Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der I S in W, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juni 2022, Zl. W104 2217179 1/46E, betreffend ein Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs 7 UVP G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: N GmbH in M, vertreten durch die Lindner Stimmler Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1090 Wien, Währinger Straße 2 4/1/29), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Die Mitbeteiligte plant die Errichtung einer 110 kV Doppelleitung zwischen zwei Umspannwerken in Niederösterreich mit einer Trassenlänge von ca. 23,3 km.
2 2. Die belangte Behörde sprach über Antrag der Mitbeteiligten vom 20. September 2018 mit Bescheid vom 6. März 2019 gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP G 2000) aus, dass für das Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.
3 Im Wesentlichen führte die belangte Behörde begründend aus, dass im Rahmen einer Einzelfallprüfung festzustellen sei, ob unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen zu erwarten sei, dass der Schutzzweck des schutzwürdigen Gebiets im Sinne der Kategorie A des Anhangs 2 zum UVP G 2000, welches von dem Vorhaben berührt sei, wesentlich beeinträchtigt werde. Dies sei nach Einholung der gutachterlichen Stellungnahmen aus dem Fachbereich Naturschutz, Forsttechnik und Elektrotechnik fallbezogen zu verneinen.
4 3. Gegen diesen Bescheid erhob unter anderem die Revisionswerberin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Auswirkungen des Vorhabens auf die menschliche Gesundheit seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Ferner beruhe die Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf das Natura 2000 Gebiet auf unvollständigen und veralteten Grundlagen. Es würden Waldflächen im Umfang von 27,1 ha gerodet, weshalb der Tatbestand des Anhangs 1 Z 46 lit. a UVP G 2000 für Rodungen erfüllt sei. Es sei daher jedenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
5 4.1. Mit demnach Aufhebung der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. April 2022, Ra 2019/04/0115, nunmehr im zweiten Rechtgang erlassenen angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht unter anderem die Beschwerde der Revisionswerberin (neuerlich) ab (Spruchpunkt A.II.) und erklärte unter einem die Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
6 4.2. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung traf das Bundesverwaltungsgericht soweit hier von Relevanz zusammengefasst die Feststellungen, die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: Revisionswerberin) wohne nicht in der Nähe des Vorhabens. Sie besitze jedoch ein ca. 195 m entfernt von der Trassenaufhiebsfläche gelegenes Haus, das ganzjährig von ihrer Familie genutzt werde. Eine Beeinträchtigung des Eigentums der Revisionswerberin sei daher ebenso denkbar wie eine sie betreffende Gesundheitsgefährdung.
7 Zum verfahrensgegenständlichen Vorhaben traf das Verwaltungsgericht gestützt auf Stellungnahmen bzw. Gutachten von Sachverständigen aus den Fachgebieten Elektrotechnik, Forstwirtschaft und Naturschutz zusammengefasst folgende Feststellungen:
8 Laut dem bekämpften Bescheid seien für das Vorhaben der Mitbeteiligten befristete Rodungen im Ausmaß von 1,0440 ha und unbefristete Rodungen im Ausmaß von 0,1066 ha, insgesamt sohin Rodungen im Gesamtausmaß von 1,1506 ha erforderlich. Ferner seien für das Vorhaben Trassenaufhiebe im Ausmaß von 18,3083 ha notwendig. Gemeinsam mit den Rodungen ergebe sich daraus eine Fläche von 19,4589 ha. Dem werde in den Beschwerden entgegengehalten, dass von einer Mindestbreite für den Trassenaufhieb von 40 Metern auszugehen sei, woraus sich bei Zusammenrechnung von Rodungen und Trassenaufhieben eine Fläche von 28,4806 ha ergäbe. Die Mitbeteiligte halte dem entgegen, die Trassenaufhiebe seien auf ein Mindestmaß beschränkt worden, sodass sich unter Hinzuzählung einer weiteren Fläche insgesamt Rodungen von 19,5079 ha ergäben.
9 Die Projektdarstellung der Mitbeteiligten sei aufgrund der Stellungnahme eines von der belangten Behörde beauftragten Sachverständigen für den Fachbereich Elektrotechnik vom 20. Februar 2019 als plausibel anzusehen. Die Berechnung der Breite des Trassenaufhiebes sei demzufolge aus elektrotechnischer Sicht nachvollziehbar und entspreche dem Stand der Technik. Diesem Gutachten sei nicht entgegengetreten worden, weshalb die von der Mitbeteiligten als Projektwerberin angestellte Berechnung der Breite des Trassenaufhiebes der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden könne.
