Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Wieser und Mag. Müller in der Firmenbuchsache der gelöschten A* GmbH mit Sitz (zuletzt) in **, FN **, und der letzten Geschäftsanschrift **, über den Rekurs des Nachtragsliquidators Mag. B* , BA MBA CMC, c/o **, vertreten durch die BEURLE Rechtsanwälte GmbH Co KG in Linz, wegen Eintragung der Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 10.6.2025, C* 1, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass dem Eintragungsbegehren antragsgemäß stattgegeben wird.
Der Vollzug der Eintragung obliegt dem Handelsgericht Wien als Firmenbuchgericht.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Die A* GmbH ( Gesellschaft ) mit Sitz in ** war seit 14.11.2007 zu FN ** im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen. Alleingesellschafterin war zuletzt die D* mit Sitz in **, Registernummer CMP ** ( Gesellschafterin ) mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von EUR 36.000, . Vertreten wurde die Gesellschaft zuletzt durch die Geschäftsführerin E*, deren Löschung am 19.10.2021 im Firmenbuch eingetragen wurde (F*). Seither war die Gesellschaft unvertreten.
Mit Beschluss vom 26.7.2022, im Firmenbuch eingetragen am 27.7.2022, wurde die Gesellschaft gemäß § 40 FBG gelöscht, weil trotz Aufforderung und der Ankündigung der amtswegigen Löschung die Jahresabschlüsse für 2019 und 2020 nicht fristgerecht vorgelegt worden waren und die Gesellschaft unvertreten war (G*). Der Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 17.4.2025 beantragte die H* gmbH zu I* die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die Gesellschaft mit dem Vorbringen, diese führe Aktivprozesse zu J* und K* des Handelsgerichtes Wien und sei daher nicht vermögenslos. Im weiters anhängigen Verfahren L*, in dem die Gesellschaft Beklagte sei, habe der Oberste Gerichtshof bzw das Handelsgericht Wien den Nachweis der nachträglichen Genehmigung der Prozessführung in Auftrag gegeben. Mangels eines gesetzlichen Vertreters bedürfe es für die Abgabe dieser Willenserklärung der Bestellung eines Nachtragsliquidators. Im Verfahren L* drohe der Verlust eines Kostenersatzanspruches, in den beiden Aktivprozessen würden Leistungsansprüche von insgesamt EUR 35,010.000, geltend gemacht. Gegenstand der beiden Aktivprozesse seien Schadenersatzansprüche der gelöschten Gesellschaft gegen die M* AG aufgrund gescheiterter Investitionen wegen falscher Auskünfte über deren wirtschaftliche Situation. Beide Aktivprozesse seien aufgrund des engen Sachzusammenhangs bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens L*, in dem die M* AG Klägerin gegen die gelöschte Gesellschaft sei, unterbrochen. Im Verfahren L* habe das Handelsgericht Wien die Klage der M* AG mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, diese habe falsche Auskünfte zu ihrer wirtschaftlichen Lage erteilt bzw. die dort als Beklagte auftretende Gesellschaft arglistig getäuscht. Das Berufungsgericht habe die erstinstanzlichen Feststellungen weitgehend bestätigt. Die beiden Aktivprozesse würden im Wesentlichen auf der arglistigen Täuschung seitens der M* AG gründen, sodass aufgrund der vom Handelsgericht Wien getroffenen korrespondierenden Feststellungen zu L* von einem vollumfänglichen Obsiegen der gelöschten Gesellschaft in den beiden Verfahren auszugehen sei.
Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 8.5.2025, I*7, wurde Mag. B*, BA MBA CMC, zum Nachtragsliquidator für die gelöschte Gesellschaft bestellt und ausgesprochen, dass dem Beschluss gemäß § 44 AußStrG vorläufige Vollstreckbarkeit zukomme. Der Nachtragsliquidator wurde verpflichtet, dem Gericht binnen Jahresfrist über den Stand der Nachtragsliquidation zu berichten. Ferner sprach das Erstgericht aus, dass eine Eintragung der Nachtragsliquidation bzw der Fortsetzung der Gesellschaft im Firmenbuch nicht erfolge. Infolge eines allseitigen Rechtsmittelverzichtes erwuchs dieser Beschluss unangefochten in Rechtskraft.
Am 21.5.2025 beantragte der Nachtragsliquidator die Wiedereintragung der Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft. Er führte aus, dies sei für die ordnungsgemäße Abwicklung der Nachtragsliquidation zweckmäßig und auch geboten. Die vom Nachtragsliquidator zu setzenden Handlungen würden nicht eine bloß einmalige Tätigkeit darstellen und es sei auch ein nicht bloß geringfügiges Vermögen betroffen. Die Wiedereintragung der Gesellschaft sei schon deshalb erforderlich, damit er seinen Handlungspflichten nachkommen könne und im Geschäftsverkehr ausreichend legitimiert sei. So sei dem Nachtragsliquidator bereits mitgeteilt worden, dass die Eröffnung eines Bankkontos, welches für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt werde, die Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch voraussetze. Nach herrschender Ansicht sei die Gesellschaft, nachdem sie bereits aufgelöst sei, mit einem Liquidationszusatz in das Firmenbuch einzutragen.
