5R3/25k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Richter Mag. Guggenbichler als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Aigner und den Richter Mag. Einberger in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, FN **, **, vertreten durch die Siemer-Siegl-Füreder Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, FN **, **, vertreten durch Dr. Manfred Sommerbauer und DDr. Michael Hermann Dohr, LL.M., Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei C*, geb **,**, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 245.000 sA, über den Rekurs des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 09.12.2024, **-48, in nicht öffentlicher Sitzung den
B E S C H L U S S
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Nebenintervenient ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.668,20 (darin enthalten EUR 444,70 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte mit Klage vom 11.5.2023 EUR 245.000 samt Anhang laut Rechnung ** vom 10.5.2023. Sie brachte zusammengefasst vor, die Beklagte habe am 31.3.2020 vom D* eine Bestellung über insgesamt 50.000 Stück FFP2-Masken zum Preis von netto EUR 7 pro Stück, sohin über einen Gesamtauftragswert von netto EUR 350.000 zzgl USt erhalten. Der D* habe in der Folge mitgeteilt, dass der Auftrag storniert worden sei. Die Beklagte habe dies zunächst hingenommen, sei aber Anfang 2023 auf den Vertrag zurückgekommen. Der D* sei auf entsprechenden Druck durch die Beklagte Ende März 2023 doch damit einverstanden gewesen, den gegenständlichen Vertrag zu erfüllen und die Lieferung zu akzeptieren. Die Beklagte sei jedoch zur Lieferung nicht in der Lage gewesen.
Die Klägerin habe ausgeholfen und über die E* gmbh die Lieferung der FFP2-Masken an den D* bewirkt. Dabei hätten die Streitteile vereinbart, dass die Aufteilung des Gewinns über die Klägerin erfolgen solle. Die Vereinbarung vom 31.3.2023 beziehe sich dezidiert auf die Bestellung des D* bei der Beklagten (Bestellnummer: **), das Datum des Vertragsabschlusses und das Lieferdatum sowie auch auf den dort genannten Preis von EUR 7 pro Maske. Die Vereinbarung lege fest, dass der Auftragswert im Verhältnis 7:3 zu Gunsten der Klägerin zwischen den Streitteilen geteilt werden solle. Die 50.000 Stück Masken seien an den D* geliefert worden, die Beklagte habe Rechnung gelegt und EUR 420.000 (EUR 7 pro Maske) erhalten.
Im Anschluss habe die Klägerin der Beklagten die Rechnung über den Klagsbetrag übermittelt, eine Zahlung sei nicht erfolgt.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, mit der Klägerin in keiner Geschäftsbeziehung gestanden zu sein, weshalb diese nicht aktiv legitimiert sei. Nicht die Klägerin, sondern die E* GmbH habe die Masken geliefert, deren Marktwert zum Lieferzeitpunkt EUR 0,08 netto pro Stück betragen habe. Dieser angemessene Marktpreis sei mangels anderslautender Vereinbarung geschuldet. Die Beklagte habe mit der zur Klägerin vermittelnden Kontaktperson, die auch als Vertreterin der E* GmbH aufgetreten sei, zuvor einen Preis von max. EUR 0,12 netto pro Stück erörtert, der aufgrund der erfolgten Lieferung als vereinbart anzusehen sei. Aus anwaltlicher Vorsicht erkläre die Beklagte die Anfechtung eines allfälligen Belieferungsvertrags wegen Irrtums und wende laesio enormis ein. Am 31.3.2023 sei eine Vereinbarung für den Fall einer Prozessfinanzierung, sollte es mit dem D* zu einem Streitfall im Zusammenhang mit der Lieferung der FFP2-Masken kommen, sowie über eine Abdeckung von Umsatzsteuer aus allenfalls nicht bezahlter Rechnung der Beklagten an den D* geschlossen worden.
