Rückverweise
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 16.7.2025, GZ **-21, nach der am 6.11.2025 in Anwesenheit des Schriftführers RP Mag. Cvijetic, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, des Angeklagten und seiner Verteidigerin RA Dr. Christine Fischer-Lode öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag
I. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird F o l g egegeben und die Freiheitsstrafe in Anwendung des § 39 Abs 1a StGB auf zweieinhalb Jahre a n g e h o b e n .
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
II. beschlossen:
Infolge Abänderung des Strafausspruchs wird der Beschluss nach § 494a StPO a u f g e h o b e nund nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO die bedingte Entlassung zu ** des Landesgerichts Feldkirch w i d e r r u f e n .
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein in Rechtskraft erwachsenes Adhäsionserkenntnis betreffend einer Privatbeteiligten enthält, wurde der ** geborene Angeklagte A* zu 1./ des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB sowie zu 2./ und 3./ je eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Demnach habe erin ** seine Lebensgefährtin B* vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch zu 1) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zugefügt, indem er ihr
Hierfür verhängte der Einzelrichter über den Angeklagten nach § 84 Abs 4 StGB in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB (und des § 39 Abs 1a StGB [vgl US 9]) eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten und verpflichtete ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Eine Anrechnung der erfolgten Anhaltung vom 4.3.2025, 18.53 Uhr bis 20.37 Uhr (vgl ON 2.2, 3 und 5) unterblieb.
Unter einem fasste der Einzelrichter den Beschluss die dem Angeklagten zu ** des Landesgerichts Feldkirch gewährte bedingte Entlassung (Strafrest ein Monat) nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO zu widerrufen.
Während der Angeklagte dieses Urteil unangefochten ließ, bekämpft es die Staatsanwaltschaft Feldkirch mit einer rechtzeitig angemeldeten (ON 22) und in der Folge fristgerecht schriftlich ausgeführten Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, die in den Antrag mündet, die Strafe schuld- und tatangemessen zu erhöhen (ON 24).
In seinen Gegenausführungen beantragt der Angeklagte, dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft keine Folge zu geben (ON 25).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass die auf Strafverschärfung abzielende Berufung im Recht sei.
Die Berufung ist berechtigt.
Dieser ist voranzustellen, dass das Erstgericht dem Strafausspruch die Bestimmung des § 39 Abs 1a StGB zugrunde legte, deshalb von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe ausging (US 9) und lediglich im Erkenntnis die genannte Bestimmung nicht anführte. Ausgehend davon und der zutreffenden Annahme des Erstgerichts, wonach die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1a StGB vorliegen, war nunmehr vom Berufungsgericht dessen Anwendung in das Erkenntnis aufzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0133600 [T2]).
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das zu den Schuldsprüchen 2./ und 3./ abgelegte reumütige Geständnis des Angeklagten, welches auch zur „Tataufklärung“ beigetragen habe, mildernd. Das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen, das Vorliegen von „11“ einschlägigen Vorstrafen, der äußerst rasche Rückfall und die Begehung „einer“ vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen Leib und Leben zum Nachteil einer Angehörigen wurden erschwerend berücksichtigt sowie überdies im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungsgrundsätze des § 32 StGB die „Begehung“ während aufrechter Probezeit aggravierend in Anschlag gebracht. Ausgehend davon sah das Erstgericht bei einem infolge Vorliegens der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1a StGB erweiterten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe eine solche von 24 Monaten als schuld- und tatangemessen an.
Die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe sind zu präzisieren, korrigieren und ergänzen.
Der Angeklagte hat sich zu den Punkten 2./ und 3./ anlässlich der Hauptverhandlung vom 2.7.2025 schuldig bekannt und damit im Ergebnis sowohl die objektive und subjektive Tatseite eingestanden (§ 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB). Mit Blick auf die vorliegende Videoaufzeichnung zur Tat vom 9.10.2024 (ON 15.7.2) und die Schilderungen der Zeugen C*, D* und E* F* zur Tat vom 4.3.2025 liegt darin aber – der Ansicht des Erstgerichts und des Angeklagten zuwider – kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB).
Das vom Angeklagten in seinen Gegenausführungen relevierte ordnungsgemäße Verhalten „seit dem letzten Tatzeitpunkt“ ist ebenso wenig mildernd wie der ins Treffen geführte Umstand, dass er nach wie vor mit B* zusammenwohne (vgl im Übrigen jedoch den Bewährungshilfebericht und die Angaben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung, wonach er nicht mehr mit dem Tatopfer zusammenlebe).
