JudikaturOLG Wien

6R192/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Unternehmensrecht
10. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, die Richterin Mag. Nigl, LL.M., und den Richter MMag. Klaus im Konkurs über das Vermögen der A* GmbH , FN **, **, vertreten durch die GRAFF NESTL PARTNER Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, Masseverwalterin Mag. B*, Rechtsanwältin in Wien, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24.4.2025, **-1, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Die A* GmbH ( Antragsgegnerin bzw. Schuldnerin ) ist seit 14.4.2018 im Firmenbuch eingetragen und wird aktuell von den Geschäftsführern C* und D* gemeinsam vertreten.

Am 22.1.2025 beantragte die E* Partnerschaft ( Erstantragstellerin ) beim Erstgericht zu F* die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin, die ihr auf Grund eines rechtskräftigen Titels EUR 217,46 sA schulde. Zur Hereinbringung der Forderung sei vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu ** die Fahrnisexekution bewilligt worden. Am 25.6.2024 habe ein Vollzug der Fahrnisexekution stattgefunden, es hätten jedoch keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden werden können. Bei zwei weiteren Vollzugsversuchen sei der Geschäftsführer der Antragsgegnerin nicht anzutreffen gewesen und sei trotz Ladung nicht zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses bei Gericht erschienen. Gegenüber dem Gerichtsvollzieher sei zwar zugesagt worden, dass eine Ratenzahlung erfolgen werde, bis dato sei jedoch keine Zahlung geleistet worden. Da die Antragsgegnerin nicht einmal in der Lage sei, diese geringe Schuld zu begleichen, sei es offenkundig, dass sämtliche Voraussetzungen für die Eröffnung des Konkursverfahrens vorlägen. Urkunden waren dem Antrag nicht beigelegt.

Erhebungen des Erstgerichts ergaben, dass die Antragsgegnerin Wohnungseigentümerin der Liegenschaft KG G*, BLNr 48 und 50 sowie Alleineigentümerin der Liegenschaft KG **, EZ ** ist. Abfragen wegen offenkundiger Zahlungsunfähigkeit und in der Liste der Vermögensverzeichnisse verliefen ohne Ergebnis. Im Pfändungsregister finden sich sechs Einträge seit dem Jahr 2022.

Am 5.2.2025 zog die Erstantragstellerin ihren Antrag wegen Vollzahlung zurück.

Eine Abfrage im Exekutionsregister ergab zahlreiche aktuelle Exekutionsverfahren gegen die Antragsgegnerin.

Mit Beschluss vom 24.2.2025 gab das Erstgericht bekannt, die Entscheidung über die Konkurseröffnung werde ohne Verhandlung erfolgen. Unter anderem trug es der Antragsgegnerin auf, bis 20.3.2025 ein ausgefülltes Vermögensverzeichnis vorzulegen. Sollte die Zahlungsunfähigkeit bestritten werden, so seien Belege zu Vollzahlungen oder Ratenvereinbarungen hinsichtlich der exekutiv betriebenen Forderungen vorzuweisen (F*-10).

Dieser Beschluss konnte der Antragsgegnerin nicht zugestellt werden, weil sie laut Rückschein verzogen war. Die Zustellung an beide Geschäftsführer erfolgte durch Hinterlegung am 4.3.2025, wobei der Beschluss D* am 12.3.2025 ausgefolgt wurde.

Das Finanzamt Österreich gab am 27.2.2025 einen exekutiv betriebenen Abgabenrückstand von EUR 1.295,59 bekannt (ON 11.1). Die Österreichische Gesundheitskasse teilte am 4.3.2025 mit, dass kein Beitragskonto bestehe (ON 11.2).

Mit Beschluss vom 25.3.2025 wiederholte das Erstgericht seine Mitteilungen und Aufforderungen vom 24.2.2025, bestimmte eine neue Äußerungsfrist mit 10.4.2025, und verfügte die Zustellung des Beschlusses an die Antragsgegnerin per Edikt (F*-13).

