JudikaturVwGH

Ra 2021/21/0017 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. Juli 2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Eraslan, über die Revision der V E, vertreten durch Mag. Jürgen M. Krauskopf, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 60, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. August 2020, G314 2219494 1/6E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin, eine tschechische Staatsangehörige, hält sich seit März 2012 im Bundesgebiet auf. Sie ist seit dem 15. August 2015 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet.

2 Mit am 12. Februar 2019 in Rechtskraft erwachsenem Urteil wurde über sie wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges sowie Urkundenfälschung eine 17 monatige Freiheitsstrafe (davon 12 Monate bedingt nachgesehen) verhängt.

Sie hatte zwischen Dezember 2014 und 30. November 2016 in wiederholten Angriffen betrügerisch drei Geschädigte durch verschiedene falsche Behauptungen (etwa Geld für den Ankauf eines PKW und für Behandlungskosten für sich selbst oder ihre Mutter zu benötigen oder Gebühren für die vermeintliche Verkaufsabwicklung eines ihr bzw. ihrer Mutter in Tschechien gehörenden Wohnhauses im Wert von mehr als € 300.000, abdecken zu müssen, deren Scheitern die Rückzahlung der bisher gewährten Darlehen gefährde) zur Auszahlung von Darlehen von insgesamt € 219.000, verleitet.

In der Folge hatte sie eine mit 14. November 2016 datierte und von einem der Geschädigten davor blanko unterzeichnete Urkunde durch Einfügung des Textes, dass sie dem Unterzeichnenden zum genannten Datum kein Geld mehr schulde, verfälscht und diese Urkunde ermittelnden Beamten des Stadtpolizeikommandos St. Pölten zur Bestätigung dieser Tatsache vorgelegt.

3 Aus dem Vollzug des unbedingt verhängten Strafteils (in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes) wurde die Revisionswerberin am 12. August 2019 bedingt entlassen.

4 Mit Bescheid vom 30. April 2019 hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen sie mit Bezug auf das dargestellte strafbare Verhalten gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG erteilte es ihr einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. August 2020 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einer dagegen erhobenen Beschwerde teilweise Folge und reduzierte die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Begründend verwies das BVwG vor allem auf die gewerbsmäßig über einen langen Tatzeitraum und gegenüber drei Geschädigten fortgesetzten Betrugshandlungen, die einen massiven Schaden herbeigeführt hätten. Gegen die Revisionswerberin seien mehrere Exekutionsverfahren anhängig, sie strebe zur Regulierung ihrer Schuldenlast ein Insolvenzverfahren sowie die damit verbundene Entschuldung an.

Die kinderlose Revisionswerberin habe in Tschechien neun Jahre lang die Pflichtschule und danach eine 4 jährige berufsbildende höhere Schule besucht, die sie mit Matura abgeschlossen habe. Ihre Mutter, zu der sie regelmäßig Kontakt habe, und ihre Geschwister lebten nach wie vor dort. Tschechisch sei ihre Muttersprache, sie beherrsche aber auch die deutsche Sprache. Sie sei gesund und arbeitsfähig sowie in Österreich (neben vorübergehendem Bezug von Krankengeld, Arbeitslosenunterstützung und Notstandshilfe) im Einzelnen näher dargestellt wiederholt (wie auch zuletzt) berufstätig gewesen. Bereits am 3. Juli 2012 sei ihr eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmerin ausgestellt worden.

Von ihrem Ehemann wohne sie seit 7. März 2019 getrennt, habe jedoch regelmäßig Kontakt zu ihm und seinen beiden minderjährigen Kindern.

Aufgrund der schwerwiegenden, lange Zeit hindurch gewerbsmäßig gesetzten Vermögenskriminalität sei der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter bis vierter Satz FPG verwirklicht. Das persönliche Verhalten der Revisionswerberin stelle angesichts der fortgesetzten Ausnutzung ihrer Opfer zur eigenen Bereicherung eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der nach der bedingten Entlassung am 12. August 2019 verstrichene Zeitraum reiche angesichts des Ausmaßes der Betrugshandlungen und der hohen Schadenssumme nicht aus, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihr ausgehenden Gefahr annehmen zu können.

