JudikaturOLG Linz

11Rs12/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
26. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Adalbert Spitzl (Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Dragoljub Velebit (Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **, vertreten durch die Korn Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , Landesstelle **, **, **, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Berufung der beklagten Partei und den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. November 2024, Cgs* 30, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Berufung der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:

„1. Es wird festgestellt, dass die klagende Partei zum Feststellungszeitpunkt 1.3.2023 444 Beitragsmonate der Pflichtversicherung – Erwerbstätigkeit und 7 Ersatzmonate, daher insgesamt 451 Versicherungsmonate erworben hat.

2. Die von der klagenden Partei in der Zeit April 2015, September 2015, Oktober 2015, Dezember 2015, Jänner 2016, März 2016, Mai bis Oktober 2016, Jänner bis Dezember 2017, Jänner 2018, Februar 2018, April bis September 2018, Dezember 2018, Jänner bis Dezember 2019, Jänner bis März 2020, Juni 2020, Juli 2020, September 2020, Dezember 2020, Februar bis September 2021, November 2021, Dezember 2021, Februar 2022, Mai 2022, Juni 2022, August 2022, September 2022, Dezember 2022 und Februar 2023 erworbenen 69 Versicherungsmonate werden als Schwerarbeitszeiten festgestellt.

3. Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, dass die klagende Partei im Zeitraum 1.9.2010 bis 28.2.2023 weitere Versicherungsmonate als Schwerarbeitszeiten erworben habe, wird abgewiesen.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.041,70 (darin enthalten EUR 173,62 an USt) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

II. Die klagende Partei wird mit ihrem Kostenrekurs auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

EEntscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 5.5.2023, der auch eine Feststellung der zum Stichtag 1.3.2023 vom Kläger erworbenen Versicherungszeiten enthält, lehnte die Beklagte den Antrag des 1970 geborenen Klägers vom 6.2.2023 auf Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum vom 1.9.2010 bis 28.2.2023 ab.

Der Kläger begehrte mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage, die im oben angeführten Zeitraum erworbenen Versicherungsmonate als Schwerarbeitszeiten festzustellen. Er habe in diesem Zeitraum in einem 3-Schicht-Betrieb mit Schichten von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr, 4.00 Uhr bis 12.00 Uhr und 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr gearbeitet. Er arbeite während einer Schicht durchgehend ohne Pause, da er aufwändige Sudprozesse ununterbrochen über 8 Stunden über 8 Monitore steuern und überwachen müsse. Es könne jederzeit eine Störung eintreten, die sein sofortiges Eingreifen erfordere, widrigenfalls hoher Schaden entstehen könne. Er müsse selbst während einer Jause weiterarbeiten und die Bildschirme im Auge behalten. Es liege keine echte Ruhepause vor. Die Anspruchsvoraussetzungen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV seien erfüllt, weil der Kläger stets zumindest an 6 Arbeitstagen im Kalendermonat jeweils im Ausmaß von mindestens 6 Stunden im Schicht- und Wechseldienst auch während der Nacht zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr gearbeitet habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger habe täglich 30 Minuten Arbeitspausen konsumiert. Es sei davon auszugehen, dass bei einer Arbeitszeit von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr die Arbeitspausen zwischen 22.00 Uhr und 4.00 Uhr fallen, weshalb keine 6 Stunden innerhalb von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistet würden. Im Übrigen liege auch keine taggenaue Aufzeichnung der Nachtdienste vor.

