JudikaturOLG Wien

9Rs29/25p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
27. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Pöhlmann als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Oberbauer und den Richter Mag. Kegelreiter sowie die fachkundigen Laienrichter Wolfgang Handlbichler und Christian Reichenauer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Walter Pirker, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, **, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 22.10.2024, B*-28 sowie über den (richtig) Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 19.4.2024, B* 19, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Dem als Rekurs zu wertenden Rechtsmittel wird, soweit es sich gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 19.04.2024 auf Verwerfung der Ablehnung des Sachverständigen (ON 19) richtet, nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

II. Der Berufung wird nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil mit der Maßgabe bestätigt, dass es wie folgt lautet:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei ab 1.12.2022 eine Berufsunfähigkeitspension, in eventu Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, wird abgewiesen.

2. Ein Kostenersatz findet nicht statt.“

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit Bescheid vom 17.08.2023 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 14.11.2022 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab und sprach aus, dass kein Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bestehe, da eine Berufsunfähigkeit auch in absehbarer Zeit nicht eintreten werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension, in eventu auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im gesetzlichen Ausmaß. Der Kläger bringt im Wesentlichen vor, der Bescheid sei tatsachen- und rechtswidrig. Er habe nicht, wie in der Bescheidbegründung ausgeführt, als Transitarbeitskraft gearbeitet, sondern lediglich einen Arbeitsvertrag als Transitarbeitskraft unterschrieben, de facto allerdings in dem Arbeitsverhältnis keinerlei Arbeitsleistungen erbracht. Die ärztlichen Begutachtungen seien mangelhaft erfolgt, der Kläger sei schon seit Jahren arbeitslos und auch arbeitsunfähig.

Die Beklagtebestreitet das Klagebegehren und beantragt Klagsabweisung. Sie wendet im Wesentlichen ein, das bei ihr durchgeführte Verfahren habe ergeben, dass der Kläger innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nicht in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellter oder nach § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt habe und im Stande sei, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet werde und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten noch zugemutet werden könne, wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, das eine körperlich und geistig gesunde Person regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflege. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 255 Abs 3a ASVG lägen nicht vor.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klage- sowie das Eventualbegehren ab (Spruchpunkte 1. und 2.). Zu Spruchpunkt 3. sprach das Erstgericht aus, dass kein Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation bestehe.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung nachstehenden Sachverhalt zugrunde, wobei die vom Kläger mittels Beweisrüge bekämpften durch Fettdruck hervorgehoben sind:

„Der am ** geborene Kläger erlernte den Beruf GH-Kaufmann (mit Lehrabschluss). Der Kläger weist insgesamt 530 Versicherungsmonate auf, hiervon sind 403 Monate Beitragsmonate der Plichtversicherung aus Erwerbstätigkeit, 119 Monate Beitragsmonate der Pflichtversicherung aus Teilversicherung (APG), und 8 Monate Ersatzzeit. Aus dem Zeitraum 01.12.2007 bis 01.12.2022 ergeben sich insgesamt 75 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aus Erwerbstätigkeit. Zwischen 01.12.2022 bis 31.10.2023 erwarb der Kläger keine weiteren Beitragsmonate der Pflichtversicherung aus Erwerbstätigkeit. Diese Zeiten resultieren unter anderem aus den folgenden Dienstverhältnissen: Der Kläger arbeitete als kaufmännischer Angestellter, nämlich als Gebiets- und Verkaufsleiter, von 02.07.2008 bis 31.01.2013 bei C* GmbH, Zweigniederlassung Österreich, von 13.04.2015 bis 30.04.2016 als Gebietsleiter bei D* KG, von 02.05.2016 bis 25.05.2016 als Administrations-Mitarbeiter bei E* GmbH, von 07.01.2019 bis 06.04.2019 als Verkaufsberater bei F* GmbH und von 08.08.2022 bis 06.09.2022 war er als Transitarbeitskraft bei der G* gemeinnützige GmbH H* angestellt.

