2R105/25m – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden, Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache der Kläger 1. A* B* , geb. **, Landwirtin und 2. C* B* , geb. **, Landwirt, beide wohnhaft in K**, **, vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beklagten D* , geb. **, Spengler, ** E*, vertreten durch die Schmidauer–Steindl–Rechtsanwälte GmbH in Grieskirchen, wegen Feststellung und Einverleibung von Grunddienstbarkeiten (Streitwert: Geh- und Fahrtrecht je EUR 14.000,00; Stellplatz EUR 7.000,00), über die Berufung der Kläger (Berufungsinteresse: EUR 14.000,00 [Gehrecht]) gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 10. Juni 2025, Cg*-20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es einschließlich seiner unbekämpften Teile wie folgt zu lauten hat:
„1. a) Es wird festgestellt, dass den Klägern und sämtlichen künftigen Eigentümern der Grundstücke Nr. 237, 3001 und 3002, inneliegend der EZ F*, KG G* als herrschendem Gut, gegenüber den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks Nr. 3029/2, inneliegend der EZ H*, KG G* als dienendem Grundstück, entsprechend der Planurkunde Beilage ./A, die ein Bestandteil dieses Urteilsspruchs ist, die Dienstbarkeit des Gehrechts im Bereich der gelben Einfärbung der Planurkunde ausgehend vom öffentlichen Gut 3264/05 entlang der begehbaren Grundgrenze des Grundstücks 3029/2 zum Grundstück 3028/1 bis zum Grundstück 3002 der Kläger zusteht;
b) der Beklagte ist gegenüber den Klägern schuldig, in die Einverleibung des Gehrechts gemäß Punkt 1. a) zugunsten der herrschenden Grundstücke Nr. 237, 3001 und 3002, inneliegend der EZ F*, KG G*, an dem dienenden Grundstück Nr. 3029/2, inneliegend der EZ H*, KG G*, einzuwilligen.
2. Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, dass den Klägern und sämtlichen künftigen Eigentümern der Grundstücke Nr. 237, 3001 und 3002, inneliegend der EZ F* KG G* als herrschendem Gut gegenüber den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks Nr. 3029/2, inneliegend der EZ H*, KG G* als dienendem Grundstück gemäß Planurkunde Beilage ./A, die ein Bestandteil dieses Urteilsspruchs ist, einerseits die Dienstbarkeit des Gehrechts über Punkt 1. hinaus , andererseits das Fahrtrecht und das Parken mit einem Kraftfahrzeug über den bzw auf dem in der Planurkunde Beilage ./A gelb bzw flächig ausgefüllten und mit „Geh- und Fahrtrecht für EZ F*“ beschriebenen Weg und dem darin eingezeichneten Stellplatz zustehe sowie das darauf gerichtete Einverleibungsbegehren werden abgewiesen.
3. Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreterin EUR 2.752,99 an Prozesskosten zu ersetzen.“
Der Beklagte ist schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen die mit EUR 3.515,32 (darin EUR 310,89 USt und EUR 1.650,00 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ F*, KG G*, mit den Grundstücken Nr. 237, 3001 und 3002. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ H*, KG G*, unter anderem mit dem Grundstück Nr. 3029/2 als Nachbarliegenschaft.