10 Zum Beschwerdevorbringen, dass zusätzliche Flächen zu Unrecht im angefochtenen Bescheid nur als „überspannt“ angesehen und aus diesem Grund nicht den Trassenaufhieben zugezählt würden, werde auf die Ausführungen des forsttechnischen Gerichtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung verwiesen, dass es ausgeschlossen sei, dass in den Teilbereichen des Abfalls nach dem Masten 25 eine relevante Wuchshöhe erreicht werde, da die Nährstoffversorgung in diesem Teilbereich des Projekts wesentlich schlechter sei. Für einzelne Entnahmen, wie sie in der normalen Bewirtschaftung der Wälder des Waldviertels nicht unüblich seien, bedürfe es keiner Fällungsbewilligung. Der Umstand, dass einzelne Bäume bei besten Voraussetzungen Wuchshöhen bis etwa 45 Meter erreichen könnten, erfordere aus forstfachlicher Sicht keinen Trassenaufhieb auf der gesamten Länge dieser Überspannung. Dem widerspreche der Einwand der Beschwerdeführer nicht, dass im Nahebereich der Mastenstandorte Baumhöhen zwischen 32 und 40 Meter vorkämen, weil es lediglich auf jene Baumhöhen ankomme, die im Steilabfall gemessen würden, wo wegen der Steilheit des Abfalls kein Trassenaufhieb beantragt worden sei. Ausgehend von der gutachterlichen Stellungnahme des forsttechnischen Gerichtssachverständigen, dass ab einer Bewuchshöhe von 25 m ein Trassenaufhieb zu beantragen sei, sei jedoch wegen des Überspannungsbereichs zwischen den Masten 25 und 26 von einer weiteren Fläche von 528 m² auszugehen, die dem projektierten Trassenaufhieb zuzuzählen sei. Für den Überspannungsbereich bei den Masten 11 und 12 ergebe sich aus demselben Grund eine zusätzliche Trassenaufhiebsfläche von 627 m². Aufgrund dieser zusätzlichen Inanspruchnahmen von Waldflächen ergebe sich ein Ausmaß von Trassenaufhieben von 18,5436 ha. Da unverändert Rodungen im Ausmaß von 1,1506 ha stattfinden sollten, ergebe sich ein Gesamtflächenausmaß von Rodungen samt Trassenaufhieben von 19,6942 ha.
11 In dem vom Vorhaben betroffenen Gemeindegebiet erfolgten Rodungen im Ausmaß von 8,6342 ha, die in einem räumlichen Zusammenhang mit dem gegenständlichen Vorhaben stünden und für die keine Ersatzmaßnahmen vorgeschrieben worden seien.
12 Zur vorgebrachten Beeinträchtigung von schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A durch das Vorhaben stellte das Verwaltungsgericht fest, das Vorhaben überspanne auf einer Länge von ca. 700 Meter ein bestimmtes Europaschutzgebiet, wobei drei Masten innerhalb der Gebietsgrenze zu liegen kämen. Die betroffenen Flächen seien ausschließlich gemäß Fauna Flora Habitat Richtlinie nominiert, nicht jedoch gemäß der Vogelschutz Richtlinie. Das Europaschutzgebiet umfasse in diesem Fall drei Schutzgüter, nämlich Fluthahnenfußgesellschaften, Koppe und Fischotter. Das Vorhaben beeinträchtige jedoch weder eines der allgemeinen Erhaltungsziele des Natura 2000 Gebietes noch eines der speziellen Erhaltungsziele für die genannten drei Schutzgüter, weil die Baumaßnahmen weder Fließgewässer noch deren Uferbereiche in Anspruch nähmen.
13 Aus forstfachlicher Sicht seien keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt und im speziellen auf das Schutzgut Wald zu erwarten. Selbst bei Kumulation aller Waldflächenverluste bleibe die Auswirkung des gegenständlichen Leitungsprojektes auf die Waldfunktionen unerheblich. Es seien bis auf ein bestimmtes Umfahrungsstraßenprojekt keine Projekte vorhanden, mit welchen die gegenständliche Freileitung in ihrer Auswirkung auf geschützte Lebensräume, Tier und Pflanzenarten summiert werden müsse. Für das genannte Umfahrungsstraßenprojekt habe es sowohl projektbegleitende Minderungsmaßnahmen als auch umfangreiche Kompensations und Ausgleichsmaßnahmen gegeben.
