JudikaturVwGH

Ra 2025/06/0099 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. des K A und 2. des E W, beide in S und beide vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/14, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 3. Februar 2025, LVwG 50.21 1534/2024 7, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Baugesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Spielberg; mitbeteiligte Partei: P GmbH Co KG in S; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde S. (belangte Behörde) vom 22. Dezember 2023 wurde der mitbeteiligten Partei nach dem Steiermärkischen Baugesetz (Stmk. BauG) die Bewilligung zur „Errichtung einer Lounge Gebäudeeinheit, bestehend aus vier miteinander verbundenen 20´ Raumcontainereinheiten sowie einer Flughafengebäudeeinheit ‚Ankunft/Abflug‘ bestehend aus drei miteinander verbundenen 20´ Raumcontainereinheiten, mit zwei weiteren daran angeschlossenen 20´ Fuß Bürocontainereinheiten inkl. einer 10´ Lagercontainereinheit, jeweils in 1 geschossiger Ausführung, welche im Rahmen von Großveranstaltungen am R [...] Ring, einer temporären Nutzung für Abwicklung der Zollformalitäten im Rahmen des Flughafenbetriebes unterliegen, weiters die Herstellung eines in STB Bauweise geplanten Freipodestes mit angeschlossener Vorplatzfestigung inkl. Ausführung von RW Sickeranlagen, Infrastrukturaufschließungen und von Geländeveränderungen mit Außenanlagengestaltung auf der neuen Teilfläche von Gst. Nr. [...] der KG F[...]“ erteilt.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die von den revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation als unzulässig zurück (I.) und sprach aus, dass dagegen eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei (II.).

3 Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, die bewilligte Bürocontaineranlage bestehe aus einer eingeschossigen „Lounge“ aus vier Containern mit einer Bruttogeschossfläche von 59,21 m² und einem eingeschossigen „Flughafengebäude“ aus fünf Containern mit einer Bruttogeschossfläche von 81,57 m² sowie einer Vorplatzbefestigung. Die revisionswerbenden Parteien hätten im Zuge des Bauverfahrens erster Instanz Einwendungen gegen das Projekt erhoben, mit welchen sich die belangte Behörde im bekämpften Bescheid auseinandergesetzt habe. Die Parteistellung der revisionswerbenden Parteien sei verneint worden, weshalb diesen der Baubewilligungsbescheid auch nicht zugestellt worden sei. Aufgrund eines Antrages nach dem Steiermärkischen Umweltinformationsgesetz hätten die revisionswerbenden Parteien den Bescheid jedoch von der belangten Behörde übermittelt bekommen und am 28. März 2023 Beschwerde dagegen erhoben.

4 Der Erstrevisionswerber sei Alleineigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes der KG S. samt dem darauf befindlichen Gebäude, welches sich in einer Entfernung von ca. 2.320 m zum Baugrundstück befinde. Er sei auch Eigentümer eines näher bezeichneten Waldgrundstückes, welches eine Entfernung von ca. 2.250 m zum Baugrundstück aufweise. Zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Erstrevisionswerbers lägen eine näher genannte Landesstraße sowie eine näher bezeichnete Schnellstraße. Der Zweitrevisionswerber sei Hälfteeigentümer eines näher genannten Grundstückes in der KG S. samt dem darauf befindlichen Wohnhaus. Dieses Grundstück befinde sich in einer Entfernung von ca. 2.134 m zum Baugrundstück. Zwischen dem Grundstück des Zweitrevisionswerbers und dem Baugrundstück lägen ebenfalls die genannte Landesstraße sowie die genannte Schnellstraße.

5 Die verfahrensgegenständlichen Anlagen befänden sich nicht auf dem Flugplatz Fliegerhorst H. Z. Laut Ansuchen sowie den dazugehörigen Einreichplänen und der Baubeschreibung ergebe sich, dass den Raumcontainern eine Nutzung als Büro-, Lager- und Aufenthaltsräume zukomme. Von den errichteten Containern und den dort stattfindenden Tätigkeiten einschließlich der Abwicklung von Zollformalitäten seien keine erheblich schädigenden, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere nicht auf die revisionswerbenden Parteien, zu erwarten. Deren Liegenschaften befänden sich aufgrund ihrer Situierung außerhalb des möglichen Immissionsbereiches der von der Baubehörde wahrzunehmenden, vom beantragten Bauvorhaben ausgehenden Immissionen. Lärmimmissionen oder sonstige, dem Stmk. BauG unterliegende Einwirkungen durch die Benützung der gegenständlichen Containeranlagen auf die Grundstücke der revisionswerbenden Parteien während der Veranstaltungswochenenden am R. Ring seien ausgeschlossen. Die revisionswerbenden Parteien erfüllten die für eine Parteistellung erforderliche Nachbareigenschaft nach § 4 Z 44 Stmk. BauG nicht. Dass bei projektgemäßer Nutzung samt den in den Bürocontainern stattfindenden Bürotätigkeiten nachteilige Einwirkungen des bewilligten Bauvorhabens auf die Grundstücke der revisionswerbenden Parteien ausgeschlossen seien, ergebe sich aus der beachtlichen Entfernung von deren Grundstücken zum Baugrundstück sowie der Tatsache, dass dazwischen darüber hinaus die genannte Landesstraße sowie Schnellstraße lägen.

