JudikaturVwGH

Ro 2023/16/0009 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der K GmbH in N, vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2023, W116 2252286 1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Landesgerichtes Wiener Neustadt), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Die Revisionswerberin beantragte am 20. Juli 2018 die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer näher genannten Liegenschaft. Dieser Antrag wurde vom zuständigen Bezirksgericht am 7. August 2018 bewilligt und die Revisionswerberin leistete ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 10.000 € eine selbstberechnete Eintragungsgebühr von 110 €.

2 Nach einer Kosten und Gebührenrevision ermittelte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Eintragungsgebühr in davon abweichender Höhe ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 126.000 € und schrieb diese sowie die Einhebungsgebühr (abzüglich des bereits geleisteten Betrags), sohin 1.284 € der Revisionswerberin mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 9. September 2021 zur Zahlung vor. Dagegen erhob die Revisionswerberin Vorstellung.

3 Mit Bescheid vom 19. Jänner 2022 verpflichtete die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Revisionswerberin, die restliche Pauschalgebühr gemäß TP 9 lit. b Z 1 GGG sowie die Einhebungsgebühr gemäß § 6a GEG von insgesamt 1.284 € zu entrichten.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

5 Das Bundesverwaltungsgericht führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe mit Kaufvertrag vom 23. Mai 2018 das verfahrensgegenständliche Grundstück von W gekauft. Dem Verkäufer sei im Kaufvertrag ein lebenslanges und unentgeltliches, grundbücherlich sicherzustellendes Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt worden. Das Eigentumsrecht am verfahrensgegenständlichen Grundstück sei am 7. August 2018 nach Bewilligung mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom 3. August 2018 zugunsten der Revisionswerberin einverleibt worden. Das im Kaufvertrag vereinbarte Wohnungsgebrauchsrecht für W sei (erst) am 4. Juli 2022 ins Grundbuch eingetragen worden. Der Verkehrswert des verfahrensgegenständlichen Grundstücks habe laut einem im Rahmen eines zwischen der Revisionswerberin und W geführten zivilgerichtlichen Verfahrens eingeholten Sachverständigengutachten zum Stichtag 8. Mai 2018 126.000 € betragen (ohne Berücksichtigung des Wohnungsgebrauchsrechts).

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weiche die Bestimmung des § 26 Abs. 1 GGG in der im Revisionsfall anwendbaren - Fassung vor dem Zivilrechts und Zivilverfahrensrechts Änderungsgesetz 2019 (ZZRÄG 2019; BGBl. I Nr. 38/2019) von jener des § 10 Abs. 2 BewG ab und entspreche vielmehr dem § 2 Abs. 2 des Liegenschaftsbewertungsgesetzes, wonach der Verkehrswert der Preis sei, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden könne. Der Verkehrswert könne wegen der auf einer Liegenschaft ruhenden Belastungen und der damit erschwerten Veräußerbarkeit unter dem Sachwert liegen. Demnach seien bei der Ermittlung des Verkehrswertes Abschläge vom Sachwert betreffend ein auf der Liegenschaft lastendes Wohnrecht vorzunehmen.

7 Die Berücksichtigung des Wohnrechtes bei der Bemessungsgrundlage könne aber nur insoweit erfolgen, als es den Verkehrswert des eingetragenen Rechtes mindere, wobei der für die Bewertung des Verkehrswertes maßgebliche Zeitpunkt jener der Eintragung sei.

8 Im gegenständlichen Fall könne allerdings nicht von einer Minderung des Verkehrswertes des eingetragenen Rechtes ausgegangen werden, weil das Wohnungsgebrauchsrecht zum Eintragungszeitraum nicht verbüchert gewesen sei. Der Revisionswerberin sei somit das unbelastete Eigentum einverleibt worden. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Verminderung des Verkehrswertes durch die auf einer Liegenschaft ruhenden Belastungen mit der dadurch erschwerten Veräußerbarkeit zusammenhänge. Eine solche liege bei einem bloß vertraglich eingeräumten Wohnrecht nämlich nicht in gleicher Weise vor, wie wenn das Wohnrecht tatsächlich grundbücherlich auf der Liegenschaft laste. Bei einer Weiterveräußerung müsse sich der (redliche) Dritte, dem das bloß vertraglich eingeräumte Wohnrecht nicht bekannt gewesen sei, dieses nicht entgegenhalten lassen. Die Unterscheidung zwischen vertraglich vereinbartem und verbüchertem Wohnrecht stehe zudem im Einklang mit dem den Gerichtsgebühren zugrundeliegenden Grundsatz der Anknüpfung an formale äußere Tatbestände.

