidiarität der Verantwortlichkeit nach § 9 VStG gegenüber einer selbständigen Regelung der Verantwortlichkeit in besonderen Verwaltungsvorschriften festgehalten, es komme gegenständlich darauf an, ob Rechtsvorschriften abseits des § 9 VStG einen für die gegenständlichen Übertretungen arbeitszeitrechtlicher Vorschriften (primär) strafrechtlich Verantwortlichen vorsehen.

17 Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Verkehrsleiter sei als primär Verantwortlicher für arbeitszeitrechtliche Übertretungen eines Lenkers eines Kraftverkehrsunternehmens heranzuziehen, wurde vom Verwaltungsgerichtshof im genannten Vorerkenntnis (Rn 31 ff.) verworfen, weil insbesondere die vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführte EGVerordnung Nr. 1071/2009 eine solche strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verkehrsleiters nicht explizit vorsieht, und diese sich daher nach § 28 AZG iVm § 9 VStG bestimmt.

18 Nichts Anderes gilt in Bezug auf die im zweiten Rechtsgang vertretene Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts: Die Auffassung, für die gegenständlichen Übertretungen sei aufgrund der EGVerordnung Nr. 1071/2009 (und ihres Anwendungsvorranges) der handelsrechtliche Geschäftsführer (und nicht ein gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter) strafrechtlich verantwortlich, entbehrt einer expliziten Anordnung dieser Verantwortlichkeit in der genannten EG Verordnung (auch im angefochtenen Erkenntnis wird eine solche Bestimmung nicht angeführt). Damit war hinsichtlich der in Rede stehenden Übertretungen arbeitszeitrechtlicher Vorschriftenwie bereits unter Rn 34 des hg. Vorerkenntnisses Ra 2019/11/0073, 0074 (in für das Verwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bindender Weise) betont wurdegemäß § 28 AZG von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bzw. eines gemäß § 9 VStG bestellten verantwortlichen Beauftragten auszugehen (vor diesem Hintergrund geht der Hinweis des angefochtenen Erkenntnisses auf Bestimmungen des GütbefG und der GewO 1994 fehl).

19 Daran ändert der Einwand des Verwaltungsgerichts nichts, die Bestrafung (bloß) des verantwortlichen Beauftragten reiche nicht aus, um die Entziehung der Zulassung des Kraftverkehrsunternehmens als wirksame Sanktion iSd. Art. 13 und 22 der EG Verordnung Nr. 1071/2009 zu ermöglichen, weil es gegenständlich nicht um ein diesbezügliches Entziehungsverfahren geht. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht auf Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2 zweiter Satz leg. cit. zu verweisen, der nicht ausschließt sondern vielmehr nahezulegen scheint, dass im Entziehungsverfahren auch gegen verantwortliche Beauftragte (als eine vom Mitgliedstaathier durch § 9 VStG ‚bestimmte maßgebliche Person‘) verhängte Sanktionen zu berücksichtigen sind.“

8 1.5. Im fortgesetzten Verfahren legte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. März 2022 dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

„Ist das Unionsrecht so auszulegen, dass es mit einer nationalen Bestimmung vereinbar ist, die es den für ein Verkehrsunternehmen strafrechtlich Verantwortlichen erlaubt, ihre Verantwortung für sehr schwerwiegende Verstöße gegen Gemeinschaftsvorschriften im Bereich der Lenk und Ruhezeiten der Fahrer im Wege einer einvernehmlichen Vereinbarung auf eine natürliche Person zu übertragen, wenn durch diese Übertragung die nach den nationalen Bestimmungen nur für den Fall einer Bestrafung der übertragenden strafrechtlich Verantwortlichen vorgesehene Prüfung der Zuverlässigkeit im Sinne der Verordnung Nr. 1071/2009 unterbleibt?“

9 Mit Urteil vom 11. Mai 2023, RE , C 155/22, erkannte der EuGH wie folgt:

„Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates in der durch die Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009 in der geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der eine Person, die für in einem Kraftverkehrsunternehmen begangene Verstöße strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird und deren Verhalten bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit dieses Unternehmens berücksichtigt wird, eine Person zum für die Einhaltung der Vorschriften des Unionsrechts über die Lenk und Ruhezeiten der Fahrer verantwortlichen Beauftragten bestellen und damit diesem Beauftragten die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verstöße gegen diese Vorschriften des Unionsrechts übertragen kann, wenn das nationale Recht es nicht erlaubt, die diesem Beauftragten zur Last gelegten Verstöße bei der Beurteilung, ob das Unternehmen die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, zu berücksichtigen.“

10 1.6. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten neuerlich Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

11Das Verwaltungsgericht stellte fest, die H Z GmbH sei zum Tatzeitpunkt Arbeitgeberin iSd. AZG des namentlich genannten Lenkers sowie Verkehrsunternehmen iSd. Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG) gewesen. Die Mitbeteiligte sei zum Tatzeitpunkt in diesem Verkehrsunternehmen weder Verkehrsleiterin noch nach außen vertretungsbefugtes Organ der Gesellschaft gewesen. Sie habe keinen maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gesellschaft gehabt. Es sei von einer wirksamen Bestellung der Mitbeteiligten als verantwortliche Beauftragte iSd. § 9 Abs. 2 VStG auszugehen. Das Vorstrafenregister der belangten Behörde weise bei Einleitung des Strafverfahrens 113 rechtskräftige Vorstrafen der Mitbeteiligten auf, davon allein 65 wegen Verstößen der H Z GmbH als Verkehrsunternehmen nach dem AZG gegen Gemeinschaftsrecht. Im Verkehrsunternehmensregister schienen diese Vorstrafen hingegen nicht auf. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Zuverlässigkeit der H Z GmbH als Verkehrsunternehmen im Licht dieser Verstöße jemals geprüft worden sei.