6 Ungeachtet dessen fühlten sich die revisionswerbenden Parteien nicht durch das eingereichte Bauvorhaben als solches, sondern durch eine auf einen bei dessen Verwirklichung befürchteten gesteigerten Flugverkehr zurückzuführende erhöhte Lärmbelästigung beeinträchtigt. Sämtliche im Zusammenhang mit Flugverkehr stehende Belange, so auch mit einem Flugbetrieb einhergehende allfällige Lärmbelästigungen, seien jedoch mangels Zuständigkeit nicht von der Baubehörde wahrzunehmen. Daran vermöge auch eine von den revisionswerbenden Parteien befürchtete, aber projektgemäß nicht evidente, mögliche intensive zivile Nutzung des Flughafens Z. als mittelbare Auswirkung nichts zu ändern. Beurteilungsgegenstand sei einzig das in den Einreichplänen und sonstigen Projektunterlagen dargestellte Projekt, bei dem es sich auch jedenfalls nicht um ein UVP-pflichtige Projekt handle. Das Projekt führe zu keiner Steigerung der Flugaktivität und lasse keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt erwarten.

7 Parteistellung hätten im Baubewilligungsverfahren neben dem Bauwerber nur Nachbarn. Nachdem die revisionswerbenden Parteien bei konsensgemäßer Nutzung der verfahrensgegenständlichen Anlagen mangels Möglichkeit der Verletzung in ihren von der Baubehörde wahrzunehmenden Rechten keine Nachbarn im Sinne des § 4 Z 44 Stmk. BauG seien, mangle es ihnen an der Prozessvoraussetzung der Beschwerdelegitimation.

8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu deren Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, das vorliegende Projekt berühre Luftqualität und Lärm, somit mehrere „Europäische Richtlinien“ wie unter anderem die Umgebungslärmrichtlinie oder die Luftgüterichtlinie. Die Zunahme des Flugbetriebes und damit verbundene Lärmemissionen seien „evident und die belangte Behörde offensichtlich nicht für die Erteilung der Baubewilligung zuständig.“ Trotzdem bestätige das LVwG die erteilte Baubewilligung und stelle „im gleichen Atemzug“ fest, dass die Baubehörde nicht für den Lärm des Flugbetriebes zuständig wäre. Es sei zu erwarten, dass sich Flugbewegungen erhöhten und dadurch Lärm und Abgase auf die revisionswerbenden Parteien emittiert würden. Gemäß Art. 9 der Aarhus Konvention iVm Art. 47 GRC hätte den revisionswerbenden Parteien Parteistellung im gegenständlichen Verfahren zugestanden werden müssen; das LVwG verhindere jede Überprüfung der Auswirkungen des befürchteten gesteigerten Flugverkehrs. Außerdem sei die Baubewilligung durch eine unzuständige Behörde erteilt worden, da nach § 3 Z 1 (gemeint wohl: Z 2) Stmk. BauG dieses Gesetz insbesondere nicht für bauliche Anlagen gelte, die der Abwicklung oder Sicherung des Betriebes oder Verkehrs von Eisenbahnen oder auf Flugplätzen, einschließlich der dazugehörigen Lärmschutzanlagen, dienten; die „zuständigen Behörden“ hätten „von sich aus die Auswirkungen der Nutzungsänderung des Flughafens Z[...] zumindest im Rahmen eines Feststellungsverfahren[s] gemäß § 3 Abs 7 UVP G 200[0] untersuchen müssen“ und das Bauvorhaben stehe mit der Widmung des Baugrundstückes nicht im Einklang. Daraus ergäben sich die Rechtsfragen, „die tatsächlich von grundlegender Bedeutung“ seien: „a) Welche Bindungswirkung haben Entscheidungen einer Behörde oder eines Verwaltungsgerichts, wenn Europäisches Recht missachtet, nationale Rechtsvorschriften ignoriert und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs nicht beachtet wird? b) Ist es zulässig, dass eine unzuständige Behörde eine Baubewilligung erteilt? c) Ist es zulässig, dass Auswirkungen eines Vorhabens lediglich partiell beurteilt werden? und d) Entsprechen die Bestimmungen der Z 14 des Anhangs A UVPG 2000 in Bezug auf die im Vorangegangenen aufgelisteten Ausnahmen den UVP Richtlinien?“

9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Im Revisionsfall geht es ausschließlich um die Frage der Parteistellung der revisionswerbenden Parteien in dem oben näher dargestellten Baubewilligungsverfahren und damit im Zusammenhang um die Frage der Beschwerdelegitimation zur Erhebung einer Beschwerde gegen den genannten Baubewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 2023.