Die Kläger begehren die Feststellung der Dienstbarkeit eines Geh- und Fahrtrechts sowie des Parkens mit einem Kraftfahrzeug im Ausmaß der im einen Bestandteil des Urteils bildenden Servitutsplan (Beil./A) eingezeichneten gelben Fläche und die Einwilligung in die Einverleibung dieser Dienstbarkeiten. Sie stützen sich dabei auf die Ersitzung. Die Grundstücke der Kläger seien bis 1979 über einen im öffentlichen Gut (Grundstücks Nr. 3265) stehenden alten, tatsächlich aber nicht (mehr) befahrbaren Weg erreichbar gewesen. Dieser sei durch Gemeinderatsbeschluss vom 17. Jänner 1979 aufgelassen worden. Seither sei der Zugang und die Zufahrt zu den Grundstücken der Kläger über das öffentliche Gut mit der Grundstücks Nr. 3264/5 und sodann über das südöstliche Eck des Grundstücks Nr. 3029/2 des Beklagten erfolgt. Zumindest seit 1979 hätten sämtliche Rechtsvorgänger der Kläger diesen Zugang und diese Zufahrt zu den Grundstücken genützt. Bewohner und Besucher, die mit einem PKW zugefahren seien, hätten auf dem Grundstück Nr. 3029/2 geparkt und seien dann von dort zu Fuß auf das Grundstück der Kläger weitergegangen. Ohne diesen Servitutsweg hätten die Grundstücke der Kläger nicht erreicht werden können. Die Kläger hätten die Liegenschaften von der Voreigentümerin mit Kaufvertrag vom 5. September 2023 erworben. Der Beklagte habe seit 28. Juni 2024 in jenem Bereich, indem sie vom Grundstück Nr. 3029/2 zum Grundstück Nr. 3002 zugingen, Hortensien und Beeren gepflanzt und eine Rankhilfe für Beerenobst errichtet. Damit gebe er klar zu erkennen, dass der Zugang verwehrt werde. Das Geh- und Fahrtrecht einschließlich des Parkens am Servitutsweg sei durch die Kläger und ihre Voreigentümer tatsächlich aber bereits seit spätestens 1979 ausgeübt worden und damit ersessen. Vor dem letzten Eigentümerwechsel sei das Geh- und Fahrtrecht am Servitutsweg nicht bestritten worden.
Der Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Er hielt dem Vorbringen der Kläger im Wesentlichen entgegen, dass das kleine Häuschen mit der GrundstücksNr. 237 weder über einen Kanal- noch über einen Wasseranschluss verfüge und zur Liegenschaft keine Zufahrt führe. Die früheren Voreigentümerinnen hätten nicht über Fahrzeuge verfügt. Die letzte Voreigentümerin hätte das Grundstück erst im Jahr 2002 erworben und sei ein Zufahren mit einem Fahrzeug aus faktischen Gründen gar nicht möglich gewesen. Erst seit 2020 bestehe eine theoretische Möglichkeit, zu den Grundstücken der Kläger zuzufahren, weil bei der Kanalerrichtung zur Liegenschaft des Beklagten 2001 ein schmaler Wiesenweg zum Haus der Beklagten entstanden sei. Davor sei das Grundstück Wiese gewesen. Die Zufahrt zum Grundstück des Beklagten sei erst 2024 asphaltiert worden. Die Kläger seien vor dem Erwerb in der Annonce der Immobilienmaklerin auf die fehlende Zufahrtsmöglichkeit zu den Liegenschaften hingewiesen worden. Auch seitens des Vertragserrichters habe es eine entsprechende Belehrung gegeben. Auf dem Grundstück des Beklagten befinde sich seit 2019 im Anschluss an das öffentliche Gut, ein Schild mit der Aufschrift: „Privatgrundstück“. Die Ersitzung der Kläger scheitere an der Gutgläubigkeit.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgerichtdas Klagebegehren ab. Dabei legte es seiner Entscheidung den eingangs wiedergegebenen und den auf den Seiten 4 bis 6 des Urteils weiters festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Davon sind für das Berufungsverfahren die nachstehenden gedrängt wiedergegebenen Feststellungen wesentlich:
Bevor die Kläger die Liegenschaft 223 KG G* von I* J* mit Kaufvertrag vom 5. September 2023 erwarben, wurde in den Verkaufsunterlagen (Website **) in der Beschreibung ausdrücklich festgehalten, dass das Haus keine eigene Zufahrt aufweist und mit den Nachbarn vereinbart werden muss, dass die Zufahrt über das Nachbargrundstück führt und nicht im Grundbuch eingetragen ist. Im Kaufvertrag findet sich dazu folgender Vertragspunkt:
„1.5 Das Vertragsobjekt verfügt über keine grundbücherlich gesicherte Geh- und Fahrwegeanbindung an das öffentliche Gut und ist nicht an die öffentliche Ver- und Entsorgungsinfrastruktur (Wasser, Kanal) angeschlossen (ein Stromanschluss ist jedoch vorhanden). Auf die sich hieraus ergebenden rechtlichen Unsicherheiten wurde vom Schriftenverfasser hingewiesen; die Parteien nehmen dies zustimmend zur Kenntnis, die Vereinbarung entsprechender Dienstbarkeiten als Vertragsbedingung wird nicht für erforderlich gehalten und die Käuferseite wird sich um die allenfalls erforderlichen Absprachen mit den Eigentümern der betroffenen Nachbargrundstücke selbst und auf eigenes Risiko im Nachgang zum Vertrag kümmern.
Die Verkäuferseite erklärt hierzu, dass die Zufahrt und der Zugang zur Vertragsliegenschaft jedenfalls seit mehr als 30 Jahren vom öffentlichen Gut über den südöstlichen Teil des Grundstücks 3029/2, KG G*, erfolgte und auch tatsächlich ausgeübt wurde, sodass rechtlich von einer ersessenen Dienstbarkeit auszugehen ist.“
Das Sacherl mit der Adresse E* ** auf dem Grundstück 237 hat keinen Wasser- und Kanalanschluss. Es ist seit 1979 nicht mehr an das öffentliche Gut und damit an eine öffentliche Straße angeschlossen. Zunächst wohnte K* L* bis zu ihrem Tod im November 1993 dort. Sie besaß kein Auto und ging einerseits über das Grundstück des Beklagten mit der Nr. 3029/2, andererseits, wenn sie z.B. mit den Nachbarn mitfahren konnte, direkt über deren Grundstück Nr. 3028/1 zu ihrem Grundstück zu. Der Kohlelieferant blieb am öffentlichen Gut (Güterweg M*) stehen und transportierte die Kohle per Rückentrage zum Haus. Wenn ein Bauer Holz brachte, wurde bei der Familie des Beklagten nachgefragt, ob mit dem Traktor über ihren Grund gefahren werden darf. Wenn für K* L* Besuch mit einem PKW kam, wurde der PKW entweder am Güterweg M* oder ganz nahe bei den Büschen, somit teilweise auf der Wiese des Beklagten, abgestellt. 1988 wurde der Güterweg M* als öffentliches Gut (Grundstück 3264/5) bis zum Grundstück Nr. 3029/2 des Beklagten errichtet. Die östliche Grenze des Güterwegs und des Grundstücks 3029/2 des Beklagten bildet das Grundstück 3028/1 der EZ ** KG G*. An dieser Grenze verlaufen Büsche und das Grundstück Nr. 3029/2 war zu diesem Zeitpunkt Wiese.
In diesem Bereich kam es erst 2000/2001 durch die Errichtung des Kanals zum Grundstück des Beklagten zu einer Beschotterung und es entstand beginnend vom öffentlichen Güterweg M* hin zum Haus des Beklagten eine Art Feldweg. 2018 wurde wegen des Hausumbaus des Beklagten eine befestigte Zufahrtsstraße über diesen Feldweg errichtet. 2024 wurde der Weg asphaltiert.