12 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, maßgeblich sei die Frage, ob das Urteil des EuGH in der Rechtssache C155/22 nur die Zuverlässigkeitsprüfung, welche an die bekämpfte Bestrafung anknüpfe, betreffe, oder die Unwirksamkeit der Bestellung der Mitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten nach sich ziehe. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof im (oben Rn. 7 wiedergegebenen) Erkenntnis Ro 2020/11/0016, 0017, auf die Berücksichtigung der gegen verantwortliche Beauftragte verhängten Sanktionen im Verfahren zur Entziehung der Zulassung des Kraftverkehrsunternehmens hingewiesen. Es sei allerdings zu prüfen, ob die nationale Rechtsordnung die unionsrechtlich verpflichtende Zuverlässigkeitsprüfung in Fällen wie dem vorliegenden gewährleiste. Dies sei jedoch rechtlich wie faktisch „so gut wie ausgeschlossen“.

13Zunächst erlaube § 24a Abs. 3 Z 5 GütbefG nicht die Eintragung von Bestrafungen wie jener der Mitbeteiligten in das Verkehrsunternehmensregister. Damit stelle § 24a Abs. 3 Z 5 GütbefG im Sinne des Urteils in der Rechtssache C155/22 eine nationale Vorschrift dar, die es nicht erlaube, „die diesem Beauftragten zur Last gelegten Verstöße bei der Beurteilung, ob das Unternehmen die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, zu berücksichtigen.“ Tatsächlich sei im Revisionsfall keine einzige der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen der Mitbeteiligten in das Verkehrsunternehmensregister eingetragen worden. Dies entwerte auch den in § 5 Abs. 1a GütbefG auf den Gewerbeinhaber überwälzten periodischen Nachweis seiner Zuverlässigkeit, weil sich dieser Nachweis in der Praxis auf die Vorlage des Auszugs aus dem somit nicht vollständigen Verkehrsunternehmensregister beschränken lasse. Die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Ro 2020/11/0016, 0017, angedachte Einbeziehung von Bestrafungen wie den gegenständlichen im Verfahren zur Entziehung der Zulassung des Kraftverkehrsunternehmens scheitere daher „schon an dessen zwangsläufig ausbleibender Einleitung“.

14 Dasselbe gelte für die Bestimmung des § 91 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994GewO 1994. Einem verantwortlichen Beauftragten wie der Mitbeteiligten stehe kein vergleichbarer Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zu wie einem handelsrechtlichen Geschäftsführer oder einem Alleingesellschafter. Ein Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung auf Grund einer Bestrafung eines gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlichen Beauftragten komme in der Regel nicht zur Anwendung.

15Die nach Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 geforderten Sanktionen müssten insbesondere die Aussetzung der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers umfassen. Im Unterschied dazu sehe der von § 5 Abs. 1 GütbefG ausdrücklich unberührte § 91 Abs. 2 GewO 1994 lediglich die Entfernung einer unzuverlässigen Person mit maßgeblichem Einfluss aus dem Betrieb der Geschäfte vor. Dies ermögliche in Verbindung mit einer entsprechend rotierenden Bevollmächtigung gemäß § 9 Abs. 2 VStG einen „periodischen Austausch“ verantwortlicher Beauftragter, was die unionsrechtlich gebotene Entziehung der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers trotz laufend schwerer Übertretungen dauerhaft unterbinde, weil der Verlust der Zuverlässigkeit nur der jeweiligen natürlichen Person und nicht dem Verkehrsunternehmen selbst zugerechnet werde. Hingegen hätten Vorstrafen wie im verfahrensgegenständlichen Umfang bei einer natürlichen Person als Gewerbeberechtigten zweifelsohne die Entziehung der Gewerbeberechtigung zur Folge. Diese Unterscheidung sei mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. § 91 Abs. 2 GewO 1994 stelle daher ebenfalls im Sinne des Urteils des EuGH in der Rechtssache C 155/22 eine nationale Vorschrift dar, die es nicht erlaube, „die diesem Beauftragten zur Last gelegten Verstöße bei der Beurteilung, ob das Unternehmen die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, zu berücksichtigen.“

16Daran ändere § 5 Abs. 1 GütbefG, nach dem bei Verlust der Zuverlässigkeit mit der Entziehung der Konzession vorzugehen sei, schon deswegen nichts, weil diese Bestimmung lediglich auf die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstelle, dem bei einer juristischen Person die Zuverlässigkeit ihrer Organe eben nicht zugerechnet werde.

17 Schließlich hätten auch mögliche Verwaltungsstrafen keine abschreckende Wirkung auf das Verkehrsunternehmen. Bei der Bestrafung eines verantwortlichen Beauftragten werde bei der Strafbemessung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der GmbH nicht berücksichtigt. Auch könnten im Fall regelmäßig wechselnder verantwortlicher Beauftragter die im Unternehmen insgesamt erfolgten Gesetzesverstöße bei der Strafbemessung nicht erschwerend berücksichtigt werden.

18Zur Sicherstellung der unionsrechtlich gebotenen abschreckenden Wirkung der an das Strafverfahren anknüpfenden nationalen Bestimmungen über die Zuverlässigkeitsprüfung des Verkehrsunternehmens bestehe im Revisionsfall keine Verantwortlichkeit der Mitbeteiligten. Andernfalls würde der an der Mitbeteiligten „verbrauchte Strafverfolgungsanspruch“ den Weg zum Regelungsziel der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 versperren, die von Unternehmen zu tragenden Folgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG auf die Tragung der in Geld bemessenen Unrechtsfolgen beschränken und damit auf unzulässige Weise kalkulierbar und nicht mehr abschreckend machen.

19Eine Bindung an das Erkenntnis vom 21. Juli 2021, Ro 2020/11/0014, 0015, gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestehe nicht, wenn wie im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eine abweichende Entscheidung des EuGH ergangen sei.

20Die einzige und zugleich „schonendste“ Möglichkeit, ein für eine unionsrechtskonforme Zuverlässigkeitsprüfung anknüpfungstaugliches Verwaltungsstrafverfahren zu gewährleisten, bestehe darin, eine dazu innerstaatlich untaugliche Bestrafung der weder von § 91 Abs. 2 GewO 1994 noch von § 24a Abs. 3 Z 5 GütbefG erfassten Mitbeteiligten dadurch abzuwenden, dass § 9 Abs. 2 VStG unangewendet bleibe.

21Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob zur Vermeidung einer unionsrechtswidrigen Regelungslücke im Einzelfall die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG als unwirksam zu betrachten sei.