Aufgrund von medizinischen Einschränkungen aus dem Bereich der Neurologie und Psychiatrie, sowie der Orthopädie und orthopädischen Chirurgie sind dem Kläger folgende Leistungen zumutbar bzw nicht zumutbar:

Die tägliche Arbeitszeit ist dem Kläger im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung, einer leichten Tätigkeit, unter Einhaltung üblicher Arbeitspausen zumutbar. Arbeiten mit durchschnittlichem psychischen und geistigen Anforderungsprofil sind möglich, inklusive Umschulbarkeit. Drittelzeitig besonderer Zeitdruck ist möglich. Aufsichtstätigkeiten sind möglich. Die Einordenbarkeit des Klägers ist gegeben. Die Fingerfertigkeit ist für Feinst-, Fein-, Gröber- oder Grobmanipulation ausreichend.

Folgende Verrichtungen müssen vermieden werden:

• Tätigkeiten, die mehr als gelegentliche Kopfwendungen oder Vornüberneigen des Kopfes erfordern, sind nicht mehr zumutbar.

• Das berufsmäßige Lenken eines Kfz ist auszuschließen.

• Bildschirmarbeit ist diskontinuierlich höchstens fünfzig Prozent der Arbeitszeit zumutbar.

• Mehr als gelegentliche Arbeiten über Schulterniveau.

• Tätigkeiten, die eine freie Beweglichkeit und Kraftentfaltung im Bereich des rechten Ellbogengelenkes erfordern.

• Arbeiten, die über den ganzen Arbeitstag verteilt mehr als halbschichtig gehend und/oder stehend verrichtet werden müssen.

• Längerdauerndes Sitzen ohne die Möglichkeit zu regelmäßigen Ausgleichsbewegungen.

• Tätigkeiten, die das Gehen auf schrägen Flächen erfordern.

• Mehr als fallweise hockende und/oder kniende Arbeiten.

• Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind nur in geringer Höhe möglich (zb Haushaltsleiter).

• Tätigkeiten mit berufstypischem häufige Stiegensteigen.

• Übermäßige Kälte- und Nässeexposition.

• Arbeiten, die mehr als ein durchschnittliches psychisches und geistiges Anforderungsprofil erfordern.

• Arbeiten, die mehr als drittelzeitig besonderen Zeitdruck erfordern.

Dieses Kalkül besteht zumindest seit der Antragstellung am 14.11.2022.

Ab Anfang 2024 sind dem Kläger weiters folgende Arbeiten nicht mehr möglich:

• Arbeiten mit mehr als gelegentlichem Grobgriff links.

• Mengenleistungstätigkeiten, die den dauernden Einsatz beider Hände erfordern.

• Tastaturarbeiten als Mengenleistungstätigkeit.

• Arbeiten mit mehr als gelegentlicher Drehung des linken Handgelenks.

Der Anmarschweg zur Arbeitsstätte ist dem Kläger möglich. Ein öffentliches Verkehrsmittel kann benützt werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers in den nächsten 18 Monaten mit höherer Wahrscheinlichkeit mit Auswirkung auf das Leistungskalkül der Klägers verschlechtern wird. Mit Sicherheit auszuschließen, ist dies jedoch nicht. Der zu erwartende Krankenstand ist nicht abschätzbar. Zwischen den einzelnen Fachgebieten besteht keine gegenseitige Leidenspotenzierung oder -beeinflussung.

Trotz dieser Einschränkungen ist der Kläger in der Lage, einfachere und mittlere Angestelltenberufe auszuüben, insbesondere sind ihm weiterhin die Ausübung von Angestelltentätigkeiten entsprechend der Beschäftigungsgruppen D – E des Kollektivvertrags für Handelsangestellte zumutbar, zum Beispiel auch Verkaufsmöglichkeiten im Innen- und Außendienst (zb Münzverkauf oder Trafikverkauf). Sein medizinisches Leistungskalkül wird dabei nicht überschritten. Beispielhaft könnte der Kläger auch als Call Center Agent arbeiten. Der Aufgabenbereich eines Call Center Agents umfasst in der Beschäftigungsgruppe C im „First Level“ die Beantwortung einfacher Anfragen. In der Beschäftigungsgruppe D im „Second Level“ werden Call Center Agents für spezielle Abfragen bzw. bei erforderlicher Mehrsprachigkeit des Kollektivvertrags für Handelsangestellte im Telefondienst im „Inbound“ (Vermittlung hereinkommender Anrufe) als auch im „Outbound“ (zur telefonischen Kontaktierung potenzieller KundInnen oder Durchführung von Meinungsumfragen) und auch in Mischverwendungen, z.B. kombiniert mit Empfangstätigkeiten eingesetzt; so ist etwa das „Inbound“ oft mit Empfangstätigkeiten verbunden. Entsprechendes Englisch ist nötig, weitere Fremdsprachenkenntnisse sind gewünscht.

Es handelt sich immer um eine bildschirmgestützte Büroarbeit, wobei die Bildschirmarbeit bei maximal 50% liegt, weitestgehend im Sitzen, wobei Ausgleichsbewegungen am Platz möglich sind, ausreichendes Hör- und gutes Kommunikationsvermögen sowie die Tastaturbedienung und das Verfassen einfacher Notizen (händisch und am PC) müssen möglich sein. Im „Inbound“ ist ganzzeitiges Sitzen mit unterdurchschnittlichen psychischen und geistig mäßig

schwierigen Anforderungen bei fallweise besonderem Zeitdruck (wegen AnruferInnen in der Warteschlange) nötig; reine Tastaturbedienung liegt mindestens drittelzeitig und mehr vor. Im „Inbound“ mit Rezeptionstätigkeiten ist (beim Kundenempfang) zwischenzeitlich kurzes Gehen möglich. Die psychischen Anforderungen sind knapp durchschnittlich, die geistigen mäßig schwierig bei fallweise besonderem Zeitdruck. Hier reicht (infolge Nebentätigkeiten) fallweise Tastaturbedienung. Im „Outbound“ sind zwischen den Telefonaten kurze Haltungsänderungen (Aufstehen) möglich. Es handelt sich um psychisch durchschnittliche und geistig mittelschwere Anforderungen mit durchschnittlichem Zeitdruck. Auch hier ist (durch längere Telefonate) fallweise Tastaturbedienung ausreichend. Englisch ist hier jedoch kein generelles Anstellungserfordernis, da es mehr als 100 Stellen gibt, wo die Telefonkontakte in Deutsch stattfinden. Hinsichtlich der genannten Tätigkeiten sind Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl (mind. 100 freie und/oder besetzte Arbeitsplätze bundesweit) vorhanden.“

Rechtlich folgerte das Erstgericht, der Kläger habe in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 1.12.2022 keine 90 Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben, weshalb er keinen Berufsschutz genieße und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Da zumutbare Tätigkeiten im ausreichenden Ausmaß vorhanden seien und weder die Voraussetzungen des § 255 Abs 3a ASVG noch jene des § 255 Abs 4 leg cit vorlägen, sei das Klagebegehren abzuweisen.

Gegen diese Entscheidung (und erkennbar den Beschluss vom 19.4.2024, ON 19) richtet sich die Berufung und der (richtig:) Rekurs des Klägers aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Beklagte beteiligte sich nicht am Berufungsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung und dem (richtig) Rekurs kommt keine Berechtigung zu.

1.1. In seiner Mängelrüge führt der Kläger aus, indem das Erstgericht die Ablehnung des Sachverständigen Dr. I* und seinen Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens abgelehnt habe, habe es einen Verfahrensmangel zu verantworten.