Mit dem angefochtenen Urteil, in das auch die im Bescheid festgestellten, vom Kläger nicht bekämpften Versicherungszeiten aufgenommen wurden, gab das Erstgericht der Klage teilweise statt. Es stellte fest, dass der Kläger folgende Schwerarbeitsmonate gemäß § 4 Abs 4 APG iVm § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV erworben hat: September 2010, Dezember 2010, Februar 2011, Mai bis September 2011, Dezember 2011, Februar 2012, Mai bis September 2012, Dezember 2012, Februar 2013, Mai bis September 2013, Dezember 2013, Februar 2014, Mai bis September 2014, Dezember 2014, April 2015, September 2015, Oktober 2015, Dezember 2015, Jänner 2016, März 2016, Mai bis Oktober 2016, Jänner bis Dezember 2017, Jänner 2018, Februar 2018, April bis September 2018, Dezember 2018, Jänner bis Dezember 2019, Jänner bis März 2020, Juni 2020, Juli 2020, September 2020, Dezember 2020, Februar bis September 2021, November 2021, Dezember 2021, Februar 2022, Mai 2022, Juni 2022, August 2022, September 2022, Dezember 2022 und Februar 2023. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht (unbekämpft) ab und verpflichtete die Beklagte zum Kostenersatz in Höhe von EUR 1.041,70. Es legte den auf den Seiten 3 bis 6 ersichtlichenSachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Diese Feststellungen sind auszugsweise wie folgt wiederzugeben, wobei die von der Berufung bekämpften Feststellungen kursiv gesetzt sind:

Der Kläger ist seit August 1993 ohne Unterbrechung als Brauer und Mälzer (Facharbeiter) bei der Firma C* GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist aufrecht.

Im Zeitraum vom 1.9.2010 bis 28.2.2023 hat die Arbeitszeit des Klägers (Regelarbeitszeit) 38,5 Wochenstunden betragen. Die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage erfolgte in einem Schichtrhythmus in Form eines 3-Schicht-Betriebes mit einer Nachtschicht (20.00 Uhr bis 4.00 Uhr), gefolgt von einer Frühschicht (4.00 Uhr bis 12.00 Uhr) und anschließenden Nachmittagsschicht (12.00 bis 20.00 Uhr). Die konkreten Arbeitszeiten des Klägers und auch seine Schichtsystematik weichen davon ab.

Mit Berücksichtigung von Art XI Abs 6 NSchG hat der Kläger im Zeitraum vom 1.1.2015 bis 28.2.2023 an folgenden Monaten zumindest 6 Stunden Nachtarbeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistet:

2015: April, September, Oktober und Dezember (4 Monate)

2016: Jänner, März, Mai bis Oktober (8 Monate)

2017: Jänner bis Dezember (12 Monate)

2018: Jänner, Februar, April bis September, Dezember (9 Monate)

2019: Jänner bis Dezember (12 Monate)

2020: Jänner, Februar, März, Juni, Juli, September, Dezember (7 Monate)

2021: Februar bis September, November, Dezember (10 Monate)

2022: Februar, Mai, Juni, August, September, Dezember (6 Monate)

2023: Februar (1 Monat)

Im Zeitraum vom 1.9.2010 bis 31.12.2014 hat der Kläger in folgenden Monaten zumindest 6 Stunden Nachtarbeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistet: September 2010, Dezember 2010, Februar 2011, Mai bis September 2011, Dezember 2011, Februar 2012, Mai bis September 2012, Dezember 2012, Februar 2013, Mai bis September 2013, Dezember 2013, Februar 2014, Mai bis September 2014 und Dezember 2014.

Die Ruhepause des Klägers beträgt pro Schicht 30 Minuten. Der Kläger konsumiert diese vom Arbeitgeber bezahlte Pause in der Form, dass er während der gleichzeitigen Verrichtung seiner Tätigkeit am Leitstand (Kontrolle der Monitore) eine Jause zu sich nimmt. Der Kläger kann während der Schicht den Arbeitsplatz nicht verlassen, um seine Pause in einem Aufenthaltsraum zu konsumieren, da es sich um 1-Mann-Schichten handelt. Die zeitliche Lage der Pause während einer Schicht wird von jedem Mitarbeiter (so auch vom Kläger) individuell gewählt und ist vom jeweiligen Betriebsablauf abhängig. Die Lage der Ruhepause des Klägers ist weder im Vorhinein noch innerhalb eines bestimmten Zeitraums festgelegt.

