Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der G AG, vertreten durch die Eisenberger Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 6. Juni 2023, LVwG 50.37 388/2021 106, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Parteien: 1. H A und 2. C L; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 2021, mit welchem der revisionswerbenden Partei die Baubewilligung zum „plan und beschreibungsgemäßen Umbau des Bestandsgebäudes, Nutzungsänderung auf Kindergarten, Kinderkrippe und 6 Wohneinheiten, Errichtung von drei Gebäuden mit insgesamt 146 Wohneinheiten, Errichtung einer Tiefgarage mit 107 PKW Abstellplätzen sowie Errichtung von 6 PKW Abstellplätzen im Freien“ auf einem näher genannten Grundstück der KG L. unter Vorschreibung diverser Auflagen erteilt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und änderte den bekämpften Bescheid dahingehend ab, dass das Bauansuchen der revisionswerbenden Partei abgewiesen wurde (I.). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig (II.).
2 Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, die Kundmachung des Bauansuchens sei gemäß § 44a AVG durch Edikt in drei näher genannten Zeitungen an näher genannten Tagen sowie durch Anschlag an der Amtstafel des Rathauses der Stadt G. in einem näher bezeichneten Zeitraum und im Internet erfolgt; die Verlautbarung des Ediktes in den drei Printmedien habe rechtliche Wirkungen entfaltet; der Anschlag an der Amtstafel sowie die Kundmachung im Internet hätten als besondere Formen der Kundmachung im Sinne des § 27 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) im Revisionsfall nur der Information gedient und keine rechtlichen Wirkungen entfaltet.
3 Der näher festgestellte Wortlaut des Ediktes werde von den Verfahrensparteien nicht bestritten. Da anhand einer Prognoseentscheidung durch die belangte Behörde an dem mit Bauansuchen vom 2. August 2019 eingeleiteten Baubewilligungsverfahren insgesamt mehr als 100 Personen beteiligt gewesen wären, sei die belangte Behörde zur Kundmachung durch Edikt gemäß §§ 44a ff AVG berechtigt gewesen. Die Kundmachung habe insofern konstitutive Wirkung, als ohne eine gemäß § 44a Abs. 2 AVG entsprechende Kundmachung die Durchführung eines Großverfahrens, insbesondere auch der Eintritt der in § 44b Abs. 1 AVG vorgesehenen Präklusionsfolgen, nicht in Betracht komme (Hinweis auf VwGH 20.4.2004, 2003/06/0099).
4 Der Inhalt des verfahrensgegenständlichen Ediktes erweise sich als nicht gesetzeskonform. Einerseits würden in diesem die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen nicht umrissen, sodass daraus nicht ersichtlich sei, um welche Art von Verfahren „(Bauverfahren, Gewerbeverfahren,...)“ es sich handle. Darüber hinaus beinhalte das Edikt keine Erklärung des Projektes hinsichtlich seiner möglichen Immissionen, sodass der Interessierte anhand dessen nicht in die Lage versetzt werde, abschätzen zu können, ob, in welcher Weise und in welchem Ausmaß er durch das geplante Vorhaben in seinen Rechten betroffen sein werde. Abgesehen davon beziehe sich das Edikt auf einen „Abbruch sämtlicher baulicher Anlagen“, welcher jedoch vom Bauansuchen nicht umfasst sei. Ebenso ergebe sich aus der im Bauakt aktenkundigen Baubeschreibung die Errichtung von sechs und nicht wie im Edikt genannt vier KFZ-Abstellplätzen im Freien und sei die im Edikt bezeichnete Grundstücksnummer der in diesem genannten EZ nicht inneliegend; der Bauantrag vom 2. August 2019 beziehe sich vielmehr auf eine andere (Anmerkung: im Edikt nicht genannte) Grundstücksnummer. Eine Präklusion der mitbeteiligten Parteien, deren Grundstücke unmittelbar an das Baugrundstück angrenzten, und die damit Nachbarn im Sinne des § 4 Z 44 Stmk. BauG seien, liege daher nicht vor, weshalb auf die im Beschwerdeschriftsatz vom 3. Februar 2021 erstmalig vorgebrachten zulässigen Einwendungen gegen das Bauvorhaben einzugehen sei.
