JudikaturOLG Wien

8Ra44/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
27. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Zacek als Vorsitzende, den Richter Mag. Zechmeister und die Richterin Dr. Heissenberger, LL.M., sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Bw. Michael Choc, MBA, und Oliver Leo Schreiber in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden und im verbundenen Verfahren beklagten Partei A* e.U, **, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte und im verbundenen Verfahren klagende Partei B* , **, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen (zuletzt) EUR 42.180,63 s.A. und Feststellung (Streitwert nach RATG EUR 10.000; **) und EUR 7.083,72 brutto s.A. (**), über die Berufung der klagenden und im verbundenen Verfahren beklagten Partei (Berufungsinteresse insgesamt EUR 53.780,24 nach RATG) gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 5.12.2024, ** (**)-89, gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende (und im verbundenen Verfahren beklagte) Partei ist schuldig, der beklagten (und im verbundenen Verfahren klagenden) Partei die mit EUR 3.727,92 (darin enthalten EUR 621,32 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin im führenden Verfahren und Beklagte im verbundenen Akt (im Folgenden: Klägerin) betreibt einen Friseursalon. Die Beklagte im führenden Verfahren und Klägerin im verbundenen Akt (im Folgenden: Beklagte) war bis zum 31.12.2018 Inhaberin jenes Unternehmens, die Klägerin Arbeitnehmerin der Beklagten. Das Unternehmen wurde am 1.1.2019 an die Klägerin übertragen. Ab diesem Zeitpunkt war die Beklagte bis 18.3.2020 und erneut vom 2.5.2020 bis 10.2.2021 bei der Beklagten als Friseurin mit Inkasso Teilzeit auf Basis von 20 Wochenstunden tätig. Die Klägerin hat am 10.2.2021 gegenüber der Beklagten die Entlassung ausgesprochen.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz, EUR 17.876,34 an Kassenschwund/Gutscheindifferenzen 2019, EUR 21.730,95 an Kassenschwund/Gutscheindifferenzen 2020, nicht beglichener Personalverkauf von EUR 76,23 und EUR 97,02, das Honorar für die Auswertung der Kassa in Höhe von EUR 2.400 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für die durch das arbeitsvertragswidrige Handeln der Beklagten im Zeitraum Mai 2019 bis 10.2.2021 insbesondere durch Manipulationen am Kassensystem sowie baren Entnahmen aus der Kasse verursachten Vermögensschäden.

Die Beklagte habe ohne Erlaubnis für erbrachte Leistungen nicht den an sich vorgesehenen Preis in Rechnung gestellt, kassierte Kundengelder nicht abgeführt, Bargeld aus der Kassa an sich genommen und Gutscheine ohne Gegenleistung ausgestellt. Weiters gäbe es nicht beglichene Personalverkäufe. Sie hafte auch für das Honorar für die Auswertung der Unterlagen und des Kassasystems.

Die von der Beklagten im verbundenen Verfahren begehrten Ansprüche seien nicht berechtigt. Die Beklagte sei aufgrund der Malversationen berechtigt entlassen worden. Das Klagebegehren hinsichtlich der Mehrarbeit sei mangels Aufschlüsselung unschlüssig. Mehrarbeiten seien weder angeordnet worden, noch notwendig gewesen und bereits verfallen bzw verjährt. Die Beklagte habe ihren Urlaub konsumiert. Im Übrigen wandte die Klägerin ihre Forderungen aus dem führenden Verfahren im verbundenen Verfahren als Gegenforderung ein.

Die Beklagte bestritt jegliche Malversationen. Sie sei ungerechtfertigt entlassen worden und habe Anspruch auf Lohn von 1.2.2021 bis 10.2.2021, aliquoten UZ und WR, Mehrarbeitszuschlag für 90 Stunden, Kündigungsentschädigung für den Zeitraum gesetzlicher bzw kollektivvertraglicher Kündigungsfristen samt Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung zur Kündigungsentschädigung. Diese Ansprüche begehrte sie im verbundenen Verfahren.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klagebegehren im führenden Verfahren ab, im verbundenen Verfahren erkannte es die Klägerin (dortige Beklagte) schuldig, der Beklagten (dortigen Klägerin) EUR 1.599,61 brutto zu bezahlen, das Mehrbegehren von EUR 5.484,11 im verbundenen Verfahren wies es rechtskräftig ab.

