JudikaturOLG Innsbruck

11Bs207/25s – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
16. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Mag. a Hagen als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten Mag. Dampf und die Richterin Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* B*wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7.5.2025, GZ **-206, nach der am 16.9.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Ölmez, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Willam, der Angeklagten und ihres Verteidigers RA Dr. Herbert Pertl öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird mit der Maßgabe n i c h t Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4.6.2025, rechtskräftig seit 4.6.2025, AZ **, als Zusatzstrafe verhängt wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde A* B* jeweils eines Vergehens des „teils vollendeten, teils versuchten“ Diebstahls nach §§ 127, 15 (zu ergänzen [vgl A/5.]: und 12 dritter Fall) StGB (A), der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (B), der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (C) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach §§ 241e Abs 3 StGB (E) sowie mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D) schuldig erkannt.

Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen hat die Angeklagte in **

A)

fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,-- jedenfalls nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

B)

am 16.03.2025 den C* durch eine Textnachricht des sinngemäßen Inhalts, wenn C* ihr nicht zumindest einen Teilbetrag in Höhe von EUR 30,-- des zuvor von ihm rechtmäßig von A* B* erhaltenen Taxifuhrlohns wieder zurückgebe, werde er das gestohlene Handy von ihr nicht mehr zurückbekommen, sohin durch Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe des nach Ansicht von A* B* zu Unrecht verlangten Geldbetrages, zu nötigen versucht;

C)

am 12.02.2025 ein Blankorezept der I* ausgefüllt und selbst mit einem Stempel der gynäkologischen Ambulanz abgestempelt, somit eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich dass sie berechtigt ist, das betreffende Medikament zu beziehen, gebraucht werde;

D)

am 21.05.2023 Urkunden, über die sie nicht oder nicht alleine verfügen hätte dürfen, nämlich das ÖBB-Klimaticket, die E-Card und den Reisepass des M*, mit dem Vorsatz vernichtet bzw. unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

E)

am 21.05.2023 ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht oder nicht allein verfügen hätte dürfen, nämlich die Bankomatkarte des M*, mit dem Vorsatz, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt.

Hiefür wurde die Angeklagte in Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 39 Abs 1a StGB nach § 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 207) und fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft, die auf eine Erhöhung der Freiheitsstrafe abzielt und behauptet, das Erstgericht habe den Erschwerungsgründen insgesamt deutlich zu geringes Gewicht beigemessen und liege die Strafe gerade über der Hälfte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens (ON 211).

Die Angeklagte beantragt in ihrer Gegenausführung, der Berufung nicht Folge zu leisten (ON 213).

Die Oberstaatsanwaltschaft tritt in ihrer Stellungnahme der Berufung bei.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt mit der im Spruch ersichtlichen Maßgabe keine Berechtigung zu.

Voranzustellen ist, dass die Angeklagte während des Berufungsverfahrens mit (weiterem) Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4.6.2025, rechtskräftig seit 4.6.2025, AZ **, (erneut) des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt wurde. Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen hat sie nachgenannten Verfügungsberechtigten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar:

Weil beide Taten (vom 22.12.2024 und 28.1.2025) vor dem nunmehr angefochtenen Urteil verübt wurden, war vom Oberlandesgericht auf das rechtskräftige Urteil im Verfahren ** des Landesgerichts Innsbruck gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0090926, RS0090964).

Unter Einbeziehung der Strafzumessungsgründe im Verfahren ** des Landesgerichts Innsbruck waren (insgesamt) mildernd die vollumfänglich geständige Verantwortung der Angeklagten, die teilweise Beschränkung der Taten auf den Versuch sowie die einschränkte Zurechnungsfähigkeit zu sämtlichen Tatzeitpunkten infolge langjähriger, starker Suchtmittelabhängigkeit und - wie in der Berufungsverhandlung deutlich erkennbar - dem dadurch bereits bedingten Persönlichkeitsabbau ( Riffelin WK² StGB § 35 Rz 4 aE).

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts wirkt der Umstand, dass die Taten „teilweise“ im Verhältnis des § 31 Abs 1 StGB zu weiteren Vorverurteilungen stehen, unabhängig davon, dass nunmehr vom Berufungsgericht auf das Urteil des Landesgerichts Innsbruck zu ** Bedacht genommen wurde, schon deshalb nicht mildernd, weil nicht ein wesentlicher und gewichtiger Teil der nunmehr abgeurteilten Taten vor den weiteren Vorurteilen liegt, insbesondere auch nicht die Tat zum Schuldspruch B, die in Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 39 Abs 1a StGB den erweiterten Strafrahmen begründet (RIS-Justiz RS0090555 [insb T3], RS0090813 [T2 und T8]; Ratzin WK² StGB § 31 Rz 22; Tipold in Leukauf/Steininger StGB 5 § 31 Rz 13).

Erschwerend waren hingegen das Zusammentreffen von mehreren Vergehen, die über einen langen Tatzeitraum begangen wurden (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die massive einschlägige Vorstrafenbelastung (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) und im Zuge allgemeiner Strafzumessung (§ 32 StGB) die teilweisen Tatbegehungen während anhängiger Verfahren und die Tatwiederholungen beim Diebstahl. Der Ansicht des Erstgerichts zuwider begründet das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1a StGB keinen zusätzlichen und eigenständigen Erschwerungsgrund, verleiht aber jenem nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB mehr Gewicht.

Ausgehend von den besonderen und allgemeinen Strafzumessungsgründen sowie unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB und der nach § 39 Abs 1a StGB erweiterten Strafbefugnis (Freiheitsstrafe bis zu 1 ½ Jahren oder Geldstrafe bis zu 1080 Tagessätzen) wäre bei gemeinsamer Aburteilung eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten schuld- und tatangemessen. Nachdem über die Angeklagte im Verfahren ** des Landesgerichts Innsbruck eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten verhängt wurde, war der Berufung mit der Maßgabe nicht Folge zu geben, dass die Freiheitsstrafe von 10 Monaten als Zusatzstrafe verhängt wird ( Ratz aaO Rz 4).

Weil die auf eine Strafverschärfung zielende Berufung der Staatsanwaltschaft somit ganz erfolglos blieb, hatte ein Kostenausspruch zu unterbleiben (§ 390a Abs 1 StPO).