Ebenfalls am 25.3.2025 beantragte die H* GmbH Co OG ( Zweitantragstellerin ) beim Erstgericht zu I * die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. Diese schulde ihr aufgrund eines in einem Mietzins- und Räumungsverfahren ergangenen rechtskräftigen Versäumungsurteils des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien zu ** sowie auf Grund von Kostentiteln zu ** und ** jeweils des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien insgesamt EUR 11.512,22. Der Zweitantragstellerin sei die Fahrnis-, Forderungs- und Räumungsexekution bewilligt worden, Zahlungen seien nicht erfolgt. Da die Antragsgegnerin auch nach Abschluss des Titelverfahrens bis zur zwangsweisen Räumung keine Mieten bezahlt habe, schulde sie insgesamt EUR 24.165,10. Bei den offenen Mieten handle es sich um vorhersehbare Ausgaben, sodass die Nichtzahlung auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lasse.

Am 10.4.2025 teilte die Zweitantragstellerin mit, sie werde keinen Kostenvorschuss erlegen.

Aus der in diesem Verfahren vom Erstgericht durchgeführten Grundbuchabfrage vom 24.4.2025 geht hervor, dass die Anteile der Schuldnerin an der Liegenschaft G* bereits gerichtlich versteigert wurden (I*-6.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Antragsgegnerin und bestellte Mag. B* zur Masseverwalterin. In seiner Begründung führte das Erstgericht aus, dass ein Abgabenrückstand bestehe, zahlreiche Exekutionen geführt würden und bei der Zweitantragstellerin ein vollstreckbarer Rückstand von EUR 11.512,22 vorhanden sei. Die Schuldnerin habe sich nicht am Verfahren beteiligt, sodass von Zahlungsunfähigkeit auszugehen sei. Kostendeckendes Vermögen liege in Form von Liegenschaften vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Schuldnerin mit dem Antrag auf Abänderung, den Insolvenzeröffnungsantrag abzuweisen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Die Antragsgegnerin macht als Nichtigkeit und als Verfahrensmangel geltend, dass ihr der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht zugestellt worden sei. Die Schuldnerin sei nicht von ihrer Geschäftsanschrift unbekannt verzogen. Die Zustellung des Antrags per Edikt sei unzulässig gewesen. Die Antragsgegnerin sei daher in ihrem rechtlichen Gehör verletzt, weshalb das gesamte Verfahren nichtig bzw mit einem Mangel behaftet sei. Bei ordnungsgemäßer Zustellung hätte sie sich äußern können, Zahlung leisten und darlegen können, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorliege.

Inhaltlich ebenfalls als Verfahrensmangel moniert die Rekurswerberin, dass das Erstgericht festgestellt habe, die Schuldnerin sei von der im Firmenbuch eingetragenen Adresse unbekannt verzogen. Das Erstgericht hätte weitere Erhebungen durchführen müssen und hätte diesfalls festgestellt, dass die Antragsgegnerin nicht verzogen sei und ihr der Antrag auf Konkurseröffnung zugestellt werden hätte können.

Unter dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die Schuldnerin geltend, dass sich der Insolvenzantrag auf einen Rückstand von ca EUR 11.000 stütze. Sie habe keine offenen Verpflichtungen. Es habe lediglich einen „offenen Disput“ mit der J*-gesellschaft gegeben, sodass davon auszugehen sei, dass es sich bei dieser Gesellschaft um die Antragstellerin handle. Mit dieser Gesellschaft sei mehrfach der Abschluss einer Ratenvereinbarung erörtert worden, der jedoch offenbar abgelehnt worden sei. Das mehrfache Ersuchen um den Abschluss einer Ratenvereinbarung unterstreiche die Zahlungsabsicht der Antragsgegnerin und den Umstand, dass sie die für die Ratenzahlung notwendigen Mittel parat habe bzw alsbald beschaffen könne. Zahlungsunfähigkeit liege daher nicht vor, sondern vielmehr nur ein kurzfristiger Liquiditätsengpass.

I. Zur Nichtigkeit und Mängelrüge :

I.1.Im Rechtsmittelverfahren ist für die Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz – hier der 24.4.2025- und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]).

Grundsätzlich gilt im Insolvenzverfahren für die Rekursausführungen kein Neuerungsverbot (RS0043943; Erlerin KLS², § 260 IO Rz 33). Diese Neuerungserlaubnis findet ihre Grenze in § 259 Abs 2 IO, wonach Anträge, Erklärungen und Einwendungen dann nicht mehr vorgebracht werden können, wenn zu deren Erstattung eine Tagsatzung vorgesehen war, zu der eine Verfahrenspartei trotz Ladung nicht erschienen ist (RS0115313; RS0110967 [T6] = 8 Ob 36/04h).