Nach dem Tod von K* L* renovierte die Tante von I* J*, N* L*, 1994/1995 das Häuschen. Als Saisonarbeiterin wohnte sie aber nur zeitweise dort. Sie hatte jedenfalls kein Auto und verstarb 2000. Wenn I* J* N* L* besuchte, parkte sie ihr Auto entweder am Güterweg M* oder teilweise in der Wiese des Beklagten gleich anschließend an den Güterweg entlang der Büsche und ging von dort zum Haus. Nach dem Tod von N* erbte I* J* die Liegenschaften, wobei sie sich mit ihrem Lebensgefährten vorwiegend im Sommer und bei Schönwetter zu den Wochenenden dort aufhielt. Sie verbrachten dort einige Tage, manchmal sogar ein bis zwei Wochen hintereinander. Ihre Fahrzeuge parkten sie immer auf dem Grundstück 3029/2 des Beklagten entlang der Büsche. Von dort aus wurde zum Haus zugegangen. Teilweise mähten sie die Fläche, auf der die Autos abgestellt wurden und den weitere Zugang auch.
Am 8. April 2025 befand sich neben dem Adresspfeil „E* **-2“ das Schild „ PRIVATGRUNDSTÜCK Unbefugten ist das Betreten und Befahren verboten!“. Zu welchem genauen Zeitpunkt davor und an welcher Stelle dieses Schild oder ein ähnliches aufgestellt war, kann nicht festgestellt werden.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass nach § 1493 ABGB bei Übernahme der Sache von einem rechtmäßigen und redlichen Besitzer der Nachfolger berechtigt sei, die Ersitzungszeit seines Rechtsvorgängers mit einzuberechnen. Eine Dienstbarkeit werde nur in jenen räumlichen Grenzen, aber auch nur in jenem Umfang durch Ersitzung erworben, wie deren Rechtsinhalt schon vor 30 Jahren ausgeübt worden sei. Bei ersessenen Dienstbarkeiten komme es darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet worden sei, was also der Eigentümer des herrschenden Guts während dieser Zeit benötigt habe. Nach den Feststellungen sei über das Grundstück des Beklagten mit der Nr. 3029/2 seit mehr als 30 Jahren von den Rechtsvorgängern der Kläger zum Haus E* ** jedenfalls nicht zugefahren und das Fahrzeug nicht auf jener Stelle abgestellt worden, wie sie im Lageplan ./A eingezeichnet sei. Das Abstellen eines Fahrzeugs entlang der Büsche bei der östlichen Grenze des Grundstücks des Beklagten sei erst 2001 festgestellt worden. In den Jahren davor sei das Fahrzeug von Besuchern entweder am Güterweg M* oder teilweise auf der Wiese des Beklagten abgestellt worden. K* und N* L* hätten kein Fahrzeug besessen.
Die Kläger würden die Feststellung und Einverleibung einer exakt beschriebenen und exakt umschriebenen Dienstbarkeit laut Lageplan ./A, somit eine gemessene Dienstbarkeit und nicht eine ungemessene, wo die Art, das Ausmaß und der Umfang nicht eindeutig begrenzt seien, begehren. Nach den Angaben in der Klage und unter Zugrundelegung des Klagebegehrens samt Vorbringen ergebe sich eindeutig, dass insbesondere die Zufahrt für das Grundstück der Kläger wesentlich sei (ansonsten wertlos) und nur an einer Gesamtstattgabe ein Interesse bestehe. Nach § 405 ZPO sei das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt habe. Unzulässig sei daher der Zuspruch von mehr (einem Plus) oder etwas anderem (einem Aliud) als vom Kläger begehrt, nicht aber ein Zuspruch bloß eines Teils davon (eines Minus). Es ergebe sich nach den Feststellungen jedenfalls kein gemessenes Geh- und Fahrtrecht und kein Stellplatz wie begehrt, weshalb die Klage abzuweisen sei.
Gegen die Abweisung der Dienstbarkeit des Gehrechts richtet sich die Berufung der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der sie den Zuspruch (nur) des Gehrechts über den in der Planurkunde Beil./A gelb bzw flächig ausgefüllten und mit „Geh- und Fahrtrecht für EZ F*“ beschriebenen Weg samt Einwilligung in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit begehren; hilfsweise wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.