9 Im Revisionsfall decke sich der Verkehrswert des eingetragenen Rechts daher mit dem Verkehrswert der Liegenschaft. Die Behörde habe somit die Eintragungsgebühr nach TP 9 lit. b Z 1 GGG zu Recht basierend auf der Bemessungsgrundlage von 126.000 € in Höhe von 1.386 € errechnet.

10 Die ordentliche Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, weil es zur Frage, ob es bei der Berücksichtigung eines Wohnrechtes beim Verkehrsrecht des eingetragenen Eigentumsrechts nach der im Revisionsfall anzuwendenden Rechtslage auf die Verbücherung des vertraglich zugesicherten Wohnrechtes ankomme oder nicht, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, zu deren Zulässigkeit auf die Zulässigkeitsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen und ergänzend vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht sei im Ergebnis von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 2011, 2009/15/0115, abgewichen.

12 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig und begründet.

15 Nach der Bestimmung des § 26 Abs. 1 GGG in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung der Grundbuchsgebührennovelle GGN, BGBl. I Nr. 1/2013, ist die Eintragungsgebühr u.a. bei der Eintragung des Eigentumsrechts vom Wert des jeweils einzutragenden Rechts zu berechnen, wobei der Wert durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung üblicherweise zu erzielen wäre.

16 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof (mehrfach) ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 26 Abs. 1 letzter Satz GGG von jener des § 10 Abs. 2 BewG abweicht, weshalb als Wert im Sinne des § 26 Abs. 1 GGG nicht der gemeine Wert zu verstehen ist und bei einem Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann, ein vorbehaltenes Wohnrecht (durch einen Abschlag vom Sachwert) zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 30.3.2017, Ra 2016/16/0037; 1.3.2018, Ra 2018/16/0012; 12.11.2019, Ro 2019/16/0014; 9.4.2020, Ra 2020/16/0052; zur durch die Änderung der Rechtslage mit dem ZZRÄG 2019, BGBl. I Nr. 38/2019, bedingten Rechtsprechungsänderung siehe VwGH 29.9.2020, Ra 2020/16/0086, mwN).

17 Entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht reduzieren allerdings nicht nur verbücherte Rechte den in § 2 Abs. 2 Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) definierten und nach § 26 Abs. 1 GGG idF vor dem ZZRÄG 2019 als Bemessungsgrundlage der Eintragungsgebühr heranzuziehenden (vgl. erneut VwGH 30.3.2017, Ra 2016/16/0037) Verkehrswert einer Liegenschaft. Weder der Bestimmung des § 26 Abs. 1 GGG noch jener des § 2 Abs. 2 LBG ist entnehmbar, dass nur dingliche Rechte bzw. Lasten wertbeeinflussend sein können. Dementsprechend können auch bloß obligatorische Rechte den Wert der Liegenschaft beeinflussen, und damit eine Auswirkung auf den im „redlichen Geschäftsverkehr“ (siehe dazu Kothbauer/Reithofer , Liegenschaftsbewertungsgesetz 38 f) da unter redlichen Geschäftspartnern auch eine bloß obligatorische Nutzungsmöglichkeit Dritter nicht verschwiegen wird für diese Liegenschaft üblicherweise bei einer Veräußerung erzielbaren Preis haben (ebenso etwa OGH 15.7.1999, 6 Ob 151/99w; vgl. auch Kothbauer/Reithofer , Liegenschaftsbewertungsgesetz 52 f).

18 Diese Sichtweise entspricht im Übrigen auch der zum Gegenleistungsbegriff im GrEStG (§ 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG) ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach (zu berücksichtigende) vorbehaltene Nutzungen (nur) solche sind, die auf Grund vertraglicher Vereinbarungen dem Verkäufer zustehen (vgl. VwGH 9.12.1965, 1090/64 [verstärkter Senat], VwSlg. 3375/F), wobei es auf deren Verbücherung nicht ankommt. Entscheidend ist der allgemeinen grunderwerbsteuerlichen Gegenleistungssystematik entsprechend nur die eingegangene (auf den Erwerb des Grundstücks gerichtete) Verpflichtung des Erwerbers zur Leistung (vgl. schon VwGH 20.11.1980, 1651/79, zum Leistungsbegriff; vgl. weiters etwa VwGH 14.5.2024, Ra 2022/16/0087, 0088, mwN).

19 Aus diesem Grund erweist sich die angefochtene Entscheidung als mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20 Von der in der Revision beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. Mai 2025

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