In der rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass die Ruhepause des Klägers aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung nicht die gesetzlichen Anforderungen an eine „echte“ Ruhepause erfülle. Ausgehend davon, dass es für das Vorliegen von Schwerarbeitszeiten nach § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV maßgeblich auf das Vorliegen von besonders belastenden Arbeitsbedingungen aufgrund der unregelmäßigen Nachtarbeit im Rahmen eines Schicht- oder Wechseldienstes ankomme, würden vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer beidseits tolerierte Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz wie hier die Nichtkonsumation gesetzlich vorgeschriebener Ruhepausen die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten nicht hindern. Unter Einschluss der Ruhepausenzeiten habe der Kläger die in den Feststellungen angeführten Schwerarbeitsmonate im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV nachgewiesen.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem primär auf vollinhaltliche Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag.

Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.

Gegen die im Urteil enthaltene Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Beklagte zum Ersatz der Prozesskosten des Klägers in Höhe von insgesamt EUR 1.623,65 zu verpflichten.

Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Die Berufung der Beklagten ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Berufung der Beklagten:

A. Zur Beweisrüge:

1.1 Die Berufung bekämpft zunächst die oben kursiv wiedergegebenen Feststellungen zum Zeitraum vom 1.9.2010 bis 31.12.2014, wobei hier (unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Beweiswürdigung) ganz offensichtlich die Erbringung von zumindest 6 x 6 Stunden Nachtarbeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr im jeweiligen Monat gemeint ist. Ersatzweise werden Negativfeststellungen angestrebt. Aufgrund beachtlicher Argumente in der Berufung sah sich der Berufungssenat veranlasst, von den bekämpften Feststellungen abzugehen. Dies konnte ohne neuerliche Beweisaufnahme und erfolgen, weil nach Richterwechsel vor den das Urteil fällenden Richtern der gesamte Akteninhalt einverständlich verlesen wurde (vgl RS0041404; siehe auch RS0042533, RS0118509, RS0040610).

1.2 Folgende abweichenden

Feststellung en

werden getroffen:

Im Zeitraum 1.9.2010 bis 31.12.2014 ist es mitunter vorgekommen, dass der Kläger zumindest 6 Nachtschichten (von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr) in einem Monat geleistet hat. Es kann aber nicht festgestellt werden, in welchen Monaten dies der Fall war. Auch die Gesamtanzahl der Monate ist nicht feststellbar.

1.3 Diese Feststellung beruht auf folgender

Beweiswürdigung:

Zunächst ist festzuhalten, dass nur für den Zeitraum ab dem Jahr 2015, nicht aber für den davor liegenden Zeitraum Arbeitszeitaufzeichnungen vorliegen. Bei einem derartigen Beweisproblem im Zusammenhang mit der Feststellung von Schwerarbeitszeiten hat das Oberlandesgericht Linz zu 12 Rs 119/24t ausgeführt, dass dann, wenn Aufzeichnungen für einen gewissen Zeitraum als Beweismittel zur Verfügung stehen, auf die Arbeitszeit in anderen Zeiträumen immerhin geschlossen werden kann, soweit nach den übrigen Beweisergebnissen keine Änderung in der Arbeitsgestaltung eingetreten ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Während der Kläger ab dem Jahr 2015 als regulärer Brauer tätig war, wurde er zuvor als Springer eingesetzt (vgl ZV D*, ON 19.2/S 6). Der Kläger meinte zwar im Rahmen der ergänzenden Befundaufnahme durch den berufskundlichen Sachverständigen, dass vor dem Jahr 2015 im alten Sudhaus gearbeitet worden sei, die Nachtschichttage pro Monat in der Anzahl keinesfalls geringer als nach 2015 gewesen seien, sehr häufig auch am Wochenende durchgearbeitet worden sei und die Belastungen durch Nachtschichtarbeit respektive Wechselschichtdienst in dieser Zeit sogar etwas höher als nach 2015 gewesen seien (ON 24/S 20). Demgegenüber gab der Vorgesetzte des Klägers, D*, im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme an, dass der Kläger auch vor 2015 Nachtschichten verrichtet und die Tätigkeit wie heute ausgeübt habe, jedoch nicht in diesem Ausmaß (ON 19.2/S 6). Angesichts dieser Verfahrensergebnisse empfahl selbst der berufskundliche Sachverständige bloß, den „Prozentwert“ der ermittelten Schwerarbeitsmonate ab 2015 auch für den Zeitraum davor anzuwenden (ON 24/S 20 f). Weiters ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Nachtschichten in den jeweiligen Vergleichsmonaten im Zeitraum 2015 bis 2022 variierte und nur der September durchgängig als Schwerarbeitsmonat festgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund ist zwar davon auszugehen, dass es durchaus auch vorgekommen ist, dass der Kläger im Zeitraum September 2010 bis Ende 2014 zumindest 6 Nachtschichten (von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr) in einzelnen Monaten geleistet hat. Eine monatsbezogene Zuordnung ist aber mit ausreichender Sicherheit ebenso wenig möglich wie die Feststellung der Gesamtanzahl dieser Monate.

