JudikaturOGH

12Os39/25i – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
01. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 13. Jänner 2025, GZ 23 Hv 100/24y 73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Vergehens der Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten nach § 282a Abs 2 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in K* und andernorts von August 2023 bis zum 22. März 2024 dadurch, dass er Propagandavideos und Propagandalichtbilder über Hinrichtungen und Bombenanschläge des IS mit einer Videobearbeitungs App bearbeitete und über diverse „Telegram Channels“ an viele Unbekannte übermittelte, terroristische Straftaten (§ 278c Abs 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB) in einer Art gutgeheißen, die geeignet war, die Gefahr der Begehung einer oder mehrerer solcher Straftaten herbeizuführen.

[3] Weiters wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO von der Anklage freigesprochen, er habe in K* und andernorts von August 2023 bis zum 22. März 2024

A./ dadurch, dass er unter seinem Benutzernamen „t*“ den sich als „Osama“ ausgebenden Betreiber eines „Telegram“ Kanals für „Bomben/Explosives“ über private Nachrichten um Informationen zur Herstellung von Bomben für einen Anschlag auf ein Polizeiauto ersuchte, woraufhin ihm dieser über mehrere Nachrichten über mehrere Tage mitteilte, wie man eine Bombe mit welchen und wo leicht erhältlichen Materialien zu diesem Zweck herstellen kann, sich in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoff, Schuss- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder in einer anderen ebenso schädlichen oder gefährlichen spezifisch zur Begehung einer terroristischen Straftat nach § 278c Abs 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB geeigneten Methode oder einem solchen Verfahren unterweisen lassen, um eine solche terroristische Straftat unter Einsatz der erworbenen Fähigkeiten zu begehen;

B./ sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung, nämlich des „Islamischen Staats IS“, in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese oder deren strafbaren Handlungen fördert, und zwar durch die zu A./ genannte Tat sowie dadurch, dass er über „Telegram“ Propagandavideos und Propagandalichtbilder des „IS“ erhielt, diese mit einer Videobearbeitungs App bearbeitete und sodann an Unbekannte übermittelte;

C./ durch die zu A./ und B./ genannten Taten sich an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, nämlich des sogenannten „Islamischen Staats IS“, als Mitglied im Wissen beteiligt, dass er diese Vereinigung und deren strafbare Handlungen durch die zu A./ und B./ genannten Taten fördert.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die gegen den Schuldspruch gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde stützt der Angeklagte auf § 281 Abs 1 Z 10a StPO. Die Staatsanwaltschaft bekämpft die Freisprüche B./ und C./ mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

[5] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801 [T4]). Diese Vorgaben verfehlt die Rüge, die bloß das Fehlen spezialpräventiver Erfordernisse für die erfolgte Bestrafung (§ 7 Abs 1 letzter Halbsatz JGG) einwendet, aber keinerlei Vorbringen zum Nichtvorliegen schwerer Schuld (§ 7 Abs 2 Z 1 JGG) erstattet und sich insbesondere nicht mit dem vom Erstgericht als erschwerend gewerteten langen Tatzeitraum (US 10) auseinandersetzt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[6] Diese richtet sich allein gegen die Freisprüche zu B./ und C./. Der Rechtsmittelerledigung ist voranzustellen, dass das Schöffengericht das dem Angeklagten angelastete Versenden von Propagandamaterial – abweichend von der Auffassung der Anklagebehörde – dem Tatbestand des § 282a Abs 2 StGB subsumiert hat, womit sich die auf diesen historischen Sachverhalt bezogenen Freisprüche als bloß unbeachtliche Subsumtionsfreisprüche von einer Idealkonkurrenz darstellen (RIS Justiz RS01155 53 ; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 8.174).

[7] Aus deren prozessualer Bedeutungslosigkeit folgt aber, dass solche Freisprüche nicht Gegenstand zulässiger Anfechtung sein können, sondern nur der von der Staatsanwaltschaft aber hier unbekämpft gebliebene Schuldspruch. Insoweit geht die Nichtigkeitsbeschwerde, die im Übrigen auch den (weiteren) Freispruchsteil in Bezug auf die Beschaffung von Anleitungen zum Bombenbau unbeanstandet lässt, von Vornherein ins Leere.

[8] Zudem bemängelt die Beschwerde (Z 5) allein die Begründung der Negativfeststellungen zur Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und einer kriminellen Organisation (US 7). Weil das Erstgericht aber keine Feststellungen zu den weiteren subjektiven Tatbestandsmerkmalen des § 278a StGB (Bestehen einer kriminellen Organisation, Ausrichtung und Zielsetzung) sowie § 278b StGB (terroristische Zweckausrichtung) getroffen hat, wären insoweit Feststellungsmängel prozessförmig geltend zu machen gewesen (RIS Justiz RS0118580; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.210). Das pauschale Vorbringen im Rahmen der Mängelrüge, wonach „aus Basis der vorhandenen Verfahrensergebnisse“ Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten erforderlich gewesen wären, reicht hierfür nicht aus.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung, die die gänzlich erfolglose Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nicht umfasst ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 8), gründet auf § 390a Abs 1 StPO.