Dem Antrag waren unter anderem die Musterzeichnungserklärung des Nachtragsliquidators sowie ein E Mail der N* vom 13.5.2025 beigelegt, in dem dem Nachtragsliquidator mitgeteilt wurde, dass für die Kontoeröffnung der Firmenbucheintrag benötigt werde, dass sich die Gesellschaft in Liquidation befinde (C* 1).
Mit dem angefochtenen Beschlusswies das Erstgericht diesen Antrag ab. In seiner Begründung führte es aus, gegen den Beschluss vom 26.7.2022, mit dem die Gesellschaft gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht worden sei, sei kein Rechtsmittel erhoben worden. Die Gesellschaft gelte weiterhin als vermögenslos, weil die Verfahren, für die der Nachtragsliquidator bestellt worden sei, noch nicht abgeschlossen seien und daher noch kein potentielles Vermögen vorhanden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Nachtragsliquidators mit dem Antrag auf Abänderung, seinem Eintragungsbegehren stattzugeben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Er bringt vor, das Erstgericht habe sich nicht ausreichend mit der Zweckmäßigkeit der Wiedereintragung sowie der aktuellen Vermögenslage der Gesellschaft auseinandergesetzt. Potentiell sei Vermögen in Millionenhöhe vorhanden, was im Beschluss des Erstgerichtes vom 8.5.2025, mit dem der Rekurswerber zum Nachtragsliquidator bestellt worden sei, ausdrücklich festgehalten worden sei. Konkret verfüge die Gesellschaft über einen potentiellen Kostenersatzanspruch in Höhe von EUR 1,344.970,62 im Verfahren L* des Handelsgerichtes Wien sowie einen Schadenersatzanspruch gegenüber der M* AG in den beiden Aktivprozessen von mehr als EUR 35 Mio. Dass die Verfahren noch nicht abgeschlossen seien, ändere am Vorhandensein des Vermögens nichts. Der Nachtragsliquidator habe umfangreiche Tätigkeiten zu verrichten, nämlich
die Fortführung der beiden Aktivprozesse
die Geltendmachung und Realisierung etwaiger werthaltiger Ansprüche der Gesellschaft, insbesondere aus den genannten Verfahren resultierender Schadenersatz und/oder Kostenersatzansprüche;
die Abgabe einer Willenserklärung zur Genehmigung der Prozessführung im Verfahren L* des Handelsgerichtes Wien;
die allfällige Verwertung von Aktiven der Gesellschaft und deren Verwendung zur Gläubigerbefriedigung bzw zur Verteilung an die Gesellschafter sowie
die Vornahme aller sonstigen zur Nachtragsliquidation erforderlichen Maßnahmen im Sinne des § 93 GmbHG.
Dieses sehr breite Spektrum an Tätigkeiten unterstreiche die Zweckmäßigkeit der Wiedereintragung der Gesellschaft im Firmenbuch. Anzumerken sei, dass auch bereits erste Gläubiger Ansprüche beim Nachtragsliquidator angezeigt hätten, obwohl er noch gar keinen Gläubigeraufruf im EVI veröffentlicht habe.
Im konkreten Fall sei daher nicht von einer Vermögenslosigkeit der gelöschten Gesellschaft auszugehen, weshalb die Wiedereintragung der Gesellschaft nicht nur zweckmäßig, sondern notwendig sei, um die Nachtragsliquidation ordnungsgemäß weiterführen zu können.
Der Rekurs ist berechtigt .
1.Gemäß § 40 Abs 1 FBG kann eine Kapitalgesellschaft von Amts wegen gelöscht werden, wenn sie kein Vermögen besitzt (erster Tatbestand, Satz 1). Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollzählig zum Firmenbuch eingereicht hat und seit dem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss für das zweite Geschäftsjahr einzureichen gewesen wäre, mindestens sechs Monate vergangen sind (zweiter Tatbestand, Satz 3). Die in § 40 Abs 1 Satz 3 FBG normierte (widerlegbare) Vermutung soll dem Firmenbuchgericht die Feststellung des Löschungstatbestandes der Vermögenslosigkeit erleichtern. In diesem Fall bedarf es keiner amtswegigen Erhebungen über das Vorhandensein von Vermögen. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Rechtsverkehrs und die Bereinigung des Firmenbuchs ( Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 40 Rz 3).