1.1.1. Mit Schriftsatz vom 15.03.2024 beantragte der Kläger die Bestellung eines „neuerlichen“ Sachverständigen. Die gutachterliche Befundung durch den Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie, Dr. I*, sei dadurch gekennzeichnet gewesen, dass dieser in vorgreifender Beurteilung zu erkennen gegeben habe, dass der Kläger keinen Anspruch habe. Insbesondere sei die Anamnese auch für einen Laien erkennbar völlig unzureichend und oberflächlich gewesen. So habe der Sachverständige seine Fragen selbst beantwortet, beispielsweise habe er mit dem Perkussionshammer verschiedene Körperteile abgeklopft und dabei gesagt: „Hier spüren Sie nichts, hier spüren Sie auch nichts und hier auch nicht.“ Dabei habe der Sachverständige die Reaktion des Klägers, der deutlich etwas gespürt habe, nicht abgewartet. Eine solche Vorgangsweise könne niemals objektiv und richtig sein (ON 12).

Das Erstgericht sah in diesen Ausführungen einen Ablehnungsantrag, den es nach Einholung einer Äußerung des Sachverständigen mit Beschluss vom 19.4.2024, ON 19, verwarf, gegen den sich das vorliegende Rechtsmittel ebenso richtet.

1.1.2.Gemäß § 366 Abs 1 ZPO ist ein Beschluss, mit dem die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen wird, nicht abgesondert anfechtbar. Er kann daher mit der Berufung bekämpft werden und unterliegt der Überprüfungsbefugnis des Berufungsgerichts (§§ 515 und 462 Abs 2 ZPO). Werden mit der Berufung Beschlüsse des Erstgerichts bekämpft, die – wie etwa im Fall der Nichtzulassung von Fragen nach § 184 ZPO oder des Unterbleibens von Aufträgen nach den §§ 303 ff ZPO – im Zusammenhang mit der Stoffsammlung stehen, so ist deren Bekämpfung der Mängelrüge der Berufung zuzuordnen (siehe die zu RS0134357 verketteten Entscheidungen). Demgegenüber handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung bei einem Rechtsmittel gegen die Verwerfung der Ablehnung eines Sachverständigen auch dann um einen Rekurs , wenn die Bekämpfung mit der Berufung erfolgt (vgl Kodek in Rechberger / Klicka 5 § 515 Rz 1 mzN). Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verwerfung der Ablehnung des Sachverständigen richtet, ist es daher als Rekurs gegen den Beschluss vom 19.4.2024 (ON 19) zu behandeln.

1.1.3. Die substanzlose Behauptung, die „Ablehnung der Ablehnung des Sachverständigen Dr. I*“ stelle einen Verfahrensmangel dar, genügt jedoch den Anforderungen eines gesetzmäßig ausgeführten Rekurses nicht (vgl Kodek aaO§ 471 ZPO Rz 16 mZn).

Selbst wenn man die Ausführungen des Klägers im Rahmen seiner Beweisrüge heranzieht (ON 29, 3), ist daraus nichts für ihn gewonnen.

Das Erstgericht hat seinen Beschluss ausführlich und nicht – wie behauptet – bloß textbausteinartig begründet und ist auch auf das Gedächtnisprotokoll des Klägers (./C) eingegangen. Die bloße Behauptung, der Beschluss des Erstgerichts sei inhaltlich völlig unrichtig, reicht – wie oben ausgeführt – nicht aus. Im Übrigen teilt der Senat die Rechtsansicht des Erstgerichts, auf die gemäß §§ 500a, 526 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG verwiesen wird.

1.1.4. Dem als Rekurs zu wertenden Rechtsmittel, soweit es sich gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 19.4.2024, ON 19, auf Verwerfung der Ablehnung des Sachverständigen richtet, wird daher nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 24 Abs 2 JN unzulässig.

1.2. Als Stoffsammlungsmangel moniert der Kläger, dass weder ihm noch dem Erstgericht das Subgutachten der Sachverständigen Mag. J* übermittelt worden sei. Dieses wäre infolge Widersprüchlichkeit erörterungsbedürftig gewesen, dem Kläger sei es jedoch mangels Kenntnis desselben verwehrt gewesen, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.

