JudikaturVwGH

Ra 2020/21/0106 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. April 2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Eraslan, über die Revision des F I in W, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Jänner 2020, G306 2217310 1/4E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein kosovarischer Staatsangehöriger, heiratete am 1. März 2018 im Kosovo eine seit dem Jahr 2009 in Österreich wohnhafte und über eine Anmeldebescheinigung verfügende slowakische Staatsangehörige. Unter Bezugnahme auf diese Ehe beantragte er nach seiner im April 2018 vorgenommenen Einreise am 3. Mai 2018 bei der Niederlassungsbehörde die Ausstellung einer Aufenthaltskarte.

2 Diese Behörde äußerte gegenüber der (offenbar gemäß § 37 Abs. 4 NAG befassten) Landespolizeidirektion Oberösterreich den an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Schreiben vom 28. Mai 2018 weitergeleiteten Verdacht, bei der vom Revisionswerber geschlossenen Ehe handle es sich um eine Aufenthaltsehe.

3 Nach diesbezüglichen Ermittlungen erließ das BFA dann ausgehend vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 4. März 2019 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Jänner 2020 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Unter diesem Gesichtspunkt bemängelt die Revision, die sachverhaltsmäßige Annahme des BVwG, ein tatsächliches Eheleben könne nicht festgestellt werden, reiche nicht für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes; ein bloßer Verdacht auf das Vorliegen einer Aufenthaltsehe oder Zweifel am Vorliegen eines tatsächlichen Ehelebens genügten hierfür nicht. Für die Begründung eines Aufenthaltsverbotes müsse „klipp und klar“ festgestellt werden, dass ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt werde. Dabei sei es nicht „Angelegenheit der Parteien“, den vollen Beweis für das Vorliegen aller Kriterien eines Ehelebens zu erbringen.

8 Das BVwG ist wie auch schon das BFA im angefochtenen Erkenntnis zutreffend davon ausgegangen, dass dem Revisionswerber als Ehegatte einer EWR Bürgerin, die in Österreich ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen habe, die Stellung als „begünstigter Drittstaatsangehöriger“ iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zukommt.

9 Demzufolge war zu prüfen, ob in Bezug auf den Revisionswerber die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG vorlagen. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (unter anderem) dann der Fall, wenn der Fremde im Sinn des Tatbestands des § 53 Abs. 2 Z 8 FPG eine Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt und sich trotzdem (unter anderem) für den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf diese Ehe berufen hat (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349, Rn. 10, mwN). Damit im Zusammenhang steht die insoweit mit „Aufenthaltsehe“ überschriebene Regelung des § 30 Abs. 1 NAG, die normiert, dass sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen dürfen.

10 Zum dargestellten Erfordernis für ein Aufenthaltsverbot hat das BVwG im Rahmen der „Feststellungen (Sachverhalt)“ zwar nur konstatiert: „Ein tatsächliches Eheleben konnte nicht festgestellt werden.“ und in der diesbezüglichen Beweiswürdigung auch von der „Nichtfeststellbarkeit des Führens eines gemeinsamen Ehelebens zwischen dem BF (= Revisionswerber) und seiner Gattin“ gesprochen. Aufgrund der in der Folge vom BVwG im angefochtenen Erkenntnis näher dargelegten „Widersprüchlichkeiten“ kam es aber zum Ergebnis, es sei „keinesfalls [zu] erkennen, dass der BF mit seiner Gattin ein tatsächliches Eheleben führt“. Daran anschließend fasste das BVwG dann die beweiswürdigenden Überlegungen damit zusammen, dass der Behauptung des Revisionswerbers kein Glauben geschenkt werden könne, die Ehe aus Liebe eingegangen zu sein und ein aufrechtes Eheleben zu führen. Damit steht im Einklang, dass das BVwG am Ende der Beweiswürdigung ausführte, „demzufolge war obige Feststellung, dass der BF kein Eheleben mit seiner Gattin führt, zu treffen“. Schließlich ging das BVwG auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von der Annahme aus, der Revisionswerber habe eine slowakische Staatsangehörige geehelicht, „ohne mit dieser ein gemeinsames Familienleben zu begründen“.

11 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich das BVwG lediglich missverständlich ausdrückte, als es die mangelnde Feststellbarkeit eines tatsächlichen Ehelebens bzw. (an anderer Stelle) den mangelnden Nachweis eines aufrechten Familienlebens iSd Art. 8 EMRK konstatierte. Die in der vorstehenden Rn. wiedergegebenen in der Revision ausgeblendeten weiteren Passagen im angefochtenen Erkenntnis, in denen das Vorliegen eines solchen Familienlebens des Revisionswerbers mit seiner Ehefrau dezidiert verneint wurde, lassen vielmehr ausreichend klar erkennen, dass das BVwG wie es in der rechtlichen Beurteilung überdies noch mit der Bezugnahme auf § 30 Abs. 1 NAG zum Ausdruck brachte davon ausging, es sei erwiesen, die Ehegatten hätten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt.

12 Die diesbezügliche Beweiswürdigung, die sich auf die behördlichen Ermittlungen in Verbindung mit dem Ergebnis der mündlichen Beschwerdeverhandlung und dabei aufgetretene unauflösliche Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers und seiner Ehefrau stützte, ist jedenfalls nicht unschlüssig (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Maßstabes etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0056, Rn. 12, mwN, sowie daran anschließend VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0107, Rn. 11, und VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0240, 0241, Rn. 10). Entgegen der Meinung in der Revision betreffen die Abweichungen in den Angaben der Eheleute im Übrigen nicht nur „Nebensächlichkeiten“. Soweit in der Revision in diesem Zusammenhang auch noch Mängel bei den Ermittlungen betreffend die Lebensgestaltung der Eheleute geltend gemacht werden, wird schließlich nicht dargestellt, zu welchem Ergebnis sie konkret geführt hätten, also ihre Relevanz für den Verfahrensausgang nicht aufgezeigt.

13 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 30. April 2020

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