2.1 Die Berufung bekämpft weiters die oben kursiv wiedergegebenen Feststellungen zur Ruhepause samt der nicht wiedergegebenen Feststellung, dass der Kläger im Zeitraum vom 1.1.2015 bis 28.2.2023 an folgenden [sodann tabellarisch wiedergegebenen] Tagen pro Monat zumindest 6 Stunden Nachtarbeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistet hat. Ersatzweise soll festgestellt werden, dass der Kläger im Zeitraum vom 1.1.2015 bis 28.2.2023 an folgenden Tagen pro Monat unter Außerachtlassung der konsumierten Ruhepause von 30 Minuten zumindest 6 Stunden zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr Dienst gehabt habe und der Kläger diese vom Arbeitgeber bezahlte Pause in der Form konsumiere, dass er am Arbeitsplatz eine Jause zu sich nimmt. Der Kläger könne während der Schicht den Arbeitsplatz für Toilettengänge verlassen. Es handle sich um 1-Mann-Schichten.

2.2 Die Berufung meint, dass aus den Angaben des Zeugen D* und den korrigierten Angaben des Klägers hervorgehe, dass der Kläger wenn auch am Arbeitsplatztatsächlich eine 30-minütige Pause konsumiere. Dem ist zu erwidern, dass der Zeuge D* meinte, dass der Arbeiter während der Pause den Arbeitsplatz nicht verlassen könne und der Kläger auch während der Arbeitspause seine Tätigkeit weiter verrichte (ON 19.2/S 5 f). Dies deckt sich mit den Schilderungen des Klägers, wonach sich die Pause so darstelle, dass er im Leitstand tätig sei und die Bildschirme überwachen müsse, er zwar in einer bestimmten Form die Pause ja auch konsumiere, weil er eine Jause zu sich nehme, dabei aber den Arbeitsplatz nicht verlasse und gleichzeitig weiter die Bildschirme beobachte (ON 19.2/S 3 f). Daraus folgt übereinstimmend, dass der Kläger während der von ihm gewählten „Pause“ den Arbeitsplatz aufgrund fortlaufender Kontrolltätigkeit nicht verlassen kann. Demnach bestehen nicht die geringsten Bedenken an der Richtigkeit der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, das im gegebenen Zusammenhang noch weitergehende zutreffende Überlegungen (§ 500a ZPO) angestellt hat. Die Feststellungen zur „Pausengestaltung“ werden demnach unverändert der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt (§ 498 Abs 1 ZPO).

2.3 Ergänzend ist noch festzuhalten, dass die von der Berufung angestrebte Ersatzfeststellung, der Kläger könne während der Schicht den Arbeitsplatz für Toilettengänge verlassen, mit den bekämpften Feststellungen zur Pausengestaltung nicht in Widerspruch steht. Dabei handelt es sich in Wahrheit um einen geltend gemachten sekundären (rechtlichen) Feststellungsmangel, auf den im Rahmen der Ausführungen zur Rechtsrüge einzugehen ist.

Dies gilt auch für die von der Berufung angestrebte weitere Feststellung zur zeitlichen Lage der 30-minütigen Ruhepause.

B. Zur Rechtsrüge:

Die Berufung meint, dass der Kläger die zeitliche Lage der Ruhepause frei wählen könne, weshalb die Voraussetzungen einer echten Ruhepause erfüllt seien. Im entgegengesetzten Fall widerspreche die Pausengestaltung den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer tolerierte Regelverstöße gegen das Arbeitszeitgesetz würden aber die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten hindern, wäre doch sonst einer Unterwanderung der zum Arbeitnehmerschutz aufgestellten Normen Tür und Tor geöffnet.