14 Zu den Auswirkungen auf Vögel und dem Vorbringen des Bestehens eines „faktischen Vogelschutzgebietes“ werde festgestellt, dass im verfahrensgegenständlichen Bereich nicht mit dem Vorkommen extrem gefährdeter Vogelarten zu rechnen sei. Nicht auszuschließen sei das Vorkommen von Wespenbussard, Eulen, diversen Wasservögeln, Schwarzspecht, Schwarzstorch, Weißstorch, Heidelerche und Neuntöter entlang der Trasse. Als Wanderkorridor sei das Gebiet von geringerer vogelkundlicher Relevanz als international bedeutsame Zugvogelrouten etwa entlang der March. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem vom Vorhaben betroffenen Gebiet um ein für die Erhaltung von Vogelarten zahlen und flächenmäßig geeignetes Gebiet handle.
15 4.3. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin sei ausgehend von den Feststellungen als Nachbarin beschwerdelegitimiert.
16 Das verfahrensgegenständliche Vorhaben erfülle den Tatbestand des Anhangs 1 Z 16 lit. c UVP G 2000. Bei Anwendung dieses Tatbestandes sei gemäß § 3 Abs. 4 UVP G zu prüfen, ob im Einzelfall zu erwarten sei, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhangs 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet festgelegt worden sei, wesentlich beeinträchtigt werde.
17 Die geplante Leitung quere ein bestimmtes in der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 der FFH Richtlinie angeführtes Europaschutzgebiet. Ein Vogelschutzgebiet werde nicht berührt.
18 Die Beschwerdeführerin habe zudem das Vorliegen eines faktischen Vogelschutzgebietes vorgebracht. Die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, sensible Räume auch dann zu schützen, wenn das betreffende Gebiet nicht zu einem besonderen Vogelschutzgebiet erklärt worden sei, obwohl dies hätte geschehen müssen. Das alleinige Vorkommen einzelner relevanter Vogelarten sei dafür jedoch nicht ausschlaggebend. Ausgehend von den Feststellungen komme dem verfahrensgegenständlich betroffenen Gebiet nicht die Bedeutung eines faktischen Vogelschutzgebietes zu. Alleiniger Prüfmaßstab der Einzelfallprüfung seien mögliche erhebliche Auswirkungen des Vorhabens auf das ausgewiesene Europaschutzgebiet.
19 Es bestehe ferner kein Zweifel darüber, dass kein Tatbestand der Z 46 des Anhangs 1 UVP G 2000 vom Vorhaben erfüllt werde. Weder übersteige die Rodungsfläche nach dem forstrechtlichen Rodungsbegriff die angeführten Schwellenwerte von 10 bzw. 20 ha noch übersteige die Fläche Trassenaufhiebe in schutzwürdigen Gebieten 25 ha bzw. insgesamt 50 ha. Es komme auch zu keiner Erweiterung bestehender Rodungen oder Trassenaufhiebe, weil die Kumulationsbestimmung des § 3 Abs. 2 UVP G 2000 keine Anwendung finde; dies, da die Rodungsfläche für das Vorhaben weniger als 25 % der Schwellenwerte von 10 bzw. 20 ha betrage.
20 Zum Vorbringen der Revisionswerberin, es handle sich bei den geplanten Trassenaufhieben um „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ gemäß Anhang II Z 1 lit. d der UVP Richtlinie und somit um Rodungen gemäß Z 46 lit. a im Anhang 1 zum UVP G 2000, hielt das Verwaltungsgericht fest, es sei nunmehr ein eigener Trassenaufhiebstatbestand in Z 46 des Anhangs 1 UVP G 2000 vorgesehen. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin bestünden keine unionsrechtlichen Bedenken gegen die neue Regelung. Zudem sei davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall die Trassenaufhiebsfläche ein Ausmaß von weniger als 19 ha erfasse und damit den Schwellenwert des Rodungstatbestandes auch gemeinsam mit den ausgewiesenen Rodungsflächen gemäß § 17 Forstgesetz 1975 von insgesamt 20 ha nicht erreiche.
21 Insofern die Revisionswerberin die Miteinbeziehung der Flächen moniere, die in einer solchen Höhe überspannt würden, dass ein Trassenaufhieb bzw. eine Rodung darunter nicht erforderlich sei, verkenne sie die Rechtslage. Eine Berücksichtigung dieser Flächen scheide nach dem nationalen Recht aus, weil weder ein Trassenaufhieb im Sinne § 81 Abs. 1 lit. b Forstgesetz 1975 vorliege noch eine Rodung stattfinde. Auch unionsrechtlich sei die Miteinbeziehung solcher Flächen durch die UVP Richtlinie nicht gefordert, da Anhang II Z 1 lit. d der UVP Richtlinie eine Abholzung verlange. Ausgehend davon, dass die gesamte Rodungsfläche auch unter Einbeziehung der Trassenaufhiebe 20 ha nicht übersteige, ergebe sich auch nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 80/2018, dass eine Einzelfallprüfung betreffend die Auswirkungen des Vorhabens auf besondere Schutzgebiete gemäß Anhang 1 Z 46 lit. e UVP G 2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2017 durchgeführt werden müsse. Eine solche Einzelfallprüfung sei jedoch ohnehin erfolgt.