22 1.7. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, welche das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten vorlegte. Die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erstatteten eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

232.1. § 9 VStG lautet (auszugsweise):

„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

...

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.“

242.2. § 28 Arbeitszeitgesetz (AZG), BGBl. Nr. 461/1969 in der Fassung BGBl. I Nr. 127/2017, lautet (auszugsweise):

„Strafbestimmungen

...

(3a) Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die

1. die Pflichten betreffend das digitale Kontrollgerät gemäß § 17a verletzen;

...

sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 145 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 200 Euro bis 3 600 Euro zu bestrafen.

...

(5) Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die

1. Lenker über die gemäß Art. 6 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

...

6. nicht gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 dafür gesorgt haben, dass die Lenkerinnen und Lenker ihre Verpflichtungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 sowie des Kapitels II der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 einhalten;

...

sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe gemäß Abs. 6 zu bestrafen.

(6) Sind Übertretungen gemäß Abs. 5 nach Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG als

1. leichte Übertretungen eingestuft oder in diesem Anhang nicht erwähnt, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber

a) in den Fällen der Z 1 bis 7 mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1 815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1 815 Euro,

...

3. sehr schwerwiegende Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 350 Euro bis 3 600 Euro,

...

zu bestrafen.

...“

25 2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995GütbefG, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2018, lauten (auszugsweise):

„Geltungsbereich

...

(5) Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen trifft, gilt für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Gewerbeordnung 1994 mit der Maßgabe, dass das Güterbeförderungsgewerbe als reglementiertes Gewerbe gilt, auf das § 95 Abs. 2 der GewO 1994 anzuwenden ist.

...

Konzessionspflicht und Arten der Konzessionen

§ 2. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen darf nur auf Grund einer Konzession ausgeübt werden, sofern dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt (§ 4).

...

Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession

(1) Die Konzession darf nur erteilt werden, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes folgende Voraussetzungen gemäß Artikel 3 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 erfüllt sind:

1. die Zuverlässigkeit,

2. die finanzielle Leistungsfähigkeit,

3. die fachliche Eignung (Befähigungsnachweis) und

4. eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in Österreich.

Der Bewerber hat überdies entsprechend dem beabsichtigten Konzessionsumfang (§ 3) in der in Aussicht genommenen Standortgemeinde oder einer anderen Gemeinde im selben oder einem angrenzenden Verwaltungsbezirk über die erforderlichen Abstellplätze außerhalb von Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verfügen. Sämtliche Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession zu entziehen. Die §§ 87 bis 91 GewO 1994 bleiben hiervon unberührt. ...

(1a) Die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen sind der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde alle fünf Jahre ab Erteilung der Konzession nachzuweisen. Überprüfungen im Rahmen der Erteilung einer Gemeinschaftslizenz gemäß Art. 6 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1072/09 gelten als Überprüfung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 4.

(2) Die Zuverlässigkeit ist, abgesehen von den in Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelten Fällen, insbesondere dann nicht gegeben, wenn

1. der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt wurde, solange die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister unterliegt (§§ 1 bis 6 Tilgungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 68), oder

2. dem Antragsteller, dem Gewerbeberechtigten oder dem Verkehrsleiter aufgrund der geltenden Vorschriften die Bewilligung zur Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes rechtskräftig entzogen wurde, oder

3. der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über

a) die für den Berufszweig geltenden Entlohnungs und Arbeitsbedingungen oder

b) die Güterbeförderung, insbesondere die Lenk und Ruhezeiten der Lenker, die Gewichte und Abmessungen der Kraftfahrzeuge, die Sicherheit im Straßenverkehr und der Kraftfahrzeuge und den Umweltschutz sowie die sonstigen Vorschriften in Bezug auf die Berufspflichten, rechtskräftig bestraft wurde.

...

Verkehrsleiter

§ 5a. (1) Für jedes Unternehmen ist ein Verkehrsleiter gegenüber der konzessionserteilenden Behörde zu benennen. Erfüllt die genannte Person die Voraussetzungen gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1071/09, ist die Benennung mit Bescheid durch die konzessionserteilende Behörde zu genehmigen. Sofern nicht eine andere Person als Verkehrsleiter benannt wird, gilt eine natürliche Person, der eine Konzession gemäß § 5 erteilt wurde, als Verkehrsleiter; ist in einem Unternehmen die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 39 GewO 1994 von der Behörde bescheidmäßig genehmigt worden, so gilt jedenfalls dieser als Verkehrsleiter; eine bescheidmäßige Genehmigung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Die Aufnahme der Gewerbeausübung ohne Verkehrsleiter ist unzulässig.

(2) Wird festgestellt, dass bei einem Unternehmer oder einem Geschäftsführer, der auch Verkehrsleiter ist, die Zuverlässigkeit nicht mehr vorliegt, ist jedenfalls gemäß Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 1071/09 mit Bescheid auszusprechen, dass diese Person ungeeignet ist, die Verkehrstätigkeiten eines Unternehmens zu leiten.

...

Verkehrsunternehmensregister

(1) Die Bundesministerin/der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat bei der Bundesrechenzentrum GmbH ein automationsunterstütztes zentrales Verkehrsunternehmensregister im Sinne des Art. 16 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 zu führen. Im Register werden die im Inland konzessionierten Güterbeförderungsunternehmen erfasst. Das Register wird zur Speicherung von Daten geführt, die erforderlich sind, um feststellen zu können, welche Güterbeförderungsunternehmen über eine Konzession verfügen, welche Verkehrsleiter oder rechtlichen Vertreter für diese Unternehmen bestellt wurden, über welche Art der Konzession diese Unternehmen verfügen, für welche Anzahl von Kraftfahrzeugen die Konzession erteilt wurde, gegebenenfalls die laufende Nummer der Gemeinschaftslizenz und der beglaubigten Kopien gemäß Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 1072/09. Weiters ist in dem Register auch die Anzahl, Kategorie und Art der schwerwiegenden Verstöße gemäß § 5 Abs. 2 Z 3 und die Namen der Personen, die für ungeeignet erklärt wurden, die Verkehrstätigkeiten eines Unternehmens zu leiten, zu erfassen.