Es traf die auf Seite 4 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass ein Schadenersatzanspruch ausscheide, weil nicht festgestellt werden habe können, dass die Beklagte die ihr vorgeworfenen Handlungen begangen habe. Auch das non liquet zur Fälligkeit der Personalverkäufe gehe zu Lasten der Klägerin. Ein Entlassungsgrund habe nicht nachgewiesen werden können. Der Beklagten stehe daher im verbundenen Akt der geltend gemachte Lohn samt anteiligen Sonderzahlungen sowie Kündigungsentschädigung bis Ende Februar 2021 samt anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung für diesen Zeitraum zu.

Gegen die Abweisung der Klagebegehren im führenden Verfahren und den Zuspruch von EUR 1.599,61 im verbundenen Verfahren richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil dahingehend abzuändern, dass dem Leistungsbegehren und Feststellungsbegehren im führenden Verfahren vollinhaltlich stattgegeben und das Klagebegehren im verbundenen Verfahren zur Gänze abgewiesen werde. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Verfahrensrüge

1.1. Die Klägerin bekämpft die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Sie moniert in diesem Zusammenhang auch einen Verfahrensmangel.

Das Erstgericht habe in seiner Beweiswürdigung wesentliche Teile des Prozessstoffs außer Acht gelassen und damit einen Begründungsmangel verwirklicht. Das Erstgericht setze sich in keinster Weise mit der Glaubwürdigkeit der einvernommenen Zeuginnen und dem Inhalt ihrer Aussagen auseinander. Alle hätten glaubwürdig die eigene Vornahme der inkriminierten Kassavorgänge ausgeschlossen, sodass das Erstgericht zum Schluss gelangen hätte müssen, dass nur die Beklagte als Verursacherin des finanziellen Schadens in Frage komme.

1.2. Ein Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO kann auch in einem Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO liegen. Das Gericht hat die Umstände und Erwägungen, die für seine Überzeugung maßgebend waren, in der Begründung der Entscheidung anzugeben. Das Fehlen einer Begründung kann eine Verletzung der Begründungspflicht und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel begründen (vgl Rechberger in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 272 ZPO Rz 3).

Es ist zwar richtig, dass das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung auf die Aussagen der Zeuginnen nicht namentlich Bezug nimmt. Es stellt allerdings keine Mangelhaftigkeit bei der Entscheidung von Beweiswürdigungsfragen dar, wenn in der Begründung der Entscheidung ein Umstand nicht erwähnt wurde, der hätte erwähnt werden können oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die hätte angestellt werden können (RS0040165).

Das Erstgericht hat in seiner Beweiswürdigung dargelegt, dass es von niemandem unmittelbare Wahrnehmungen zu den inkriminierten Handlungen gibt – dies schließt die von der Klägerin zitierten Zeuginnen ein und bezieht sich auch auf diese. Es legte auch dar, dass es kein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis gibt und die inkriminierten Handlungen auch von anderen Mitarbeiterinnen begangen werden hätten können. Der Erwägung, wonach nicht objektiv beurteilt werden könne, ob es tatsächlich ein Missverhältnis zwischen Gutscheineinlösungen und Gutscheinverkäufen bei der Beklagten gebe, setzt die Klägerin nichts Stichhaltiges entgegen. Sie verweist lediglich auf die Aussagen der anderen Mitarbeiterinnen, die glaubwürdig die eigene Vornahme der gegenständlichen inkriminierten Kassavorgänge verneint hätten.

1.3. Den Ausführungen in der Beweiswürdigung des Erstgerichts lässt sich aber entnehmen, dass es die Aussagen der Zeuginnen berücksichtigt hat, keine dieser Zeuginnen hatte selbst unmittelbare Wahrnehmungen zu den inkriminierten Handlungen. Das Erstgericht legt auch dar, dass das schlüssige Schriftgutachten des Sachverständigen nicht durch gegenteilige Aussagen widerlegt werden konnte.

Auch der Vorwurf, das Erstgericht lasse die vorgelegten Kassaauswertungen außer Acht, kann nicht geteilt werden. Das Erstgericht hat in seiner Beweiswürdigung festgehalten, dass jede Mitarbeiterin die Mitarbeiternummer in die Kassa frei eingeben konnte. Es hat auch berücksichtigt, dass inkriminierte Vorgänge unmittelbar nach zweifelloser Kassenaktivität der Beklagten erfolgten, dies aber keine Rückschlüsse auf deren Täterschaft zulasse, da noch genügend Zeit für einen Mitarbeiterwechsel an der Kassa gewesen sei.