Der Beklagte strebt mit seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils an.
Da dem Berufungssenat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht erforderlich erschien, war trotz des darauf gerichteten - unzulässigen - Antrags der Kläger in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden (§ 480 ZPO).
Die Berufung ist teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Kläger wenden sich gegen die Beurteilung des Erstgerichts, wonach sie nur an einer Gesamtstattgabe Interesse hätten und der Zuspruch im Umfang eines Gehrechts alleine nicht in Frage komme. Dass der Geh- und Fahrweg am Grundstück des Beklagten denselben Verlauf nehme, sei den geographischen Gegebenheiten der Grundstücke geschuldet und bedeute noch nicht, dass beide Dienstbarkeiten als untrennbare Einheit zu verstehen seien. Gewichtiges Indiz, dass die Kläger jeder einzelnen Dienstbarkeit einen Wert beigemessen hätten und folglich auch am Gehrecht alleine interessiert seien, sei die in der Klage vorgenommene Bewertung in der sowohl das Geh- als auch das Fahrtrecht jeweils mit EUR 14.000,00 bewertet worden sei. Damit hätten sie zum Ausdruck gebracht, das Gehrecht auch isoliert zu begehren. Auch wäre es nicht notwendig gewesen, durchgehend von einem Geh- und Fahrtrecht zu sprechen, weil das Recht des Fahrwegs an sich die umfassendste Wegeservitut sei und ohnehin im gleichen Umfang das Gehrecht enthalte. Es sei zwar richtig, dass den Klägern sowohl ein Geh- als auch ein Fahrtrecht und ein Stellplatz am liebsten wäre. Dies bedeute jedoch nicht, dass nicht auch ein Interesse an einem einzelnen Wegerecht, dem Gehrecht, bestehe. Es stelle einen Wert dar, gesichert zum Haus gehen zu können. Sowohl bei Leistungs- als auch bei Feststellungsklagen gestatte § 405 ZPO, den Klägern weniger zuzusprechen als sie verlangten, wenn das Minus in dem geltend gemachten Begehren eingeschlossen sei. Dies sei hier bei Geltendmachung des bloßen Gehrechts als Minus zu einem Fahrtrecht der Fall. Sämtliche Rechtsvorgänger im Besitz der Liegenschaften der Kläger seien seit mehr als 30 Jahren aufgrund der Tatsache, dass dies die einzige Möglichkeit gewesen sei, über das Grundstück des Beklagten zugegangen, was das Erstgericht auch so festgestellt habe. Die Grunddienstbarkeit des Gehrechts über das Grundstück des Beklagten sei durch Ersitzung auf einer Fläche, die der Beil./A entspreche, außerbücherlich erworben worden und zuzuerkennen.
Diese Ausführungen der Kläger sind zwar dem Grunde nach, nicht aber dem Umfang der Dienstbarkeit nach stichhältig.
Das Erstgericht begründete seine Beurteilung, dass für die Kläger nur eine Gesamtstattgabe (Geh- und Fahrtrecht und Stellplatz) von Interesse wäre, mit der Geltendmachung einer gemessenen Dienstbarkeit laut Lageplan ./A, sowie dem Umstand, dass eine Teilstattgabe als Aliud der Bestimmung des § 405 ZPO widerspreche. Beide Argumente tragen nicht ausreichend.