1.2.1.Nach ständiger Rechtsprechung stellt ein arbeitspsychologisches oder klinisch-psychologisches Gutachten kein selbständiges Beweismittel dar, sondern gibt lediglich einen Hilfsbefund für das neurologisch-psychiatrische Gutachten ab (SVSlg 29.505; 33.077; 33.888 ua). Demzufolge fällt dessen Beurteilung in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen. Die Befundaufnahme, zu der auch die Veranlassung von Hilfsbefunden oder Hilfsgutachten gehört, erfolgt regelmäßig unter der Verantwortung des das Gutachten abschließend erstatteten Sachverständigen (SVSlg 30.285; 59.477). Dies zeigt sich auch darin, dass der bestellte Sachverständige die von ihm zur Erstellung seines Gutachtens erforderlichen Hilfsbefunde oder Hilfsgutachten in der Regel selbst veranlasst oder anregt. Die Beurteilung des Hilfsbefundes obliegt dem gerichtlich bestellten Sachverständigen; damit kommt dem Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie auch die Beurteilung zu, ob aus psychischen Ursachen eine Einschränkung besteht, und wenn ja, welche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit bestehen. § 357 ZPO sieht lediglich eine mündliche Erörterung des schriftlichen Gutachtens und nicht auch des Hilfsbefundes vor (SVSlg 59.477).

1.2.2. Der neurologische Sachverständige Dr. I* veranlasste von sich aus eine testpsychologische Untersuchung (ON 9, 12). In seinem Ergänzungsgutachten gab er die Zusammenfassung dieses Hilfsgutachtens wieder (ON 10, 2), beurteilte diese Ergebnisse und bezog sie in sein Gutachten ein (ON 10, 3). Dieses wurde in der Verhandlung am 22.10.2024 auch erörtert (ON 26.2, 2).

Ausgehend von der dargestellten Sach- und Rechtslage liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

2. In seiner Beweisrüge wendet sich der Kläger gegen die bei Wiedergabe des Sachverhalts durch Fettdruck hervorgehobenen Feststellungen und strebt anstelle dieser nachstehende Feststellungen an:

„Die tägliche Arbeit im Ausmaß einer Vollbeschäftigung ist dem Kläger nicht mehr zumutbar. Es ist zu erwarten, dass beim Kläger Krankenstände im Ausmaß von mehreren Monaten pro Arbeitsjahr vorliegen werden, was einer Beschäftigungsanstellung hinderlich ist. Die Einschränkungen des Klägers ermöglichen ihm nicht, den Angestelltenberuf auszuüben, insbesondere ist ihm die Ausübung der Angestelltentätigkeit entsprechend der Berufsgruppen D - E des Kollektivvertrags für Handelsangestellte nicht mehr zumutbar. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Tätigkeit eines Call-Center-Agenten nicht möglich ist.“

In Anbetracht der zahlreichen Leiden des Klägers seien die eingeholten Sachverständigengutachten keinesfalls schlüssig. Die Befundaufnahme und Gutachtenserstattung durch den Sachverständigen Dr. I* sei völlig unzureichend gewesen, die Verwerfung des Ablehnungsantrags inhaltlich völlig unrichtig. Das Subgutachten sei dem Kläger vor Schluss der Verhandlung nicht zur Kenntnis gebracht und nicht erörtert worden. Es sei auch widersprüchlich und nicht schlüssig. Die Testergebnisse seien unterdurchschnittlich ausgefallen, dennoch komme die Sachverständige zu dem Schluss, dass Arbeiten mit einem durchschnittlichen geistigen Anforderungsprofil möglich und eine durchschnittliche psychische Belastung zumutbar sei. Selbst Arbeiten unter durchschnittlichem bis zu 2/3 der Arbeitszeit besonderem Zeitdruck sollen möglich sein, obgleich zahlreiche Tests eine Minderleistung ergeben hätten. Hinsichtlich der Tätigkeit in einem Call-Center habe der berufskundliche Sachverständige Dr. K* seine eigenen Feststellungen releviert.