Dazu ist auszuführen:

1.1 § 1 SchwerarbeitsV trägt die Überschrift „Besonders belastende Berufstätigkeiten“. § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV lautet:

„Als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, gelten alle Tätigkeiten, die geleistet werden

1. in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), das heißt zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden und zumindest an sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt, …“

1.2 Wesentliches Wesensmerkmal des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ist der notwendige Wechsel zwischen Tag- und Nachtdienst (RS0126106). Dieser Wechsel ist im gesamten hier zu beurteilenden Zeitraum unstrittig gegeben.

1.3 § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV stellt nicht auf die nach § 4 SchwerarbeitsV erforderliche Anzahl von Schwerarbeitstagen ab, sondern auf das Vorliegen von lediglich sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, an denen in einzelnen Schicht- oder Nachtdiensten unregelmäßige Nachtarbeit geleistet wurde (10 ObS 81/22t mwN).

2.1 Bei der Nachtarbeit ist die Tätigkeit nicht entscheidend; vielmehr kommt es auf das Kriterium „Nacht“ an. In diesem Sinn fallen auch „leichtere“ berufliche Tätigkeiten unter diesen Tatbestand (RS0126107). Bei der Beurteilung der Frage, ob Schwerarbeitszeiten im Sinne der SchwerarbeitsV vorliegen, kommt es entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung der vom Versicherten im maßgebenden Zeitraum tatsächlich verrichteten Tätigkeit an (10 ObS 81/22t mwN). Dabei sind echte Ruhepausen zumindest in dem Umfang, in dem sie weder gesetzlich als Arbeitszeiten gelten noch in die Arbeitszeit einzurechnen sind, nicht als Zeiten einer Tätigkeit zu berücksichtigen (10 ObS 81/22t = RS0126107 [T1] = RS0134224).

2.2 Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 AZG ist Arbeitszeit im Sinn des AZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. § 11 Abs 1 AZG normiert, dass die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden beträgt. Demnach zählt die Ruhepause grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit (RS0051370 [T1], RS0051930 [T1]) und ist daher, sofern nichts anderes vereinbart ist, auch nicht zu bezahlen (vgl RS0102995 [T4]). Damit eine „Pause“ als Ruhepause im Sinn des § 11 Abs 1 AZG anerkannt werden kann, muss sie ihrer Lage nach für den Arbeitnehmer vorhersehbar sein (sich also an einer im Vorhinein definierten zeitlichen Position im Rahmen der Arbeitszeiteinteilung befinden) oder vom Arbeitnehmer innerhalb eines vorgesehenen Zeitraums frei gewählt werden können. Überdies muss sie echte Freizeit sein; der Arbeitnehmer muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können (RS0051919 [T3], RS0102995 [T1]).

Dies ist hier nach den vom Berufungsgericht insofern aufrecht erhaltenen Feststellungen des Erstgerichts nicht der Fall, weil der Kläger während der vom Arbeitgeber bezahlten Pause seine Kontrolltätigkeit am Leitstand fortsetzen muss, da es sich um 1-Mann-Schichten handelt.

2.3 Gemäß § 11 Abs 3 AZG sind bei Arbeiten, die werktags und sonntags einen ununterbrochenen Fortgang erfordern, den in Wechselschichten beschäftigten Arbeitnehmern anstelle der Pausen im Sinn des § 11 Abs 1 AZG Kurzpausen in angemessener Form zu gewähren. Eine derartige Pausenregelung kann auch bei sonstiger durchlaufender mehrschichtiger Arbeitsweise getroffen werden. Gemäß § 11 Abs 4 AZG ist Arbeitnehmern, die Nachtschwerarbeit im Sinne des Art VII Abs 2 oder 4, einer Verordnung nach Art VII Abs 3 oder eines Kollektivvertrages gemäß Art VII Abs 6 NSchG leisten, während jeder Nacht, in der diese Arbeit geleistet wird, jedenfalls eine Kurzpause von mindestens zehn Minuten zu gewähren. Mit dem Arbeitsablauf üblicherweise verbundene Unterbrechungen in der Mindestdauer von zehn Minuten, die zur Erholung verwendet werden können, können auf die Kurzpausen angerechnet werden. Gemäß § 11 Abs 6 AZG gelten Kurzpausen im Sinn des § 11 Abs 3 und 4 AZG als Arbeitszeit.