Dass auch gemessene Servituten (jedenfalls im Bereich der Freiheitsersitzung) eine Einschränkung erfahren können, führte der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 1 Ob 304/01i aus. Das Höchstgericht hielt unter Bezugnahme auf Klang (in Klang 2II 565) und den Wortlaut der Bestimmung des § 484 zweiter Satz ABGB fest, dass es angesichts des Gesetzeswortlauts unzulässig wäre, daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass gemessene Servituten auch keinesfalls eingeschränkt werden dürften. Auch wenn in § 484 ABGB vorangestellt sei, dass die Art und die Ausübung der Dienstbarkeit ins Belieben des Berechtigten gestellt sei, werde aber über das allgemeine Schikaneverbot hinaus auch die Einschränkung auf das nach Natur und Zweck der Bestellung nötige Maß angeordnet. Dieser scheinbare Widerspruch bedeute, dass der Widerstreit zwischen den Interessen der Parteien in ein billiges Verhältnis zu setzen sei. Es könne daher auch bei gemessenen Servituten zu deren Einschränkung kommen, wobei allerdings in Anbetracht des durch die Vereinbarung klar manifestierten Parteiwillens, die Einschränkung nur bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Umstände und klar überwiegender Interessenlage auf Seiten des Verpflichteten zulässig sei. Die Beurteilung, es liege eine gemessene Dienstbarkeit laut Lageplan ./A vor, schließt daher grundsätzlich einen eingeschränkten Zuspruch nicht aus (RS0105550 [T2]).
Es bleibt daher zu prüfen, ob ein eingeschränkter Zuspruch einem Aliud im Sinne von § 405 ZPO gleich kommt. Die Entwicklung der diesbezüglichen Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 93/13z umfassend nachgezeichnet. Darin hält er zum Rechtssatz RS0041040, wonach „eine nur beschränkt zuerkennbare Dienstbarkeit der beanspruchten gegenüber ein Aliud darstellen könne“, fest, „dass dies aber jedenfalls nicht ein Aliud sein müsse“. Es sei selbstverständlich richtig, dass eine nur beschränkt zuerkennbare Dienstbarkeit der beanspruchten gegenüber ein Aliud sein könne. Ob das in einem bestimmten Fall zutreffe, hänge aber von den konkreten Umständen und zwar insbesondere vom Vorbringen der Parteien ab (Begründung Punkt 2.3. (b) (h) und 2.4. (c)).
In 7 Ob 456/55 habe der Oberste Gerichtshof die Abweisung mit dem eindeutigen Vorbringen des Klägers begründet, dass er nur an einer uneingeschränkten Dienstbarkeit ein Interesse habe. Damit habe das Höchstgericht den – § 405 ZPO zugrunde liegenden – Dispositionsgrundsatz konsequent umgesetzt: Wenn der Kläger einen bestimmten Teilzuspruch gar nicht wolle, sei das allgemein gefasste Begehren auch dann zur Gänze abzuweisen, wenn der Teilzuspruch objektiv als Minus angesehen werden könnte. Folgerichtig sei in weiteren Entscheidungen, in denen der Kläger kein vergleichbares Vorbringen erstattet hatte, ein Minderzuspruch „zweifellos“ für möglich gehalten worden (5 Ob 93/70 = SZ 43/117; 7 Ob 641/89).