22 Gemäß § 3 Abs. 5 UVP G seien bei der Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Merkmale des Vorhabens, des Standortes des Vorhabens und der Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt die Veränderungen im Hinblick auf das schutzwürdige Gebiet maßgeblich. Wie sich aus den Feststellungen ergebe, seien keine erheblichen Auswirkungen auf das Europaschutzgebiet zu erwarten. Die Entscheidung der belangten Behörde, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP G 2000 durchzuführen sei, erweise sich im Ergebnis als zutreffend.
23 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
24 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
25Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
26Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
27 4.1. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit vor, mit der Novelle des UVP G 2000 seien die Tatbestände der Z 46 des Anhangs 1 zum UVP G 2000 neu geregelt worden. Der EuGH lasse in seiner Rechtsprechung keinen Zweifel daran bestehen, dass Trassenaufhiebe zur Errichtung und Bewirtschaftung einer Freileitung zur Übertragung elektrischer Energie „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart“ darstellen. Die nationale Rechtslage sei unionsrechtswidrig, da eine Differenzierung zwischen Rodungen und Trassenaufhieben vorgenommen werde. Zudem liege eine Unionsrechtswidrigkeit vor, weil ein Kumulierungsverbot von Rodungen und Trassenaufhieben im Anhang 1 Z 46 UVP G 2000 vorliege.
28 4.1.2. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn die Erledigung der Revisionssache durch den Verwaltungsgerichtshof die Lösung einer zur Begründung der Zulässigkeit vorgebrachten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erfordert (vgl. etwa VwGH 23.10.2020, Ra 2019/04/0094, mwN).
29 Dies trifft aus folgenden Gründen hier nicht zu: Es mag zwar noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den mit der Novelle BGBl. I Nr. 80/2018 zum UVP G 2000 neu geschaffenen Tatbeständen des Anhangs 1 Z 46 lit. a bis d UVP G 2000 („Trassenaufhiebe“) vorliegen. Das Verwaltungsgericht hat die vorliegende Entscheidung jedoch nicht nur auf die in den Erläuterungen zur Novelle vertretene Ansicht (vgl. ErlRV 275 BlgNR XXVI. GP 14) gestützt, die Rodungsflächen und Trassenaufhiebe seien getrennt zu betrachten. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis alternativ damit begründet, dass die UVP Pflicht fallbezogen auch dann nicht vorliege, wennim Sinne der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2018, Ro 2017/04/0002, unter Berücksichtigung des Judikats des EuGH zur alten Rechtslage dargelegten Rechtsansicht die Trassenaufhiebsflächen den Rodungsflächen zugezählt werden. Dabei hat das Verwaltungsgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen nicht nur dargestellt, dass trotz Zusammenrechnung der relevanten Flächen der Schwellenwert betreffend Rodungen von 20 ha nicht überschritten werde. Das Verwaltungsgericht hat nämlich eine Prüfung im Sinne des § 3 Abs. 4 UVP G 2000, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhanges 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet (Kategorien A, C, D und E des Anhanges 2) festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird, durchgeführt und hat dies unter Zugrundelegung der Feststellungen fallbezogen verneint.
30 Vor dem Hintergrund dieser tragenden Begründung im angefochtenen Erkenntnis, die der in der Revision vertretenen Rechtsansicht betreffend die gebotene Gleichbehandlung von Rodungs und Trassenaufhiebsflächen bei der Betrachtung der Schwellenwerte im UVP G 2000 Rechnung trägt, erübrigt sich ein Eingehen auf die zur Begründung der Zulässigkeit vorgebrachte Frage der Auslegung des Tatbestandes des Anhangs 1 Z 46 UVP G 2000. Die Richtigkeit der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des novellierten Tatbestandes des Anhangs 1 Z 46 UVP G 2000 spielt nämlich angesichts des Prüfungsergebnisses bei Anlegung des in Hinblick auf die Trassenaufhiebe denkmöglich strengsten Maßstabes (Hinzuzählung zu den Rodungsflächen) keine Rolle mehr. Die Frage, ob mit der Differenzierung zwischen Rodungen und Trassenaufhieben im nationalen Recht eine richtlinienkonforme Umsetzung erfolgte, stellt vor diesem Hintergrund eine bloß abstrakte Frage dar, die mangels Relevanz für die Entscheidung im vorliegenden Revisionsfall die Zulässigkeit der Revision nicht begründen kann.