(2) Die gemäß § 20 Abs. 5 zuständige Behörde sowie die gemäß § 21 zuständigen Verwaltungsstrafbehörden haben die erforderlichen Daten online über eine gesicherte Datenverbindung an die Bundesrechenzentrum GmbH zu übermitteln.

(3) Folgende Daten sind gemäß Art. 16 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 in das Verkehrsunternehmensregister einzutragen:

...

5. Anzahl, Kategorie und Art der in § 5 Abs. 2 Z 3 genannten schwerwiegenden Verstöße, die in den vorangehenden zwei Jahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung oder einer Bestrafung geführt haben;

...“

26 2.4. § 91 Gewerbeordnung 1994GewO 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2012, lautet:

(1) Beziehen sich die im § 87 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 oder im § 88 Abs. 1 genannten Entziehungsgründe auf die Person des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers, so hat die Behörde (§ 361) die Bestellung des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes zu widerrufen. In diesen Fällen gilt § 9 Abs. 2 nicht.

(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.“

27 2.5. Die Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates lautet (auszugsweise):

„Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung regelt den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und dessen Ausübung.

...

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

...

2. ‚Beruf des Kraftverkehrsunternehmers' den Beruf des Personen oder Güterverkehrsunternehmers;

...

4. ‚Unternehmen' entweder jede natürliche Person, jede juristische Person mit oder ohne Erwerbszweck, jede Vereinigung oder jeder Zusammenschluss von Personen ohne Rechtspersönlichkeit und mit oder ohne Erwerbszweck sowie jede amtliche Stelle unabhängig davon, ob diese über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt oder von einer Behörde mit Rechtspersönlichkeit abhängt , die bzw. der die Beförderung von Personen durchführt, oder jede natürliche oder juristische Person, die die Beförderung von Gütern zu gewerblichen Zwecken durchführt;

5. ‚Verkehrsleiter' eine von einem Unternehmen beschäftigte natürliche Person oder, falls es sich bei diesem Unternehmen um eine natürliche Person handelt, diese Person selbst oder gegebenenfalls eine von diesem Unternehmen vertraglich beauftragte andere natürliche Person, die tatsächlich und dauerhaft die Verkehrstätigkeiten dieses Unternehmens leitet;

...

Artikel 3

Anforderungen für die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers

(1) Unternehmen, die den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ausüben, müssen:

...

b) zuverlässig sein;

...

Artikel 4

Verkehrsleiter

(1) Ein Unternehmen, das den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ausübt, benennt mindestens eine natürliche Person, den Verkehrsleiter, die die Anforderungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b und d erfüllt und die ...

...

Artikel 6

Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Zuverlässigkeit

(1) Vorbehaltlich Absatz 2 des vorliegenden Artikels legen die Mitgliedstaaten fest, welche Voraussetzungen ein Unternehmen und ein Verkehrsleiter erfüllen müssen, damit die Anforderung der Zuverlässigkeit nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt ist.

Bei der Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen diese Anforderung erfüllt hat, berücksichtigen die Mitgliedstaaten das Verhalten des Unternehmens, seiner Verkehrsleiter und gegebenenfalls anderer vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmter maßgeblicher Personen. Jede Bezugnahme in diesem Artikel auf verhängte Urteile und Sanktionen oder begangene Verstöße schließt die gegen das Unternehmen selbst, seine Verkehrsleiter und gegebenenfalls andere vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmte maßgebliche Personen verhängten Urteile und Sanktionen bzw. die von diesen begangenen Verstöße ein.

Die in Unterabsatz 1 genannten Voraussetzungen umfassen mindestens Folgendes:

a) Die Zuverlässigkeit des Verkehrsleiters oder des Verkehrsunternehmens darf nicht zwingend in Frage gestellt sein, etwa durch Verurteilungen oder Sanktionen aufgrund eines schwerwiegenden Verstoßes gegen geltende einzelstaatliche Vorschriften in folgenden Bereichen:

... und

b) gegen den Verkehrsleiter oder das Verkehrsunternehmen darf in keinem Mitgliedstaat ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion verhängt worden sein wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere in folgenden Bereichen:

i) Lenk und Ruhezeiten der Fahrer, Arbeitszeit sowie Einbau und Nutzung der Kontrollgeräte,

...

(2) Für die Zwecke von Absatz 1 Unterabsatz 3 Buchstabe b gilt Folgendes:

a) Wurde gegen den Verkehrsleiter oder das Verkehrsunternehmen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion wegen schwerster Verstöße gegen Gemeinschaftsvorschriften gemäß Anhang IV verhängt, so führt die zuständige Behörde des Niederlassungsmitgliedstaats rechtzeitig auf geeignete Art und Weise ein ordnungsgemäß abgeschlossenes Verwaltungsverfahren, gegebenenfalls einschließlich einer Prüfung in den Räumlichkeiten des betreffenden Unternehmens, durch.

....

Stellt die Aberkennung der Zuverlässigkeit nach Auffassung der zuständigen Behörde keine unverhältnismäßige Reaktion dar, so führt die Verurteilung oder Sanktion zur Aberkennung der Zuverlässigkeit.

...

Artikel 12

Kontrollen

(1) Die zuständigen Behörden wachen darüber, ob die Unternehmen, denen sie die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers erteilt haben, die Anforderungen nach Artikel 3 dauerhaft erfüllen. ...

...

Artikel 13

Verfahren für Aussetzung und Entzug von Zulassungen

...

(3) Stellt die zuständige Behörde fest, dass das Unternehmen eine oder mehrere Anforderungen nach Artikel 3 nicht mehr erfüllt, so setzt sie die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers aus oder entzieht sie, und zwar innerhalb der in Absatz 1 genannten Fristen.

...

Artikel 22

Sanktionen

(1) Die Mitgliedstaaten legen die Regeln für Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung fest und treffen alle erforderlichen Maßnahmen für deren Anwendung. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Vorschriften spätestens 4. Dezember 2011 mit und unterrichten sie unverzüglich über alle sie betreffenden späteren Änderungen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass alle diese Maßnahmen ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Ortes der Niederlassung des Unternehmens angewandt werden.

(2) Die in Absatz 1 genannten Sanktionen umfassen insbesondere die Aussetzung der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, den Entzug dieser Zulassung und eine Erklärung der Nichteignung des Verkehrsleiters.