Das Höchstgericht führt in der Entscheidung 4 Ob 93/13z (Begründung Punkt 2.4. (d) (e)) weiter aus, dass entgegen den Entscheidungen 3 Ob 631/79, 3 Ob 47/07v und 4 Ob 58/09x allein im „uneingeschränkten“ Begehren des Klägers kein Grund für die Unzulässigkeit eines Minderzuspruchs zu sehen sei. Es sei nicht zu erkennen, warum das „uneingeschränkte“ Begehren einer Unterlassung oder Feststellung (nur) bei einer konfessorischen Dienstbarkeitsklage anderes zu beurteilen sein solle, als etwa das „uneingeschränkte“ Begehren auf Zahlung einer bestimmten Summe Geldes. In beiden Fällen erhebe der Kläger ein Begehren, das über den tatsächlich bestehenden Anspruch hinausgehe. Ein Minderzuspruch, der ma-teriell-rechtlich wegen des teilweisen Nichtbestehens dieses Anspruchs angezeigt sei, wäre in beiden Fällen nur dann mit § 405 ZPO unvereinbar, wenn sich aus dem Vorbringen des Klägers eindeutig ergebe, dass er daran kein Interesse hätte. Denn nur dann wäre sein Begehren dahin auszulegen, dass er nur einen uneingeschränkten Zuspruch, nicht aber ein (objektives) Minus dazu anstrebe. Ein derartiger eindeutiger Prozessstandpunkt sei nicht allein deswegen anzunehmen, weil der Kläger ein konfessorisches Klagebegehren in An-knüpfung an eine an sich unstrittige vertragliche Vereinbarung formuliere, statt von vornherein oder zumindest nach Durchführung des Beweisverfahrens durch eine Einschränkung seines Begehrens auf einen Einwand nach § 1488 ABGB zu reagieren. Denn eine solche Obliegenheit des Klägers wäre nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass es der Beklagte sei, der Grund und Umfang des von ihm eingewendeten Erlöschens der Dienstbarkeit zu behaupten und zu beweisen habe. Verlange man vom Kläger eine Einschränkung des Begehrens, müsse stattdessen er abschätzen, ob und inwieweit das Gericht dem Einwand des Beklagten folgen werde. Eine Fehleinschätzung würde zum Prozessverlust führen. Diese Rechtsfolge lasse sich aus dem in § 405 ZPO umgesetzten Dispositionsgrundsatz keinesfalls ableiten, wenn im konkreten Fall auch ein Minderzuspruch für den Kläger von Interesse sei. Ein anderer Grund für die Unzulässigkeit eines bloß eingeschränkten Zuspruchs sei nicht erkennbar. Schwierigkeiten bei der Ermittlung des konkreten Inhalts der (verbliebenen) Dienstbarkeit könnten das Gericht zu einer Erörterung mit den Parteien veranlassen, ein Grund für die vollständige Abweisung liege auch darin nicht.
Berücksichtigt man nun diese Grundsätze für das vorliegende Verfahren, so zeigt sich, dass weder in der Klage noch im weiteren Vorbringen der Kläger ein ausdrücklicher oder eindeutiger Hinweis enthalten ist, dass es ihnen nur auf eine Gesamtstattgabe ankomme. Sowohl die separate Bewertung von Geh- und Fahrtrecht in der Klage sowie die separate Bezeichnung als Geh- und Fahrtrecht im Servitutsplan Beilage ./A können dafür ins Treffen geführt werden, dass für die Kläger auch ein Teilzuspruch von Interesse wäre, ist doch darin das Gehrecht separat angesprochen und ausgewiesen.
Dass - wie der Beklagte in der Berufungsbeantwortung behauptet – die Kläger zu Beginn des Ortsaugenscheins in Vergleichsgesprächen sein Angebot eines Gehrechts im unbedingt notwendigen Umfang abgelehnt hätten, spricht - abgesehen davon, dass damit kein Prozessvorbringen verbunden ist – nicht gegen das nunmehrige Begehren und Zuerkennen eines Teilzuspruchs, sprach doch schon - wie oben angeführt - der Oberste Gerichtshof in 4 Ob 93/13z aus, dass man den Klägern als Anspruchswerber eine Einschränkung des Begehrens und deren Abschätzung, inwieweit das Gericht einem Einwand des Beklagten folgen werde, nicht zumuten könne, weil eine Fehleinschätzung zum Prozessverlust führe.
Insgesamt zeigt sich, dass hier die Kläger in der Klage und in ihrem Vorbringen nicht ausdrücklich und eindeutig erklärten, dass sie nur an einer Gesamtstattgabe Interesse hätten (RS0037485 [T10]). Der Zuspruch nur eines Gehrechts führt auch zu keinem Verstoß nach § 405 ZPO, weil, ausgehend vom konkreten Begehren eines Geh- und Fahrtrechts sowie eines Stellplatzes als Dienstbarkeit, der bloße Zuspruch eines Gehrechts als zulässiges Minus zu werten ist, weil es ein weniger belastendes, qualitativ geringeres Recht im Vergleich zum beanspruchten ist (RS0037485 [T 11]).
