JudikaturVwGH

Ra 2021/03/0011 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. Dezember 2020, Zlen. LVwG AV 1012/001 2019, LVwG AV 1013/001 2019, LVwG AV 1014/001 2019, LVwG AV 1015/001 2019, LVwG AV 1016/001 2019, LVwG AV 1017/001 2019, LVwG AV 1018/001 2019, betreffend Kosten für die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich (Abteilung Landesstraßenbau und verwaltung) in St. Pölten, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Die revisionswerbende Partei ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin bzw. Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke Floridsdorf Unter Retzbach Staatsgrenze. Diese Eisenbahnstrecke wird an sieben im angefochtenen Erkenntnis näher umschriebenen Stellen von Landesstraßen des Landes Niederösterreich gekreuzt.

2 Für diese Eisenbahnkreuzungen bestanden bereits Sicherungsanlagen nach der Eisenbahn Kreuzungsverordnung 1961, ehe mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13., 28. und 30. April 2015 neue Sicherungsanordnungen gemäß § 49 Abs. 2 EisbG (in Verbindung mit der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 EisbKrV) getroffen wurden.

3 In weiterer Folge brachte die nunmehrige revisionswerbende Partei Anträge auf Regelung der Kostentragung zwischen ihr und dem Land Niederösterreich als Träger der Straßenbaulast ein.

4 Diese Anträge wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis im Beschwerdeverfahren in Abänderung der darüber ergangenen Entscheidungen der Landeshauptfrau von Niederösterreich als unzulässig zurück und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5 Begründend führte es im Wesentlichen aus, mit den Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13., 28. und 30. April 2015 sei jeweils eine Sicherung durch Schrankenanlagen mit Lichtzeichen mit nur einzelnen technischen Anpassungen festgelegt worden, wodurch aber keine Änderung in der Art der Sicherung erfolgt und letztlich eine Beibehaltung der schon bestehenden Sicherungsart von schienengleichen Eisenbahnübergängen ermöglicht worden sei. Es lägen somit Fälle vor, in denen jeweils die bestehende Sicherung der Eisenbahnkreuzungen im Wesentlichen unverändert weiterbelassen werden konnte. Bei dieser Ausgangslage würde die neue Entscheidung über die Kostentragung die Rechtskraft der seinerzeitigen Entscheidung oder die Rechtswirkungen einer früheren Kostenregelung unterlaufen. Eine neue Kostenregelung bzw. -entscheidung dürfe nicht getroffen werden. Die Anträge sei deshalb unzulässig.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend macht, den gegenständlichen Sicherungsanlagen sei gemein, dass die neuen Sicherungsbescheide nach Inkrafttreten des Deregulierungsgesetzes 2001 erlassen worden seien, dass in ihnen keine Anpassung der bestehenden Sicherungsanlagen gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV angeordnet worden sei, dass eine Vereinbarung über die Kostentragung zwischen dem Träger der Straßenbaulast und dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen oder eine rechtskräftig bindende Kostenentscheidung jeweils nicht bestanden habe, und dass die technische Nutzungsdauer der vorhandenen Sicherungsanlagen jeweils noch nicht zur Gänze abgelaufen gewesen sei. Auf dieser Grundlage werfe der Revisionsfall die bislang ungeklärte Rechtsfrage auf, ob eine (neue) Kostenregelung getroffen werden könne bzw. wann davon ausgegangen werden dürfe, dass die bestehende Sicherung wie das VwG argumentiere im Wesentlichen unverändert weiterbelassen werden könne.

7 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt. Die Landeshauptfrau von Niederösterreich als belangte Behörde im Verfahren vor dem VwG erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Die im gegenständlichen Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen gleichen jenen, die der Verwaltungsgerichtshof soweit erforderlich mit Erkenntnis vom 23. Juni 2021, Ra 2021/03/0033, entschieden hat. Insoweit trifft zwar das Revisionsvorbringen nicht zu, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die vorliegende Revision keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Das VwG ist jedoch von der im Folgenden näher dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, weshalb die Revision zulässig und auch begründet ist.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zitierten Erkenntnis ausgeführt, dass im Falle einer (neuen) Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall (die nicht bloß die Beibehaltung der bestehenden Anlage erlaubt) eine neue Kostenentscheidung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG getroffen werden kann. Dass dabei letztlich eine Sicherungsart festgelegt wird, die mit der früheren vergleichbar ist, spielt keine Rolle. Erfolgt die neue Sicherungsentscheidung zu einem Zeitpunkt, zu dem die technische Lebensdauer der bisherigen Anlage wie unstrittig in den vorliegenden Fällen noch nicht abgelaufen war, wäre eine Beibehaltung der bisherigen Sicherungsart gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV unter den dort genannten Voraussetzungen zwar möglich und es bestünde für die Parteien des Sicherungsverfahrens auch ein Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Norm. Lässt sich dem Spruch der (rechtskräftigen) Sicherungsentscheidung aber nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit entnehmen, dass eine Beibehaltung der Sicherung im Sinne des § 102 Abs. 3 EisbKrV festgelegt wurde, ist von einer neuen Sicherungsentscheidung auszugehen, die es auch ermöglicht, die Kostentragung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG neu zu regeln. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

11 Im gegenständlichen Fall ist nicht strittig, dass die (rechtskräftigen) Sicherungsbescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13., 28. und 30. April 2015 keine Bezugnahme auf die Möglichkeit zur Beibehaltung der bestehenden Anlagen gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV enthielten. Davon ging auch das VwG nicht aus. Es begründete seine Rechtsansicht, eine Neuregelung der Kostentragung sei unzulässig, lediglich damit, dass keine neue Sicherungsart angeordnet worden sei. Darauf kommt es nach dem zuvor Gesagten aber nicht an.

12 Wenn das VwG ausführte, es sei dadurch „letztlich eine Beibehaltung und somit eine Weiterbelassung der schon bestehenden Sicherungsart von schienengleichen Eisenbahnübergängen ermöglicht“ worden, lässt sich allein daraus nicht erkennen, dass die Sicherungsbescheide mit der erforderlichen Bestimmtheit eine Beibehaltung der Sicherung im Sinne des § 102 Abs. 3 EisbKrV festgelegt hätten.

13 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Juni 2021

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