...“

28 3. Die Revision ist zur Klärung der Rechtsfragen, die sich aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C155/22 für die Bestrafung nach dem AZG eines gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellten verantwortlichen Beauftragten eines Kraftverkehrsunternehmens ergeben, zulässig.

29 4. Sie ist auch begründet.

304.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht (neuerlich) die Bestrafung der gemäß § 9 Abs. 2 VStG als verantwortliche Beauftragte der H Z GmbH bestellten Mitbeteiligten nach dem AZG wegen Übertretungen von nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Arbeitszeitvorschriften aufgehoben, weil es auf Grund verschiedener Bestimmungen des nationalen Rechts ausgeschlossen sei, dass diese Strafen bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit der H Z GmbH als Kraftverkehrsunternehmer berücksichtigt würden bzw. die Bestrafung der Mitbeteiligten wegen dieser Übertretungen verhindere, dass diese bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit des Kraftverkehrsunternehmers berücksichtigt werden könnten.

31 Damit verkennt das Verwaltungsgericht die Rechtslage:

32 4.2. Die Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 regelt den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und dessen Ausübung (Art. 1 Abs. 1 leg. cit.). Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b leg. cit. müssen Unternehmen, die diesen Beruf ausüben, zuverlässig sein. Die näheren Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Zuverlässigkeit sind in Art. 6 leg. cit. geregelt. Gemäß Art. 11 Abs. 1 leg. cit. erhält ein Verkehrsunternehmen, das die Anforderungen nach Art. 3 leg. cit. somit auch die Zuverlässigkeit erfüllt, auf Antrag die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers. Gemäß Art. 13 Abs. 3 leg. cit. ist die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers auszusetzen oder zu entziehen, wenn das Unternehmen eine oder mehrere Anforderungen nach Art. 3 leg. cit., wie etwa die Zuverlässigkeit, nicht mehr erfüllt.

33 Gemäß Art. 22 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 legen die Mitgliedstaaten die Regeln für Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung fest und treffen alle erforderlichen Maßnahmen für deren Anwendung. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und insbesondere die Aussetzung der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und den Entzug dieser Zulassung umfassen.

344.3.1. Die in der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 geregelte Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers erfolgt innerstaatlich im hier maßgeblichen Zusammenhang durch die Erteilung einer Konzession nach dem GütbefG. Gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 GütbefG darf die Konzession nur erteilt werden, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes die Zuverlässigkeit iSd. Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 gegeben ist. Diese Voraussetzung muss während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Wird sie nicht mehr erfüllt, fällt die Zuverlässigkeit also weg, ist die Konzession zu entziehen.

35§ 5 Abs. 2 GütbefG regelt in einer demonstrativen Aufzählung („insbesondere“) Fälle, in welchen die Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist. Ein solcher Fall liegt nach der hier allenfalls einschlägigen Z 3 leg. cit. vor, wenn „der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter“ wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über die für den Berufszweig geltenden Lohn und Arbeitsbedingungen oder die Güterbeförderung, insbesondere die Lenk und Ruhezeiten der Lenker, rechtskräftig bestraft wurde.

36 4.3.2. Zunächst ist festzuhalten, dass die revisionsgegenständlichen Strafen gegen die Mitbeteiligte, welche unstrittig weder die Gewerbeberechtigte noch die Verkehrsleiterin des Kraftverkehrsunternehmens ist, keinem der in § 5 Abs. 2 Z 1 bis 3 GütbefG demonstrativ genannten Fälle zuordenbar ist.

37Nach dem Einleitungssatz des § 5 Abs. 2 GütbefG schließen die in den Z 1 bis 3 genannten Fälle die Zuverlässigkeit allerdings nur „abgesehen von den in Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 geregelten Fällen“ aus.

38§ 5 Abs. 2 GütbefG erhielt seine hier maßgebliche Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 32/2013. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung ergibt, ist die Wendung „abgesehen von“ in ihrem Einleitungssatz im Sinne von „zusätzlich zu“ zu verstehen.

39Im Ministerialentwurf 340/ME XXIV. GP lautete der Einleitungssatz des § 5 Abs. 2 GütbefG vor der demonstrativen Aufzählung der Gründe für das Nichtvorliegen der Zuverlässigkeit noch wie folgt:

„(2) Die Zuverlässigkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn ...“

40 Dazu wurde in den Erläuterungen (340/ME XXIV. GP, 34) ausgeführt:

„Die Bestimmungen über die Zuverlässigkeit gelten nunmehr auch für den Verkehrsleiter und wurden an Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 angepasst.“

41Mit der Regierungsvorlage, 1986 BlgNR XXIV. GP, erhielt der Einleitungssatz des § 5 Abs. 2 GütbefG seine hier maßgebliche Fassung. In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt (aaO, 5):

„Die Bestimmungen über die Zuverlässigkeit gelten nunmehr auch für den Verkehrsleiter. Die Rahmenbedingungen für die Zuverlässigkeit sind jetzt in Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelt. Unabhängig davon sollen die bisherigen Kriterien, unter denen die Zuverlässigkeit auf keinen Fall gegeben ist, bestehen bleiben.“

42 Daraus ergibt sich, dass gemäß § 5 Abs. 1 und 2 GütbefG die Zuverlässigkeit nicht nur bei Vorliegen der in Abs. 2 Z 1 bis 3 leg. cit. genannten Fällen, sondern überdies auch dann nicht (mehr) gegeben ist, wenn die sich aus Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 ergebenden Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Zuverlässigkeit nicht (mehr) erfüllt sind.

43 4.4.1. Zu diesen Voraussetzungen führte der EuGH im Urteil vom 11. Mai 2023, RE , C 155/22, in den Rn. 54 bis 66 zunächst Folgendes aus:

„54 Als Erstes ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1071/2009, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 1, 2 und 4 ergibt, zum Ziel hat, die Vorschriften für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers zu modernisieren, um eine einheitlichere und wirksamere Anwendung dieser Vorschriften in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, und zwar im Hinblick auf eine bessere Berufsqualifikation der Kraftverkehrsunternehmer, zur Rationalisierung des Marktes, zur qualitativen Verbesserung der Dienstleistungen im Interesse der Kraftverkehrsunternehmer, ihrer Kunden und der gesamten Wirtschaft sowie zur größeren Sicherheit im Straßenverkehr.