Der Zuspruch eines bloßen Gehrechts ist von den Feststellungen des Erstgerichts gedeckt, muss sich der Beklagte doch entgegenhalten lassen, dass zumindest seit 1979 zu seiner Nachbarliegenschaft keine öffentliche Aufschließung besteht und die dort wohnenden Rechtsvorgängerinnen der Kläger seit dieser Zeit - als wesentliche und nahezu einzige Möglichkeit – zum Zugang den Weg über seine Liegenschaft wählen mussten.
Das Gehrecht der Kläger war aber nicht in dem von ihnen beantragten gänzlichen Umfang des im Servitutsplans Beilage ./A eingefärbten Bereichs zu gewähren, sondern entsprechend den Feststellungen des Erstgerichts über die Nutzung des bloßen Zugehens und nach § 484 ABGB ausgehend vom öffentlichen Gut (3264/5) im begehbaren Bereich der Einfärbung entlang der östlichen Grundgrenze des Grundstückes 3029/2 des Beklagten angrenzend zur Nachbarliegenschaft 3028/1 bis zum Grundstück 3002 laut Beilage ./A festzulegen. Die Festlegung des Gehrechts (bloß) entlang der begehbaren Grundgrenze zur Nachbarliegenschaft 3028/1 führt damit nur zur teilweisen Stattgabe der Berufung.
Das Urteil war daher unter Berücksichtigung der unbekämpften Teile spruchgemäß abzuändern.
Dies führt zu einer neuen Kostenentscheidung in erster Instanz. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 und 2 ZPO. Die Kläger waren mit ihrem Klagebegehren nur teilweise erfolgreich, weil ihnen lediglich ein Gehrecht zukommt. Dass ihnen dieses nicht im Umfang des vollflächig eingefärbten Bereichs des Servitutsplans Beilage ./A zuzusprechen war, führt in diesem Punkt nur zu einem iSv § 43 Abs 2 ZPO geringfügigen – und damit kostenmäßig zu vernachlässigenden - Unterliegen. Wesentlich und entscheidend für die Nutzung und den Wert der Liegenschaften ist die Einräumung eines grundsätzlichen Rechts zum Zugehen. Damit sind die Kläger nur mit 40 % ihres Begehrens durchgedrungen (Wert des Gehrechts EUR 14.000,00; Restwert EUR 21.000,00 [Fahrtrecht und Stellplatz]), sodass sie dem Beklagten 20 % seiner zutreffend verzeichneten Vertretungskosten, das sind EUR 3.101,39 (darin EUR 516,89 USt), zu ersetzen haben. Die Kläger wiederum haben Anspruch auf 40 % der von ihnen bezahlten Pauschalgebühr (EUR 348,40).
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren gründet sich auf die §§ 50, 41, 43 Abs 2 ZPO. Auch hier ist das geringfügige Unterliegen durch Einschränkung des Gehrechts auf den Bereich entlang der Grundgrenze entsprechend der Einfärbung im Servitutsplan Beilage ./A kostenmäßig zu vernachlässigen. Damit haben die Kläger Anspruch auf Ersatz ihrer zutreffend verzeichneten Berufungskosten.
Die Bewertung des Entscheidungsgegenstands (allein des Gehrechts) mit EUR 30.000,00 übersteigend orientiert sich am Begehren auf Feststellung einer Dienstbarkeit des Zugangs zu einer über 7.000 m² große Liegenschaft samt Gebäude und dem damit verbundenen dementsprechenden Einfluss auf den Gesamtwert der Liegenschaft.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich im Berufungsverfahren über die einzelfallbezogene Beurteilung des Rechtsfalls hinausgehende Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht stellen und im übrigen nicht von der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof abgewichen wurde.