Im erschwerenden Bereich ist zu präzisieren, dass sämtliche dem Schuldspruch unterliegende vorsätzliche strafbare Handlungen gegen Leib und Leben zum Nachteil einer Angehörigen begangen wurden (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB), der Angeklagte die Tat vom 9.10.2024 (Schuldspruch 3./) äußerst rasch nach seiner seit 4.9.2024 rechtskräftigen Verurteilung zu ** des Bezirksgerichts Dornbirn setzte, ferner nur wenige Wochen nach seiner am 14.2.2025 zu ** des Landesgerichts Feldkirch erfolgten bedingten Entlassung wiederum einschlägig rückfällig wurde, indem er am 1. und 4.3.2025 die zu 1./ und 2./ abgeurteilten Taten überdies während aufrechter Probezeit beging.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist fallkonkret von 13 einschlägigen Vorstrafen auszugehen, weil Suchtgiftverbrechen gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie alle strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben (RIS-Justiz RS0091972 [T4 und 5]), Sachbeschädigung und Körperverletzung als Aggressionsdelikte auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen (RIS-Justiz RS0091417 [T3 und 6]) und rückfallsbegründende Vorstrafen iSd § 39 StGB zusätzlich als erschwerend zu werten sind (RIS-Justiz RS0091527).
Zutreffend weist die Oberstaatsanwaltschaft darauf hin, dass zu 1./ die doppelte Qualifizierung der Körperverletzung (an sich schwer und mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbunden, US 7) zusätzlich aggravierend in Anschlag zu bringen ist. Weiters blieben die am 1. und 4.3.2025 erfolgten Tatbegehungen mit Blick auf die (in Ansehung des Schuldspruchs 3./) am 17.10.2024 durchgeführte Beschuldigteneinvernahme (ON 15.2.5) während anhängigen Strafverfahrens (RIS-Justiz RS0091096 [T5]) auf der erschwerenden Seite unberücksichtigt. Mangels entsprechender Feststellungen sowie aktenkundiger Anhaltspunkte zur Intensität des zu 1./ konstatierten Fußtritts und sonstigen Begleitumständen der Tat ist in casu – der Ansicht der Oberstaatsanwaltschaft zuwider – von einer Tatbegehung unter exzessiver Gewaltausübung noch nicht auszugehen.
Ausgehend von den überwiegend lediglich zu Lasten des Angeklagten präzisierten, korrigierten und ergänzten, ansonsten zutreffenden Strafzumessungsgründen des Erstgerichts und unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 StGB ist die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe – insbesondere mit Blick auf die drei raschen einschlägigen Rückfälle – eine zu milde Sanktion, die das Unrecht der Taten wie auch die personale Täterschuld nicht ausreichend widerspiegelt und damit in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf zweieinhalb Jahre zu erhöhen war. In dieser Höhe wird die Strafe auch präventiven Strafbemessungserwägungen gerecht. Der Widerruf einer gewährten Rechtswohltat hat dabei – der Ansicht des Angeklagten zuwider – außer Betracht zu bleiben.
Die Verurteilung zum Kostenersatz ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens und stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.
Über die unterbliebene Anrechnung der Vorhaft vom 4.3.2025, 18.53 Uhr bis 20.37 Uhr wird das Erstgericht zu entscheiden haben (§ 400 Abs 2 StPO).
Infolge Abänderung des Strafausspruchs war der davon logisch abhängige Beschluss nach § 494a StPO aufzuheben und hatte das Berufungsgericht darüber selbst zu entscheiden ( Jerabek/Ropper in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 494a Rz 11 und § 498 Rz 8; RIS-Justiz RS0101886, RS0101859).
Der Angeklagte wurde zu ** des Landesgerichts Feldkirch am 14.2.2025 aus der über ihn zu ** des Bezirksgerichts Dornbirn wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB verhängten viermonatigen Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren sowie unter Anordnung der Bewährungshilfe bedingt entlassen. Dies blieb jedoch wirkungslos, beging er doch nur kurze Zeit später jene zu den Schuldsprüchen 1./ und 2./ abgeurteilten strafbaren Handlungen während anhängigen Strafverfahrens. Diese aktenkundige (einschlägige) Rückfallslabilität erfordert – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Bewährungshelferin, die im Ergebnis keine Gründe gegen einen Widerruf benennen konnte – zusätzlich zur Aburteilung in diesem Verfahren und der hier verhängten Freiheitsstrafe in spezialpräventiver Hinsicht auch den Widerruf der bedingten Entlassung zu ** des Landesgerichts Feldkirch, um den Angeklagten in Zukunft von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB). Ein Absehen vom Widerruf würde jegliche Warnfunktion beim rückfallslabilen Angeklagten verfehlen.
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