Mit Schriftsatz vom 30.1.2024 (ON 22) trat der Geschäftsführer der Beklagten, C*, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenient bei. Er brachte vor, die Klägerin habe gegen ihn Strafanzeige wegen schweren Betruges erstattet. Im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung hätte er Regressansprüche gegen die Beklagte wegen des behaupteten Schadens. Im Fall der Einstellung des Strafverfahrens habe er ein Interesse an einem „sauberen Obsiegen“ der Beklagten. Umgekehrt - gemäß den Behauptungen der Klägerin in ihrer Strafanzeige - hätte die Beklagte allenfalls wegen der Handlungen des Nebenintervenienten Regressansprüche gegen diesen, die auch pfändbar wären. Der Nebenintervenient habe an der Vereinbarung vom 31.3.2023 vor deren Unterfertigung Änderungen vorgenommen und diese sodann an die Klägerin retourniert. Mangels Rückmeldung der Klägerin liege Dissens vor, woraus sich potentiell eine persönliche Haftung des Nebenintervenienten ergebe.
Die Klägerin beantragte die Zurückweisung des Nebenintervenienten. Der zwischen den Hauptparteien gegenständliche Sachverhalt berühre kein rechtliches Interesse des Geschäftsführers der Beklagten. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit aus der verfahrensgegenständlichen Vereinbarung Regressansprüche der Beklagten gegen ihren Geschäftsführer entstehen könnten. Das Strafverfahren stehe damit in keinerlei Zusammenhang.
Mit dem angefochtenen Beschlussgab das Erstgericht dem Zurückweisungsantrag statt. Zur Begründung führte es zusammengefasst aus, klagsgegenständlich sei eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten, für die der Nebenintervenient tätig geworden sei. Über den Inhalt und die Bedeutung dieser Vereinbarung bestünden unterschiedliche Ansichten der Parteien. Anhaltspunkte für ein sorgfaltswidriges Verhalten des Geschäftsführers der Beklagten, das zu einem Schaden der Beklagten geführt hätte, gebe es nicht. Insbesondere sei nicht ersichtlich, inwiefern die behauptete Vornahme von Änderungen am Vertragstext durch den Nebenintervenienten ein rechtswidriges Verhalten darstelle. Auch könne allein aus der Weigerung des Nebenintervenienten, den Klagsbetrag zu zahlen, wenngleich die Klägerin darin ein strafbares Verhalten sehe, kein eine Haftung nach § 25 Abs 2 GmbHG begründendes Verhalten erkannt werden, zumal damit kein Nachteil für die Beklagte verbunden sei. Mit seinem Vorbringen zu seinen allfälligen Regressansprüchen gegen die Beklagte zeige der Nebenintervenient keinen Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren auf. Ein Rückgriff der Klägerin gegen den Nebenintervenienten sei nur im Fall des Obsiegens der Beklagten denkbar, ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten am Beitritt auf Seiten der Beklagten ergebe sich daraus nicht.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Nebenintervenienten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Als Nichtigkeitmacht der Rekurswerber erkennbar geltend, dass das Erstgericht die Nebenintervention durch Fragen an den Nebenintervenientenvertreter in der mündlichen Verhandlung sowie durch die Erteilung von Aufträgen „faktisch zugelassen“ habe, weshalb eine Zurückweisung rechtlich nicht mehr zulässig gewesen sei. Das Gericht habe gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ verstoßen. Überdies widerspreche es Art 6 EMRK, dem Nebenintervenienten 11 Monate lang Zugang zu Gericht zu gewähren und ihm diesen dann zu verweigern.
1.1.Gemäß § 18 Abs 3 ZPO muss der Intervenient dem Hauptverfahren zugezogen werden und können Prozesshandlungen desselben nicht ausgeschlossen werden, solange dem Zurückweisungsantrag nicht rechtskräftig stattgegeben ist. Der Nebenintervenient ist folglich zu allen Tagsatzungen zu laden und kann alle ihm offenstehenden Prozesshandlungen vornehmen ( Schneider in Fasching/Konecny 3II/1, § 18 ZPO Rz 36). Auch Fragen des Gerichts an den Nebenintervenienten und die Erteilung von prozessualen Aufträgen an diesen werden durch die genannte Bestimmung nicht ausgeschlossen.