1.4. Der von der Klägerin monierte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

2. Beweisrüge

2.1. Die Klägerin bekämpft folgende Feststellungen: „Dass die Beklagte ohne Erlaubnis der Klägerin für erbrachte Leistungen nicht den an sich vorgesehenen Preis in Rechnung stellte, kassierte Kundengelder nicht abführte, Bargeld aus der Kassa an sich nahm und Gutscheine ohne Gegenleistung ausstellte, kann nicht festgestellt werden.

Die Klägerin stellte für die EUR 76,32 und EUR 97,02 aus Personalverkäufen an die Beklagte noch keine Rechnung aus. In der Vergangenheit war es so, dass im Zuge der Bezahlung die Rechnung ausgestellt wurde, wobei nicht festgestellt werden kann ob zuerst die Zahlung, dann die Ausstellung der Rechnung oder zuerst die Ausstellung der Rechnung dann die Zahlung erfolgte. Weitere Abreden zur Fälligkeit sind nicht feststellbar.“

2.2. Die Klägerin bekämpft weiters folgende (ihrer Ansicht nach) dislozierte Feststellungen: „Auch wenn es bedenklich ist, dass ein Gutschein bereits vor der Dienstleistung und dem Kassiervorgang mit einem falschen Wert eingelöst wird (Beilage ./U), ist der Beklagten ihre

Erklärung, dass ihre Schwägerin den versendeten 10,- EUR Gutschein aufgrund einer Empfehlung schon oft vergessen habe und die Beklagte habe ihn gleich eingelöst, jedoch dabei EUR 100,- statt EUR EUR 10,- eingetippt habe, nicht zu widerlegen.“

„Gerade weil aber die Beklagte hier nicht versucht, den Verdacht auf jemanden anderen zu lenken, und es nach dem Beweisverfahren nicht auszuschließen ist, dass eine andere Mitarbeiterin doch entsprechendes Wissen hatte, ist aus diesem Vorgang wiederum nichts für die Klägerin gewonnen.“

2.3. Sie begehrt stattdessen folgende Ersatzfeststellungen:

„Die Beklagte stellte ohne Erlaubnis der Klägerin für erbrachte Leistungen nicht den an sich vorgesehenen Preis – sondern niedrigere Preise - in Rechnung, führte kassierte Kundengelder nicht ab und stellte Gutscheine ohne Gegenleistung aus.

Die Klägerin stellte für die Beträge in Höhe von EUR 76,32 und EUR 97,02 aus Personalverkäufen noch keine Rechnung an die Beklagte aus. In der Vergangenheit war es so, dass im Zuge der Bezahlung die Rechnung ausgestellt wurde, wobei zuerst die Zahlung und dann die Ausstellung der Rechnung erfolgte.

Obwohl die Beklagte hier nicht versucht, den Verdacht auf jemanden anderen zu lenken ist es auf Basis des durchgeführten Beweisverfahrens auszuschließen, dass eine andere Mitarbeiterin entsprechendes Wissen für die Vornahme einer Buchung wie die am 23.12.2020 über den Betrag in Höhe von € 25.000,00 hatte.

Es ist ein Beweis für die von der Beklagten durchgeführten Malversationen, dass ein Gutschein bereits vor der Dienstleistung und dem Kassiervorgang mit einem falschen Wert eingelöst wird (Beilage ./U). Die Erklärung der Beklagten, dass ihre Schwägerin den versendeten 10,- EUR Gutschein aufgrund einer Empfehlung schon oft vergessen habe und die Beklagte habe ihn gleich eingelöst, jedoch dabei EUR 100,- statt EUR 10,- eingetippt habe, ist widerlegt.“

2.4. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat das Gericht nach seiner persönlichen Überzeugung zu beurteilen, ob ein Beweis gelungen ist oder nicht ( Rechberger in Fasching/Konecny² III § 272 ZPO Rz 3f). Im Rahmen der Beweiswürdigung hat der Richter (Senat) nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis zu prüfen, ob jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht ist, der es rechtfertigt, die fragliche Tatsache für wahr zu halten ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 272 ZPO Rz 1).