Aufgrund des Umstands, dass der Kläger während der vom Arbeitgeber bezahlten Pause seine Kontrolltätigkeit am Leitstand fortsetzen muss, weil es sich um 1-Mann-Schichten handelt, wurde zweifellos auch die Pausenregelung des § 11 Abs 3 und 4 AZG nicht eingehalten.

3.1 Damit ist im vorliegenden Fall die Frage zu beantworten, ob die Kohärenz der Bestimmungen (zwischen AZG und SchwerarbeitsV) so weit geht, dass nur dem Arbeitszeitrecht entsprechende Dienste Schwerarbeitszeiten begründen können, also mit den Worten der Beklagten fortgesetzte Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz nicht mit Schwerarbeitsmonaten honoriert werden können. Dazu hat der Oberste Gerichtshof soweit ersichtlich (vgl 10 ObS 145/23f) bislang noch nicht Stellung genommen.

3.2 Der Berufungssenat teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung des Erstgerichts (§ 500a ZPO), dass ausgehend davon, dass es für das Vorliegen von Schwerarbeitszeiten nach § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV maßgeblich auf das Vorliegen von besonders belastenden Arbeitsbedingungen aufgrund der unregelmäßigen Nachtarbeit im Rahmen eines Schicht- oder Wechseldienstes ankommt, vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie hier beidseits tolerierte Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz nämlich die Nichtkonsumation gesetzlich vorgeschriebener Ruhepausendie Anerkennung von Schwerarbeitszeiten nicht hindern kann. Dafür spricht insbesondere auch § 11 Abs 6 AZG, der festlegt, dassvon § 11 Abs 1 AZG zulässiger Weise abweichende Kurzpausen im Sinn des § 11 Abs 3 und 4 AZG als Arbeitszeit gelten.

4. Insgesamt folgt daraus, dass der Kläger während seiner im Zeitraum von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr situierten Nachtschicht 6 Stunden Nachtarbeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr, namentlich von 22.00 Uhr bis 4.00 Uhr, geleistet hat, weil die 30-minütige Ruhepause nicht von der Arbeitszeit abzuziehen ist. Demnach bleibt es bei den vom Erstgericht festgestellten Schwerarbeitsmonaten im Zeitraum 2015 bis Februar 2023.

5. Die vom Berufungsgericht abgeänderte Sachverhaltsgrundlage für den Zeitraum 1.9.2010 bis 31.12.2014 führt hingegen dazu, dass für diesen Zeitraum keine Schwerarbeitsmonate festgestellt werden können. Die Feststellung der Versicherungszeiten und Schwerarbeitszeiten nach § 247 ASVGals „vorgezogener Teil“ eines Leistungsverfahrens (RS0084976)muss nämlich die in Monate zusammengefassten Versicherungszeiten sowie deren zeitliche Lage erfassen (vgl RS0084976 [T5]). Dies ist aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht möglich.

C. Zusammenfassung, Kosten und Zulässigkeitsausspruch:

1. In teilweiser Stattgebung der Berufung der Beklagten waren daher die vom Erstgericht im Zeitraum 1.9.2010 bis 31.12.2014 festgestellten Schwerarbeitsmonate klagsabweisend abzuändern.

2.1 Die Kostenentscheidung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG. Der Kläger ist mit seinem Feststellungsbegehren zum Teil durchgedrungen, sodass ihm wie verzeichnet vollständiger Kostenersatz auf Basis EUR 3.600,-- zusteht ( Neumayrin ZellKomm³ § 77 ASGG Rz 16).

