JudikaturOLG Wien

20Bs148/25y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Privatbeteiligten B*wegen Nichtigkeit (§§ 281 Abs 1 Z 4, 282 Abs 2, 465 Abs 3 iVm 489 Abs 1 StPO) sowie gegen die Verweisung mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Dezember 2024, **-96.2, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner, LL.M., sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Priv.-Doz. Mag. Dr. Roland Kier und des Privatbeteiligtenvertreters Tristan Lind, LL.M., BSc. durchgeführten Berufungsverhandlung am 16. September 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird zurückgewiesen , jener wegen Nichtigkeit nicht Folge gegeben.

Dem Privatbeteiligten B* fallen die durch sein Rechtsmittel verursachten Kosten des Strafverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Dezember 2024 (ON 96.2) wurde A* von der wider ihn mit Strafantrag vom 3. Juni 2024 erhobenen, am 24. Juli 2024 ausgedehnten Anklage, er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit C*

I./ in einem noch festzustellenden Zeitraum, jedoch jedenfalls ab dem 21. September 2021, in ** indem C* den Laptop des B* in seiner Verfügungsgewalt hatte und die darauf befindlichen Informationen A* zugänglich machte, woraufhin A* Anrufe tätigte und über Dritte versuchte an weitere Informationen zu gelangen, B* durch gefährliche Drohung an der Ehre sowie mit der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz und der gesellschaftlichen Stellung zu Handlungen, und zwar zur Zahlung von noch näher zu bestimmender Geldbeträge als Schadensersatzforderungen zugunsten des C*, zu nötigen versucht, indem sie belastende Informationen wie Emails, Geschäftsgeheimnisse und personenbezogene Daten - deren Kenntnis schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des B* verletzt - des B*, sammelten, die diesen als „Betrüger und Verbrecher darstellen würden“ und B* gegenüber sodann damit drohten, die erlangten Informationen der Öffentlichkeit, im Speziellen seinen Gläubigern und Geschäftspartnern, zugänglich zu machen, wobei „dies alles nicht passieren müsse, wenn das Opfer (gemeint: B*) zu einer außergerichtlichen Einigung und Zahlung einer entsprechenden Summe bereit wäre, die ihn nur einen Bruchteil dessen kosten würde, wenn er alle seine Vorwürfe an die Öffentlichkeit bringen würde und er in Österreich nirgends mehr ein Geschäft mit jemanden machen können werde“, wobei B* keine Zahlungen leistete.

II./ im Zeitraum von zumindest Juni 2024 bis 24. Juli 2024 im Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems B* in einer Weise, die geeignet ist, diesen in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, strafbare Handlungen gegen die Ehre für eine größere Zahl von Menschen für eine längere Zeit wahrnehmbar begangen, indem sie auf der Homepage **, öffentlich und für jedermann einsehbar, Artikel veröffentlichten, in denen sie B* unehrenhaften Verhaltens unter anderem, dass er Einfluss auf hochrangige Polizeibeamte nehmen könne, dass er Kontakt zu Personen, die Verstöße gegen das Verbotsgesetz begehen, habe, sowie, dass er bewusst Unternehmen gründe, um diese in die Insolvenz zu führen, zeigt,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der Privatbeteiligte B* wurde gemäß § 366 Abs 1 StPO mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Dagegen richtet sich die fristgerecht zu ON 97.2 angemeldete, nach rechtskonformer Zustellung an den (neuen) Privatbeteiligtenvertreter rechtzeitig ausgeführte Berufung (ON 104) wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 283 Abs 4 StPO kann der Privatbeteiligte – im Falle eines Schuldspruchs – gegen die Verweisung auf den Zivilrechtsweg nach Maßgabe des § 366 Abs 3 StPO nur aus dem Grunde Berufung erheben, als über den Anspruch bereits nach Abs 2 leg. cit. hätte entschieden werden können. Gegen eine – hier vorliegende – Verweisung auf den Zivilrechtsweg infolge Freispruchs nach § 366 Abs 1 StPO ist eine Berufung nach § 489 Abs 1 StPO iVm § 465 Abs 3 StPO iVm § 282 Abs 2 StPO nur bei Stellung eines geeigneten Beweisantrags durch den Privatbeteiligten aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 4 StPO zulässig. Die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche war daher zurückzuweisen.

Aber auch der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Berufung des Privatbeteiligten kommt keine Berechtigung zu.

In der Hauptverhandlung vom 13. November 2024 beantragte der Privatbeteiligte die Ladung des Zeugen Mag. D* zum Beweis dafür, dass A* die Webseite ** betreibt und die diffamierenden Artikel dort veröffentlicht. Zur Relevanz wurde ausgeführt: Auf der Webseite ** gibt es den Artikel „Ein ** arbeitet auf“, der Verfasser wird mit „Redakteur“ angegeben. Der „Redakteur“ scheint auch bei anderen diffamierenden Artikeln auf. Dieser Artikel behandelt die Läuterung des Mag. D* über dessen Leben, der „Redakteur“ ein Buch verfassen wollte. Der Artikel wurde in der Ich-Form verfasst und beinhaltet folgenden Satz: „Ich habe D* für die Recherchen meines Buches mehrmals getroffen und konnte daher eine sehr erfreuliche Persönlichkeitsveränderung bemerken“. Demnach hat sich der Zeuge mit dem „Redakteur“ persönlich getroffen, womit die Beiden einander kennen. Der Zeuge wird bestätigen, dass der Redakteur A* ist und somit der Täter des § 107c StGB. Der Artikel aus dem Jahr 2013 mit dem Titel „Ein ** arbeitet auf“ von „Redakteur“ wurde als Beilage ./IV zum Akt genommen (ON 89.1.6 Beilage ./6; ON 89 Abs 1 Seite 13).

