Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision der R S, vertreten durch Mag. Stefan Korab als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2024, W161 2285092 1/4E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen Syriens, wurde nach der Aktenlage am 9. Mai 2023 in Bulgarien der Status der subsidiär Schutzberechtigten erteilt. Am 23. November 2023 stellte sie in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 27. Dezember 2023 gemäß § 4a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revisionswerberin sich nach Bulgarien zurück zu begeben habe. Es erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, ordnete gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA Verfahrensgesetz (BFAVG) die Außerlandesbringung der Revisionswerberin gemäß § 61 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG 2005) an und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 zulässig sei. Das BFA stellte unter anderem fest, dass die Revisionswerberin an einer nicht näher umschriebenen Herzkrankheit leide. Aus den Länderinformationsblättern zu Bulgarien ergebe sich aber eine „ausreichende Versorgung für Schutzberechtigte“.
3 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in der sie unter anderem geltend machte, aus näher genannten, insbesondere ihre Gesundheit betreffenden Gründen als 71 jährige „Asylberechtigte“ ohne Unterstützung in Bulgarien nicht überleben zu können. Das bulgarische Gesundheitswesen sei durch tiefe strukturelle Probleme gekennzeichnet. Es sei vom BFA nicht berücksichtigt worden, dass es „akute Schwierigkeiten“ für Fremde in Bulgarien gebe, eine Unterkunft zu finden. Die Revisionswerberin habe keine andere Möglichkeit gesehen, als zu ihrer Tochter nach Österreich zu kommen.
4 Das BVwG wies diese Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Begründend ging es unter anderem davon aus, die Revisionswerberin leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Überstellung nach Bulgarien entgegenstehe. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zur Zulässigkeit und in der Sache unter anderem eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend.
6 Das BFA hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision ist zulässig und begründet.
8 Die Verhandlungspflicht folgt im Zulassungsverfahren, das auch gegenständlich vorlag, besonderen Verfahrensvorschriften (§ 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA VG; vgl. dazu grundlegend VwGH 30.6.2016, ).
9Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits klargestellt, dass eine Verhandlung jedenfalls immer dann zu unterbleiben hat, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG vorliegen (vgl. etwa VwGH 28.3.2022, Ra 2021/18/0347, mwN). Diese Voraussetzungen wurden in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, , 0018).
10 Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen für eine Abstandnahme von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG schon deshalb nicht gegeben, weil das BFA eine Herzerkrankung der Revisionswerberin festgestellt hat, die nach seinen Annahmen in Bulgarien behandelbar sei, ohne allerdings näher zu umschreiben, von welcher Krankheit die Behörde ausgeht, welche Behandlungen die Revisionswerberin dafür benötigt und inwieweit diese in Bulgarien für die Revisionswerberin tatsächlich erhältlich wären. Trotz Bestreitung der Behandelbarkeit der Erkrankung in der Beschwerde führte das BVwG keine Verhandlung durch, sondern änderte die behördlich getroffenen Feststellungen ohne weitere Beweisaufnahme sogar dahingehend ab, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht vorliege. Zu einer solchen Vorgangsweise war das Verwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung aber nicht berechtigt.
11 Das Vorbringen der Revisionswerberin hätte somit weitere Ermittlungen erforderlich gemacht, die entweder unter Anwendung des § 21 Abs. 3 BFA VG oder des § 21 Abs. 6a BFA VG vorzunehmen gewesen wären.
12Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 29. Jänner 2025