2.2 Eine Aushändigung des Kostenverzeichnisses im erstinstanzlichen Verfahren ist nicht aktenkundig, weshalb das Gericht auch bei Fehlen von Einwendungen im Sinn des § 54 Abs 1a Satz 2 ZPO alle Kostenpositionen zu überprüfen hat (1 Ob 76/15f = RS0130170).

a. Der Beurteilung ist folgender bereits vom Erstgericht dargelegter Verfahrensgang zugrunde zu legen:

Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 5.2.2024 aufgetragen, binnen vier Wochen auszuführen, wie viele Nachtdienste (im Ausmaß von mindestens 6 Stunden zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr) in den einzelnen Kalendermonaten im Zeitraum von 1.9.2010 bis 28.2.2023 geleistet wurden, und das Vorbringen durch die Vorlage von Schichtplänen und/oder Arbeitszeitaufzeichnungen nachzuweisen (ON 12). Darauf reagierte der Kläger am 5.3.2024 bloß mit der Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen für die Jahre 2015 bis 2023 (ON 13), worauf dem Kläger mit Beschluss vom 7.3.2024 erneut aufgetragen wurde, binnen zwei Wochen zum Zweck der Überprüfung durch den Sachverständigen auszuarbeiten, in welchen Monaten nach Ansicht des Klägers die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV erfüllt werden (ON 14). Hierauf reagierte der Kläger am 19.3.2024 mit einem (allein in der Sphäre des Klägers liegenden) Fristerstreckungsantrag (ON 15). Erstmals mit Schriftsatz vom 29.3.2024 erstattete der Kläger dem Gerichtsauftrag entsprechend ein Vorbringen zu den seiner Ansicht nach vorliegenden Schwerarbeitsmonaten mit Rücksicht auf Art XI NSchG, jedoch wiederum unter Außerachtlassung versicherungspflichtiger Arbeitsunterbrechungen (ON 16), welches Vorbringen erst mit weiterem Schriftsatz vom 29.4.2024 (ON 18) nachgeholt wurde. In der Tagsatzung am 30.4.2024 erläuterte die Klagevertretung, dass es sich entgegen der Annahme der Vorsitzenden bei der Auswertung ON 16 und ON 18 um keine vollständige Auswertung der Beilagen ./C bis ./K handle, sondern vielmehr die Klagevertretung die Auffassung vertritt, dass sich bei einer detaillierten Auswertung der Beilagen ./C bis ./K noch weitere Schwerarbeitsmonate ergeben müssten. Der Kläger erstattete sodann letztmalig mit Schriftsatz vom 22.5.2024 noch einmal ein ergänzendes Vorbringen zum Vorliegen von Schwerarbeitsmonaten im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV (ON 22).

b. Grundgedanke des § 41 Abs 1 ZPO ist, dass ein Ersatzanspruch nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten besteht (RS0035774 [T1]). Notwendig ist jede Aktion, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erreicht werden kann (vgl RS0035774 [T2]).

c. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht ist kein Grund ersichtlich, warum nicht bereits dem ersten gerichtlichen Auftrag vom 5.2.2024 vollinhaltlich entsprochen hätte werden können. Mit Schriftsatz vom 5.3.2024 wurden sämtliche zur Verfügung stehenden Urkunden vorgelegt, weshalb ein vollständiges Vorbringen entsprechend dem Gerichtsauftrag möglich gewesen wäre. Damit gebührt für die Schriftsätze ON 13, 15, 16, 18 und 22 nur das Honorar für einen Schriftsatz nach TP 3A RATG.

d. Die weiteren Positionen (Vollmachtsbekanntgabe, Verhandlungen vom 30.4.2024 und 25.11.2024) wurden korrekt verzeichnet.

e. Insgesamt folgt daraus ein Prozesskostenersatz für das erstgerichtliche Verfahren von EUR 1.0141,70 brutto.

2.3 Die Kosten für die Berufungsbeantwortung wurden korrekt verzeichnet.

3. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob die Kohärenz der Bestimmungen so weit geht, dass nur dem Arbeitszeitrecht entsprechende Dienste Schwerarbeitszeiten begründen können, bislang noch nicht Stellung genommen hat.

II. Zum Rekurs des Klägers:

Der Kläger ist mit seinem Kostenrekurs auf die vorangeführte Entscheidung zu verweisen (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.85).