I.2. Da das Eröffnungsverfahren im vorliegenden Fall schriftlich, ohne Einvernahmetagsatzung, geführt wurde, stand der Rekurswerberin in ihrem Rekurs die Neuerungserlaubnis uneingeschränkt offen. Damit begründet ein allfälliger Mangel des rechtlichen Gehörs in erster Instanz keine Nichtigkeit, weil die Rekurswerberin Gelegenheit hatte, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (OLG Wien 6 R 169/20x uva).

I.3.Der Gehörverstoß könnte allenfalls als Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO (hier iVm § 252 IO) beachtlich sein, wenn er geeignet war, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern. Dafür müsste im Rekurs die Relevanz des Mangels für die Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag aufgezeigt werden (RS0043027, RS0043039). Dies gelingt der Schuldnerin – wie unter II. aufgezeigt wird - nicht.

I.4. Daraus folgt, dass es auf die Frage, ob eine wirksame Zustellung der Insolvenzanträge an die Gesellschaft erfolgte und ob die Ediktalzustellung zulässig war oder das Erstgericht zuvor weitere Erhebungen durchführen hätte müssen, nicht ankommt.

II. Zur Rechtsrüge :

II.1.Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig – oder unter anderem bei Kapitalgesellschaften überschuldet – ist.

II.2. Die Zweitantragstellerin bescheinigte durch Vorlage des vollstreckbaren Versäumungsurteils ihre Insolvenzforderung.

II.3.Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald verschaffen kann (RS0064528). Die Nichtbezahlung einer titulierten Forderung des Antragstellers stellt jedoch noch keinen ausreichenden Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit dar ( Mohr, IO 11§ 70 IO E 78).

II.4. Ob bereits durch die Zweitantragstellerin die Zahlungsunfähigkeit ausreichend bescheinigt wurde, kann dahinstehen.

Die Erhebungen des Erstgerichts ergaben nämlich neben den von der Zweitantragstellerin beantragten Exekutionen auch weitere exekutiv betriebene Forderungen gegen die Antragsgegnerin sowie Beitragsrückstände beim Finanzamt Österreich.

Die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen Forderungen um Betriebsführungskosten handelt, die von den zuständigen Behörden und Institutionen so rasch in Exekution gezogen werden, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichen Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4§ 66 KO Rz 69; Mohr, IO 11 § 70 E 70, 74).

Somit war auch die Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin – jedenfalls nach den vom Erstgericht eingeleiteten amtswegigen Erhebungen – bescheinigt.

II.5. Wird die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es an der Antragsgegnerin, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass sie zahlungsfähig ist.

Um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, ist der Nachweis erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Beschlusses die Forderungen sämtlicher Gläubiger – nicht nur jene der Antragstellerin – befriedigt werden konnten oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden, die die Schuldnerin auch einzuhalten imstande ist (vgl Mohr, IO 11 § 70 E 214, E 239, E 243, E 244 mwN). Diese Gegenbescheinigung der Zahlungsfähigkeit hat die Antragsgegnerin von sich aus zu erbringen; sie setzt voraus, fällige Verbindlichkeiten zu begleichen oder zu regeln und die Nachweise dazu dem Gericht vorzulegen.

II.6. Die Antragsgegnerin behauptet zwar, dass sie keine offenen Verpflichtungen habe, geht aber auf den vorliegenden vollstreckbaren Exekutionstitel der Zweitantragstellerin und die anhängigen Exekutionsverfahren nicht ein. Vielmehr gesteht sie zu, den Abschluss einer Ratenvereinbarung mit der J*-gesellschaft angestrebt zu haben. Damit ist unstrittig, dass es ihr nicht gelungen ist, mit der Zweitantragstellerin eine Zahlungsvereinbarung über die Insolvenzforderung zu treffen.

II.7. Das Erstgericht ist daher - auch nach der im Rekursverfahren gegebenen Bescheinigungslage - zu Recht von der Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin zur Zeit der Fassung des angefochtenen Beschlusses ausgegangen.

II.8.Die weitere Konkursvoraussetzung, das Vorhandensein kostendeckenden Vermögens (§ 71 IO), ergibt sich hier bereits aus dem vorhandenen Liegenschaftsvermögen der Schuldnerin.

Dem unberechtigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.