55 Zu den in Art. 3 der Verordnung Nr. 1071/2009 genannten Anforderungen an die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers gehört die Zuverlässigkeit, deren Voraussetzungen in Art. 6 dieser Verordnung festgelegt sind.

56 Insoweit ergibt sich zum einen aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, festzulegen, welche Voraussetzungen die Unternehmen erfüllen müssen, damit die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt ist. Der Unionsgesetzgeber hat allerdings in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Verordnung Mindestvoraussetzungen festgelegt, die diese Anforderung umfassen muss und zu denen in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung gehört, dass gegen das Unternehmen oder den Verkehrsleiter keine Urteile wegen einer schwerwiegenden Straftat oder Sanktionen wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die in diesem Punkt aufgeführten Vorschriften des Unionsrechts, wie z. B. über die Lenk und Ruhezeiten der Fahrer, verhängt worden sein dürfen.

57 Zum anderen haben die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1071/2009 bei der Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt hat, das Verhalten des Unternehmens, seiner Verkehrsleiter und gegebenenfalls anderer von den jeweiligen Mitgliedstaaten bestimmter maßgeblicher Personen zu berücksichtigen. Diese Bestimmung stellt auch klar, dass jede Bezugnahme in diesem Artikel auf ein Urteil, eine Sanktion oder einen Verstoß die gegen das Unternehmen selbst, seine Verkehrsleiter und gegebenenfalls andere vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmte maßgebliche Personen verhängten Urteile und Sanktionen bzw. die von diesen begangenen Verstöße einschließt.

58 Folglich ist die Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 genannten Vorschriften durch ein Kraftverkehrsunternehmen bei der Ausübung seiner Verkehrstätigkeiten eine der Voraussetzungen, die es erfüllen muss, damit die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt ist.

59 Diese Anforderung soll verhindern, dass Kraftverkehrsunternehmen, die u. a. im Hinblick auf die Vorschriften zur Sicherheit im Straßenverkehr und zum Sozialschutz nachlässig sind, im Binnenmarkt tätig sind und dadurch das mit der Verordnung Nr. 1071/2009 verfolgte Ziel, wie es in Rn. 54 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, beeinträchtigt wird.

60 Die Zuverlässigkeit eines Kraftverkehrsunternehmens hängt im Übrigen davon ab, dass gegen seine Verkehrsleiter keine Urteile wegen einer schwerwiegenden Straftat oder Sanktionen wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 aufgeführten Vorschriften des Unionsrechts verhängt wurden.

61 Diese Voraussetzung entspricht sowohl dem Zweck, der mit der Anforderung der Zuverlässigkeit verfolgt wird, als auch dem Ziel dieser Verordnung, nämlich insbesondere zu verhindern, dass die Leitung der Tätigkeit dieser Unternehmen und insbesondere der Tätigkeitsbereiche, die unter diese Vorschriften des Unionsrechts fallen, Personen obliegt, gegen die solche Urteile wegen einer schwerwiegenden Straftat oder solche Sanktionen verhängt wurden, um die Gefahr zu verringern, dass Transportunternehmen, die nachlässig in dem in Rn. 59 des vorliegenden Urteils genannten Sinne handeln, diesen Beruf ausüben.

62 Schließlich hängt die Zuverlässigkeit eines Kraftverkehrsunternehmens auch davon ab, dass keine Urteile wegen einer schwerwiegenden Straftat oder Sanktionen wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 aufgeführten Vorschriften des Unionsrechts gegen gegebenenfalls andere vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmte maßgebliche Personen verhängt wurden.

63 Der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1071/2009 enthaltene Begriff „maßgebliche Personen“, die vom jeweiligen Mitgliedstaat benannt werden können, wird weder in dieser Verordnung noch mittelbar durch einen Verweis auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten definiert. Bei diesem Begriff handelt es sich somit um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der im gesamten Unionsgebiet einheitlich auszulegen ist, wobei nicht nur der Wortlaut dieser Bestimmung, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen sind (Urteil vom 22. Dezember 2022, EUROAPTIEKA, C 530/20, EU:C:2022:1014, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64 Insoweit ergibt sich schon aus dem Wortlaut und der Systematik von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009, dass die „maßgeblichen Personen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung zu den Personengruppen gehören, deren Verhalten bei der Prüfung, ob ein Verkehrsunternehmen die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung vorgesehene Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, zu berücksichtigen sind. Folglich können die gegen sie verhängten Urteile wegen einer schwerwiegenden Straftat und die gegen sie wegen schwerer Verstöße gegen Vorschriften des Unionsrechts im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung verhängten Sanktionen die Zuverlässigkeit dieses Unternehmens ebenso beeinträchtigen wie Urteile wegen einer schwerwiegenden Straftat gegen das Unternehmen selbst oder seine Verkehrsleiter und die wegen dieser Verstöße gegen sie verhängten Sanktionen.

65 In Anbetracht des mit der Anforderung der Zuverlässigkeit verfolgten Zwecks, wie er in den Rn. 59 und 61 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, ist davon auszugehen, dass unter den Begriff „maßgebliche Person“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1071/2009 andere Personen als die Verkehrsleiter fallen, die die Verantwortung für die Leitung der unter die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b dieser Verordnung genannten Vorschriften des Unionsrechts fallenden Tätigkeitsbereiche übernehmen und folglich die Einhaltung dieser Vorschriften bei der Ausübung dieser Tätigkeitsbereiche sicherzustellen haben und im Fall von Verstößen gegen diese Vorschriften strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind.

