1R33/25s – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden sowie Dr. Stefan Estl und Dr. Christoph Freudenthaler in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. A* , geboren am **, Beamter i.R., **straße **, **, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei B* , geboren am **, Ingenieur-Mechaniker, **, **, vertreten durch Mag. Anton Karte, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 21.674,39 und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,00) , über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR EUR 26.674,39) gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. Februar 2025, Cg*-49, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 2.875,92 (darin EUR 479,32 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 30. April 2022 ereignete sich um 16.51 Uhr im Ortsgebiet von C* im Bereich der Kreuzung der B ** mit der D*straße vor dem Haus D*straße ** ein Verkehrsunfall, bei welchem einerseits der Kläger als Lenker eines E-Motorrades und andererseits der Beklagte als Lenker eines Fahrrades beteiligt waren. Zwischen den Streitteilen kam es zu keiner Kollision. Der Kläger kam aber auf der Fahrbahn der D*straße zu Sturz, wodurch er verletzt wurde.
Die D*straße mündet in die in West-Ost Richtung verlaufende B ** unter einem Winkel von zirka 70 Grad ein. Der Mündungstrichter der D*straße erreicht insgesamt eine Breite von 40 m. Die B ** ist im Kreuzungsbereich mit der D*straße durch mehrere Verkehrsinseln geteilt. Östlich der Kreuzung teilt eine Verkehrsinsel die B ** in zwei baulich getrennte Richtungsfahrbahnen. In Fahrtrichtung des Klägers sind dabei zwei Fahrstreifen vorgesehen, der rechte Fahrstreifen für das geradeaus Fahren und der linke (vom Kläger benützte) Fahrstreifen für das Linkseinbiegen in die D*straße. Von diesem Fahrstreifen kommend muss in die D*straße eine Richtungsänderung von zirka 110 Grad durchgeführt werden. Im Bereich der Kreuzung (mit der B **) befinden sich auf der D*straße zwei Verkehrsinseln, welche die Fahrbahn in insgesamt drei voneinander unabhängige Fahrbahnbereiche aufspalten. Der westlichste Fahrbahnbereich dient dem für den von der B ** in Richtung C* abbiegenden Verkehr. Dieser weist im Bereich der Unfallstelle (Sturzstelle) eine Breite von ca 4 m auf. Daran schließen in Richtung Osten gesehen – durch eine 2 m breite Verkehrsinsel getrennt – zwei Fahrstreifen an, bei welchen der linke zum Linkseinbiegen in die B ** (in westliche Richtung) und der rechte zum geradeaus Überfahren der B ** dient. Daran schließt in Richtung Osten gesehen nach Abtrennung durch eine weitere Verkehrsinsel ein Fahrstreifen an, welcher zum Einbiegen in die B ** in Fahrtrichtung Osten (**) dient.
Der westlichste Fahrstreifen der D*straße (für den von der B ** aus beiden Richtungen kommenden Verkehr eingerichtet) ist nach dem Ende der in Fahrtrichtung Zentrum C* gesehen links befindlichen Verkehrsinsel durchgehend mit einer Leitlinie vom restlichen Fahrbahnbereich der D*straße getrennt. Die weiter östlich auf der D*straße eingerichteten Fahrstreifen sind vom Zentrum C* kommend zunächst zueinander ebenfalls mit einer Leitlinie und etwa ab Höhe des Beginns der westlichen Verkehrsinsel zueinander durch eine Sperrlinie getrennt.
Die gesamte Kreuzung mit der B ** ist durch eine Verkehrslichtsignalanlage geregelt. Auf der B ** gilt im Unfallstellenbereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h. Auf der D*straße gilt ab einem Verkehrsschild „C*“ eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h. Dieses Verkehrsschild ist zirka 27 m innerhalb des Mündungstrichters aufgestellt.
Westlich der Kreuzung ist über die B ** ein Fußgängerübergang eingerichtet. Die Verkehrslichtsignalanlage für den Fußgängerübergang zeigt dabei nicht nur einen Fußgänger, sondern auch einen Radfahrer an.
Am Tag des vom Erstgericht durchgeführten Ortsaugenscheins verlief am westlichen Rand der D*straße im Bereich eines Gehsteigs ein Radweg, welcher unmittelbar vor dem Fußgängerübergang über die B ** endete bzw in der entgegengesetzten Richtung (in Richtung Zentrum C*) begann. Dies war mit den Verkehrszeichen „Radweg Ende“ und „Beginn Radweg“ gekennzeichnet. Zum Unfallszeitpunkt waren diese Verkehrszeichen (Radweg Ende, Radweg Beginn) noch nicht vorhanden.
Bei Benützung des Linksabbiegestreifens auf der B ** in Fahrtrichtung Westen (Fahrtrichtung des Klägers) verfügt man aus einer Position von ca 10 m vor der für den Kreuzungsbereich eingerichteten Haltelinie über eine uneingeschränkte Sicht in den gesamten Mündungstrichter der einmündenden D*straße.
Der Kläger begehrte insgesamt EUR 21.674,39 an Schmerzengeld sowie an Ersatz für Hilfeleistungen, Dienstleistungsschaden, Selbstbehalte für Behandlungskosten, Fahrtkosten zu Heilbehandlungen/Besuchskosten, Sachschäden und unfallkausale Spesen. Er brachte zusammengefasst vor, er sei mit seinem E-Motorrad von der B ** von E* kommend nach links in die D*straße Richtung C* abgebogen. Während seines Abbiegemanövers sei der Beklagte auf der D*straße vom Zentrum C* kommend mit seinem Fahrrad über die Fahrbahn gefahren und in den Fahrkanal des Klägers eingedrungen. Zur Verhinderung einer Kollision mit dem Beklagten habe der Kläger eine Vollbremsung eingeleitet, wodurch er zu Sturz gekommen sei.
Der Beklagte habe den Vorrang des Klägers verletzt. Sein Sturz sei daher ausschließlich auf das vorschriftswidrige Verhalten des Beklagten zurückzuführen. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass der Beklagte vor seiner beabsichtigten Überquerung der Fahrbahn der D*straße den Vorrang des Klägers beachten würde. Das bevorstehende Eindringen des Fahrrades des Beklagten in den Fahrkanal des Klägers sei erst 0,5 Sekunden bzw 1 m vor Erreichen der Leitlinie erkennbar gewesen. Aus diesem Grund sei der Kläger zur Verhinderung einer Kollision mit dem Fahrrad verhalten gewesen, eine Vollbremsung einzuleiten. Bei dieser Vollbremsung habe das Vorderrad blockiert und sei der Kläger dadurch zu Sturz gekommen. Dass er im Rahmen dieser Schreckreaktion über das für ihn nicht erwartbare Verhalten des Beklagten auch die Vorderradbremse betätigt habe, könne dem Kläger nicht vorgeworfen werden.
Der Kläger sei durch den Sturz verletzt worden und habe Sachschäden erlitten.
Aufgrund der erlittenen Verletzungen seien Spät- und/oder Dauerfolgen nicht auszuschließen. Aus diesem Grund habe der Kläger Anspruch auf Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftigen Folgen aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall.
Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, bei seinem geplanten Überqueren der Fahrbahn der D*straße in den vom Kläger benützten Fahrstreifen nicht eingefahren zu sein. Die Leitlinie in der Fahrbahnmitte habe er nicht überschritten. Das Fahrverhalten des Beklagten habe für den Kläger keine Veranlassung dargestellt, eine Vollbremsung einzuleiten. Vielmehr sei der Sturz des Klägers auf seine eigene Fehlreaktion zurückzuführen. Dieser sei kurvenschneidend in die D*straße eingebogen und habe ohne entsprechende Behinderung eine sturzauslösende Vollbremsung getätigt. Weiters sei der Sturz des Klägers auch auf ein fahrtechnisch falsches Bremsmanöver zurückzuführen. Der Kläger habe fälschlich die Vollbremsung auch mit der Vorderradbremse eingeleitet. Hätte er ausschließlich mit der Hinterradbremse gebremst, wäre der Sturz vermieden worden. Zur Kollision mit dem Beklagten wäre es dabei nicht gekommen.
Im ersten Rechtsgangwies das Erstgericht die Klage zur Gänze ab. Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht Folge. Mit Teilzwischenurteil sprach es aus, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Oberste Gerichtshof gab der zu 2 Ob 28/24t vom Beklagten erhobenen außerordentlichen Revision Folge, hob das Teilzwischenurteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Seinem Aufhebungsbeschluss legte er die Rechtsansicht zugrunde, dass das Fahrmanöver des Beklagten nicht unter § 7 Abs 4 StVO zu subsumieren sei. Vielmehr liege hier eine Vorrangsituation iSd § 19 Abs 7 StVO vor. Zwar habe eine Vorrangverletzung des Beklagten durch Eindringen in den Fahrkanal des Klägers nicht festgestellt werden können. Ob er den Kläger aber durch sein Fahrverhalten bei Annäherung an die Fahrbahnmitte zu einem jähen und unvermittelten Abbremsen genötigt und damit eine Vorrangverletzung iSd des § 19 Abs 7 StVO zu verantworten habe, könne aufgrund der bisherigen Feststellungsgrundlage noch nicht abschließend beantwortet werden. Es brauche dazu genauerer Feststellungen zur Position der Beteiligten bei wechselseitiger Sicht(-möglichkeit) und deren Fahrmanövern.
Mit dem nun im zweiten Rechtsgang neuerlich angefochtenen Urteil hat das Erstgerichtdie Klage wiederum zur Gänze abgewiesen. Über den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus legte es seiner Entscheidung den auf den Seiten 4 bis 7 des Urteils wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, worauf gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Hervorzuheben sind folgende, für das Berufungsverfahren wesentlichen, gerafft wiedergegebenen Feststellungen (die bekämpften Feststellungen sind in Kursivschrift gesetzt):
Der Kläger fuhr zum Unfallszeitpunkt mit seinem E-Motorrad auf der B ** von E* kommend und wollte an der Kreuzung mit der D*straße nach links in diese einbiegen. Da die Ampel zum Linksabbiegen zunächst auf Rotlicht geschaltet war, hielt er sein Fahrzeug unmittelbar hinter der Haltelinie an. Nach Umschalten auf Grünlicht begann der Kläger sein Linksabbiegemanöver in Richtung Zentrum C* und erreichte dabei bis zum Einfahren in den Fahrbahnbereich der D*straße eine Geschwindigkeit von ca 25 km/h.
Zeitgleich lenkte der Beklagte sein Fahrrad auf der D*straße vom Zentrum C* kommend, wobei er die B ** geradeaus weiterfahrend überqueren wollte. Er beabsichtigte vor der Kreuzung mit der B ** nach links über die D*straße zu dem dort am westlichen Fahrbahnrand befindlichen Gehsteig zuzufahren, um dann die B ** auf dem neben dem Schutzweg eingerichteten Radfahrerübergang queren zu können. Der Beklagte befand sich zunächst am rechten Fahrbahnrand der D*straße. Er blickte nach links zurück, ob jemand von hinten kommt. Danach blickte er nach rechts und bemerkte angehaltene Fahrzeuge. Er begann die Fahrbahn nach links zu überqueren und bemerkte bei Beginn des Überquerens den Kläger, welcher zu diesem Zeitpunkt bereits die Haltelinie überfahren hatte. Der Beklagte überquerte die Fahrbahn mit einer geringen Geschwindigkeit von zirka 5 bis 10 km/h und wurde im Verlauf des Überquerens langsamer. Ob er die D*straße dabei rechtwinkelig oder schräg nach rechts fahrend überquerte, kann nicht festgestellt werden. Letztendlich hielt der Beklagte sein Fahrrad an. Ob er mit seinem Fahrrad (Vorderrad) dabei in den vom Kläger benützten Fahrstreifen einfuhr, kann nicht festgestellt werden.
Der Kläger bemerkte beim Linkseinbiegen den sich auf der Fahrbahn der D*straße befindlichen Beklagten und leitete unmittelbar danach beim Überfahren der südlichen Randlinie der B ** eine Vollbremsung durch Betätigung der Vorder- und Hinterradbremse ein. Welcher Abstand zwischen dem Fahrrad des Beklagten und dem E-Motorrad des Klägers zum Zeitpunkt des Abbremsens des Klägers bestand, kann nicht festgestellt werden. Durch die auch im Bereich des Vorderrades eingeleitete Vollbremsung rutschte das E-Motorrad nach rechts weg, wodurch der Kläger zu Sturz kam. Hätte er ausschließlich mit der Hinterradbremse gebremst oder zusätzlich zur Hinterradbremse mit der Vorderradbremse nur leicht gebremst, wäre ein Sturz unterblieben.
Ob es ohne Abbremsen des E-Motorrades oder bei einem sturzverhindernden Bremsen des Motorrades zu einer Kollision mit dem Fahrrad des Beklagten gekommen wäre, kann nicht festgestellt werden.
Das Erstgericht hielt im festgestellten Sachverhalt außerdem fest, dass die vom Beklagten vorgenommene Fahrbewegung für den von der B ** in die D*straße einbiegenden Verkehr keine Veranlassung zu einem Bremsmanöver darstellte. In der Beweiswürdigung führte es zudem aus, dass die Fahrbewegung des Beklagten zuvor (Überqueren der Fahrbahn) für den Kläger keine Veranlassung zum Abbremsen seines E-Motorrades darstellte (US 11) .
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass ein Radfahrer durch Queren der Fahrbahn und Eindringen in den Fahrkanal eines bevorrangten Motorradfahrers gegen die Bestimmung des § 19 Abs 7 StVO verstoße und daher für die sich aus der dadurch veranlassten Bremsreaktion des Motorradfahrers ergebenden nachteiligen Folgen aus einem für den Motorradfahrer unvermeidlichen Sturz hafte. Im vorliegenden Fall sei dem dafür beweispflichtigen Kläger der Beweis aber nicht gelungen, dass der Beklagte in seinen Fahrkanal eingedrungen sei und somit eine Vorrangverletzung begangen habe. Das Fahrmanöver des Beklagten bis zu dessen Stillstand habe für den Kläger keine Veranlassung für eine Bremsung seines E-Motorrades dargestellt. Er habe den Kläger somit zu keiner Bremsreaktion genötigt. Ein Verschulden des Beklagten, bezogen auf die vom Kläger eingeleitete Bremsreaktion samt Sturz und den sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen, sei somit nicht objektiviert, sodass eine Haftung des Beklagten von vornherein ausscheide.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren vollinhaltlich statt zu geben.
Der Beklagte beantragte in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Rechtsrüge:
I.1.Aus Zweckmäßigkeitsgründen ist die Rechtsrüge des Klägers vorab zu behandeln. In dieser rügt er, das Erstgericht habe trotz der Vorgabe des Obersten Gerichtshofs in seiner in der gegenständlichen Sache ergangenen Entscheidung 2 Ob 28/24t, wonach es genauerer Feststellungen zur Position der Beteiligten bei wechselseitiger Sicht(Möglichkeit) und deren Fahrmanövern bedürfe, um die Frage des Vorliegens einer Vorrangverletzung durch den Beklagten beurteilen zu können, zu den konkreten Fahrmanövern der Streitteile nichts festgestellt. Es habe lediglich die Feststellung getroffen, dass die Fahrbewegung des Beklagten zuvor (Überqueren der Fahrbahn) für den Kläger keine Veranlassung zum Abbremsen seines E-Motorrades dargestellt habe. Da diese Feststellung in keiner Weise begründet bzw durch das Beweisverfahren nicht gedeckt sei und konkrete Feststellungen hinsichtlich der wechselseitigen Positionen und Sichtmöglichkeiten bei der Annäherung der beiden Fahrzeuglenker nicht getroffen worden seien, lägen neuerlich sekundäre Feststellungsmängel vor. Das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass sich der Kläger zu jenem Zeitpunkt, als der Beklagte sein Fahrrad im Zuge der Querungsbewegung der D*straße abgebremst habe, nur noch in einer Entfernung (in einem Abstand) von 5 m bzw 7 m von der Querungslinie des Beklagten befunden habe. Daran anknüpfend hätte sich ergeben, dass aufgrund der festgestellten Annäherungsgeschwindigkeit des Klägers von rund 25 km/h dieser bereits vor Verringerung der Geschwindigkeit des Beklagten beim Überqueren der Fahrbahn seine Bremsreaktion gesetzt habe. Davon ausgehend hätte das Erstgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Beklagte den Kläger durch sein Überqueren der D*straße zu einem jähen, unvermittelten Abbremsen genötigt habe, um eine ansonsten drohende Kollision zu verhindern. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts liege ein Verstoß gegen § 19 Abs 7 StVO nämlich nicht nur dann vor, wenn ein Radfahrer die Fahrbahn quere und in den Fahrkanal des bevorrangten Motorradfahrers eindringe, sondern bereits dann, wenn ein Verkehrsteilnehmer beim Überqueren der Straße den Bevorrangten bei Annäherung zur Fahrbahnmitte zu einem jähen und unvermittelten Abbremsen nötige. Ob der Beklagte somit letztendlich in den Fahrstreifen des Klägers eingedrungen sei oder nicht, sei irrelevant.
I.2. Diese Argumente verfangen nicht:
Der Kläger stützt seinen Schadenersatzanspruch auf eine Vorrangverletzung des Beklagten, wobei nach den Ausführungen im Aufhebungsbeschluss des OGH zu 2 Ob 28/24t hier die Schutznorm des § 19 Abs 7 StVO maßgeblich ist. Ihm oblag daher nach ständiger Rechtsprechung der Beweis, dass der Beklagte diese Schutznorm objektiv übertreten hat. Er hat demnach den von der Schutznorm erfassten Tatbestand, also das Bestehen einer Vorrangsituation zu beweisen (RS0112234; 2 Ob 23/09k).
Gemäß § 19 Abs 7 StVO darf der Wartepflichtige durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Vorrangberechtigten weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen. Ein Vorrangfall ist daher nur anzunehmen, wenn sich für den Vorrangberechtigten die Notwendigkeit eines unvermittelten Bremsens oder eines Auslenkens unmittelbar aus dem Einbiegen (Anm: bzw Queren) des Wartepflichtigen ergibt (2 Ob 52/07x 2 Ob 23/09k; RS0075077). Das Tatbild des Abs 7 leg cit ist also nur dann verwirklicht, wenn der Vorrangberechtigte zur Vermeidung eines Zusammenstoßes jäh bzw rasch bzw stark bzw plötzlich bremsen muss (vgl Pürstl , StVO-ON 16 § 19 E 173 mwN). Demgegenüber liegt keine Verletzung des Vorrangs vor, wenn der Lenker eines Fahrzeuges nur zu einem langsameren Fahren veranlasst wird, ohne dass dies „unvermittelt“ erfolgen muss ( Pürstl , StVO-ON 16 § 19 E 165 mwN). Auf die Notwendigkeit eines nicht unvermittelten Abbremsens des Fahrzeuges muss auch ein im Vorrang befindlicher Kfz-Lenker gefasst sein ( Pürstl , StVO-ON 16 § 19 E 167 mwN).
Im vorliegenden Fall traf das Erstgericht zum Abstand zwischen dem Fahrrad des Beklagten und dem E-Motorrad des Klägers zum Zeitpunkt des Abbremsens des Klägerseine Negativfeststellung (US 6 f). Damit steht gerade nicht fest, dass der Beklagte den Kläger – unabhängig davon, ob dieser nach dem EKHG dazu verpflichtet war, bereits vorsorglich auf eine allfällige Gefahrensituation zu reagieren – zu einer unvermitteltenBremsung iSd § 19 Abs 7 StVO genötigt hat, wofür der Kläger beweispflichtig gewesen wäre (vgl zur Beweispflicht obige Ausführungen; zudem OLG Innsbruck 2 R 183/12x). Auch wenn die vom Kläger als unrichtige Feststellung bekämpfte, tatsächlich aber eine rechtliche Beurteilung darstellende Konstatierung des Erstgerichts, wonach die Fahrbewegung des Beklagten, nämlich das Überqueren der Fahrbahn, für den Kläger keine Veranlassung zum Abbremsen seines E-Motorrades darstellte, nicht zutreffen mag, lässt die getroffene Negativfeststellung offen, ob nicht schon eine bloß leichte Verminderung der Geschwindigkeit des Klägers ausgereicht hätte, um eine Kollision zu vermeiden. Nachdem eine Nötigung iSd § 19 Abs 7 StVO nicht vorliegt, wenn dem Vorrangberechtigten nur eine geringfügige Ermäßigung seiner Geschwindigkeit zugemutet wird (RS0074524; 2 Ob 28/24t), ist die vom Kläger behauptete Vorrangverletzung durch den Beklagten hier somit nicht erwiesen.
Auf die als fehlend monierte Feststellung zum Abstand der Streitteile zu jenem Zeitpunkt, als der Beklagte sein Fahrrad abbremste, kommt es – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht an, weil dieser nach seinem eigenen Berufungsvortrag bereits davor gebremst hatte, sich aufgrund der unbekämpft gebliebenen zitierten Negativfeststellung aber eben nicht beurteilen lässt, ob er aufgrund der Entfernung der Streitteile bei der Einleitung seines Bremsmanövers zu einem unvermittelten, also jähen Abbremsen iSd § 19 Abs 7 StVO genötigt war. Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt damit nicht vor. Im Übrigen ergibt sich aus der Beweiswürdigung des Erstgerichts, dass der genaue Unfallhergang, insbesondere die Weg-/Zeit Relation des E-Motorrades des Klägers zum Fahrrad des Beklagten sich nicht objektivieren ließ und das Erstgericht dementsprechend keine konkreteren Feststellungen treffen konnte. Auch insofern ginge der ungeklärte Sachverhalt zu Lasten des Klägers.
Die Rechtsrüge ist daher nicht berechtigt.
II. Zur Verfahrensrüge:
II.1. In seiner Mängelrüge moniert der Kläger, das Erstgericht habe im zweiten Rechtsgang keinen Ortsaugenschein durchgeführt, obwohl der entsprechende Beweisantrag auch nach Aufhebung des Urteils im zweiten Rechtsgang von ihm aufrechterhalten worden sei. Nachdem das Erstgericht widersprüchliche bzw objektiv unrichtige Angaben des Beklagten, die für den Kläger von Vorteil gewesen wären, in seiner Beweiswürdigung damit relativiert habe, dass Entfernungen im Verhandlungssaal nicht so leicht abzuschätzen seien, wie an Ort und Stelle, hätte es neuerlich einen Ortsaugenschein durchführen müssen.
Weiters rügt er, dass seinem Antrag auf Ergänzung des kfz-technischen Sachverständigengutachtens nicht nachgekommen worden sei. Eine Gutachtensergänzung sei von ihm zum Beweis dafür beantragt worden, dass das Zufahren des Beklagten in einer schrägen Fahrlinie zum linken Fahrbahnrand der D*straße eine Veranlassung des Klägers zu einer starken Bremsung dargestellt habe, nachdem der Kläger wahrgenommen habe, dass der Beklagte in Richtung des gegenüberliegenden Fahrbahnrandes geblickt und ihn daher nicht gesehen habe. Weiters hätte damit unter Beweis gestellt werden können, dass zu jenem Zeitpunkt, als nach den Angaben des Beklagten in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Urfahr und vor der Polizei, aber auch nach den Angaben in der mündlichen Streitverhandlung vom 13. November 2024, der Beklagte zu bremsen begonnen habe, zwischen ihm und dem Kläger nur noch ein Abstand von 5 m bzw maximal 7 m vorhanden gewesen sei und für den Kläger daher keine Unfallverhinderungsmöglichkeit mehr bestanden hätte, wenn er erst darauf und nicht bereits auf die Annäherungsbewegung des Beklagten an seinen Fahrstreifen mit unveränderter Geschwindigkeit von 5 bis 10 km/h reagiert hätte.
Aufgrund der Blickrichtung des Beklagten sei für den Kläger klar gewesen, dass ihn der Beklagte nicht sehen würde und daher ohne einer prompten Reaktion eine Kollision bevorstehen würde, weshalb ein unmittelbarer Reaktionsanlass bestanden habe. Ein solcher Reaktionsanlass hätte durch eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens untermauert werden können.
II.2.1. Was die Frage der neuerlichen Durchführung eines Ortsaugenscheins betrifft, ist der Kläger nur darauf zu verweisen, dass er im zweiten Rechtsgang einen solchen nicht mehr explizit beantragt hat, womit ein Verfahrensfehler von vornherein nicht in Betracht kommt.
II.2.2. Mit seinen Ausführungen zur unterbliebenen Ergänzung des kfz-technischen Sachverständigengutachtens macht der Kläger einen Stoffsammlungsmangel geltend.
Von einem Stoffsammlungsmangel ist auszugehen, wenn das Absehen von einer beantragten Beweisaufnahme die Unrichtigkeit der Entscheidung zum Nachteil der rügenden Partei bewirkt haben könnte, die beantragte – de facto aber unterbliebene – Beweisaufnahme somit die Möglichkeit zur Erweiterung des Sachverhaltsbilds in eine für die antragstellende Partei in rechtlicher Hinsicht günstigere Richtung impliziert (OLG Innsbruck 2 R 157/24s; vgl auch RS0043049). Stoffsammlungsmängel müssen abstrakt geeignet sein, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen ( Klauser/Kodek, JN – ZPO 18§ 496 ZPO E 19/3 mwN).
Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage, ob eine Veranlassung des Klägers zu einer starken Bremsung vorlag, eine rechtliche (vgl OLG Innsbruck 1 R 148/23h) und damit der Beurteilung durch einen Sachverständigen von vornherein nicht zugänglich ist.
Unabhängig davon wäre ein Stoffsammlungsmangel zulasten des Klägers aber auch deshalb zu verneinen, da dieser selbst bereits im ersten Rechtsgang im Zuge seiner Parteieneinvernahme anlässlich der Tagsatzung vom 3. Juli 2023 angab, dass der Beklagte nicht zu ihm geschaut habe (ON 17.2, S 2). Schon zu diesem Zeitpunkt war nach seiner Aussage also klar, dass der Beklagte ihn nicht gesehen habe. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten beide Schilderungen – also die Unfallsvariante des Klägers und jene des Beklagten – beurteilt, konnte mangels objektiver Anhaltspunkte aber nicht klären, wo der Beklagte die D*straße gequert hat (ON 17.2, S 9). Der (maßgebliche) Abstand zwischen den Streitteilen bei Beginn des Bremsmanövers des Klägers blieb also offen; ein Stoffsammlungsmangel lag damit nicht vor. Wenn der Kläger nun meint, der Sachverständige hätte ergänzend zu den Auswirkungen der Blickrichtung des Beklagten befragt werden müssen, ist ihm – abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, welche geänderten Umstände der Sachverständige beurteilen hätte sollen – entgegenzuhalten, dass er dazu den Sachverständigen schon im ersten Rechtsgang befragen hätte können. Er hatte ausreichend Gelegenheit, sein Fragerecht an den Sachverständigen im Zusammenhang mit der Blickrichtung des Beklagten auszuüben. Vor diesem Hintergrund erweist sich der erst im zweiten Rechtsgang in der letzten Tagsatzung kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Ergänzung des kfz-technischen Sachverständigengutachtens auch als verspätet iSd § 179 ZPO.
Auch soweit sich der Kläger darauf beruft, die Ergänzung des Gutachtens wäre weiters zum Beweis dafür erforderlich gewesen, dass zu jenem Zeitpunkt als der Beklagte zu bremsen begonnen habe, zwischen diesem und ihm nur mehr ein Abstand von 5 m bis maximal 7 m bestanden habe, weshalb für ihn keine Unfallverhinderungsmöglichkeit mehr bestanden hätte, wenn er erst darauf und nicht bereits auf die Annäherungsbewegung des Beklagten reagiert hätte, sind seine Ausführungen nicht zielführend. Entscheidend ist nämlich nicht, ob der Kläger den Unfall noch verhindern hätte können, wenn er erst in jenem Zeitpunkt reagiert hätte, als der Beklagte zu bremsen begonnen hat. Maßgeblich ist, ob der bevorrangte Kläger durch das Fahrmanöver des Beklagten zu einem unvermittelten Bremsen iSd § 19 Abs 7 StVO genötigt wurde. Selbst nach seinem Berufungsvortrag hatte der Kläger bereits vor Beginn des Bremsmanövers des Beklagten zu bremsen begonnen. Entscheidend ist also, wie weit der Kläger bei Beginn seines Bremsmanövers vom Beklagten noch entfernt war. Insofern hat das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen, die durch die gegenständliche Verfahrensrüge auch nicht angegriffen wird, stellt diese doch nur auf den Abstand zwischen Kläger und Beklagtem bei Beginn des Bremsmanövers des Beklagten ab. Selbst wenn also der Beklagte tatsächlich erst zu bremsen begonnen haben sollte, als zwischen ihm und dem Kläger nur mehr ein Abstand von 5 m bis maximal 7 m bestanden hat, sagt das nichts darüber aus, wie weit der Kläger bei Einleitung seines Bremsmanövers noch vom Beklagten entfernt war und ob er dadurch zu einem unvermittelten Abbremsen genötigt wurde. Hinzu kommt, dass selbst nach dem Berufungsvortrag der behauptete geringe Abstand zwischen den Streitteilen im Zeitpunkt der Einleitung der Bremsung durch den Beklagten aufgrund dessen Angaben in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Urfahr sowie vor der Polizei bereits im ersten Rechtsgang bekannt war, sodass auch damit der Sachverständige vom Kläger bereits damals befasst werden hätte können und auch insofern der Ergänzungsantrag verspätet erfolgte.
II.3. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Antrag auf Gutachtensergänzung vom Kläger zum Beweis dafür gestellt wurde, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Bremsung des Beklagten die Streitteile noch 5 m bis maximal 7 m voneinander entfernt waren (vgl ON 42.2, S 6 f und Berufung S 3; vgl auch die begehrte Ersatzfeststellung, Berufung S 7), nicht hingegen zur Frage des Abstands zwischen dem Kläger und dem Beklagten bei Einleitung der Bremsung des Klägers , wie dies in der Berufung S 6 dargestellt wird.
II.3. Die Verfahrensrüge erweist sich somit als unberechtigt.
III. Zur Tatsachenrüge:
III.1.1. Der Kläger bekämpft zunächst folgende Feststellungen: Der Beklagte befand sich zunächst am rechten Fahrbahnrand der D*straße. Er blickte nach links zurück, ob jemand von hinten kommt. Dann blickte er nach rechts und bemerkte angehaltene Fahrzeuge.
III.1.2.Die Tatsachenrüge ist in dem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil der Kläger nicht angibt, welche Feststellung das Erstgericht stattdessen treffen hätte sollen (RS0041835). Um einer gesetzmäßigen Ausführung der Tatsachenrüge zu genügen, muss die begehrte Ersatzfeststellung deutlich herausgestellt und in voller Länge genannt werden ( Pochmarski/Tanczos/Kober in Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 4 S 174).
III.2.1. Der Kläger ficht weiters die Feststellung an, er (Anm: der Beklagte) begann die Fahrbahn nach links zu überqueren und bemerkte bei Beginn des Überquerens den Kläger, welcher zu diesem Zeitpunkt die Haltelinie überfahren hatte. Er begehrt deren Ersatz durch die Feststellung, der Beklagte habe den von rechts kommenden Kläger erst wahrgenommen, als er in der Mitte der Fahrbahn gewesen sei und er habe anschließend sein Fahrrad angehalten.
Der Kläger meint, aus seiner eigenen Aussage würde sich ergeben, dass der Beklagte zunächst nicht zu ihm gesehen, sondern in Richtung Asphaltrand bzw Straßenrand der D*straße geblickt habe. Der Beklagte habe dies im Wesentlichen auch bestätigt, indem er angegeben habe, nicht konkret sagen zu können, wo er hingeschaut habe. Im Übrigen hätte sich seine Verantwortung aber mehrfach und in entscheidungswesentlichen Punkten immer zu seinen jeweiligen in der Situation gegebenen Gunsten geändert.
III.2.2.Zunächst ist festzuhalten, dass die Erledigung einer Tatsachenrüge durch das Berufungsgericht unterbleiben kann, wenn der vom Erstgericht festgestellte und der davon abweichende, von der Beweisrüge angestrebte Sachverhalt zum gleichen rechtlichen Ergebnis führen (7 Ob 143/12y; RS0042386). Soweit der Kläger das festgestellte Erkennen von ihm durch den Beklagten bei Beginn dessen Überquerens der D*straße bekämpft und insofern festgestellt haben möchte, dass der Beklagte den von rechts kommenden Kläger erst wahrgenommen habe, als er in der Fahrbahnmitte gewesen sei und daraufhin sein Fahrrad angehalten habe, liegt eine Ergebnisrelevanz der begehrten Ersatzfeststellung nicht vor, weil – selbst wenn diese vom Erstgericht getroffen worden wäre – der in der Beweisrüge angestrebte Sachverhalt zum gleichen rechtlichen Ergebnis führt. Wie bereits zur Rechtsrüge ausführlich dargelegt, geht nämlich die unbekämpft gebliebene Negativfeststellung zum Abstand zwischen den Streitteilen zum Zeitpunkt des Abbremsens des Klägers zu dessen Lasten. Unabhängig davon, ob also der Beklagte den Kläger bereits zu einem Zeitpunkt bemerkt hat, als er sich noch am rechten Fahrbahnrand befand, oder erst, als er bereits im Bereich der Fahrbahnmitte war, ist auf Grund der zitierten Negativfeststellung nicht auszuschließen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Beginns seines Bremsmanövers noch so weit von einem möglichen Kollisionspunkt entfernt war, dass auch eine bloß leichte Bremsung ausgereicht hätte, um eine Kollision zu vermeiden. In dem Fall läge aber – wie dargelegt – das Tatbild des § 19 Abs 7 StVO nicht vor. Einer Überprüfung der bekämpften Feststellung bedarf es daher nicht (RS0042386; vgl auch Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 498, Rz 1).
Unabhängig davon ist die vom Kläger begehrte Ersatzfeststellung schon denklogisch nicht möglich. Nach seinen eigenen Ausführungen beläuft sich der Anhalteweg eines Radfahrers bei einer Geschwindigkeit von 5 km/h auf rund 2,5 m, bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 10 km/h sogar auf knapp 4 m (Berufung S 12). Hätte der Beklagte den Kläger daher entsprechend der begehrten Ersatzfeststellung tatsächlich erst wahrgenommen, als er sich bereits in der Mitte der Fahrbahn befand, hätte er bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 5 km/h diese noch um 2,5 m überfahren, wäre also 2,5 m in den vom Kläger benutzten Fahrstreifen eingedrungen. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 10 km/h hätte er überhaupt erst am aus seiner ursprünglichen Fahrtrichtung gesehen linken Fahrbahnrand der D*straße angehalten. Nachdem aber unstrittig ist, dass der Beklagte im Bereich der Mittellinie zum Stehen kam (ON 11, S 3), ist ein Erkennen des von rechts kommenden Klägers durch den Beklagten, als dieser sich bereits in der Mitte der Fahrbahn befand, auszuschließen.
Auch insofern ist die Tatsachenrüge also nicht berechtigt.
III.3.1. Schließlich wendet sich der Kläger gegen die Ausführungen des Erstgerichts in der Beweiswürdigung, wonach die Fahrbewegung des Beklagten zuvor (Überqueren der Fahrbahn) für den Kläger keine Veranlassung zum Abbremsen seines E-Motorrades darstellte.
Stattdessen strebt er folgende „Ersatzfeststellungen“ an: In jedem Fall war aber die Fahrbewegung des Beklagten zuvor, wo er mit 5 bis 10 km/h die Fahrbahn der D*straße überquert hat, geeignet, ein jähes und unvermitteltes Abbremsen des Klägers zu veranlassen, da bei Einleitung der Bremsung des Beklagten in Annäherung an den Richtung Ortsmitte führenden Fahrstreifen des Klägers, der Kläger nur noch 5 bis 7 m (5 m nach den Angaben des Beklagten im Strafverfahren, 7 m nach den Angaben des Beklagten in der letzten Verhandlung) entfernt war. Der Kläger hätte daher für den Fall, dass der sich mit 5 bis 10 km/h in Querrichtung annähernde Beklagte sein Fahrrad nicht (erst nach seiner Abbremsung ) vor der Mittellinie angehalten hätte, ohne sofortige Reaktion eine Kollision mit diesem nicht mehr verhindern können. Egal ob man nun den Angaben des Beklagten im Strafverfahren (wo die Verhandlung noch zeitlich näher zum Unfallgeschehen stattgefunden hat) oder dessen Angaben in der Verhandlung vom 13. November 2024 folgt, hat jedenfalls ein Überqueren der Fahrbahn des Beklagten mit 5 bis 10 km/h, egal ob diese Querungsbewegung nun schräg, oder im rechten Winkel zur Fahrbahnlängsachse erfolgt ist, einen unmittelbaren Reaktionsanlass für den Kläger bedeutet, da er ohne sofortige starke Bremsung für den Fall, dass der Beklagte seine Querung der Fahrbahn (wie vom Kläger erwartet) fortgesetzt hätte, eine Kollision nicht mehr verhindern hätte können. Auch wenn nicht festgestellt werden konnte, ob letztendlich der Beklagte in den Fahrstreifen des Klägers eingedrungen ist und dessen weitere Fahrlinie blockiert hat, hat im Sinne der Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes eine Nötigung des Klägers zu einer jähen und unvermittelten Abbremsung bestanden.
III.3.2. Dem Kläger ist insofern zu erwidern, dass es sich bei der monierten Konstatierung um keine Tatsachenfeststellung handelt, sondern um eine (dislozierte) rechtliche Schlussfolgerung, sodass die Tatsachenrüge in dem Umfang von vornherein ins Leere geht.
Darüber hinaus handelt es sich auch bei der von ihm angestrebten „Ersatzfeststellung“, die im Wesentlichen dahingehend zusammenzufassen ist, dass der Kläger „festgestellt“ haben möchte, dass das Fahrmanöver des Beklagten ihn zu einem unvermittelten Bremsen iSd § 19 Abs 7 StVO zwang, in Wahrheit um eine rechtliche Beurteilung und keine Ersatzfeststellung.
Einzig der Satz „Der Kläger hätte daher für den Fall, dass der sich mit 5 bis 10 km/h in Querrichtung annähernde Beklagte sein Fahrrad nicht (erst nach seiner Abbremsung) vor der Mittellinie angehalten hätte, ohne sofortige Reaktion eine Kollision mit diesem nicht mehr verhindern können“stellt eine mögliche Ersatzfeststellung dar. Mangels einer damit korrespondierenden bekämpften Feststellung ist die Tatsachenrüge insofern aber nicht gesetzmäßig ausgeführt und daher unbeachtlich (OLG Linz 1 R 51/20f, 1 R 12/23z, 108/23t; OLG Wien 7 Ra 99/15b ua). Im Hinblick auf die bereits mehrfach zitierte Negativfeststellung zum Abstand der Streitteile bei Einleitung der Bremsung durch den Kläger, wäre die begehrte „Ersatzfeststellung“ auch nicht entscheidungswesentlich, sodass insofern auch kein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt (vgl RS0053317 [T5]).
Die Tatsachenrüge ist also auch in diesem Umfang nicht erfolgreich.
III.4. Die vom Kläger (ohne eine konkrete Feststellung zu bekämpfen und somit als Tatsachenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt) begehrte Ersatzfeststellung, wonach die Frage, ob der Beklagte mit seinem Fahrrad den Fahrstreifen des Klägers so blockiert habe, dass der Kläger zu einer Bremsreaktion genötigt worden sei, unklar bleibe, hat das Erstgericht im Grunde ohnedies getroffen, indem es einen Negativfeststellung dazu traf, ob der Beklagte mit seinem Fahrrad (Vorderrad) in den vom Kläger benutzten Fahrstreifen einfuhr. Insofern liegt auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor.
III.5. Zusammenfassend gelingt es der Berufung des Klägers somit nicht, Bedenken gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung zu wecken, weshalb es bei den getroffenen Feststellungen zu bleiben hat.
IV. Insgesamt erweist sich die Berufung damit als unbegründet.
V.Der Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf §§ 50, 41 ZPO.
VI.Der Bewertungsausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO resultiert aus der Summe der einzelnen Leistungsbegehren und dem Feststellungsinteresse. Angesichts der derzeit nicht abschätzbaren Dauerfolgen für den Kläger ist sein Feststellungsinteresse so hoch einzuschätzen, dass die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000,00 übersteigt.
VII.Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zuzulassen, weil das Berufungsgericht den vorliegenden Einzelfall nach einer gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung beurteilen konnte.