2.1. Soweit sich der Kläger gegen die Verwerfung seines Ablehnungsantrags wendet bzw neuerlich moniert, das ihm der Hilfsbefund nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, wird auf die Ausführungen zu Punkt 1. verwiesen.

2.2. Abgesehen davon, dass die Beurteilung der psychologischen Testung als Hilfsbefund allein dem neurologischen Sachverständigen obliegt (vgl Punkt 1.2.1.), kann eine Widersprüchlichkeit in diesem, dessen Zusammenfassung der neurologische Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten wiedergibt (ON 10, 2), nicht erkannt werden.

Nach der Zusammenfassung führte die Psychologin zahlreiche Testungen durch, die letztlich die Plausibilität der Minderleistungen des Klägers zweifelhaft erscheinen ließen und eine Tendenz zur Beschwerdeüberhöhung zeigten. Es fänden sich zwar Hinweise auf eine geringgradige kognitive Verlangsamung, jedoch kein Hinweis auf ein organisches Psychosyndrom.

Der neurologische Sachverständige bezog diesen Befund in sein Gutachten ein und schloss daraus auf das vom Erstgericht festgestellte Leistungskalkül.

Grundsätzlich ist der Tatrichter immer befugt, dem ihm überzeugend erscheinenden Gutachten eines Sachverständigen zu folgen, wenn er sich nicht selbst die nötige Sachkunde und Erfahrung zutraut, die erforderlich ist, um ein eigenes Urteil zu bilden, sofern ihm die Darlegungen des Sachverständigen schlüssig und überzeugend erscheinen dürften, ohne dass ihm dabei ein Verstoß gegen Denkgesetze zur Last fiele und ohne dass ihm hätte erkennbar werden müssen, dass der Sachverständige nur unter Außerachtlassung erheblichen Verfahrensstoffes zu dem Ergebnis gelangt sein könne (RS0043235).

Letztlich ist es auch unerheblich, ob dem Kläger die Tätigkeit in einem Call-Center möglich ist, kann er doch nach den Feststellungen auch auf die Tätigkeit eines Handelsangestellten zB im Münz- oder Trafikverkauf verwiesen werden.

Da der diesbezüglich vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt und der davon abweichende, von der Beweisrüge angestrebte Sachverhalt zum gleichen rechtlichen Ergebnis führt, konnte die Erledigung der Beweisrüge in diesem Punkt unterbleiben (RS0042386).

3. Die Ausführungen in der Rechtsrüge des Klägers sind weitgehend weder nachvollziehbar noch verständlich. Das Erstgericht hat das medizinische Leistungskalkül des Klägers deutlich und nicht – wie behauptet – unbestimmt festgestellt und daraus seine rechtlichen Schlüsse gezogen. Inwieweit dem Erstgericht ausgehend von diesen Feststellungen bei der rechtlichen Beurteilung ein Fehler unterlaufen sein soll, bringt der Kläger nicht ansatzweise zur Darstellung. Schon mangels gesetzmäßiger Ausführung der Rechtsrüge (vgl KodekaaO § 471 ZPO Rz 16 mzN) ist die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht zu überprüfen.

Der unberechtigten Berufung war sohin ein Erfolg zu versagen und das Ersturteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Spruchpunkt 3. im Ersturteil zu entfallen hat, zumal im Bescheid über medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht abgesprochen wurde und (lediglich) der angefochtene Bescheid zu wiederholen ist ( Neumayr in Zellkomm 3§ 71 ASGG Rz 2 mwN).

4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG. Für einen Kostenzuspruch an den zur Gänze unterliegenden Kläger nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergaben sich keine Anhaltspunkte.

5.Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG nicht zulässig. Eine in der Berufung unterlassene bzw – wie hier – nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge kann in der Revision nicht nachgetragen werden (RS0043480; RS0043573).