2.Nach der Aktenlage hat das Erstgericht bei seinem Löschungsbeschluss vom 26.7.2022 den zweiten Tatbestand des § 40 Abs 1 FBG als verwirklicht angesehen, weil die Gesellschaft mit der Einreichung der Jahresabschlüsse ab dem Geschäftsjahr 2019 säumig war. Dass dieser Löschungsbeschluss in Rechtskraft erwuchs, wird vom Rekurs nicht in Frage gestellt.
3.Kapitalgesellschaften gelten mit der Löschung als aufgelöst, ohne dass ein Liquidationsverfahren stattfindet. Die Löschung im Firmenbuch hat nur deklarative Wirkung; solange tatsächlich noch Aktivvermögen vorhanden ist, besteht die Rechtspersönlichkeit fort (RS0059984, RS0050186). Die Vollbeendigung tritt nur ein, wenn neben der Löschung auch die materiell-rechtliche Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben ist (RS0059984 [T5]).
4.Allerdings kann eine gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit gelöschte Gesellschaft nicht fortgesetzt werden. Vielmehr ist bei einem nach der Löschung hervorkommenden Vermögen zwingend die Nachtragsliquidation nach § 40 Abs 4 FBG durchzuführen. Eine Fortsetzung (und somit Wiedereintragung) der nach § 40 FBG gelöschten Gesellschaft, sodass diese wieder in das werbende Stadium tritt, ist nicht möglich, auch nicht im Zuge der Nachtragsliquidation. Die Gesellschafter können daher keinen die Auflösung der Gesellschaft beseitigenden Fortsetzungsbeschluss fassen (RS0112036; ausführlich 6 Ob 330/98t; 8 Ob 18/21m, 6 Ob 244/22h ua).
4. Im konkreten Fall wurde vom Nachtragsliquidator jedoch nicht die Eintragung der Gesellschaft als werbende Gesellschaft, sondern als Liquidationsgesellschaft beantragt.
Grundsätzlich besteht im Falle einer Nachtragsliquidation keine Notwendigkeit einer Wiedereintragung der Gesellschaft im Firmenbuch (RS0049400). Nach herrschender Ansicht ist aber eine Firmenbucheintragung der Nachtragsliquidationsgesellschaft auch nicht ausgeschlossen und kann erfolgen, wenn es das Firmenbuchgericht für zweckmäßig erachtet (RS0049400 [T1] = 6 Ob 29/21i; Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, § 40 FBG Rz 46; Pilgerstorfer in Artmann 3§ 40 FBG Rz 62; Zib in Zib/DellingerGroßkomm UGB § 40 FBG Rz 37). In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Notgeschäftsführer und Notvorstand nach den §§ 15a GmbHG, 76 AktG wird vertreten, dass eine Eintragung dann nicht erforderlich ist, wenn ein Nachtragsliquidator nur einzelne bestimmte Abwicklungsmaßnahmen vorzunehmen hat ( Zib aaO; Kodek in Artmann/ Karollus,AktG III 6 § 214 Rz 19; Haberer/Zehetner in Straube/Radka/Rauter,WK GmbHG § 93 [Stand 1.3.2024, rdb.at] Rz 42, je mwN).
5. Vom Nachtragsliquidator wurde bereits im Antrag und auch mit dem Rekurs die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Wiedereintragung der Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft nachvollziehbar dargelegt.
In den beim Handelsgericht Wien anhängigen Aktivprozessen der Gesellschaft sind Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe streitgegenständlich und auch im Passivprozess ist vom Nachtragsliquidator ein Kostenersatzanspruch von mehr als EUR 1 Mio geltend zu machen. Sollten diese Forderungen auch nur teilweise durchgesetzt werden können, wäre dieses Vermögen in weiterer Folge zur Gläubigerbefriedigung und Verteilung an die Gesellschafter heranzuziehen. Vom Nachtragsliquidator wurde bescheinigt, dass ihm ohne die Eintragung der Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft nicht einmal die Eröffnung eines Bankkontos möglich ist, was bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben unumgänglich ist. Auch ein Auslandsbezug ist schon allein deshalb gegeben, weil die vormalige Alleingesellschafterin ihren Sitz in ** hat. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass es für den Nachtragsliquidator zweckmäßig und geboten ist, dass er sich zu seiner Legitimation auf eine Eintragung im Firmenbuch stützen kann.
6.In Stattgebung des Rekurses war dem Erstgericht daher die Eintragung der Liquidationsgesellschaft im beantragten Sinne aufzutragen (§ 20 Abs 2 FBG).
Da firmenbuchrechtliche Streitigkeiten in der Regel nicht bloß vermögensrechtlicher Natur sind (RS0110629 [T1, T2]), hatte eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes zu unterbleiben.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruht auf § 15 Abs 1 FBG iVm §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Erhebliche Rechtsfragen im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung waren nicht zu beantworten. Die Frage der Zweckmäßigkeit der Eintragung einer Liquidationsgesellschaft ist einzelfallbezogen zu beantworten.
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