66 Wenn also ein Mitgliedstaat mittels einer nationalen Vorschrift wie § 9 Abs. 2 VStG u. a. den Kraftverkehrsunternehmen die Möglichkeit einräumt, andere Personen als die Verkehrsleiter zu Beauftragten für die Verwaltung der in der vorstehenden Randnummer genannten Tätigkeitsbereiche zu bestellen, ist davon auszugehen, dass dieser Mitgliedstaat damit eine solche Gruppe von Beschäftigten insoweit als „maßgebliche Personen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1071/2009 bestimmt hat, deren Verhalten bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit dieser Unternehmen zu berücksichtigen ist.“

44 Für den Revisionsfall folgt daraus zunächst, dasswie der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 28. Juni 2021, Ro 2020/11/0016, 0017, Rn. 19, angesprochen hatdie Mitbeteiligte als gemäß § 9 Abs. 2 VStG für die Einhaltung der Bestimmungen des AZG durch die H Z GmbH bestellte verantwortliche Beauftragte, der für ihren Verantwortungsbereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen sein muss (§ 9 Abs. 4 VStG), eine „maßgebliche Person“ iSd. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 ist, deren Verhalten bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit dieses Kraftverkehrsunternehmens nach den Bestimmungen dieser EG Verordnung zu berücksichtigen ist.

45 4.4.2. Sodann führte der EuGH im Urteil in der Rechtssache C 155/22 in den Rn. 67 bis 74 jedoch weiter aus:

„67 Als Zweites verpflichtet Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009, wie in den Rn. 40 und 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um gegen Kraftverkehrsunternehmen, die die Anforderung der Zuverlässigkeit nicht erfüllen, wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen zu verhängen.

68 Zu diesen Sanktionen gehören, wie sich aus Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1071/2009 ergibt, u. a. die Aussetzung der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, der Entzug dieser Zulassung und die Erklärung der Nichteignung der Verkehrsleiter.

69 Da die Zuverlässigkeit der Verkehrsunternehmen u. a. davon abhängt, dass keine strafrechtlichen Verurteilungen oder Sanktionen für die Nichteinhaltung der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 genannten Vorschriften bei der Ausübung ihrer Verkehrstätigkeiten vorliegen, müssen die Mitgliedstaaten, um die Vorgaben von Art. 22 dieser Verordnung zu erfüllen, insbesondere sicherstellen, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die in einem solchen Unternehmen begangenen schwerwiegenden Verstöße gegen diese Vorschriften so bestimmt wird, dass sie einer wirksamen, abschreckenden und verhältnismäßigen Sanktion für die Aberkennung der Zuverlässigkeit, die sich aus der Begehung dieser Verstöße ergeben könnte, nicht entgegensteht.

70 Es zeigt sich indes, dass es die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung einem Kraftverkehrsunternehmen erlaubt, eine Person zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 genannten Vorschriften des Unionsrechts zu bestellen, dass mit dieser Bestellung die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verstöße gegen diese Vorschriften des Unionsrechts, die bei der Ausübung des Kraftverkehrsgewerbes dieses Unternehmens begangen wurden, auf diese Person übergeht und dass das nationale Recht der Berücksichtigung des Verhaltens der auf diese Weise bestellten Person bei der Beurteilung, ob dieses Unternehmen die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 vorgesehene Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, entgegensteht.

71 Folglich können schwerwiegende Verstöße gegen diese Vorschriften, die in diesem Unternehmen nach einer solchen Bestellung begangen werden, die Zuverlässigkeit des betreffenden Unternehmens nicht beeinträchtigen.

72 Denn obwohl die so bestellte Person die Verantwortung für die Leitung der unter die betreffenden Vorschriften fallenden Tätigkeitsbereiche trägt und somit zur Gruppe der „vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmte[n] maßgebliche[n] Personen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1071/2009 gehört, führen die Urteile wegen einer schwerwiegenden Straftat und die Sanktionen wegen dieser Verstöße niemals zu einem Verfahren zur Prüfung der Zuverlässigkeit des betreffenden Unternehmens nach Art. 6 dieser Verordnung oder einer Berücksichtigung im Rahmen der Kontrollen, die die zuständigen Behörden gemäß Art. 12 der Verordnung durchzuführen haben, um zu überprüfen, ob die Unternehmen, denen die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers erteilt wurde, die Anforderungen von Art. 3 der Verordnung dauerhaft erfüllen.

73 Somit führt die Begehung solcher Verstöße unabhängig von ihrer Zahl und Schwere niemals zur Aberkennung dieser Zuverlässigkeit und folglich auch nicht zum Entzug oder zur Aussetzung der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers.

74 Folglich steht eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende unter Verstoß gegen Art. 22 der Verordnung Nr. 1071/2009 der Infragestellung der Zuverlässigkeit der Kraftverkehrsunternehmen und der Verhängung von Sanktionen gegen diese Unternehmen entgegen, obwohl Personen, die in Bezug auf diese Unternehmen als „maßgebliche Personen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung anzusehen sind, schwerwiegende Verstöße gegen die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b dieser Verordnung genannten Vorschriften des Unionsrechts begangen haben.“

46Es bleibt unklar, welche nationalen Bestimmungen der EuGH in diesem Teil der Begründung seines Urteils als „in Rede stehende nationale Regelung“ (vgl. Rn. 70 und 74) vor Augen hat. Jedenfalls schließe es diese Regelung, so die Annahme des EuGH, aus, dass einem für die Einhaltung der nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Arbeitszeitvorschriften bestellten verantwortlichen Beauftragten zuzurechnende Übertretungen des AZG und deswegen verhängte Strafen nach dem AZG Grundlage und Voraussetzung einer Entziehung der Zulassung als Kraftverkehrsunternehmer wegen fehlender Zuverlässigkeit sein könnten.

47 Der EuGH geht dabei von einer Auslegung des nationalen Rechts aus, wie sie das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in seinem Vorabentscheidungsersuchen (vgl. Rn. 8) vorgenommen hat. Einer solchen Auslegung kann der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht beitreten.

484.4.3. Dazu ist zunächst klarzustellen, dass die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen gemäß § 9 VStG so geregelt ist, dass für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften bestimmte Organe der juristischen Person verantwortlich sind, nämlich gemäß § 9 Abs. 1 VStG deren außenvertretungsbefugte Organe. § 9 Abs. 2 (letzter Satz) VStG ermöglicht aber auch die Bestellung eines für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Person verantwortlichen Beauftragten. In diesem Fall kommt es zu einem (weiteren) Wechsel der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit; der Beauftragte tritt an die Stelle des sonst verantwortlichen außenvertretungsbefugten Organs. Einem verantwortlichen Beauftragten muss gemäß § 9 Abs. 4 VStG eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen sein.