Der Beweisantrag auf Vernehmung des Mag. D* wurde mit der Begründung abgewiesen, dass der Privatbeteiligtenvertreter die Einvernahme dieses Zeugen zum Beweis dafür beantragte, dass dieser in einem Online-Artikel aus dem Jahr 2013 genannt wurde und der „Redakteur“ hier auch angibt, mit Mag. D* in Kontakt getreten zu sein. Auf welche Art die Kontaktaufnahme erfolgt sein soll, ob persönlich oder via Mail, Brief oder telefonisch ergäbe sich nicht. Bei der Homepage ** handle es sich jedoch um eine seit mehreren Jahren bestehende Homepage, die auch den Inhalt und die dort beschriebenen Personen in unterschiedlicher Art und Weise betreffe, so habe auch der Zeuge E* angegeben, dass sich der Inhalt und die Themen geändert hätten. Da der Privatbeteiligtenvertreter nicht dargelegt habe, inwiefern „allfällige“ Wahrnehmungen aus dem Jahr 2013 für den nunmehr gegenständlichen Sachverhalt im Sommer 2024 relevant seien, wurde dem Beweisantrag nicht nähergetreten (ON 96.2, Seite 13).

In seiner Berufung wegen Nichtigkeit moniert der Privatbeteiligte, er habe sowohl in der Hauptverhandlung als auch in seinem schriftlich gleichlautend wiederholten Beweisantrag (ON 91.2, 2) das Beweismittel, das Beweisthema und auch die Gründe umfassend dargelegt, weshalb die Durchführung des Beweises das behauptete Ergebnis, nämlich konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Zeuge Mag. D* den „Redakteur“ des Artikels „Ein ** arbeitet auf“ und damit den „Redakteur“ bzw. Urheber der Webseite ** persönlich kenne und bestätigen könne, dass es sich dabei um den Angeklagten A* handle. Die Erheblichkeit des Beweisantrages sei aus dem Umstand abzuleiten, dass im Verfahren gewonnene Beweisergebnisse ergeben hätten, dass der Angeklagte A* mit der Webseite ** in Verbindung stehe, so etwa die Angaben des Zeugen F* (Hauptverhandlung vom 23. September 2024, ON 64.2.1, Seite 53) und G* (ON 64.2.1, Seite 65) die jeweils bestätigt hätten, dass der Angeklagte A* Informationen für die Webseite liefere. Auch der Zeuge E* (ON 89.1.1, Seite 24) habe angegeben, dass Fotos von ihm durch den Angeklagten A* auf der Webseite ** veröffentlicht worden seien und diese Informationen für die Webseite ** zur Verfügung stelle.

Mit dem Hinweis, dass sich der Inhalt über die Themen der Webseite geändert habe, nehme das Erstgericht ohne Einvernahme des beantragten Zeugen die vorweggenommene Beweiswürdigung vor, dass aus den vom Zeugen E* dargelgten geänderten Inhalten der Webseite auf einen neuen Redakteur zu schließen wäre.

Fallkonkret ist jedoch nicht erkennbar, dass die Abweisung des vom Privatbeteiligten in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag einen nachteiligen Einfluss auf die Beurteilung seiner privatrechtlichen Ansprüche zu üben vermochte ( Kirchbacher, StPO 15 § 282 Rz 3a, Ratz, WK-StPO § 282 Rz 45). Selbst unter der Prämisse der behaupteten wiederholten persönlichen Kontakte des beantragten Zeugen lässt sich noch kein Wissen über den Umstand ableiten, dass es sich bei der recherchierenden Person um den Betreiber einer Homepage handelt und der Angeklagte „der Redakteur“ ist, womit der Antrag auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielt (RIS-Justiz RS0099453, RS0099189, RS011844; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 330 f, 340), abgesehen davon ist dem Erstgericht beizupflichten, dass die Wahrnehmungen des beantragten Zeugen Mag. D* im Vorfeld eines im Jänner 2013publizierten Artikels (ON 89.1.6) keine verlässlichen Rückschlüsse auf die gegenständlich relevanten Tatzeiträume von zumindest Juni 2024 bis 24. Juli 2024 (Faktum II.) zulassen. Dem Vorwurf der vorweggenommenen Beweiswürdigung ist zu entgegnen, dass bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist (RIS-Justiz RS009618), weshalb insbesondere mit Blick auf das kriminalpolizeiliche Erhebungsergebnis ON 93 nicht davon auszugehen war, dass der Zeuge zum begehrten Beweisthema Auskunft geben kann.

Das zur Antragsfundierung nachgetragene Berufungsvorbringen stellt im Übrigen eine unzulässige Neuerung dar und ist daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099117).

Die Kostenersatzpflicht des Privatbeteiligten beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO.