11R160/24s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Primus als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Fidler und den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Futterknecht BSc(WU) LL.M.WU, in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, vertreten durch Gass Sutter Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch die Peters Ortner Partners Rechtsanwälte GmbH in Wien und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei C* GmbH, FN **, **, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzky Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 175.626,10 s.A., über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 163.296,08) gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 2. August 2024, GZ ** 27, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache dem Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen .
Die Kosten des Berufungsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
B egründung:
Der Kläger ist Mieter eines Geschäftslokals im Haus **; die Beklagte ist ebenfalls Mieterin eines Geschäftslokals in diesem Haus, in welchem sie ein Uhrengeschäft betreibt.
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von EUR 175.626,10. Dazu brachte er – soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz - nach Präzisierung vor, er sei als Designer in der Modebranche tätig und fertige insbesondere Haute Couture Kleidung, modische Accessoires sowie Einrichtungsgegenstände an, die er im Bestandobjekt am ** vertreibe. Die Beklagte habe 2021 massive Umbauarbeiten in ihrem Bestandobjekt durchführen lassen, darunter die Entfernung von Wänden. Im Zuge dieser sei es am 15.9.2021 zu einer massiven Staubentwicklung gekommen; der Staub sei – durch einen zwischen den Bestandobjekten befindlichen Schacht - auch in das Geschäftslokal des Klägers eingedrungen. Der Staub habe die im Geschäftslokal des Klägers befindlichen Haute Couture Waren, Kunstgegenständen und Möbeln massiv verschmutzt.
Die im Geschäftslokal befindlichen 70 Kleider und 30 Anzüge, die einen durchschnittlichen Verkaufspreis von jeweils über EUR 2.500 hätten, hätten durch die Verschmutzung – trotz Reinigung - nicht mehr als neuwertig verkauft werden können; der Kläger habe eine Preisreduktion vom Neupreis von 40% vornehmen müssen, woraus sich ein Schaden von insgesamt EUR 100.000 errechne.
Der Kläger habe sein Geschäft für die Dauer der Reinigungsarbeiten und bis zur Durchführung der Beweissicherungsverfahren bis 15.11.2021 nicht für den Kundenverkehr öffnen können; dadurch seien ihm ein Verdienstentgang von EUR 53.469,44 und frustrierte Mietkosten für zwei Monate von insgesamt EUR 9.826,64 entstanden.
Für die Reinigung der Kleidungsstücke, des Geschäftslokals und der Anlagen seien ihm überdies näher konkretisierte Reinigungskosten von insgesamt EUR 12.330,02 entstanden.
Die Aktivlegitimation des Klägers ergebe sich aus seiner Mieterstellung. Die Beklagte sei ebenfalls Mieterin in diesem Haus und habe die Umbauarbeiten, die offenbar nicht fachgerecht durchgeführt worden seien in Auftrag gegeben; daraus ergebe sich ihre Passivlegitimation.
Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung, bestritt die Aktivlegitimation des Klägers, ihre Passivlegitimation und das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach.
Soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz brachte die Beklagte vor, sie habe die C* GmbH (idF Nebenintervenientin) mit der Durchführung der Arbeiten beauftragt. Die Umbauarbeiten seien ordnungsgemäß durch den Bauführer angezeigt und auch ausgeführt worden. Für ein allfälliges Verschulden der Nebenintervenientin, das bestritten werde, hafte die Beklagte nicht, weil zwischen ihr und dem Kläger keine vertragliche Beziehung bestehe. Überdies werde bestritten, dass die Verschmutzung des Geschäftslokals des Klägers durch die Baustelle im Geschäftslokal der Beklagten verursacht worden sei.
Zudem mangle es an einem schlüssigen Vorbringen zur Höhe des Anspruchs. Das Vorbringen werde nur pauschal ohne die erforderliche Konkretisierung erhoben. Unklar sei, wie viele Kleidungsstücke tatsächlich betroffen gewesen seien. Zudem habe der Kläger bei der geltend gemachten Wertminderung auf einen durchschnittlichen Verkaufspreis abgestellt, was nicht ausreichend sei. Vielmehr müsse er den ursprünglichen Verkaufspreis und den tatsächlichen Verkaufspreis (sowie den Verkaufszeitpunkt) jedes betroffenen Kleidungsstücks beweisen sowie den Umstand, dass die Preisminderung auf ein Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen sei. Die Geltendmachung von Verdienstentgang bei gleichzeitiger Geltendmachung des immensen Wertverlusts der Kleidungsstücke und frustrierter Mietkosten werde bestritten, weil dies zu unrechtmäßigen Mehrfachliquidation des Schadens führen würde.
Die Nebenintervenientin bestritt dem Grunde und der Höhe nach und beantragte die Klagsabweisung. In Ergänzung des Vorbringens der Beklagten brachte sie vor, dass aus der Klagserzählung nicht hervorgehe, ob hinsichtlich der Kleidungsstücke ein merkantiler Minderwert oder tatsächlicher Schaden durch einen geringeren Verkaufserlös geltend gemacht werde. Ein Verdienstentgang sei nicht mit dem Umsatzentgang gleichzusetzen.
Mit dem angefochtenen Teilurteil wies das Erstgericht das Klagebegehren anteilig im Umfang von insgesamt EUR 163.296,08 s.A. ab (Spruchpunkt 1.) ab.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Klagsvorbringen sei hinsichtlich der geltend gemachten Wertminderung der Kleidungsstücke (EUR 100.000), des des Verdienstentgang (EUR 53.469,44) und der frustrierten Aufwendungen für das Bestandobjekt (EUR 9.826,64) unschlüssig und daher ohne Beweisaufnahme abzuweisen.
Das Vorbringen zur geltend gemachten Wertminderung der Kleidungsstücke sei – wie von der Beklagten und der Nebenintervenientin aufgezeigt – in mehrfacher Hinsicht unschlüssig: Einerseits gehe aus dem Klagebegehren nicht hervor, ob die Wertminderung konkret im Sinne eines tatsächlich eingetretenen Schadens durch einen geringeren Verkaufserlös oder als merkantiler Minderwert begehrt werde. Das diesbezügliche Klagsvorbringen sei widersprüchlich, weil einerseits in der Klage behauptet werde, „dass zumindest ein Teil der Kleider mit erheblichem Abschlag verkauft werden“ hätte können, während im Schriftsatz behauptet werde, dass vom Kaufpreis eine Reduktion „von zumindest EUR 40 [gemeint: 40%]“ vorzunehmen gewesen wäre. Nach Erörterung habe der Kläger lediglich auf sein Vorbringen und die Belege zum Verkaufspreis unbeschädigter Kleider (Beilage ./H) verwiesen. Das Vorbringen sei derart unvollständig, dass von einer Unschlüssigkeit auszugehen sei. Zudem beschränke sich das Vorbringen auf pauschale Annahmen, ohne konkret auf die einzelnen Kleidungsstücke und den mit ihnen verbundenen Schäden einzugehen. Zutreffend habe die Beklagte ausgeführt, dass für die Ermittlung der Wertminderung der Kleidungsstücke der ursprüngliche und der tatsächliche Verkaufspreis (bzw. der ursprüngliche Wert und der verminderte Wert, sollte ein Verkauf nicht stattgefunden haben) anzuführen seien. Das pauschale Heranziehen von Durchschnittspreisen und einer durchschnittlichen Wertminderung stelle keine vollständige Tatsachenbehauptung dar, die es erlauben würde, die begehrte Rechtsfolge daraus abzuleiten.
Im (anlogen) Anwendungsbereich des § 364a ABGB umfasse der Ausgleichsanspruch des Nachbarn das gesamte subjektive Interesse, sohin grundsätzlich auch Verdienstentgang. Allerdings sei das Vorbringen des Klägers zum geltend gemachten Verdienstentgang von EUR 53.469,44 insofern unschlüssig, als der Kläger vorbringe, er habe im Vergleichszeitraum des Jahres 2020 einen Umsatz in dieser Höhe erzielt. Die Nebenintervenientin habe berechtigt darauf hingewiesen, dass ein entgangener Umsatz nicht einem Verdienstentgang im Sinnes eines Schadens gleichzusetzen sei. Dennoch habe der Kläger kein ergänzendes Vorbringen erstattet. Bei selbstständigen Erwerbstätigen liege ein Schaden im Sinne eines Verdienstentgang entweder im entgangenen Betriebsertrag oder in den Aufwendungen zur Abwendung einer Umsatzeinbuße. Der Verdienstentgang könne daher nicht mit dem Umsatzentgang gleichgesetzt werden, zumal von diesem noch allfällige Verbindlichkeiten abzuziehen wären. Zudem sei das Vorbringen insofern widersprüchlich, als er einerseits behaupte, die verschmutzten Kleider (teilweise) mit Abschlag verkauft zu haben, er andererseits diese Umsätze aber beim Verdienstentgang in keiner Weise berücksichtige.
Auch das Vorbringen zu den frustrierten Mietkosten von EUR 9.826,64 sei unschlüssig geblieben. Trotz des berechtigten Einwands der Beklagten und der Nebenintervenientin, dass die Geltendmachung dieser Kosten zu einer mehrfachen Liquidation des Schadens führen würden, habe der Kläger kein ergänzendes Vorbringen erstattet. Der Kläger begehre Verdienstentgang in Höhe des gesamten Umsatzes aus einem Vergleichszeitraum, ohne davon Verbindlichkeiten abzuziehen. Der Zuspruch von ungekürztem Verdienstentgang und zusätzlich frustrierten Mietkosten führe zu einer Mehrfachliquidation der behaupteten Schäden. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, die verschiedenen Positionen dergestalt wechselseitig abzuweisen und stattzugeben, dass eine Mehrfachliquidation verhindert werde. Vielmehr liege es am Kläger einen ersatzfähigen Schaden nachvollziehbar und schlüssig darzulegen, sodass kein mehrfacher Ersatz begehrt werde.
Zu den geltend gemachten Reinigungskosten habe der Kläger hingegen – entgegen dem Vorbringen der Beklagten – ein vollständiges und schlüssiges Tatsachenvorbringen erstattet. Hinsichtlich dieser Positionen sei das Verfahren nicht spruchreif, sodass mit Teilurteil vorzugehen sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen der Berufung nicht stattzugeben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt .
Mit seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger gegen die rechtliche Beurteilung das Klagebegehren sei unschlüssig. Zur geltend gemachten Wertminderung für Kleidungsstücke, Verdienstentgang und den frustrierten Aufwendungen für das Bestandobjekt habe der Kläger ein vollständiges und substanziiertes Tatsachenvorbringen und ein korrespondierendes Beweisanbot erstattet. Für die Schlüssigkeit des Klagebegehrens sei hinreichend, wenn das Sachbegehren materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptung abgeleitet werden könne und mehrere in einer Klage geltend gemachte Geldforderungen ziffernmäßig aufgegliedert, bestimmt und individualisiert geltend gemacht würden.
1. Einleitend ist festzuhalten:
1.1. Verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche nach § 364a ABGB setzen eine behördliche bewilligte Anlage oder eine diesem Fall analoge Situation voraus. Eine § 364a ABGB analoge Situation wird in Fällen angenommen, in denen durch die Bewilligung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme hervorgerufen und dadurch die Abwehr zwar nicht rechtlich ausgeschlossen, aber faktisch derart erschwert wird, dass der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muss, so vor allem bei behördlich genehmigten Bau- und Abbrucharbeiten (RIS-Justiz RS0010668 [T1]). Nach der Rechtsprechung wird eine Analogie auch in jenen Fällen angenommen, in denen die Baubehörde eine bauliche Maßnahme dadurch gestattet, dass sie die Anzeige eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens zur Kenntnis nimmt (RS0010668 [T15]; 9 Ob 18/15k).
1.2. Der Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB (analog) ist verschuldensunabhängig (RS0010449 [T15]). Auf die Erkennbarkeit einer Gefährdung durch die Bauführung (RS0010705 [T4]) kommt es dabei ebenso wenig an, wie darauf, ob die Arbeiten fachgerecht durchgeführt wurden (RS0126490).
1.3. Der Ausgleichsanspruch umfasst volle Schadloshaltung für Schäden, die typischerweise auf die Baumaßnahme selbst zurückzuführen sind (RS0106324 [T3]; 3 Ob 114/18p). Die Ersatzpflicht gilt auch für Schäden, die dem Nachbarn durch einmalige Vorfälle entstanden (RS0010674 [T1]). Dabei ist maßgebend, ob für den Haftpflichtigen der Eintritt des Schadens ein kalkulierbares oder gar kalkuliertes Risiko bildete, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (RS0106324 [T4]). Die Adäquanz fehlt, wenn das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden nach allgemeiner Lebenserfahrung gleichgültig ist und nur eine außergewöhnliche Verkettung der Umstände vorliegt (RS0098939; 7 Ob 113/16t).
1.4. Anspruchsberechtigt ist wie bei § 364 ABGB der Eigentümer und der am Nachbargrundstück sonst dinglich oder obligatorisch Berechtigte; Anspruchsgegner ist wie bei § 364 ABGB jeder Störer, der Grundstückseigentümer ebenso wie der dinglich oder obligatorisch Berechtigte, sofern sie die Störung beherrschen ( Riss in KBB 7§ 364a ABGB Rz 5). Auch bei analoger Anwendung des § 364a ABGB haftet neben dem Handlungsstörer auch der Zustandsstörer ( Kerschner/E.Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch(Hrsg), ABGB 3(Klang) § 364a Rz 302 ff; OGH 27.6.2018, 3 Ob 114/18p, RdU 2019/30; 5 Ob 160/21x; 1 Ob 74/09b).
2. Zur Schlüssigkeit des Klagebegehrens:
2.1. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516).
Zur Schlüssigkeit der Klage bedarf es der Behauptung der rechtserzeugenden Tatsachen in ihr (RS0001252). Die Schlüssigkeit des Klagebegehrens ist daher mit Blick auf den jeweiligen Anspruchsgrund zu prüfen.
Dass sich das Sachbegehren aus den vorgetragenen Tatsachen nicht rechtlich ableiten lässt, kann zwei Ursachen haben: Entweder sind die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben, um die begehrte Rechtsfolge daraus ableiten zu können (Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit), oder es lässt sich auch im Fall eines ergänzten Sachvortrags der behauptete Sachverhalt nicht unter die für die Rechtsfolge maßgebenden Rechtsnormen subsumieren (Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn) (RS0037516 [T5]).
2.2. Ausgehend von den eingangs dargestellten allgemeinen Erwägungen zur nachbarrechtlichen Haftung, hat der Kläger ein ausreichend schlüssiges Tatsachenvorbringen erstattet.
2.2.1. Wie dargelegt, umfasst der Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 364a ABGB unabhängig vom Verschulden das volle Interesse, also eigentliche Schadloshaltung und den Ersatz des entgangenen Gewinns ( Winner in Rummel/Lukas, ABGB 4§ 364a RZ 21). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist davon auch eine dauerhafte Wertminderung umfasst (vgl zum merkantiler Minderwert einer Liegenschaft und dessen Bemessung: 10 Ob 113/98k; ecolex 1999/31; 1 Ob 74/09b wobl 2010/60). Der merkantiler Minderwert einer Sache wird grundsätzlich als positiver Schaden angesehen, der ohne Rücksicht darauf zu ersetzen ist, ob die Sache tatsächlich verkauft wird ( Hinteregger in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.06 § 1323 Rz 23).
Der Kläger hat zusammengefasst vorgebracht, dass durch die Immissionen 100 Kleidungsstücke mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von zumindest EUR 2.500 (ON 11, Seite 9) beschädigt wurden und folglich der Beschädigung nur mehr mit einem Preisabschlag von 40% verkauft werden können (ON 11 Seite 7, Seite 9). Dieses Vorbringen ist für einen Anspruch nach § 364a ABGB analog ausreichend und schlüssig.
2.2.2. Der Oberste Gerichtshof hat zu 7 Ob 128/16y den durch dort fortlaufende Staubbelastung verursachten Verdienstentgang des Nachbarn als ersatzfähigen Schaden analog § 364a ABGB und die Ausmittlung der diesbezüglichen Schadenshöhe nach § 273 ZPO gebilligt.
Vorliegend bringt der Kläger vor, er habe aufgrund der von der Beklagten zu vertretenden Staubimmission das Geschäftslokal zur Durchführung der notwendigen Reinigungsarbeiten bzw. bis zum Abschluss der Beweissicherungsverfahren bis 15.11.2021 nicht für den Kundenverkehr öffnen können und dadurch einen Verdienstentgang, also einen Vermögensschaden, von EUR 53.469,44 erlitten; gestützt auf eine bestimmte Urkunde (Umsatzsteuervoranmeldung Oktober bis Dezember 2020, Beilage ./L) bringt er überdies vor, dass der Umsatz im Vergleichszeitraum des Vorjahres EUR 53.469,44 betragen habe (aus der vorgelegten Urkunde ergeben sich steuerbare Umsätze von Oktober bis Dezember 2020 von EUR 74.279,16.), welcher Betrag zumindest dem eingetretenen Verdienstentgang entspreche. Damit bringt der Kläger jedenfalls implizit zum Ausdruck, dass er im Zeitraum 15.9.2021 bis 15.11.2021 keinen Umsatz erwirtschaften konnte. Dieses Vorbringen ist für einen Anspruch nach § 364a ABGB (analog) gerade noch ausreichend und schlüssig (vgl 7 Ob 128/16y).
2.2.3. Ebenso verhält es sich mit den geltend gemachten (frustriert) bezahlten Mietzinsen; auch dazu hat der Kläger ein ziffernmäßig bestimmtes Vorbringen erstattet.
3. Davon ausgehend kommt der Berufung des Klägers im Sinne hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags Berechtigung zu. Die bekämpfte Entscheidung war aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
3.1. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zunächst ein Beweisverfahren dazu abzuführen haben, ob und welche vom Kläger behaupteten Schäden überhaupt durch von der Beklagten zu verantwortenden Staubimmissionen entstanden sind. Gegebenenfalls wird es in der Folge die vom Kläger angebotenen Beweise zur Höhe aufzunehmen haben und hernach den Sachverhalt neuerlich rechtlich zu beurteilen haben.
3.2. Zutreffend hat das Erstgericht erkannt, dass der Verdienstentgang eines selbstständigen Erwerbstätigen nicht mit dem Umsatzentfall gleichgesetzt werden kann (vgl. beispielsweise 10 Ob 44/22a). Die Berechnung eines Vermögensschadens, wozu auch der Verdienstentgang gehört, hat nämlich durch den Vergleich des Geldwertunterschiedes zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustandes vor und nach der Beschädigung zu erfolgen. Es sind jene daher jene Vermögensbestandteile in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, die durch die Beschädigung beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile, die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurde oder deren Bildung durch selbige verhindert wurde. Zum Beweis des eingetretenen Verdienstentgangs hat der Kläger bisher – neben der vorgelegten Urkunde – nur seine Parteieneinvernahme zum Beweis angeboten. Im Rahmen derer wird er konkret darzulegen habe, wie sich der begehrte Verdienstentgang zusammensetzt bzw. wie er diesen errechnet hat.
Sofern sich nach Erhebung der Tatsachen ergeben sollte, dass der Kläger mit den erhobenen Begehren tatsächlich eine Mehrfachliquidation der eingetretenen Schäden geltend macht, wird dies im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen sein.
4. Der Kostenvorbehalt für das Berufungsverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.