31 4.2. Die Revision bringt ferner vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zum Begriff der „Überspannung und der diesbezüglichen Subsumtion unter Z 46 Anhang 1 UVP G“. Es würde bei den „überspannten“ Flächen zu Einzelstammentnahmen und dadurch zu Trassenaufhieben kommen. Diese Flächen seien forstrechtlich nicht mehr als Wald einzustufen und aus diesem Grund im Sinne des Z 46 Anhang I UVP G 2000 bzw. im Sinne des Anhangs II Z 1 lit. d der UVP Richtlinie zu berücksichtigen.
32 4.2.1. In seinem Urteil vom 7. August 2018, C 329/17, Prenninger , hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Folgendes festgehalten:
„27 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 267 des Vertrags, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, die Würdigung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt. Der Gerichtshof ist insbesondere nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Unionsvorschrift zu äußern. Hierbei ist es Sache des nationalen Gerichts, die dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Tatsachen festzustellen und daraus die Folgerungen für seine Entscheidung zu ziehen (Urteil vom 8. Mai 2008, Danske Svineproducenter, C 491/06, EU:C:2008:263, Rn. 23).
28 Nach Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie bestimmen die Mitgliedstaaten entweder anhand einer Einzelfalluntersuchung oder anhand der von ihnen festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien, ob die in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen.
29 Zu diesen Projekten zählen nach Anhang II Nr. 1 Buchst. d Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart.
30 Der Gerichtshof hat hierzu bereits ausgeführt, dass es sich bei den in diesem Anhang enthaltenen Begriffen um autonom auszulegende Begriffe des Unionsrechts handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2008, Ecologistas en Acción CODA, C 142/07, EU:C:2008:445, Rn. 29).
31 Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.
32 Aus dem Wortlaut von Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP Richtlinie folgt, dass er nicht alle Abholzungen betrifft, sondern nur solche, die dazu dienen, die betreffenden Böden einer neuen Nutzung zuzuführen.
33 Da durch einen Trassenaufhieb wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Errichtung und die Bewirtschaftung einer Freileitung zur Übertragung elektrischer Energie ermöglicht werden sollen, werden die betreffenden Böden einer neuen Nutzung zugeführt. Infolgedessen fällt ein solcher Trassenaufhieb unter Anhang II Nr. 1 Buchst. d der UVP Richtlinie.“
33 Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der EuGH im Zusammenhang mit der in der Revision ins Treffen geführten autonom zu interpretierenden Richtlinienbestimmung, von einer Abholzung ausgeht, deren Vorliegen allerdings vom nationalen Gericht festzustellen ist. Insofern nun die Revisionswerberin darauf beharrt, dass davon auszugehen sei, dass die überspannten Flächen „in ihrer Bewirtschaftungsweise forstrechtlich nicht mehr als Wald einzustufen“ seien, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies die Auslegung der strittigen Z 46 Anhang 1 UVP G 2000, die eine Abholzung erfordert, berührt. Ferner geht die Revisionswerberin hier nicht von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts aus, das über die ohnehin festgestellten Flächen hinausgehend die Notwendigkeit einer Abholzung gerade nicht festgestellt hat. Die von der bloßen Errichtung einer Starkstromfreileitung ausgehende Umweltbelastung findet im Übrigen ihren Niederschlag in den auch hier berücksichtigten Schwellenwerten der Z 16 des Anhangs 1 UVP G 2000.
34 4.3.Dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, mit welchem sich die Revisionswerberin gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts wendet, ist Folgendes entgegenzuhalten: In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen. Eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen genügt dem ebenso wenig wie die bloße Zitierung aus Literaturfundstellen ohne jegliche Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im besagten Sinn (vgl. etwa VwGH 26.5.2021, Ra 2021/16/0035, mwN).
35 Insoferne die Revisionswerberin vorbringt, das Verwaltungsgericht hätte wegen des Vorliegens der zu erwartenden schwerwiegenden Umweltbelastungen den Antrag abweisen müssen, verkennt sie, dass das Verwaltungsgericht ausgehend von den auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen gestützten Feststellungen eine mögliche Beeinträchtigung durch das Vorhaben sowie auch das Vorliegen eines faktischen Vogelschutzgebietes ausdrücklich verneint hat.
36 4.4. Die Revision zeigt somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG auf, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 19. Mai 2025