Die auf Basis des dargestellten Privat und Familienlebens erfolgte Interessenabwägung ergebe die Verhältnismäßigkeit des mit der verkürzten Dauer des Aufenthaltsverbotes verbundenen Eingriffs. Insbesondere werde das Gewicht des Familienlebens durch das Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes mit dem Ehemann relativiert. Kontakte zu ihm, seinen Kindern sowie zu den in Österreich lebenden Freunden und Bekannten könnten durch Telefonate, Briefe und elektronische Kommunikationsmittel sowie durch Besuche außerhalb Österreichs aufrechterhalten werden. Ungeachtet der Integration am österreichischen Arbeitsmarkt sei es ihr auch zumutbar, eine Erwerbstätigkeit außerhalb Österreichs aufzunehmen, zumal auch hier vorwiegend kurze Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen hätten. Auch bestünden (etwa familiäre) Bindungen zum Herkunftsstaat.

Von der Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG wegen geklärten Sachverhalts abgesehen werden können, zumal auch bei einem positiven Eindruck von der Revisionswerberin in einer Verhandlung keine weitere Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes oder gar dessen Entfall möglich wäre. Insbesondere sei dem Vorbringen zum Bestehen eines im Inland geführten Familienlebens gefolgt worden.

7 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. November 2020, E 3109/2020, ablehnte und sie mit weiterem Beschluss vom 17. Dezember 2020 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

8 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11 Unter diesem Gesichtspunkt macht die Revisionswerberin mit näherer Begründung vor allem die Unrichtigkeit sowohl der Gefährdungsprognose als auch der Interessenabwägung des BVwG geltend.

12 Angesichts des unbestrittenen gewerbsmäßigen und über einen langen Tatzeitraum fortgesetzten Gesamtverhaltens der Revisionswerberin, das einen hohen Schaden herbeigeführt hat und somit insgesamt auch das Vorliegen einer einzigen Verurteilung relativiert, kann aber entgegen der Meinung in der Revision von einer nur geringfügigen Straffälligkeit, welche die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertige, keinesfalls die Rede sein.

13 Soweit die Revisionswerberin auf ihrer Meinung nach ausschließlich gravierendere Fälle verweist, in denen in von ihr zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bislang Aufenthaltsverbote gebilligt worden seien, schließt das schon grundsätzlich nicht aus, dass auch in weniger schwerwiegenden Fällen ein Aufenthaltsverbot nach Maßgabe des hier unstrittig heranzuziehenden Gefährdungsmaßstabes nach § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG gerechtfertigt sein kann (vgl. etwa VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0079, Rn. 7, mwN).

14 Auch bietet die Revision keinen Anlass für ein Abgehen von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. etwa VwGH 11.3.2021, Ra 2021/21/0045, Rn. 11, mwN).

15 Im vorliegenden Fall durfte das BVwG im Hinblick auf das dargestellte, beharrliche strafbare Verhalten von einer so nachdrücklichen Manifestierung der Gefährlichkeit ausgehen, dass das bei der Revisionswerberin bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses erst knapp mehr als ein Jahr dauernde Wohlverhalten als zu kurz für die Annahme eines Wegfalls der Gefährdung anzusehen war, wobei die in der Revision diesbezüglich ins Treffen geführten Umstände der Ersttäterschaft und bedingten Entlassung diese Einschätzung fallbezogen nicht maßgeblich relativieren können.

Auch hat der Verwaltungsgerichtshof schon klargestellt, dass sich aus der Bewilligung der Strafverbüßung in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes keine maßgebliche Minderung der sich aus dem strafbaren Verhalten ergebenden Gefährdung ableiten lässt (siehe VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0118, Rn. 12, mwN).

16 Im Rahmen der Interessenabwägung bezieht sich die Revisionswerberin lediglich auf vom BVwG bereits berücksichtigte Gesichtspunkte, zeigt allerdings nicht auf, inwieweit auf dieser Basis das vom BVwG erzielte Ergebnis unrichtig sein sollte. Unter Berücksichtigung insbesondere der nachhaltig gezeigten Straffälligkeit durfte das BVwG insgesamt auch vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, in dem auch dann kein für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis zu erwarten gewesen wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihr einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft hätte, sodass das in der Revision auch gerügte Unterbleiben einer Beschwerdeverhandlung zulässig war (vgl. neuerlich etwa VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0079, nunmehr Rn. 9, und VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0291, Rn. 9).

17 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juli 2021

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