Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen des Genannten sowie der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 13.1.2025, GZ **-73, nach der am 9.10.2025 in Anwesenheit des Schriftführers Rp Mag. Anwander, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, des Verteidigers RA Mag. Szabo jedoch in Abwesenheit des Angeklagten A* öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird n i c h t Folge gegeben.
Nach § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Ein Jugendschöffensenat des Landesgerichts Innsbruck erkannte mit dem angefochtenen Urteil, das neben einem unbekämpft gebliebenen Konfiskationserkenntnis auch rechtskräftige, zum Teil unbeachtliche Subsumtionsfreisprüche (RIS-Justiz RS0115553) enthält, den am ** geborenen A* des Vergehens der Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten nach § 282a Abs 2 StGB schuldig.
Demnach hat er in ** und andernorts von August 2023 bis zum 22. März 2024 dadurch, dass er Propagandavideos und Propagandalichtbilder über Hinrichtungen und Bombenanschläge des B* mit einer Videobearbeitungs-App bearbeitete und über diverse „Telegram-Channels“ an viele Unbekannte übermittelte, terroristische Straftaten (§ 278c Abs 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB) in einer Art gutgeheißen, die geeignet war, die Gefahr der Begehung einer oder mehrerer solcher Straftaten herbeizuführen.
Hiefür verhängte der Schöffensenat über den Angeklagten nach § 282a Abs 2 StGB in Anwendung des § 5 Z 4 JGG eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, rechnete hierauf aktenkonform die erlittene Vorhaft vom 22.3.2024, 6.45 Uhr bis 13.1.2025 12.07 Uhr gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf die ausgesprochene Strafe an und verpflichtete ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Die gegen dieses Urteil ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 1.7.2025, GZ 12 Os 39/25i-4, zurückgewiesen und die Strafsache zur Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Während das Rechtsmittel des Angeklagten mit dem Vorbringen, bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe sei die Strafe beim unbescholtenen Jugendlichen zu streng bemessen worden, auf ein Absehen von einem Strafausspruch in eventu auf Herabsetzung der Strafe abzielt (ON 74), strebt das Rechtsmittel der Anklagebehörde mit dem Argument unrichtiger Gewichtung der ansonsten vollständig und zutreffend erfassten Strafzumessungsgründe eine Erhöhung der Freiheitsstrafe an (ON 75).
Während die Staatsanwaltschaft auf die Erstattung von Gegenausführungen zum Rechtsmittel des Angeklagten ausdrücklich verzichtet hat (ON 1.47, 1), verwies dieser in seiner Stellungnahme zur Strafberufung der Staatsanwaltschaft auf seine eigene Berufung (ON 76).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer schriftlichen Stellungnahme den Standpunkt, dass beiden Berufungen keine Berechtigung zukomme.
Die Berufungen dringen nicht durch.
Der Schöffensenat konstatierte zu den persönlichen Verhältnissen des unbescholtenen, im Tatzeitraum 16 bis 17-jährigen Angeklagten, dass dieser syrischer Staatsangehöriger und ledig sei, ihn keine Sorgepflichten träfen, er zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft in ** gewohnt und eine monatliche finanzielle Unterstützung von EUR 800,-- erhalten habe, nicht zur Schule gegangen und nicht berufstätig gewesen sei. Zudem sei er vermögenslos und treffe ihn keine Schuldenlast (US 73, 4).
Im Rahmen der Strafbemessung wertete der Schöffensenat mildernd das Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten (zu ergänzen: mit dem die Tat in auffallendem Widerspruch steht), erschwerend hingegen den langen Tatzeitraum. Mit Blick auf den persönlich gewonnenen Eindruck des Angeklagten, der in Bezug auf seine Tat nur ein geringes Unrechtsbewusstsein aufbringen habe können und ihm nur die in Haft zugebrachte Zeit das Unrecht der Tat vor Augen geführt habe, erachtete der Schöffensenat eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten als schuld- und tatangemessen. Aus diesen spezialpräventiven Gründen sei auch weder eine bedingte Nachsicht der Strafe noch ein Schuldspruch ohne oder unter Vorbehalt der Strafe geeignet gewesen, dem Angeklagten das Unrecht seiner „Taten“ vor Augen zu führen und bedürfe es vielmehr der Verhängung einer Strafe, um ihn von weiterer Delinquenz abzuhalten. Die Vorhaftanrechnung wurde ebenso wie die Verpflichtung zum Kostenersatz auf die angezogenen Gesetzesstellen gestützt.