49§ 9 VStG trifft damit eine allgemeine Regelung des Verwaltungsstrafrechts. Diese Bestimmung ist jedoch ohne Bedeutung für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Übertretungen der nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Arbeitszeitvorschriften und deswegen verhängte Strafen nach dem AZG zu einer Entziehung der Zulassung als Kraftverkehrsunternehmer mangels Zuverlässigkeit führen können. Diese Frage bestimmt sich nicht nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsstrafrechts, insbesondere auch nicht nach § 9 VStG, sondern allein nach den anwendbaren Verwaltungsvorschriften (iSd. Art. II Abs. 2 EGVG). Das ist hier § 5 Abs. 1 und 2 GütbefG.

50Wie zuvor (Rn. 42) ausgeführt, ist gemäß § 5 Abs. 2 GütbefG die Zuverlässigkeit iSd. § 5 Abs. 1 leg. cit. auch dann nicht (mehr) gegeben, wenn die sich aus Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 ergebenden Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Zuverlässigkeit nicht (mehr) erfüllt sind. In einem solchen Fall darf daher eine Konzession gemäß § 5 Abs. 1 GütbefG nicht erteilt werden; eine bestehende Konzession ist zu entziehen.

51 Ausgehend davon ergibt sich aus den Schlussfolgerungen in Rn. 66 des Urteils des EuGH in der Rechtssache C155/22, dass die revisionsgegenständlichen Übertretungen des AZG und der von diesem verwiesenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und die deswegen über die Mitbeteiligte als gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte verhängten Strafen bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit der H Z GmbH nach § 5 Abs. 1 und 2 GütbefG zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Einleitungssatz des § 5 Abs. 2 GütbefG in Verbindung mit den dort verwiesenen Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C155/22, insb. Rn. 66. Einer Verdrängung nationalen Rechts, insbesondere des § 9 Abs. 2 VStG, im Wege des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts bedarf es dafür nicht.

52 4.5. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts besteht auch keine nationale Regelung, welche es im Sinn des Urteilstenors in der Rechtssache C 155/22 (vgl. Rn. 9) nicht erlauben würde, die einem verantwortlichen Beauftragten zur Last gelegten Verstöße bei der Beurteilung, ob das Unternehmen die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, zu berücksichtigen.

534.5.1. § 9 Abs. 2 VStG enthält als allgemeine Regelung des Verwaltungsstrafrechts ohne spezifischen verkehrsrechtlichen Inhalt, wie zuvor (Rn. 49) ausgeführt, keine derartige Vorschrift.

544.5.2. Auch § 24a Abs. 3 GütbefG, der in das Verkehrsunternehmensregister einzutragende Daten regelt, stellt keine solche Regelung dar. Wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird, ergibt sich weder aus dem GütbefG noch aus der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009, dass die Entziehung der Konzession wegen eines Wegfalls der Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 und 2 GütbefG von der Eintragung von Verstößen gegen die nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Arbeitszeitvorschriften (etwa jene über die Lenkund Ruhezeiten der Fahrer, die Arbeitszeit und den Einbau und die Nutzung der Kontrollgeräte iSd. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 lit. b sublit. i Verordnung (EG) Nr. 1071/2009) in das Verkehrsunternehmensregister abhängig wäre. Gemäß § 5 Abs. 1 vierter Satz GütbefG ist ein Verfahren zur Entziehung der Konzession bei Wegfall der Zuverlässigkeit vielmehr von Amts wegen einzuleiten und zu führen (arg: „ist die Konzession zu entziehen“).

554.5.3. Voraussetzung für die Erteilung der Konzession zur Güterbeförderung nach dem GütbefG ist gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz GütbefG zum einen die Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes; diese ergeben sich aus der GewO 1994. Zum anderen müssen näher genannte Voraussetzungen gemäß Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 erfüllt sein, darunter auch die Zuverlässigkeit. Hinsichtlich der Entziehung der Konzession sieht zunächst § 5 Abs. 1 vierter Satz GütbefG vor, dass diese bei Wegfall der Voraussetzungen für die Konzessionserteilung zu erfolgen hat. Sodann bestimmt § 5 Abs. 1 fünfter Satz GütbefG, dass die §§ 87 bis 91 GewO 1994, welche die Entziehung der Gewerbeberechtigung im Anwendungsbereich dieses Gesetzes regeln, hievon unberührt bleiben. Allgemein bestimmt § 1 Abs. 5 GütbefG, dass für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die GewO 1994 (nur) soweit gilt, als das GütbefG nicht besondere Bestimmungen trifft.

56Wie die Revision zutreffend ausführt, kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Mitbeteiligte iSd. § 91 Abs. 2 GewO 1994 eine Person ist, „der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht“. Die hier revisionsgegenständlichen Strafen gegen die Mitbeteiligte können nämlich schon auf Grund des in § 5 Abs. 2 GütbefG verwiesenen Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 bei der Beurteilung, ob die H Z GmbH als Verkehrsunternehmer die Zuverlässigkeit als Voraussetzung der Konzessionserteilung nach § 5 Abs. 1 GütbefG weiterhin erfüllt, berücksichtigt werden.

57Auch § 91 Abs. 2 GewO 1994 stellt somit im Sinn des Urteilstenors des EuGH in der Rechtssache C 155/22 keine nationale Regelung dar, die eine Berücksichtigung der einem verantwortlichen Beauftragten zur Last gelegten Verstöße bei der Beurteilung, ob das Unternehmen die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, nicht erlauben würde.

584.5.4. Da somit im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Entziehung der Konzession zur Güterbeförderung nach dem GütbefG wegen mangelnder Zuverlässigkeit keine nationalen Regelungen bestehen, die im Sinn des Urteils des EuGH in der Rechtssache C 155/22eine Berücksichtigung des Verhaltens der als verantwortliche Beauftragte bestellten Mitbeteiligten verhindern, sondern dies vielmehr durch den Verweis im Einleitungssatz des § 5 Abs. 2 GütbefG auf Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 sichergestellt ist, ist auch gewährleistet, dass in der vorliegenden Konstellation die Entziehung der Konzession als wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktion zum Tragen kommen kann.

595. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 14. Februar 2024