1.2.Gemäß § 18 Abs 2 ZPO ist über den von einer Prozesspartei gestellten Antrag auf Zurückweisung des Nebenintervenienten nach vorhergehender mündlicher Verhandlung zwischen dem Bestreitenden und dem Intervenienten durch Beschluss zu entscheiden. Über den Zeitpunkt, wann dieser Beschluss zu fassen ist, sagt die Bestimmung nichts aus. Der Beschluss kann daher etwa auch in das Urteil aufgenommen werden.
Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt daher nicht vor.
2. Der Rekurswerber rügt als Verfahrensmangel , dass das Erstgericht im angefochtenen Beschluss den Prozessstandpunkt der Klägerin nicht vollständig dargestellt, sich nicht mit den beiden Strafanzeigen der Klägerin gegen ihn auseinandergesetzt und ihn schließlich - gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung verstoßend - nicht zu einer weiteren Erklärung zur zweiten Strafanzeige der Klägerin angeleitet habe.
Dem ist zu entgegnen, dass das Erstgericht entsprechend § 18 Abs 2 ZPO eine abgesonderte mündliche Verhandlung über den von der Klägerin gestellten Antrag auf Zurückweisung des Nebenintervenienten durchgeführt hat. Auch die vom Nebenintervenienten vorgelegte Sachverhaltsdarstellung der Klägerin an die Staatsanwaltschaft Wien hat das Erstgericht zum Akt genommen. Ein rechtliches Interesse an einem Beitritt ist im vorliegenden Fall nach zutreffender Rechtsansicht des Erstgerichts bereits ausgehend vom Vorbringen des Nebenintervenienten zu verneinen. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass daran auch die Strafanzeigen der Klägerin gegen den Nebenintervenienten nichts zu ändern vermögen, konnte für diesen auch nicht überraschend sein. Im Übrigen hat schon die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich aus ihren Strafanzeigen kein rechtliches Interesse an einem Beitritt ergebe. Nach ständiger Rechtsprechung zwingt das Anleitungsgebot nach § 182a ZPO nicht zur Erörterung eines Vorbringens, dessen Schwächen bereits der Gegner aufgezeigt hat (RS0037300 [T41]). Welches konkrete weitere Vorbringen er im Fall einer Erörterung zusätzlich erstattet hätte, legt der Rekurswerber im Übrigen nicht dar.
3. In seiner Rechtsrüge wiederholt der Rekurswerber im Wesentlichen seine bereits in erster Instanz vorgetragenen Argumente zum Vorliegen eines rechtlichen Interesses an einem Streitbeitritt auf Seiten der Beklagten. 3.1.Das Rekursgericht hält die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts für zutreffend, die Rechtsmittelausführungen hingegen für nicht stichhältig (§ 526 Abs 3 iVm § 500a ZPO). Ergänzend ist kurz festzuhalten:
3.2.Das in §§ 17 Abs 1 und 18 Abs 1 ZPO geforderte rechtliche Interesse des Intervenienten besteht, wenn die Entscheidung sich nicht nur wirtschaftlich, sondern zumindest mittelbar auf seine rechtlichen Verhältnisse günstig oder ungünstigt auswirkt ( Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 17 ZPO Rz 3). Das rechtliche Interesse muss konkret sein und kann besonders im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeverfahren bei Prozessverlust der streitverkündenden Partei im Hauptprozess zu bejahen seien (RS0106173 [T2]). Es reicht dabei aus, wenn der zu befürchtende Rückgriff plausibel, wenngleich nicht in allen Einzelheiten dargestellt wird (RS0106173 [T7]). Die bloße Möglichkeit, dass die Entscheidung die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berühren könnte, reicht aber nicht aus (RS0106173 [T3]). Ein rechtliches Interesse hat zB ein Solidarschuldner im Rechtsstreit des Gläubigers gegen den anderen Solidarschuldner, ein Bürge im Rechtsstreit des Hauptschuldners gegen den Gläubiger oder ein Wechselregresspflichtiger im Rechtsstreit gegen den Ausstellerwechselbürgen, Indossanten oder Ehrenzahler (RS0106173). Ein Interesse am Erzielen bestimmter Beweisergebnisse reicht zur Begründung eines rechtlichen Interesses nicht aus (RS0035724 [T4]). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist aber kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638; Schneider in Fasching/Konecny 3II/1, § 17 ZPO Rz 1) und sich daraus ein rechtlich begründeter Anlass ergibt, das Obsiegen einer Partei herbeizuführen (RS0035638 [T5]).