14 Gemäß § 4 Z 44 Stmk. BauG ist, soweit vorliegend relevant, Nachbar der Eigentümer oder Inhaber eines Baurechtes (Bauberechtigter) der an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen sowie jener Grundflächen, die zum vorgesehenen Bauplatz in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass vom geplanten Bau oder dessen konsensgemäßer Benützung Einwirkungen auf diese Grundflächen ausgehen können, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Schutz gewähren. Gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. ist die Geltendmachung von subjektiv öffentlichen Rechten nach dieser Bestimmung an die Nachbarstellung geknüpft („Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben...“).

15 Das LVwG führte zur Frage der Nachbarstellung der revisionswerbenden Parteien im angefochtenen Beschluss aus, durch die projektgemäße Benützung der verfahrensgegenständlichen Containeranlagen als Anlagen für eine Nutzung als Büro-, Lager- und Aufenthaltsräume während der Veranstaltungen am R. Ring seien nachteilige Einwirkungen auf die Grundstücke der revisionswerbenden Parteien ausgeschlossen, weshalb diese die für eine Parteistellung erforderliche Nachbareigenschaft nach § 4 Z 44 Stmk. BauG nicht erfüllten. Beurteilungsgegenstand sei einzig das in den Einreichplänen und sonstigen Projektunterlagen dargestellte Projekt, nicht aber eine mögliche intensive zivile Nutzung des Flugplatzes Z. Die verfahrensgegenständlichen Anlagen befänden sich nicht auf dem Flugplatz Z.

16 Vor diesem Hintergrund ist insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass in den Zulässigkeitsgründen der Revision über die bloße Behauptung hinaus in keiner Weise substantiiert dargestellt wird, inwiefern es durch das bewilligte Bauvorhaben zu einem behaupteten Anstieg von Flugbewegungen kommen sollte nicht ersichtlich, dass der Erfolg der Revision von den in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Fragen abhängen sollte. Weder tritt die Revision den Feststellungen des LVwG hinsichtlich der Entfernung der Grundstücke der revisionswerbenden Parteien vom Baugrundstück entgegen, noch wird aufgezeigt, dass es durch die projektgemäße Nutzung des bewilligten Bauvorhabens als Büro-, Lager- und Aufenthaltsräume zu Einwirkungen auf die Grundstücke der revisionswerbenden Parteien käme, die zu deren Nachbarstellung im Sinne des § 4 Z 44 Stmk. BauG führen könnten. Auch die Feststellung des LVwG, dass sich das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben nicht auf dem Flugplatz Z. befindet, wird nicht bestritten. Dass sich die in Rede stehenden Anlagen sonst auf einem Flugplatz befänden oder der Abwicklung oder Sicherung des Betriebes oder Verkehrs auf einem Flugplatz im Sinne des § 3 Z 2 Stmk. BauG dienten, wird im angefochtenen Erkenntnis weder festgestellt noch in den Zulässigkeitsgründen der Revision dargelegt.

17Im Übrigen gelingt es der Revision in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht, aufzuzeigen, aus welchen Gründen im hier allein gegenständlichen Baubewilligungsverfahren zur Errichtung einer Bürocontaineranlage der Schutz des Unionsumweltrechtes auf dem Spiel stünde (vgl. dazu etwa VwGH 21.6.2021, Ra 2018/04/0078, oder auch 9.3.2023, Ra 2022/07/0052, jeweils mwN). Der VwGH hat auch bereits ausgesprochen, dass sich aus der Richtlinie 2008/50/EG (Luftqualitätsrichtlinie) kein Recht Einzelner auf Anwendung der Richtlinienbestimmungen in einem Genehmigungsverfahren ableiten lässt und mit der Richtlinie 2002/49/EG (Umgebungslärmrichtlinie) keine unbedingten und hinreichend bestimmten Rechte Einzelner festgelegt werden (vgl. etwa VwGH 30.4.2020, Ra 2019/06/0052 bis 0056, mwN).

18 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2025