Diese Strafzumessungsgründe treffen im wesentlichen zu, sind aber insofern korrekturbedürftig als der Milderungsgrund der geständigen Verantwortung zu entfallen hat. Ausgehend von der Verantwortung des Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung vom 13.1.2025 „teilweise schuldig“ (vgl ON 72, 2 f) bekannte, ist seinen Depositionen weder ein auch die subjektive Tatseite umfassendes reumütiges Geständnis zu entnehmen noch stellen diese Angaben mit Blick auf die Ergebnisse der vorliegenden Datenauswertung (vgl ON 43) einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung dar ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB, § 34 Rz 38)
Ausgehend von den erstrichterlichen Sachverhaltsannahmen zur subjektiven Tatseite liegt anlassbezogen eine tatbestandliche Handlungseinheit vor, die materiell wie prozessuell lediglich eine Tat darstellt (RIS-Justiz RS0129716), weshalb - der Ansicht der Oberstaatsanwaltschaft zuwider - die Tatwiederholung nicht erschwert gewertet werden kann, wohl aber der Umstand, dass dem Handeln des Angeklagten nicht nur eine einmalige Verfehlung zugrunde liegt, sondern fortgesetzte Handlungen über einen mehrmonatigen Tatzeitraum, sodass der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 1 StGB hierdurch eine besondere Vertiefung erfährt.
Darüber hinaus werden in den Rechtsmitteln keine weiteren bislang unberücksichtigt gebliebenen Strafzumessungsgründe aufgezeigt.
Ausgehend von diesen ergänzten und korrigierten Strafzumessungsgründen sowie unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB ist die verhängte Freiheitsstrafe eine zwar strenge, aber noch schuld- und tatangemessene Sanktion, die das Unrecht der Tat als auch die personale Täterschuld ausreichend reflektiert und auch präventiven Strafbemessungserwägungen Rechnung trägt, weshalb sie einer Herabsetzung nicht zugänglich ist, aber dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft zuwider auch nicht erhöht werden muss.
Da die vom Angeklagten begangene Tat ihrem Wesen nach kein typisches Bagatelldelikt ist und die zu erwartende Strafe das Geringfügigkeitskriterium einer Dreimonatsgrenze deutlich überschreitet, bleibt für einen von der Berufung des Angeklagten geforderten Schuldspruch ohne Strafe kein Raum ( Schroll in Höpfel/Ratz , WK 2JGG § 12 Rz 4 mwN).
Neben spezialpräventivem Sanktionsbedarf infolge des durch die fortgesetzten Handlungen über einen mehrmonatigen Tatzeitraum hinaus hohen Unrechtsgehalt der Tat liegen aber mit Blick auf die durch soziale Medien transportierte Delinquenz und dem davon angesprochenen Adressatenkreis potentieller jugendlicher Straftäter jene besonderen Gründe vor, welche den Ausspruch einer konkreten Strafe unerlässlich erscheinen lassen, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dies steht einer Anwendung des § 13 JGG entgegen ( Schroll aaO § 13 Rz 4, § 14 Rz 5).
Bleibt noch anzumerken, dass die Heranziehung des Umstands, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung nur ein geringes Unrechtsbewusstsein aufbringen konnte als eine für die Strafbemessung, und zwar für die Höhe der ausgemittelten Freiheitsstrafe wie auch für die Nichtanwendung der §§ 37 Abs 1, 43 Abs 1 StGB entscheidende Tatsache (US 11) eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS-Justiz RS0090897), die vom Angeklagten nicht geltend gemacht, aber vom Oberlandesgericht aufgrund der von ihm erhobenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe bei seinem Sanktionsausspruch insofern Rechnung zu tragen ist ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 285i Rz 6), als dies bei Bemessung der Strafhöhe und der Frage ob des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 37 Abs 1, 43 Abs 1 StGB außer Betracht bleibt. Letztere scheitern aber an den fortgesetzten Handlungen während eines mehrmonatigen Tatzeitraums, gänzlich bedingte Strafnachsicht zudem an – im Jugendstrafrecht nicht zur Gänze ausgeschlossenen – generalpräventiven Erfordernissen ( Schroll/Oshidari aaO § 5 vor Z 7 f und 9 ff jeweils mwN).
Damit drangen die Berufungen nicht durch.
Die Verurteilung zum Kostenersatz ist Folge des Ausspruchs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angezogenen Gesetzesstelle.
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