5 Im Beschwerdeverfahren sei eine näher beschriebene, nicht wesentliche Projektänderung des Bauvorhabens erfolgt. Mit dem Einwand der mitbeteiligten Parteien, das gegenständliche Bauvorhaben verursache unzumutbare Schallimmissionen bzw. belästigungen, sei ein zulässiger Einwand im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 und Z 3 iVm § 77 Abs. 1 und § 13 Abs. 12 Stmk. BauG geltend gemacht worden. Das Baugrundstück sei im anzuwendenden Flächenwidmungsplan der Stadt G. 4.0 als „Allgemeines Wohngebiet“ gewidmet. Laut dem im Beschwerdeverfahren eingeholten schalltechnischen Gutachten vom 4. Februar 2022 bzw. dem schalltechnischen Ergänzungsgutachten vom 12. Dezember 2022 werde das für die Widmung „Allgemeines Wohngebiet“ geltende Widmungsmaß abends um 1 dB und nachts um 5 dB überschritten. Die Ist Situation an einem näher bezeichneten Meßpunkt an der Grundstücksgrenze liege im Nachtzeitraum bereits ohne Berücksichtigung des gegenständlichen Bauvorhabens um 3,4 dB über dem Planungsrichtwert für die Widmung „Allgemeines Wohngebiet“. In schalltechnischer Hinsicht liege damit keine Genehmigungsfähigkeit vor; die mitbeteiligten Parteien würden durch das beantragte Bauvorhaben in ihren subjektiven Rechten verletzt. Soweit von der revisionswerbenden Partei auf eine auf dem zu bebauenden Grundstück gewerberechtlich bewilligte Autowerkstätte Bezug genommen werde, so habe eine allenfalls gewerberechtlich bewilligte Betriebsanlage im Baubewilligungsverfahren keine Relevanz. Außerdem liege für die bestehenden baulichen Anlagen eine rechtskräftige Abbruchbewilligung vor; um das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben realisieren zu können, sei der zumindest teilweise Abbruch der Bestandsgebäude Voraussetzung. Der bestehende Gewerbebetrieb sei zum Zeitpunkt der schalltechnischen Messung bereits stillgelegt gewesen, sodass davon keine Immissionen ausgegangen seien, die Einfluss auf die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse gehabt hätten.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst ein Abweichen von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht wird; dies „zum Mindestinhalt eines Ediktes“, von der „Rechtsprechung zum Hinweis auf die Präklusionsfolgen“, von der „Rechtsprechung zur Entscheidungsbefugnis der VwG“, von der „Rechtsprechung zum Immissionsschutz bei Wohnbauten“, und „von der Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Altbestands“. Weiters wird mit dem Argument des Abweichens von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein „Verstoß gegen die Rechtsprechung zur Offizialmaxime und Begründungspflicht“ vorgebracht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zum Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision ist zunächst bereits auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Revisionswerber im Fall einer behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Die bloße Nennung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, reicht dabei nicht aus (vgl. für viele etwa VwGH 14.11.2024, Ra 2024/06/0057 oder auch 19.3.2025, Ra 2024/06/0171, jeweils mwN).
11 Bereits diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht gerecht, da mit der vorgebrachten Behauptung des Abweichens von Rechtsprechung lediglich unterschiedliche Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt und teilweise zitiert werden, aber nicht darlegt wird, dass und inwiefern der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleiche und inwiefern das LVwG im Revisionsfall dennoch anders entschieden habe.