Zunächst ist festzuhalten, dass die erste von der Klägerin bekämpfte dislozierte Feststellung keine Tatsachenfeststellung, sondern Beweiswürdigung darstellt. Das Erstgericht erläutert, warum aus der von der Zeugin C* dargelegten „Verschleierungsbuchung“ über EUR 25.000 nichts für die Klägerin zu gewinnen ist. Es legte dar, dass die Beklagte nicht versucht habe, den Verdacht auf jemand anderen zu lenken – was für deren Glaubwürdigkeit spricht – und dass nicht auszuschließen sei, dass eine andere Mitarbeiterin doch entsprechendes Wissen gehabt habe.

Auch die zweite bekämpfte dislozierte „Feststellung“ stellt nur zum Teil eine Tatsachenfeststellung dar („ dass ein Gutschein bereits vor der Dienstleistung und dem Kassiervorgang mit einem falschen Wert eingelöst wird“ ) sei bedenklich, ist hingegen ebensowenig eine Tatsachenfeststellung wie die Wiedergabe der Erklärung der Beklagten, die nach Ansicht des Erstgerichts nicht zu widerlegen sei. Dabei handelt es sich um den typischen Inhalt der Beweiswürdigung.

2.5. Die Klägerin verweist auf die Aussagen der Zeuginnen D*, E*, F*, C* und der Klägerin und zitiert diese auszugsweise.

Damit widerlegt sie aber nicht die Schlussfolgerung des Erstgerichts, dass niemand unmittelbare Wahrnehmungen zu den inkriminierten Handlungen habe und es kein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis gebe.

2.6. Hinsichtlich des Schriftbildes der in Frage stehenden Gutscheine ist sie auf das Sachverständigengutachten zu verweisen, dessen Schlüssigkeit sie auch nicht zu erschüttern vermag. Dass die Beklagte angab, „Frau G*“ auf Dokument 6 geschrieben zu haben, steht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen, erschüttert aber nicht deren Schlüssigkeit. Die Klägerin setzt sich auch in diesem Zusammenhang nicht mit der Argumentation des Erstgerichts auseinander, wonach die Beklagte angab, keine konkrete Erinnerung zu haben, sondern lediglich die Schrift als die ihre erkennen zu glaubte (ON 89, S. 6).

2.7. Die Ausführungen der Zeugin C* sind jedenfalls zum Teil nicht nachvollziehbar. Es erschließt sich für den Berufungssenat nicht, inwiefern ein Buchen von Gutscheineinlösungen auf Nr. 6 das Ergebnis verfälschen sollte (PA ON 38, S. 16 ff). Das Buchen auf eine andere Mitarbeiterkennzahl könnte/kann nur für den einzelnen Mitarbeiter zu einer Änderung führen, nicht aber für das Gesamtergebnis.

Nicht nachvollziehbar sind auch die von der Klägerin zitierten Angaben der Zeugin C* auf die Frage, ob an den inkriminierten Tagen auch immer andere Mitarbeiter anwesend waren außer die Beklagte, „nein, außer Freitag…“ . Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang selbst auf die einhelligen Angaben der Klägerin und der Beklagten zu den Anwesenheiten der Mitarbeiterinnen (ON 91, S. 15). Aus diesen folgt aber, dass die Beklagte an keinem Tag allein im Geschäft anwesend war.

2.8. Auch hinsichtlich der widerstreitenden Aussagen bezüglich vorhandener Abmachungen setzt sich die Klägerin mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht auseinander. Das Erstgericht erachtete dabei keine der Aussagen besonders glaubwürdig und ging von einem möglichen Irrtum der Beklagten aus. Dem setzt die Klägerin in ihrer Berufung nichts entgegen. Sie zitiert lediglich Teile der Aussagen der Beklagten und der Klägerin ohne dazu weitere Erwägungen anzustellen.

2.9. Hinsichtlich der Aussage der Zeugin C* zur Buchung über EUR 25.000 an Gutscheineinlösungen am 23.12.2020 erschließt sich für den Berufungssenat nicht, inwiefern dadurch ein Missverhältnis zwischen Gutscheinverkäufen und Gutscheineinlösungen verschleiert worden sein sollte.

