JudikaturVwGH

Ra 2016/21/0349 6 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. März 2017

Mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter Zugrundelegung der Annahme, der Fremde ist eine Aufenthaltsehe eingegangen, wird nicht über eine strafrechtliche Anklage iSd Art. 6 MRK entschieden und kann daher nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoßen werden (vgl. E 13. März 2002, 2001/12/0093; E VfGH 4. Oktober 1999, B 2598/97, B 997/98, VfSlg. 15587). Bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme und Verfahren betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unterliegen nicht dem Anwendungsbereich des Art. 6 MRK (vgl. E 22. November 2012, 2012/23/0001; E 22. März 2011, 2007/21/0447). An dieser Auffassung ist festzuhalten, zumal auch der EGMR wiederholt klargestellt hat, dass Entscheidungen betreffend den Eintritt, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden nicht die Entscheidung über eine strafrechtliche Anschuldigung gegen sie iSd Art. 6 Abs. 1 MRK betreffen (vgl. E 3. November 2010, 2007/18/0748; Urteil EGMR 5. Oktober 2000, Beschwerde Nr. 39652/98, Maaouia gegen Frankreich; Urteil EGMR 10. Juni 2010, Beschwerde Nr. 53688/08, Garayev gegen Aserbaidschan). Damit im Einklang stehen auch die Überlegungen des Gesetzgebers bei Schaffung der Möglichkeit der Bestrafung des Fremden, der sich iSd § 117 FrPolG 2005 auf die Ehe berufen will, durch die mit 1. Jänner 2010 vorgenommene Änderung des Abs. 4 dieser Bestimmung. In den diesbezüglichen ErläutRV zum FrÄG 2009 (330 BlgNR 24. GP 36) wird auch davon ausgegangen, dass es sich bei einem Aufenthaltsverbot um keine Strafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme handelt.

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