12 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof zu den Anforderungen von Kundmachungen von Anträgen im Großverfahren gemäß §§ 44a ff AVG bereits ausgesprochen, dass der mit Edikt kundgemachte „Gegenstand des Antrages“ und die „Beschreibung des Vorhabens“ den Interessierten in die Lage versetzen sollen, abschätzen zu können, ob und inwieweit er vom beantragten Vorhaben in seinen Rechten betroffen und veranlasst sein wird, dagegen Einwendungen zu erheben (vgl. z.B. VwGH 6.11.2019, Ra 2019/03/0124 oder auch VwGH 27.9.2018, Ra 2016/06/0061, jeweils mwN). Die Beurteilung, welche Angaben ein Edikt enthalten muss, um dieses Ziel zu erreichen, stellt vor dem Hintergrund, dass dabei jeweils auf das konkrete Vorhaben und dessen allfällige Auswirkungen auf fremde Rechte abzustellen ist regelmäßig eine als Einzelfallbewertung zu beurteilende Rechtsfrage dar (vgl. nochmals VwGH 6.11.2019, Ra 2019/03/0124 und VwGH 27.9.2018, Ra 2016/06/0061, jeweils mwN); eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG könnte sich in diesem Zusammenhang nur ergeben, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage in einer unvertretbaren Weise gelöst hätte. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern; diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. erneut VwGH 27.9.2018, Ra 2016/06/0061).
13 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision wird eine Unvertretbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Ediktes nicht aufgezeigt; die Revision bestreitet insbesondere auch nicht die Feststellung des LVwG, dass die Grundstücksnummer, auf die sich der verfahrenseinleitende Baubewilligungsantrag bezieht, im Edikt falsch bezeichnet wurde, sowie, dass das Bauansuchen teilweise unzutreffend wiedergegeben wurde. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher im Zusammenhang mit der Frage, dass das LVwG aufgrund einer unzureichenden Kundmachung durch Edikt gemäß § 44a AVG nicht von einer Präklusion der mitbeteiligten Parteien ausgegangen ist, nicht.
14 Weiters geht der Verwaltungsgerichtshof bei der Zulässigkeit von Immissionen aus dem Blickwinkel der Flächenwidmung in ständiger Rechtsprechung zum Stmk. BauG davon aus, dass das sogenannte Widmungsmaß des zur Bebauung ausersehenen Bauplatzes insofern maßgeblich ist, als die Summe der vorhandenen Grundbelastung (des sogenannten Ist Maßes) und der aus dem Projekt hervorgehenden Zusatzbelastung (des sogenannten Prognosemaßes) dieses Widmungsmaß nicht überschreiten darf. In dem Fall, dass die Ist Situation an Lärmimmissionen in einem Allgemeinen Wohngebiet bereits über dem Widmungsmaß liegt, ist der Wohncharakter des Gebietes in einem solchen zwar durch die das Widmungsmaß bereits übersteigenden Immissionen gekennzeichnet, jede weitere Überschreitung diese das Widmungsmaß bereits überschreitenden Ist Maßes durch eine weitere bauliche Anlage ist aber nicht mehr zulässig (vgl. etwa VwGH 22.8.2022, Ra 2020/06/0039, oder auch VwGH 31.5.2012, 2010/06/0189, jeweils mwN; vgl. weiters dazu, dass die Widmung „Allgemeines Wohngebiet“ dem Nachbarn einen Immissionsschutz vermittelt, etwa VwGH 15.4.2010, 2009/06/0267). Vor diesem Hintergrund stellt sich fallbezogen auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der schalltechnischen Beurteilung des LVwG. In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird weder das vom LVwG für die vorliegend maßgebliche Widmung „Allgemeines Wohngebiet“ angenommene Widmungsmaß bestritten, noch wird die auf Grundlage des Gutachtens eines schalltechnischen Amtssachverständigen getroffene Feststellung, dass die Ist Situation an einem näher bezeichneten Messpunkt an der Grundstücksgrenze im Abend und Nachtzeitraum bereits ohne Berücksichtigung des gegenständlichen Bauvorhabens über dem Planungsrichtwert für die Widmung „Allgemeines Wohngebiet“ liegt und sich die bereits bestehende Überschreitung laut Prognosemaß durch Verwirklichung des Bauvorhabens noch weiter erhöhen wird, bestritten. Auch die Feststellung des LVwG, dass der auf dem Baugrundstück früher bestehende Gewerbebetrieb zum Zeitpunkt der schalltechnischen Messung bereits stillgelegt gewesen sei, sodass davon keine Immissionen ausgegangen seien, die Einfluss auf die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse gehabt hätten, wird in den Zulässigkeitsgründen der Revision nicht in Abrede gestellt.
15 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 27. Juni 2025