JudikaturVwGH

Ra 2022/16/0014 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. November 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Landes Salzburg, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2021, Zl. L521 2242319 1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

1Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 11. August 2011 wurden auf Grundlage von Grundeinlöseplänen sowie des Grundeinlöseverzeichnisses näher bezeichnete Grundstücksparzellen zu Gunsten des Landes Salzburg zum Zweck der Errichtung von Umfahrungsstraßen in Anspruch genommen. Mit den betroffenen Liegenschaftseigentümern waren auf Grundlage eines im Zuge des Enteignungsverfahrens eingeholten Gutachtens entsprechende Übereinkommen zur Eigentumsübertragung gegen Leistung von Entschädigungsbeträgen getroffen und diese Übereinkommen im Bescheid vom 11. August 2011 gemäß § 20 Abs. 5 Bundesstraßengesetz 1971 (BStG 1971) beurkundet worden.

2 Im Antrag auf grundbücherliche Durchführung des Teilungsplans nannte das Land Salzburg für die einzelnen Trennstücke jeweils die Entschädigungsbeträge pro Quadratmeter, entrichtete aber nur die Eingabengebühr iHv 42 €.

3 Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg vom 23. März 2021mit dem dieser die Eintragungsgebühr nach TP 9 lit. b Z 1 GGG auf der Grundlage der Entschädigungsbeträge sowie die Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG festgesetzt hatte unter Änderung der Zitierung einer gesetzlichen Bestimmung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit hier wesentlichaus, zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei strittig, welche Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Eintragungsgebühr heranzuziehen sei. Während die belangte Justizverwaltungsbehörde § 26 Abs. 3 Z 4 GGG als maßgebliche Rechtsgrundlage ansehe, behaupte das Land Salzburg, dass § 26 Abs. 3 GGG zufolge außergewöhnlicher Verhältnisse nicht anzuwenden sei. Die im Zuge der Realisierung eines Straßenbauprojekts eingelösten Grundstücksteile hätten keinen Verkehrswert, weshalb die Bemessungsgrundlage für die gerichtliche Eintragungsgebühr Null betrage.

5 Der Umstand, dass die Entschädigungsbeträge nach den Grundsätzen eines Enteignungsverfahrens berechnet worden seien, konstituiere so das Verwaltungsgerichtkeine außergewöhnlichen Verhältnisse. Auch mit dem Argument einer drohenden Enteignung sei für das Land Salzburg nichts gewonnen. Die Androhung einer Enteignung sei bereits der Einleitung eines Enteignungsverfahrens immanent. Das zufolge des BStG 1971 maßgebende EisenbahnEnteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG) gebe einer Einigung über die Höhe der Entschädigung gegenüber einer behördlichen oder gerichtlichen Festsetzung Vorrang. Im revisionsgegenständlichen Fall könne vor diesem Hintergrund nichts Außergewöhnliches gesehen werden. Die zuständige Behörde habe die Höhe der Entschädigung durch ein Gutachten eines Sachverständigen ermittelt, worauf im Laufe des Verfahrens ein Übereinkommen mit den betroffenen Liegenschaftseigentümern zustande gekommen sei. Der Bescheid vom 11. August 2011 nehme hinsichtlich der Entschädigung eine von den erzielten Übereinkommen ausgehende Festsetzung der Entschädigung vor. Wenn die verfahrensgegenständlichen Flächen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Übereinkommen bzw. ihrer Beurkundung durch den Bescheid vom 11. August 2011 tatsächlich keinen (Verkehrs)Wert mehr gehabt hätten, sei nicht nachvollziehbar, weshalb den Liegenschaftseigentümern dennoch der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert zugestanden worden sei und der Sachverständige selbst diesen Umstand nicht berücksichtigt habe. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sei zutreffend von dem jeweils gebührenden endgültigen Entschädigungsbetrag als Bemessungsgrundlage nach § 26 Abs. 3 Z 4 GGG ausgegangen.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob das Land Salzburg zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 15. Dezember 2021, E 3118/2021 5, ablehnte und mit einem weiteren Beschluss vom 11. Jänner 2022 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7Die Zulässigkeit der gegen das eingangs genannte Erkenntnis erhobenen Revision begründet das Land Salzburg unter Aufrechterhaltung seines schon im Vorschreibungsverfahren eingenommenen Standpunkts mit dem Vorliegen außergewöhnlicher Verhältnisse im Sinne des § 26 Abs. 3 GGG und dem Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wertberechnung der Eintragungsgebühr. Weiters sei es in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bislang ungeklärt, ob ein offensichtlich nicht mehr gegebener Verkehrswert im Eintragungszeitpunkt bzw. ein gegenüber dem Zeitpunkt des Abschlusses des Übereinkommens wesentlich verminderter Verkehrswert bei der Frage der Wertberechnung nach § 26 GGG außer Betracht zu bleiben habe und ob diesfalls außergewöhnliche Verhältnisse vorlägen, welche zur Berechnung des Werts nach § 26 Abs. 1 GGG führen müssten.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.