Eine solche Buchung führt zwar zweifellos zu einer Verfälschung des Umsatzes und damit auch zu einer falschen Steuerbelastung. Da aber nicht nur EUR 25.000 als Gutscheineinlösungen gebucht wurden, sondern auch EUR 25.000 an Gutscheinverkäufen konnte ein allenfalls bestehendes Missverhältnis zwischen Gutscheinverkäufen und Gutscheineinlösungen nicht beeinflusst und folglich nicht verschleiert werden. Die Buchung erhöhte sowohl die Gutscheinverkäufe um EUR 25.000 als auch die Gutscheineinlösungen um EUR 25.000.

2.10. Das Erstgericht hat in seiner Beweiswürdigung nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, warum im Ergebnis durchaus belastende Umstände zumindest soweit entkräftet wurden, dass die stattgefundenen inkriminierten Handlungen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Beklagten angelastet werden konnten.

Das Regelbeweismaß der ZPO ist die hohe Wahrscheinlichkeit (RS0110701). Hohe Wahrscheinlichkeit stellt keine objektive Größe dar. Einem solchen Regelbeweismaß wohnt eine gewisse Bandbreite inne, sodass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalles als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters abhängt, wann er diese "hohe" Wahrscheinlichkeit als gegeben sieht (RS0110701 [T3]). Reichen die Beweisergebnisse nach der Überzeugung des Gerichtes nicht aus, um einen entscheidungswesentlichen Tatumstand als erwiesen oder als nicht erwiesen anzunehmen, sodass die freie Beweiswürdigung zu keinem Ergebnis führt, führt dies zu einer Negativfeststellung (non liquet; vgl RS0039903). Eine Beweisrüge kann nur dann erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts rechtfertigen. Es ist darzulegen, dass die getroffenen Feststellungen zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Ergebnisse für andere Feststellungen vorliegen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 § 467 ZPO E 40/3 und 40/5 mwN). Ausgehend von diesen Grundsätzen gelingt es der Klägerin nicht, einen relevanten Fehler in der Beweiswürdigung, also die Überschreitung des dem Verhandlungsrichter durch § 272 ZPO eingeräumten Bewertungsspielraums, aufzuzeigen.

Der Beweisrüge kann damit kein Erfolg beschieden sein.

3. Rechtsrüge

3.1. Die Klägerin moniert, die Entlassung sei auf die Manipulationen am Kassasystem und Entnahmen aus der Kassa und damit insbesondere auf den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gestützt worden.

Aufgrund der dislozierten Feststellungen des Erstgerichts sei deutlich, dass jedenfalls inkriminierende Handlungen stattgefunden hätten und durchaus bedenkliche Vorgehensweisen der Beklagten aufgedeckt worden seien. Die Beklagte belastende Verdachtsmomente seien nach den Feststellungen des Erstgerichts durchaus gegeben. Es sei von einer Vertrauensunwürdigkeit der Beklagten auszugehen und die Entlassung berechtigt.

3.2. Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falles und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (RS0029833).

Richtig ist, dass nicht entscheidend ist, ob durch das Verhalten des Arbeitnehmers tatsächlich ein Schaden verursacht wurde (RS0029833 [T18]).

Die Klägerin übersieht in ihrer Argumentation, dass die inkriminierten Handlungen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Beklagten angelastet werden konnten. Sie können daher auch nicht zur Begründung einer Vertrauensunwürdigkeit, allenfalls auch nach § 82 Abs 1 d GewO herangezogen werden.

Das Vorliegen von Verdachtsmomenten reicht noch nicht für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes.

3.3. Dass das Arbeitsstundenausmaß der Beklagten laut Mitarbeiterkalender an einem Tag nicht mit dem Tagesumsatz der Beklagten zusammenpasst (dislozierte Feststellung in ON 89, S. 5) begründet noch keine Vertrauensunwürdigkeit. Die Beklagte begründete dies mit unvorhersehbaren Abwesenheiten oder anderwertigen Arbeiten. Offenbar kontrollierte die Klägerin auch nicht die Anwesenheit der Beklagten. Jedenfalls wurden ihrerseits auch keine Arbeitsaufzeichnungen vorgelegt.

Auch der disloziert festgestellte Umstand, dass ein Gutschein bereits vor der Dienstleistung und dem Kassiervorgang mit einem falschen Wert eingelöst wird, was die Beklagte mit einem Vertippen begründete, reicht noch nicht für die Annahme einer Vertrauensunwürdigkeit.

Unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 Fall 3 AngG fällt jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (RS0029547). Maßgebend ist, ob das Verhalten des Angestellten das Vertrauen des Arbeitgebers so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses (auch nur bis zum nächsten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf der Vertragszeit) nicht mehr zugemutet werden kann (RS0029652 [T24]; RS0029323; RS0029095; vgl RS0029009). Dabei fällt der Mangel an klaren Anweisungen regelmäßig dem Arbeitgeber zur Last (RS0029547 [T48]). Es ist weder jede Ordnungswidrigkeit noch zwingend jeglicher Verstoß gegen die Treuepflicht bereits ein Entlassungsgrund (RS0029095, RS0029600).

Hier ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ursprünglich selbst Inhaberin des Friseurunternehmens war, die Klägerin ihre Mitarbeiterin. Mit der Übertragung dieses Unternehmens auf die Klägerin kehrten sich die Rollen um. Das Erstgericht verweist in seiner Beweiswürdigung auch darauf, dass, wenn die Beklagte andere Vorgehensweisen an den Tag legte, dies wohl dem Umstand geschuldet ist, dass sie Vorinhaberin war und einfach weiter gemacht haben dürfte wie bisher. Dann wäre es aber an der Klägerin gelegen, klare Vorgaben zu machen und die Beklagte auf nicht länger geduldete abweichende Verhaltensweisen hinzuweisen.

3.4. Die Klägerin moniert im Rahmen ihrer Rechtsrüge auch sekundäre Feststellungsmängel. Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317).

3.5. Dass die inkrimierten Vorfälle nur an Arbeitstagen der Beklagten vorkamen, war nicht festzustellen. Aus dieser Feststellung wäre für sich genommen nichts zu schließen. Das Erstgericht konnte gerade nicht feststellen, dass die Beklagte ohne Erlaubnis der Klägerin für erbrachte Leistungen nicht den an sich vorgesehenen Preis in Rechnung stellte, kassierte Kundengelder nicht abführte, Bargeld aus der Kassa an sich nahm und Gutscheine ohne Gegenleistung ausstellte. Darauf kommt es aber für die rechtliche Beurteilung an.

Nachdem die Vorfälle nicht der Beklagten angelastet werden konnten, bedurfte es auch keiner Feststellung des Gesamtschadensbetrags.

3.6. Einer Feststellung, wonach mehrere von der Beklagten eingelöste Gutscheine nicht aufgefunden werden konnten und von dieser nicht bzw nicht selbst und nicht unmittelbar nach deren Einlösung im vorgesehenen Gutscheinheft ausgetragen wurden, bedarf es aus rechtlichen Erwägungen nicht.

Das ein Gutschein von der Beklagten bereits vor der Dienstleistung und dem Kassiervorgang mit einem falschen Wert von EUR 100 eingelöst wurde, wurde ohnedies in der Beweiswürdigung disloziert festgestellt. Diese dilozierte Feststellung wurde von der Klägerin auch mit Beweisrüge bekämpft.

3.7. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, wonach die Beklagte am 23.12.2020 eine Gutscheineinlösung in Höhe von EUR 25.000 und einen Gutscheinverkauf von EUR 25.000 verbucht habe, steht im Widerspruch zu der getroffenen Feststellung, wonach nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin Gutscheine ohne Gegenleistung ausstellte.

3.8. Einer Feststellung eines Solltagesumsatzes bedarf es aus rechtlichen Erwägungen nicht. Dass ein Mitarbeiter einen allfälligen Solltagesumsatz nicht erreicht, kann keinen Entlassungsgrund darstellen, schuldet er doch nur ein Bemühen.

4. Der Berufung kommt insgesamt keine Berechtigung zu.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 Abs 1 ASGG, 41 und 50 ZPO. Die Berufungsbeantwortung ist nur auf Basis des Berufungsinteresses von EUR 53.780,24 zu entlohnen.

6. Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zulässig. Insbesondere hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob ein Fehlverhalten eines Angestellten bei Anlegung eines objektiven Maßstabs geeignet war, das Vertrauen des Arbeitgebers soweit zu erschüttern, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – auch nur bis zum nächsten Kündigungstermin (RS0029020) – nicht zumutbar ist.