3.3.Der Beitretende hat sein rechtliches Interesse iSd § 18 Abs 1 ZPO zu spezifizieren, insbesondere auch dahingehend, dass es am Obsiegen derjenigen Prozesspartei besteht, auf deren Seite der Nebenintervenient beitritt (3 Ob 211/10s; RS0035678). Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den von dem Nebenintervenienten zum Beitritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RS0035678 [T1]).
3.4.Zutreffend hat schon das Erstgericht ausgeführt, dass eine schadenersatzrechtliche Haftung des Nebenintervenienten gegenüber der Beklagten gemäß § 25 Abs 2 GmbHG ein schuldhaft rechtswidriges Verhalten des Nebenintervenienten voraussetzen würde, das der Gesellschaft einen ersatzfähigen Schaden adäquat kausal verursacht hat. Die Streitteile haben kein Vorbringen erstattet, aus dem sich ein solches Verhalten des Nebenintervenienten ergeben könnte. Er selbst hat auf Tatsachenebene lediglich vorgebracht, die verfahrensgegenständliche Vereinbarung mit von ihm vorgenommenen Änderungen an die Klägerin übermittelt zu haben, worauf diese nicht mehr reagiert habe, sodass Dissens vorliege. Ein die mögliche Haftung des Nebenintervenienten gegenüber der Beklagten begründendes schuldhaftes Fehlverhalten kann aus diesem Vorbringen nicht abgeleitet werden. Soweit der Nebenintervenient sich auf die gegen ihn und die Beklagte eingebrachte Strafanzeige der Klägerin bezieht (deren im Rekursverfahren nicht strittiger Wortlaut der Entscheidung zugrundegelegt werden kann – RS0121557), erschöpft sich diese in dem Vorwurf, der Nebenintervenient habe die Klägerin nach Zahlungsaufforderung wissen lassen, nicht bereit zu sein, den vereinbarten Betrag zu zahlen. Dies hält die Klägerin für „strafrechtlich mehr als bedenklich“, allerdings reicht dies keineswegs für die Behauptung eines den Anforderungen des § 25 Abs 2 GmbHG entsprechenden Fehlverhaltens des Nebenintervenienten aus, kann doch die entsprechende Mitteilung ihren Grund auch schlicht in der Rechtsansicht haben, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Auch die weiters in der Strafanzeige aufgestellte Behauptung, das Vorbringen der Beklagten und des Nebenintervenienten im gegenständlichen Verfahren lasse darauf schließen, diese hätten von Anfang an vorgehabt, der Klägerin den vereinbarten Betrag nicht zu bezahlen, blieb ohne jedes Substrat.
Das Erstgericht hat die Nebenintervention daher zutreffend zurückgewiesen.
Dem Rekurs war nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über seine Zulassung ist der unterliegende Nebenintervenient kostenersatzpflichtig (RS0035436).
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO. Die Zurückweisung des Beitritts als Nebenintervenient ist nicht der Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen gleichzuhalten (RS0044540).