10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach § 26 Abs. 3 Gerichtsgebührengesetz (GGG) der Wert der Gegenleistung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, soweit keine außergewöhnlichen Verhältnisse vorliegen, die offensichtlich Einfluss auf die Gegenleistung gehabt haben, sodass die Gegenleistung offenkundig nicht dem auf den freien Markt erzielbaren Preis entspricht (vgl. etwa VwGH 10.4.2024, Ro 2023/16/0013, mwN).

11Die Frage, ob außergewöhnliche Verhältnisse im Sinne des § 26 Abs. 3 GGG vorliegen, ist an Hand der Umstände des Einzelfalls, die, sofern sie nicht außer Streit stehen, im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen zu umschreiben sind, zu beurteilen (VwGH 30.6.2021, Ra 2018/16/0033).

12Die Frage konkreter Verhältnisse eines Falls ist ebenso eine Tatsachenfrage wie jene anderer, nach § 26 Abs. 3 GGG zum Vergleich in Betracht zu ziehender Verhältnisse und die Frage, ob oder inwieweit außergewöhnliche Verhältnisse im Sinne des § 26 Abs. 3 GGG einen Einfluss auf die Gegenleistung hatten oder nicht (VwGH 5.9.2023, Ra 2022/16/0092, mwN).

13 Ausgehend von den Tatsachenannahmen des Verwaltungsgerichts entfaltete die in Aussicht genommene Enteignung der Grundstücke noch keinen wertminderndenEinfluss auf die Schätzung des Werts dieser Grundstücke durch den Sachverständigen und auf die darauf basierende Beurkundung der Entschädigungsbeträge im Bescheid vom 11. August 2011. Soweit die Revision eine völlige Entwertung der Grundstücke in den Raum stellt, entfernt sie sich von den Tatsachenannahmen des Verwaltungsgerichts (§ 41 VwGG).

14Im Übrigen ist anzumerken, dass nach § 18 Abs. 1 BStG 1971 dessen Grundsätze nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Ermittlung der Entschädigungsbeträge herangezogen wurdendem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB) gebührt. Bei Bemessung der Entschädigung hat jedoch der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, den die Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Hingegen ist auf die Verminderung des Werts eines etwa verbleibenden Grundstücksrests Rücksicht zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des OGH muss die dem Enteigneten gebührende Entschädigung alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile erfassen, wobei der Verkehrswert der entzogenen Liegenschaft den wichtigsten Faktor für dessen Bemessung darstellt (vgl. OGH 27.2.2014, 1 Ob 138/13w, mwN). Eine aufgrund der in Aussicht genommenen Enteignung allenfalls eintretende Wertminderung der betroffenen Grundstücke hat bei der Bemessung der Entschädigung daher keine Beachtung zu finden.

15§ 2 Z 4 GGG lässt den Anspruch des Bundes auf die Gerichtsgebühr für die Eintragung im Grundbuch mit der Vornahme der Eintragung entstehen. Die Beantwortung der Frage des Entstehens des Anspruchs dem Grunde nach ist von jener der Höhe der Gebühr zu unterscheiden, die vorliegend nach § 26 Abs. 3 Z 4 GGG zu beantworten ist. Soweit keine außergewöhnlichen Verhältnisse vorliegen, die offensichtlich Einfluss auf die Gegenleistung gehabt haben, ist gemäß § 26 Abs. 3 Z 4 GGG bei der Enteignung als Wert der Gegenleistung die Entschädigung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht klar hervor, dass Verhältnisse, die „offensichtlich Einfluss auf die Gegenleistung gehabt haben“ bei der Festlegung der Gegenleistung bereits vorhanden gewesen sein müssen.

16Wenn nun in der Revision vorgebracht wird, dass die nachfolgende Zuführung der Grundstücke zum Straßenbau zu deren Entwertung geführt hätte, wird der oben dargestellte und nach § 26 Abs. 3 GGG maßgebende Beurteilungszeitpunkt außer Acht gelassen, wonach allfällige außergewöhnliche Verhältnisse schon offensichtlich Einfluss auf die Bemessung der Gegenleistung entfalten mussten und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt infolge der Zuführung enteigneter Grundstücke auf den Verkehrswert dieser Flächen. Eine allfällige nachträgliche Entwertung des Rechts bis zu Vornahme der Eintragung ist daher nicht von Relevanz.

17Dass die absehbare Enteignung der Grundstücke als außergewöhnliche Verhältnisse schon einen Einfluss auf die im Gutachten des Sachverständigen sowie im Enteignungsbescheid vom 11. August 2011 festgesetzte Gegenleistung gehabt hätte, mit der Folge, dass nach § 26 Abs. 1 GGG ein noch höherer Wert als Bemessungsgrundlage heranzuziehen gewesen wäre, zieht auch die Revision nicht in Betracht.

18Da somit bereits der Revisionsinhalt erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 21. November 2024